Samy Deluxe »Reimtechnisch war Curse immer sehr weit seiner Zeit voraus.«

Vor 15 Jahren veröffentlichte Curse sein Debütalbum »Feuerwasser«.
ALL GOOD begleitet die Feierlichkeiten mit einer ausführlichen Berichterstattung zum Genre-Klassiker. Samy Deluxe wurde im Jahr 2000 zu Curse’ direktem Widersacher gemacht – einen Grund gab es dafür natürlich nicht, erzählt Samy im Interview.

Samy Deluxe / Feuerwasser

Um die Jahrtausendwende stilisierte man den 22-jährigen Samy Deluxe und den ein Jahr jüngeren Curse zu den großen Rivalen einer neuen Reimgeneration. Zwei Jungspunde, die beide mit überbordendem Talent das sich sowieso schon im Umbruch befindende Genre Deutschrap auf ein neues Level hieven sollten. Curse aus Minden war eng mit der Vorgänger-Generation durch die Stieber Twins und Cora E. sowie DCS und STF verbandelt und fuhr durch zwei Singles und eine EP reihenweise Respekt ein – Samy Deluxe dagegen hatte Hamburg mitsamt Beginnern, Eins Zwo und 5 Sterne Deluxe hinter sich und sein Demotape sowie das »Füchse«-Feature rüttelten die Szene ordentlich durch. Zwei unterschiedliche Typen, die einen ähnlichen szenischen Werdegang vorweisen konnten und von allen Seiten ob ihres Talent als die nächsten Großen gehandelt wurden. Ihre beiden Debütalben »Feuerwasser« und »Deluxe Soundsystem« sollten schließlich Ende März 2000 am gleichen Tag erscheinen.

15 Jahre später erinnert sich Samy Deluxe im Interview an die ständigen Vergleiche mit Curse, die damalige Zeit im Allgemeinen und »Feuerwasser« im Speziellen. Das Interview ist Startschuss für und Teil einer umfassenden Berichterstattung um das »Feuerwasser«-Jubiläum, das mit großer, exklusiv von uns präsentierter »Feuerwasser 15«-Tour ab November in den kommenden Wochen auf ALL GOOD begleitet wird.

  • Wie stehst du zu »Feuerwasser«?

  • Ich habe es als Album so ganz nie richtig gehört. Ich kenn‘ natürlich die Singles und weiß, dass es damals am gleichen Tag wie »Deluxe Soundsystem« herauskam, aber ich habe Curse immer als Lyricist gefeiert. Ich kannte auf jeden Fall »Zehn Rap-Gesetze«, was ich auch auf Platte hatte. Die erste EP hatte ich auch. 

  • Wie fandest du die Songs von Curse, als du sie damals gehört hast?

  • Ich fand es auf jeden geil: Besonders weil es mich sehr an Showbiz und A.G. erinnert hat. Viele seiner Einflüsse habe ich auch selbst voll gefeiert – die DITC-Sachen zum Beispiel. Das hatte alles so eine geile düstere Atmosphäre und Curse ist mit seinem Flow da krass rübergegangen. Das habe ich gefeiert. So richtig den Zugang dazu, wie krass Curse wirklich ist, habe ich erst später gefunden, als ich mit ihm zusammengearbeitet habe. Für mich war es eben auch immer leicht anstrengend, ihm zuzuhören. Es war damals nie so richtig mein Flash, Curse auf Albumlänge zuzuhören.

  • »Wenn man sich so ein Thema aussucht, dann muss man dem Thema auch gerecht werden. Und das hat er auch geschafft damals.«Auf Twitter teilen
  • Kannst du als Experte ein wenig auf Curse recht eigenen Rap-Stil eingehen?

  • Ich habe immer gefeiert, dass Curse – genau wie ich – nie über den 4/4-Takt drüberstampft, sondern seine Nische darin sucht. Er hat auch immer ein wenig vor dem Beat hergeflowt, anstatt hinterherzuhängen. Da habe ich eben immer Einflüsse herausgehört, die ich von mir kannte. Nas zum Beispiel: teilweise hatte er auch ein Big-Pun-Ding. Diesen Drive habe ich bei ihm immer gehört. Und auch reimtechnisch war er immer sehr weit seiner Zeit voraus. In einer Zeit, in der andere noch Haus-Maus-Reime hatten, kam er schon mit wirklich guten, mehrsilbigen Sachen. Und dazu ist er eben immer ein krasser Erzähler gewesen, vom dem man sich unabhängig von Reimen und Flow immer gerne eine Story anhört. 

  • Als dieser 22-jährige Curse sich das Recht herausgenommen hat, einfach so zehn Rap-Gesetze aufzustellen: Hast du dir da auf den Schlips getreten gefühlt?

  • Das habe ich so nie gesehen. Besonders sein Alter. Ich war in meiner Clique ja auch immer der Jüngste und trotzdem immer der mit der größten Fresse. Ich habe mir auch immer gewünscht, dass Leute, wenn sie mich persönlich treffen, nicht denken, dass ich in dem Moment denke, ich wäre ein besserer Mensch. Ich wollte immer, dass das Leute bei mir trennen, deswegen habe ich das auch bei Curse gemacht. Ich habe den Song gefeiert. Wenn man sich so ein Thema aussucht, dann muss man dem Thema auch gerecht werden. Und das hat er auch geschafft damals. 

  • »Dein erstes Album ist ja immer wie ein Trailer zu einem Film, der danach kommt.« Auf Twitter teilen
  • Ihr wurdet damals zu Gegenspielern gemacht, besonders weil eure Alben am gleichen Tag kamen. Wart ihr das wirklich? 

  • Ich habe das erst im Nachhinein wirklich erkannt. Ich hatte das zum Release gar nicht so auf dem Schirm, wer jetzt zur gleichen Zeit noch ein Album veröffentlicht. Irgendwie war es mir natürlich bewusst, es wurde ja auch auf Promo-Tour in Interviews immer wieder thematisiert. Das kam aber immer eher von außen, als dass ich das von mir selbst aus angesprochen hätte. 

    Auf meinem zweiten Album habe ich das ein wenig thematisiert. Da habe ich dann gesagt: »Ey, ihr wollt immer alles mögliche Persönliche von mir hören, aber da bin ich einfach nicht der Typ dazu.« Das kam auch immer von dem Vergleich mit Curse. Die Leute haben einfach immer etwas von mir erwartet, was ich aber gar nicht angepriesen habe. Dein erstes Album ist ja immer wie ein Trailer zu einem Film, der danach kommt. Wenn jetzt im Trailer eine Liebesszene gezeigt wird, dann müsste die auch im Film vorkommen. Aber ich hatte ja immer nur diesen Spitter-/Battle-Shit gemacht bis dahin. Weil Curse die Ebene im deutschen Rap aufgemacht hat, dass man über seine Beziehung und intime Themen einen coolen Rap-Song machen kann, hat man das auch von mir erwartet. Was du gemacht hast, war eben nie genug. Es hieß immer irgendwie: »Jetzt gib‘ doch mal wirklich was aus deiner Seele preis – so wie Curse das macht.« Aus diesem Grund war mein zweites Album eben auch ein wenig gespickt von solchen Ansagen, die nicht auf Curse selbst bezogen waren, sondern vielmehr auf die Leute, die das von mir verlangt haben. Ich dachte mir dann immer nur: Aber es gibt doch schon Curse. Wieso sollte ich denn das gleiche machen wie er? Ich hab doch ganz andere Talente und lege meinen Fokus auf andere Sachen beim Schreiben. Jeder fühlt sich doch in anderen Themen wohl. Das könnte ich jetzt auf jeden Fall aus unserer langen Koexistenz ableiten. Weil Curse diese Ebene geöffnet hat, wurde das irgendwann mal von jedem erwartet. 

  • Welche Stellung nimmt »Feuerwasser« in der Deutschrap-Historie ein?

  • Es gibt eben eine Handvoll erster Alben von Leuten, die heute immer noch da sind: Das erste Album von Freundeskreis, von Afrob, Dynamite Deluxe, Curse, von Eins Zwo oder den Beginnern. Das sind einfach die Classics. Genauso wie in Amerika ein »Reasonable Doubt« oder »Illmatic«, »Doggystyle« oder »The Chronic«. Das sind eben die Alben, die das Ding hier definiert und auf ein Level gebracht haben, von dem immer noch alle profitieren. Das Skill-Level auf vielen von diesen Alben hat niemand mehr wirklich getoppt.