Liquid »Real – das ist für mich der Bock auf guten Rap.«
Rap aus Bayern: eine Nische. Mundart-Rap: eine andere Nische. Exakt diese Nische in der Nische besetzt seit einiger Zeit der US-Bajuware Liquid, den erst sein oberpfälzischer Sidekick BBou auf die Idee brachte, seinem ausgeprägten Südstaaten-Dialekt freien Lauf zu lassen.
Naturgemäß macht es ein Musiker, der seine Texte in einem – noch dazu recht ausgeprägten Dialekt – vorträgt, zum Einen seinem Publikum, und dadurch in Folge auch sich selbst nicht gerade leicht. Österreichs Texta waren nicht die ersten, die diesbezüglich auf Barrieren stießen. Eine lokale Fanbase feiert und stärkt die sprachliche Identifikation sicherlich ungemein – einer nationalen Karriere als Deutschrapper dürfte es aber nicht unwesentlich im Weg stehen. Harold Merl alias Liquid, der für seine Hommage an zig US-HipHop-Meilensteine kürzlich auch bei den Bescheidwissern von drüben Props bekam, ist das egal. Für ihn endet die Realness nicht bei der Ausdrucksweise. Im Gegenteil.
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Du bist durch BBou zum Mundart-Rap gekommen – warum hast du denn überhaupt zuerst auf Hochdeutsch gerappt?
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Gute Frage! Im Nachhinein frage ich mich das auch. Ich glaube, weil ich in meiner Hochdeutsch-Zeit noch auf der Suche nach meinem eigenen Flow war und ich einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hab. In Mundart zu rappen wäre daher ohne den Rat vom Bou für mich bestimmt erst in Frage gekommen, wenn ich mich damals schon selbst mit der Frage beschäftigt hätte.
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Was hat sich für dich verändert, seit du auf Mundart umgeschwenkt bist?
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Wohl am meisten der Aufbau meiner Texte und meine Stimme. Der Spaß am Rappen natürlich auch, weil ich mich nicht mehr verbiegen muss, um die Sachen zu sagen, die ich eigentlich eh nur auf Bayerisch sagen kann.
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Die gute alte Authentizität als Stichwort: Für dich ist die im HipHop das A & O – wo siehst du die in Rapdeutschland besonders? Oder wo nicht?
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Am meisten fällt mir das Thema bei allen Straßenrappern auf, die zu sehr auf hart machen. Da leidet meiner Meinung nach nicht nur deren Rap drunter, sondern auch deren Ohr für realen Rap. ›Real‹ – das ist für mich der Bock auf guten Rap und das auch in den Texten widerzuspiegeln. Nicht, wer die fetteren Autos oder größeren Oberarme hat.
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Wie kommt man in Regensburg zum Rap?
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Bei mir war’s damals das Skaten und die Jungs, die ich zu der Zeit um mich hatte. Die haben mir die ersten CDs mit Madlib, J Dilla, Deltron Zero und Gangstarr Zeug drauf mit nach Hause gegeben. Letztendlich bin ich dann über Jedi Mind Tricks, Ill Bill und Necro selber zum Texteschreiben gekommen.
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Und wie und wann kamen Du und Maniac in Kontakt?
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Mit Maniac war ich schon in Kontakt, bevor ich bayerisch gerappt hab. Ich habe vor gut fünf Jahren noch direkt in Regensburg gewohnt und war immer auf lokalen HipHop-Jams und Freestyle Battles – da sind wir uns schon gelegentlich über den Weg gelaufen. Einmal haben wir uns zufällig auf dem Splash getroffen, beim Platten durchschauen. Aber so richtig zusammengefunden haben wir dann wirklich erst bei dem Free-Download-Album »Bavarian Wasted Youth«. Da ist alles von ihm produziert.
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Was bedeutet dir deine Region?
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Alles! Da sind meine Leute und da ist meine Heimat!
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Könntest du dir vorstellen, deine Heimat mal zu verlassen – und sei’s nur, um in der Musik weiter zu kommen?
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Nein, meine Heimat längerfristig zu verlassen kommt für mich nicht infrage. Für ein paar Monate vielleicht, um zum Beispiel in Berlin ein Album aufzunehmen – aber auf keinen Fall längerfristig. Dahoam is dahoam!
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Wie würdest du die bayerische Szene im gesamtdeutschen Kontext einordnen?
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Die bayerische Szene ist mir mitunter eh die Liebste. Kano, Demograffics, Edgar Wasser, Fatoni und Lux sind meiner Meinung nach textlich und live überdope! Auch die Mundart-Jungs Doppel D und Bavarian Blast sind killer. Da hat man als MC aus Bayern natürlich den besten Ansporn, auch so etwas Tolles zu leisten, um die bayerische Szene vielleicht sogar irgendwann mal gemeinsam an die Spitze zu pushen.
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Inwieweit findest Du, spielt Regionalität im HipHop zu Zeiten des Internets noch eine Rolle?
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Die Region, aus der du kommst, ist heute wie früher das Wichtigste überhaupt! Da bildet sich deine erste Fanbase und von da aus kann das für die meisten erst groß werden.
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Für dein Video »La Le Lu« hast du viel Aufmerksamkeit bekommen – wie schätzt du deine Chancen ein, mit Mundart-Rap auch überregional was zu reißen?
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Ich schätze, meine Chancen sind recht groß, weil bei meiner Art von Mundart-Rap nicht so sehr die bayerische Sprache im Vordergrund steht, sondern eher meine Raptechnik und die Auswahl meiner Beats. Würde ich kein Bayerisch verstehen oder mögen, würde ich mich selbst wahrscheinlich trotzdem hören, weil das große Ganze stimmt. Saian Supa Crew feier‘ ich auch extrem, obwohl ich nix verstehe! Haha!
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Viele Menschen sehen im HipHop den Text und die Message im Vordergrund – ist dir das demnach weniger wichtig?
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Auf keinen Fall weniger wichtig! Den größten Wert lege ich bei meinen Texten auf Message und Wortspiele. Auch Delivery und Reimketten stehen bei mir ganz vorne. Man könnte vielleicht aufgrund meiner Entscheidung, auf bayerisch zu rappen, davon ausgehen, dass mir das weniger wichtig ist. Allein, weil ich vom Verständnis her die meisten hochdeutschen Hörer nicht erreiche – aber das heißt nicht, dass meine Mundart-Texte weniger Message hätten als anderer, guter Rap. Verstehen tun’s halt leider nur hauptsächlich bayerisch und österreichisch sprechende Leute.
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Wie ist denn die Resonanz aus dem Norden – zum Beispiel auf Live-Konzerten?
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Die Resonanz ist überschaubar, aber zum Glück meistens positiv. Ich will live immer überzeugen und leg‘ daher auch mein Hauptaugenmerk auf meine Liveperformance. Wenn danach dann Leute zu mir kommen, die begeistert waren, obwohl sie kein Bayerisch sprechen, freut mich das natürlich.
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Dein neues Album »La Le Lu« steckt gerade schon im Master – was erwartet uns?
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Bis jetzt kann ich nur sagen: »La Le Lu«, das sind 16 fette Tracks, vier lustige Skits, die Beats alle von Maniac und das Mastering von Kaveli. Ich wollte komplett weg davon, was Leute eventuell von bayerischem Rap denken und erwarten. Keine Blödelhooks auf lustigen Volksmusik-Sample-Beats, sondern harten, echten, sauberen Rap auf Maniac Beats – für den bayerischen Humor wird trotzdem gesorgt.
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Im Interview mit dem BR sagst Du: »Nix geht über die 90er«. Ist diese Zeit, bezogen auf die Beats, das Nonplusultra für Dich?
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Also meine absoluten Lieblings-Beats im Ami-Game kommen von J Dilla und Madlib. In Deutschland sind Maniac, Dexter und Figub Brazlevič zur Zeit meine Favoriten. Ich steh’ in erster Linie auf Sample-Beats und kann nur vereinzelt mit härteren Synthie-Beats etwas anfangen… müssen halt geile Beats sein – ob jetzt 90er Style oder nicht ist dann eher zweitrangig.
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Das Video zu »La Le Lu« ist eine Reminiszenz an viele US-HipHop-Meilensteine. Kannst du auch mit aktuellen Sachen aus den USA etwas anfangen?
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Klar! Kommt aber auch drauf an, aus welcher Ecke es kommt. Heute erst hab ich mir das neue Album von Jeru the Damaja auf Empfehlung von DJ Sticky runtergeladen. Und Madlib bringt auch wieder was Neues, das ich mir auf jeden Fall holen werde.
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Du bist selbst halber Amerikaner, sagst aber, die können dich »kreuzweis’«. Findest Du, Deutschrap orientiert sich zu sehr an dem, was die Amis vorgeben?
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Puh – kein Plan. Ich orientier’ mich, obwohl ich in Mundart reime, auch hauptsächlich an Zeug aus den USA. Meine Lieblingsrapper sind auch alle Amis. Nur das ganze neue Zeug das in Richtung Trap geht, gefällt mir meistens nicht. Liegt auch an den Skills der Rapper, die ich bis jetzt auf solchen Beats gehört hab…
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Beste Mundart-Punchline?
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»I versenk‘ reihenweis‘ Rapper wie es Bermuda-Dreieck / ruder‘ weit weg / weil’s di sunst vermutlich in en Strudel eizeygt!« – von mir.