Mach One »Rap bleibt Rap.«
Sieben Jahre hat das Kreuzberger Urgestein Mach One seine Hörer auf »Meisterstück 2 – Rock’n’Roll« warten lassen, nur um uns jetzt zu zeigen, dass es auch ganz anders geht. Gemeinsam mit seinem »bösen Zwilling« Mo zeigt er Rapdeutschland mit »M.A.C.H.« – nach nur eineinhalb Jahren – erneut kräftig den Mittelfinger.
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Wie bewertest du das letzte Jahr und die Entwicklungen seit dem Release von »Meisterstück 2« im Rückblick?
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Ich hab mir »2012« auf die Hand tätowiert, weil sich da mein Leben auf die Beine gestellt hat. Ich hab viel mehr zu mir gefunden. Ich bin viel aktiver, ich bin mehr aus meinem Schneckenhaus gekommen. Ich hab auch tatsächlich wieder mehr Bock, Musik zu machen. Zwischenzeitlich war ich echt mal an einem Punkt, an dem ich dachte, es macht keinen Sinn mehr. Seit dem letzten Jahr und dem letzten Album fühlt sich alles richtig an.
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Haben für dein neues Album »M.A.C.H.« eigentlich mal Majors an die Tür geklopft?
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Es gab schon immer und gibt immer wieder Anfragen von verschiedenen größeren, aber auch kleinen Labels, die sagen: Wir glauben an dich, du kriegst einen Vorschuss, bla bla. Aber das machen wir halt nicht. Es sei denn, es würde ein richtig geiles Label ankommen; ein Label, das mir versprechen kann, dass ich genau mein Ding machen kann. Die mein Ding auch verstehen und mir Geld geben, damit ich über die Runden komme. Ich brauche was Familiäres! Ich brauche Leute, die sagen: Okay, dieses Album ist jetzt nicht so cool gelaufen, aber scheiß drauf – du bist einer von uns. Hier hast du trotzdem deine Miete und deinen Kühlschrank voll. Ich brauche Leute, die mir einen Rücken geben. Deshalb unterschreibe ich lieber keinen Deal bei irgendwem, sondern lebe einfach mit der Kohle, die ich habe und versuche damit meine Projekte auf die eigenen Beine zu stellen. Ich fühle mich auf eigenen Beinen einfach wohler.
- »Entweder du machst, was du machst, und ziehst es durch. Oder du lässt es bleiben.« Auf Twitter teilen
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Kannst du denn inzwischen von der Musik leben?
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Ich kann momentan davon leben. Ich mach ein Album und hab danach locker ein Jahr Geld davon. Ich teile ja meine Kohle komplett 50/50 mit Mo. Nach einem Jahr ist das Geld dann aber auch verbraucht. Und dann sollte man wieder ein Album machen oder auf Tour gehen.
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Du bist kürzlich auch unverhofft Vater geworden. Wie verändert dich das als Mensch und Rapper?
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Als Rapper beeinflusst mich das null. Ob ich nun Papa bin oder nicht, hat mit Rap nichts zu tun. Wenn Leute sexistischen Rap machen, dann eine Freundin haben und plötzlich meinen, sie könnten das nicht mehr bringen, ist das Blödsinn. Entweder du machst, was du machst, und ziehst es durch. Oder du lässt es bleiben. Rap bleibt Rap. Und dann ist es auch scheißegal, was in meinem Leben passiert – ob ich jetzt eine Tochter habe oder nicht. Natürlich sieht man das Leben aus einem ganz anderen Blickwinkel, weil man plötzlich versteht: Du hast da dieses Leben auf die Welt gebracht und dieses Leben kennt nichts anderes außer sich. Meine Tochter wird denken, sie sei der Mittelpunkt der Welt. Aber ich werde nicht, nur weil ich Vater bin, plötzlich Pussy-Rap machen. Ich werde weiterhin rappen, wie ich immer gerappt hab. Meine Tochter wird jetzt fünf Monate und die erste Zeit war ich fast gar nicht zu Hause. Da überlegt man sich natürlich, was nun wichtiger ist – meine Tochter oder der Job? Bei dem Album hab ich es jetzt noch einmal so durchgezogen, aber das werde ich nicht mehr so machen. In Zukunft werde ich wieder ganz entspannt aufnehmen. So dauert es vielleicht zwei oder drei Jahre, bis ein Album kommt, aber dafür erlebe ich auch ein bisschen was von meiner Kleinen.
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Dein »Schlaflied« singst du deiner Tochter hoffentlich nicht vor.
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Nein, das hat nichts mit meiner Tochter zu tun. »Schlaflied« ist wegen diesem Prügelvideo entstanden, das vor kurzem auf Facebook rumging und viele Leute schockiert hat – mich übrigens auch. Man sieht darin ein paar Mädels in Kreuzberg, die ein anderes Mädel verprügeln. Ich wurde oft von Leuten angeschrieben, ob ich da nicht was machen kann. »Das ist doch Kreuzberg, du bist doch Kreuzberger! Mach doch mal was!« Aber was soll ich denn da machen? Wir haben »Schlaflied« nicht für die Verprügelte, sondern für die Prügelnde gemacht. Denk immer daran: Wenn du einschläfst, dann kommt das alles zurück.
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»M.A.C.H.« habt ihr sehr schnell auf die Beine gestellt. Das Album davor brauchte sieben Jahre. Wolltest du damit zeigen, dass es auch anders geht?
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Ja, genau. Eigentlich dürfte ich das in den Interviews gar nicht so sagen, aber die Ansage war tatsächlich: Wir zeigen jetzt, dass wir noch da sind. Das letzte Album war relativ erfolgreich und die Leute sollten sehen: Der ist nicht wieder für sieben Jahre oder sogar ganz weg. Eigentlich wollte ich das Album richtig hinkacken, einfach nur Blödsinn rappen. Wir haben aber so einen hohen Anspruch an uns selbst, dass wir das nicht hingekriegt haben. Ich wollte es hinscheißen, aber ich hab es nicht geschafft.
- »Ich habe nicht viele Leute namentlich gedisst, aber die, die mir wirklich am Herzen lagen, habe ich auch erwähnt.« Auf Twitter teilen
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Auf »Meisterstück 2« gab es nur ein einziges Feature: Taktlo$$. Auf dem neuen Album sind eine ganze Reihe von Leuten gefeaturet.
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Ich hätte auf dem letzten Album gerne schon viel mehr Features gehabt, aber dann haben wir gesagt: Scheiß auf alle Features, wir machen jetzt ein Soloalbum. Taktlo$$ steht für etwas. Den als einziges Feature auf dem Album zu haben, ist einfach ein richtig geiles Statement. Diesmal gab es keine Dogmen. Isar und Akte hab ich zur letzten Tour mitgenommen, weil sie mir am Herzen liegen. Mit denen hab ich früher immer gerne Musik gemacht und mach es heute noch gern. Das ist back to the roots, zu seinen Anfängen stehen und wissen, woher man kommt.
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Es fällt auf, dass viele Rapper, die schon lange im Game sind, allmählich ein wenig nostalgisch werden.
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Ganz viele werden auch schlecht! Die machen Alben nach Alben und werden dabei immer schlechter. Man kann auch mir nachsagen, dass meine alten Sachen krasser waren, aber bei anderen Rappern sehe ich das ganz deutlich. Wenn ich mir Westberlin Maskulin anhöre und dann die neuen Savas-Sachen … Er hat eben keinen Biss mehr. »King of Rap« ist bei Savas schon lange durch. Den Titel können sie direkt Kollegah geben. Der ist momentan auf jeden Fall der beste Rapper, da braucht man auch gar nicht zu diskutieren. Oder Sido, der jetzt sagt: Ich bin erwachsen, ich bin jetzt Papa. Das mag poptechnisch gut funktionieren, aber Rap ist für mich was anderes. Rap ist auf die Fresse. Und ich habe mir vorgenommen, weiterhin Rap zu machen.
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Zur Wildschweinmaske auf dem Cover: Ist das ein Diss in Richtung Maskenrapper?
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Natürlich ist so ein Wildschwein auch ein geiles Bild. Es ist aber auch eine Spitze gegen die ganzen Maskenrapper. Lance Butters hat zum Beispiel eine Line gegen Berlin gebracht, die er einfach nicht bringen kann. Wer ist er denn? Ganz ehrlich, wenn er durch Berlin läuft und keine »realen MCs« trifft, die »flowen wie Lance« , dann liegt das daran, dass er hier niemanden kennt und nicht flowt.
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Auf dem Album disst du nicht nur ihn namentlich, sondern auch Prinz Pi.
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Wen soll ich denn dissen, wenn nicht ihn? Ich mag ihn und seine Musik einfach nicht. Ich sag nur, was ich ehrlich meine. Das ist jetzt keine große Kampfansage und es wird auch wahrscheinlich das letzte Mal sein, dass ich überhaupt irgendjemanden namentlich auf einem Album disse. Das nächsten Album wird anders. Ich wollte Rap über Rap auf dem Album noch mal richtig ausfahren. Ich habe nicht viele Leute namentlich gedisst, aber die, die mir wirklich am Herzen lagen, habe ich auch erwähnt.
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Du schimpfst auch darüber, dass Kreuzberg von Nicht-Kreuzbergern überschwemmt ist. Fühlst du dich dort manchmal nicht mehr zu Hause?
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Nein. Bei der Line »Ich will mein Kreuzberg zurück/50 Euro Finderlohn« merkt man ja auch schon, wie ernst mir das ist. Klar hat sich Kreuzberg verändert. Größtenteils aber zum Positiven, weil ich heute nicht mehr Angst haben muss, als Deutscher auf die Fresse zu kriegen. Andererseits kriege ich, da ich mich ja in meinem Kreuzberger Umfeld bewege, die Veränderung nicht so mit. Ich sehe die ganzen Touris auf der Straße, neue Geschäfte und plötzlich wird alles schicker, aber meine Jungs haben’s gar nicht gemerkt. Für die ist immer noch alles Ghetto. Die hängen immer noch an der Ecke rum und verkaufen ihr Dope. Und wenn irgendein Touri den Affen macht, gibt es auch immer noch auf die Fresse. Für uns ist Kreuzberg immer noch Kreuzberg. Und solange wir da sind, wird es auch immer noch da sein.
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»Meisterstück 1« hatte den Untertitel »Guter Rap gedeiht im Dreck«. Meinst du, diese Maxime lässt sich verallgemeinern und, wenn ja, gilt sie heute noch?
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Verallgemeinern lässt sich das nicht – das ist eine ganz subjektive Sache. Ich kann Rap von Leuten, die von unten kommen, besser fühlen. Wenn ich merke, dass jemand eine Geschichte und etwas durchgemacht hat, dann kann ich mich damit viel besser identifizieren. Dieses ganze Underdog-Ding ist einfach voll schön.