Aphroe »Mein Rap ist nicht allzu glatt, aber ausgefeilt.«
Im vergangenen Jahr feierte mit »Pottential« nicht nur das zweite RAG-Album zwanzigjähriges Jubiläum. Crewmitglied Aphroe veröffentlichte mit »Akribie« auch eine Solo-EP. Kevin Frese traf den Rapper zum Interview.
Die Mundwinkel noch blutverschmiert von »We Almost Lost Bochum«, da scheint das Comeback am Mic nach acht Jahren Abstinenz unausweichlich. Und so kam es, dass Aphroe im vergangenen Sommer seine dritte EP mit dem Namen »Akribie« veröffentlichte. Im Interview mit ALL GOOD-Autor Kevin Frese spricht die HipHop- und Ruhrpott-Ikone über Vertrautheit und Liebe in Krisenzeiten, seinen Hang zum Perfektionismus und erklärt, welche psychischen Grundbedürfnisse die Veröffentlichung von Musik stillen kann.
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Du bist zurück mit neuer EP. Kommt das jenen, die dich schon kennen und dir wohlgesinnt sind, vielleicht gerade jetzt – in unbeständigen Pandemiezeiten – ein Stück weit recht; weil du ihnen vertraut bist und sie durch diese Vertrautheit wissen, was sie erwartet?
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RAG hat eine sehr treue Die-hard-Fanbase. Ich wusste, dass ich auch mit der neuen Platte diese Leute erreichen und abholen werde. Und klar, wenn man in einer Zeit wie dieser, in der es uns allen mehr oder weniger scheiße geht, eine Rückmeldung kriegt von jemandem, wo man sich schon lange gewünscht hat, dass da mal wieder was kommt, ist das gerade jetzt wahrscheinlich doppelt so gut und tröstet auch über die lange Funkstille hinweg, das mag so sein.
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Von Rapper Nepumuk gibt es die Zeile »Wenn die Beats schon nicht progressiv, dann die Gedanken«. Siehst du dich und deine Musik darin wieder?
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Ja, schon – wobei es gute Elemente in modernen Produktionen gibt, die man mit traditionellem Stuff verbinden kann. Das bringt neuen Wind rein und ist auch super dosiert auf meiner Platte zu finden. Ich habe nichts gegen einen straighten BoomBap-Beat, aber irgendwas muss heute auch in der Produktion anders sein als in 93 oder 98, auch wenn der Vibe irgendwo derselbe bleiben soll.
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Also könnte es durchaus auch passieren, dass deine Rap-Lyrik künftig auf trendige Trap-Hi-Hats trifft?
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Ich bin mittlerweile weit davon entfernt, rechtzeitig einen Trend zu riechen und irgendwo mitaufzuspringen. Das strebe ich nicht an.
- So eine Narbe hier und da kommt immer gut. Auf Twitter teilen
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Dein Rap ist nicht nur übersät von Wortspielen und Metaphern, er ist auch rhythmisch rund, jede Zeile sitzt. Dazu passt, dass du dich im gleichnamigen EP-Song »Akribie« als Freund äußerster Sorgfalt zu erkennen gibst. Wie viel Schliff verträgt Rap?
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So eine Narbe hier und da kommt immer gut. Ecken, Kanten und Makel mögen wir ja auch an uns selber oder an anderen. Mein Rap ist nicht allzu glatt, aber ausgefeilt, Akribie zeichnet mich irgendwie aus – wobei sie auch blockiert, wenn man darauf wartet, dass jetzt wirklich alles stimmt. Von daher sollte man besser nichts kaputtdenken.
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Das sagt man oft perfektionistischen Menschen nach.
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Beim Texten war ich tatsächlich eine lange Zeit perfektionistisch unterwegs, gepaart mit einer eigenen Unsicherheit und dem Drang, es besonders gut zu machen. Um produktiv zu sein und regelmäßig Output zu haben, ist das eher kontraproduktiv. Aber auf der anderen Seite trägt das auch dazu bei, dass mir mein Ruf jetzt vorauseilt und dass ich etwas geprägt habe, was einzigartig oder besonders ist.
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Auf »Kommentarspalter« kritisierst du eine laute Minderheit, die gegen eine vermeintliche »Corona-Diktatur« demonstriert. Was hat dich zu diesem politischen Statement bewogen?
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Der Song zielt in erster Linie auf die Leute ab, die im Netz ungefragt ihre Meinung herausposaunen. Das ging mir hart auf die Nerven. Heutzutage kann man in den sozialen Medien keinen Zeitungsartikel mehr sehen, unter dem nicht ein Haufen Kommentare stehen, die abstrus oder vergiftet sind. Eine kritische Auseinandersetzung finde ich immer gut und richtig, aber sie muss auf Fakten basieren und sachlich bleiben.
- Liebe als positives Gefühl des Miteinanders kann enorme Krisen abwenden. Auf Twitter teilen
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»Liebe ist nicht mal krisensicher / Nur, wenn sie geht, ist eine Krise sicher«, rappst du auf »Als ob«. Kommen dir Zusammenhalt und Liebe in unserer Gesellschaft, speziell mit Blick auf das Pandemiegeschehen, zu kurz?
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Liebe als positives Gefühl des Miteinanders kann enorme Krisen abwenden. Insofern: ja. Und mehr davon täte uns gerade sicher gut.
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»Neunter August« ist der wohl emotionalste Song, den man jemals von dir zu hören bekommen hat: Du thematisierst darin den Tod Gallas, der zur Ruhrpott AG gehörte. Warum war es wichtig für dich, diesen Song zu veröffentlichen?
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Unausgesprochene Gedanken gegenüber Galla lagen mir mehr auf der Seele, als ich vermutete. Der Song musste einfach raus, sobald das Instrumental von Hade seine Wirkung entfaltet hatte. In erster Linie war er wohl eine selbsttherapeutische Maßnahme. Ich habe ihn aber nicht nur für mich geschrieben, sondern auch für andere, damit sie sich in der Erzählung wiederfinden und sie nachfühlen können. Vor allem vom engeren Zirkel habe ich mir das gewünscht.
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Ist die Verarbeitung von Erinnerungen und Zuständen effektiver, wenn man die Öffentlichkeit daran teilhaben lässt?
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Das muss gar nicht die große Öffentlichkeit sein. Da reicht schon ein ganz kleiner Kreis. Und der kann dann viel Trost oder auch Anerkennung spenden.