eloquent »Man wird verrückt, wenn man nach dem Sinn sucht.«

Eloquent und Morlockko Plus kommen mit »Scheitern als Kunst«, einem überaus depressiven und kurzweiligen Album, zum ersten Mal auf LP-Länge zusammen. Till Wilhelm hat den Rapper zum Gespräch getroffen.

Eloquent

2020 hat eloquent zwei Alben und eine EP veröffentlicht, 2021 schon zwei EPs und zwei Alben. Und jetzt: »Scheitern als Kunst«. Mit Producer Morlockko Plus, dem Maskenmann, der nicht spricht, und so ist er auch zum Interview nicht dabei. Das Release ist das wohl düsterste Projekt des Wiesbadener Rappers – bis jetzt. eloquent steht jederzeit knapp am Abgrund und der Abgrund schaut zurück, Peter Sipos beschäftigt sich in Intro und Outro mit der Aussichtslosigkeit des Künstlerdaseins. Und immer die Frage: Kann ich noch aufgeben? Im Interview mit ALL GOOD-Autor Till Wilhelm spricht eloquent über die Sinnlosigkeit des Lebens, Substanzlosigkeit in der deutschen Rapszene und Sprache als Provisorium.

  • Würdest du sagen, »Scheitern als Kunst« ist dein bisher depressivstes Album?

  • Hoffentlich. »Modus Minus« war auch düster, aber der Wutanteil war höher. Da steckte Bissigkeit drin, nicht nur Selbstzerfleischung. Nächstes Jahr wird es aber wahrscheinlich noch zerstörerischer. Das ist kein Vorsatz, mit dem ich an die Musik gehe, sondern spiegelt oft meine Gefühlswelt wieder. »Scheitern als Kunst« ist schon sehr schwermütig, es gibt keinen Hoffnungsschimmer. Fun Fact: Die Platte war für mich auch noch nicht beendet. Aber Morlockko Plus meinte, die Spielzeit der Vinyl sei erreicht. Mit Intro und Outro habe ich aber doch ein Gefühl der Abgeschlossenheit.

  • Eine Zeile, die mir erst beim vierten Hören aufgefallen ist: »Leben ist ein random Auftrag so wie ›Saving Private Ryan‹«. Dem liegt eine Sinnlosigkeit zugrunde,…

  • …die ich tatsächlich oft so empfinde. In mir, in meinem Umfeld, außerhalb meines Umfelds, auf der Welt. Politisch, global, lokal. Es gibt genug Shit, bei dem ich denke: Das ist random. Man wird verrückt, wenn man nach dem Sinn sucht. Besser ist, zu akzeptieren, dass Vieles komplett zufällig passiert.

  • Das Leben wäre einfacher, wenn man sich einen Sinn einbildet.

  • Vielleicht einfacher, aber auch mehr Selbstbetrug. Klar, es gibt auch diese Savas-Zeile, die ich nicht nochmal zitieren möchte. »Der Sinn des Lebens ist dem Leben einen Sinn zu geben«. Das ist ein Kalenderspruch, aber auch Facts: Dinge haben die Bedeutung, die du ihnen beimisst. Wenn du Anfang Zwanzig bist und deine Mutter an Krebs stirbt, bringt das nichts. Das war die liebste Frau der Welt, die hat nie jemandem was getan, sich für alle aufgeopfert. Kippen geraucht, aber nie etwas Krasseres. Oder ein Freund, der viel gesünder lebt als du, stirbt viel zu jung an dieser Drecks-Krankheit ALS. Und du wirfst dich eigentlich weg, seitdem du elf bist. Trinkst Alkohol, nimmst Drogen, einfach alles, und stehst immer noch da. Da hilft dir auch kein Glauben. Wie soll man sich einreden, dass das Sinn hat?

  • Auf dem Intro sagt Peter Sipos, dieses Leben sei sein eigener Fehler, er habe sich dafür entschieden.

  • Das ist aus einem gemeinsamen Gespräch entstanden. Im Künstlerdasein kackt man auf sehr vieles, um sich Freiheiten zu nehmen. Beispielsweise die Freiheit, immer Musik machen zu können und niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Dafür gibt man vieles auf. Das habe ich selbst gewählt, kein Anderer ist dafür verantwortlich. Manchmal geht mir das auf den Sack und ich wünsche mir Normalität. Dann sage ich mir: Jammer nicht und sei nicht bedrückt, du wolltest es genau so. Peter Sipos hat das natürlich überdramatisiert.

  • Im Outro heißt es: »Ich glaube nicht, dass es so etwas gibt wie Aufgeben«. Einige Songs zuvor beteuerst du noch, Aufgeben sei »Eine Option«.

  • Aufgeben ist immer eine Option, gerade in dieser Gesellschaft, die konstant Leistung und Erfolg verlangt. Wenn man nicht gerade suizidgefährdet ist, macht man weiter, egal, ob man nur noch ein Sack Knochen ist. Man kann auch am Leben sein und sich total aufgeben, ohne den letzten Schritt zu tun. Aber wenn man sich nicht umbringt, muss es weitergehen.

  • Fühlst du dich zum Scheitern verdammt?

  • Ich habe das Gefühl, an vielem zu scheitern – vor allem an mir selbst. Ich könnte auch mein Leben daher nehmen, meine Sozialisation, wie meine Eltern hierher gekommen sind, meine Jugend und alle Brüche nehmen und mich so zeichnen, dass ich Opfer meiner Umstände bin. Oder ich kann einsehen, dass ich eigenverantwortliche viele Entscheidungen getroffen habe, die mich an diesen Punkt gebracht haben. Ich bin sehr gut im Scheitern. Und damit spiele ich auch: Jeder rappt über Erfolg, das finde ich langweilig. Ich bin kein Erfolgstyp.

  • Deine Kunst speist sich besonders mit diesem Album aus deiner Depression. Kapitalisierst du dein Leid?

  • Das ist eine Form von Selbstausbeutung. Kunst ist immer Selbstausbeutung. Wenn du malst oder schreibst, passiert das genauso. Worauf sollst du sonst zurückgreifen? Abgesehen von Blaupausen. Wenn du mit Emotionen arbeitest, müssen es deine eigenen sein.

  • Siehst du die Gefahr, dich von deinem psychischen Unwohlsein abhängig zu machen?

  • Diese Gedanken hatte ich tatsächlich schon. Ich liebe »Modus Minus«, ich liebe »Scheitern als Kunst«. Mir ist es eine riesige Hilfe, das rauslassen zu können. Aber natürlich wünsche ich mir, dass es mir besser geht. Lieber wäre ich rundum glücklich und würde schöne, catchy Songs machen statt depressiven Alben. Von mir aus auch viel weniger, dafür mit einem anderen Vibe. Oft habe ich das Gefühl, dass ich Menschen eher runterziehe mit meiner Musik. Besser wäre, ich würde Andere happy machen. Im Moment ist das Beste, was ich auslösen kann, dass Leute sich verstanden fühlen. Das Problem ist: Ich habe selten bis nie Lösungsansätze, ich gebe keine Hoffnung. Ich habe Angst, dass meine Hoffnungslosigkeit Andere in ihrer Depression bestärkt.

  • In dem Lied »Guap im Fokus« sagst du: »Ich will Grundbesitz, Bitches und ein Haufen Geld scheffeln«. Das kommt unerwartet.

  • Ich wollte das auch mal gesagt haben. Ich übertreibe das nicht, aber natürlich will ich diese Dinge. Die Frage ist, was du bereit bist, dafür zu tun und wie weit man gehen will. Grundsätzlich möchte jeder den materiellen Erfolg. Das ist kein Hauptthema, aber im Kontext des Albums wichtig.

  • Du präsentierst dieses Thema als Struggle, in der »Modus Mio«-Playlist wirken diese Themen häufig wie das neoliberale Geprotze von Neureichen. Sind das zwei Seiten einer Medaille?

  • Wir leben in der gleichen Welt, nur dass ich nicht ins KaDeWe gehe und Geld für Prada ausgebe. Hätte ich das Geld, würde ich das ohne schlechtes Gewissen tun. Und auch bei Rappern wie Yin Kalle wird dem Gerede von Geld und Marken eine gewisse Kaputtheit gegenübergestellt. Viele dieser Charaktere sind super lost. An dieser Stelle ist Rap auch ein Spiegel der Gesellschaft: Es wäre super weird, wenn diese Themen in »Modus Mio« nicht präsent wären. Woher sollen andere Themen kommen? Das ist, was uns vorgelebt wird. Und: Über Erfolge und Status zu rappen, ist ein Sureshot. Das gute Leben ist sexier als Abgründe.

  • Auf »Was sagen die« geht es um die Substanzlosigkeit des Deutschrap. Um Symbole und Gesten, die nichts mehr bedeuten. Wissen Rapper:innen nicht, wovon sie reden?

  • Das ist ein Blaupausen-Ding. Im Mainstream klingt sehr viel gleich, die Inhalte sind ebenfalls die gleichen. Als ob man die Tracks am Reißbrett plant: Ich brauche eine Automarke, eine Taschenmarke, eine Kleidungsmarke, einen fancy Ort in den Kanaren, einen Milliardär, einen Sportler. Das ist nicht kreativ. Ich mag Shindy sehr. Wenn er über Reichtum und Oberflächlichkeiten, versteht man, dass das eben sein Leben ist. Wenn er sagt, er pushe teure Kutschen durch die Weinberge, glaube ich ihm, dass das sein Leben ist. Das sind seine Themen und die will ich von ihm hören, keinen Conscious-Rap über unsere Regierung.

  • Eine weitere sehr spannende Zeile finde ich: »Sprache nicht ausgefeilt, aber sie reicht für jetzt«. Was ging dir beim Schreiben durch den Kopf?

  • Es gibt Leute, die können viel besser sprechen als ich, die sind viel eloquenter. Viel gebildeter und schlagfertiger. Aber für meine Ebene der Existenz reicht meine Sprache aus.

  • Bei Goethe und Schiller war die Sprache und ihre Entwicklung das Höchste, mit Kafka und der Nachkriegsliteratur wurde sie für lange Zeit zum Provisorium. Und heute gibt es Rapper wie Celo & Abdi, die selbst sagen, sie sprechen keine Sprache fließend.

  • Sprache ist immer ein Provisorium, weil sie sich heute aus allen möglichen Quellen speist. Es kommen Anglizismen, da kommen arabische Wörter, Begriffe aus der Sprache von Sinti:zze und Rom:nja, gerade im Hessischen. Sprache ist kein festes System, sondern etwas Fluides, das sich ständig entwickelt. Das muss so sein, deswegen auch ein großes »Fuck You« and den Verein Deutsche Sprache! Was ist los mit euch?

  • Vielleicht: Durch die Brüche in deinem Leben ist auch deine Sprache auch eine gebrochene?

  • So ist es. »Gebrochenes Deutsch« und so.