Veedel Kaztro »Liegen Fliegen (HADE RMX)«
ALL GOOD Premiere

Mit seiner »Büdchen LP« hat der Kölner Veedel Kaztro nach diversen Tapes und seiner halbwegs erfolgreichen Teilnahme am MOT-Turnier deutliche Zeichen gesetzt: Boombap und Trap können problemlos auf einem Album nebeneinander existieren. Und Swag geht auch mit Inhalt und Haltung.

MPM_179_Veedel_Kaztro_Promo(3) by Robert Winter

Das grandiose »Liegen Fliegen« aus besagter »Büdchen LP« gibt’s nun als noch grandioseren Remix aus dem Rechner von MPM-Beatwissenschaftler HADE – als erste ALL GOOD Premiere. Und ein paar Fragen hat uns der sympathische »Kölsch, Kippe, Lederjacke«-Hänger auch gleich noch beantwortet.

  • Auf dem Track »Scientology« beschwerst du dich darüber, dass du gesignt wurdest. Warum das denn?

  • Aus Spaß natürlich. Das ist ein Seitenhieb gegen die Leute, die andauernd von »Managerschwänzen« und der »bösen Industrie« reden – das typische Untergrundgelaber halt. Natürlich läuft in der Musikindustrie schon einiges falsch, aber das immer wieder so platt zu thematisieren und dann noch so wacke Punchlines draus zu machen? Der Manager steht mit der Peitsche hinter dir, dein Label schreibt dir vor, was du machen musst – das gibt’s bestimmt, aber eben nicht in dem krassen Ausmaß, wie das Huss & Hodn zum Beispiel behaupten. Das ist also eigentlich ein Disrespekt an Huss & Hodn, obwohl ich die echt gerne mag. (lacht) Aber ich bin das Thema einfach leid. Wobei ich die Haltung, Anti-Gangster-Rap zu machen, weil Gangsta-Rap in Deutschland gerade erfolgreich war, noch viel schlimmer fand. Im Endeffekt ist das einfach Rumheulerei.

  • Aber das ist ja vor allem ein Vehikel, um eine bestimmte Haltung zu transportieren.

  • Das stimmt natürlich, und im Endeffekt nehme ich solche Songs auch als Battle- oder Representer-Tracks wahr, aber es ist halt schon läppsch. Weil das Thema ist völlig durchgekaut, finde ich. Und solche Punchlines haben halt auch keinen Style. Immer wieder neue Synonyme dafür zu finden, wie dich der Industriepimmel penetriert, das ist played out. Für mich ist das als Thema einfach uninteressant und nervig, deswegen hab ich so einen Track gemacht.

  • Wie war denn deine persönliche Erfahrung mit der Musikindustrie bisher?

  • Die war sehr gut. Ich hab eben fast keine schlechten Erfahrungen gemacht. Obwohl ich bisher eigentlich nur MPM und dich kannte – erst mit den ganzen Interviews jetzt hab ich noch ein paar mehr Leute aus der HipHop-Industrie kennen gelernt. Die Leute von MPM würde ich sogar als Freunde bezeichnen, die sind eigentlich genauso drauf wie ich. Mit denen läuft es richtig super.

  • Was hast du denn davor gedacht, wie Menschen aus der Musikindustrie drauf sind?

  • Ich hatte da kein konkretes Bild. Es kommt ja auf das Label an, was für Künstler die rausbringen und welche Musik da veröffentlicht wird. Ehrlich gesagt, hab ich darüber nicht viel nachgedacht und hatte keine bestimmte Erwartungshaltung. Ich bin ja eher Rap- als Beat-Fan und deswegen hab ich früher natürlich eher Entourage- als MPM-Sachen gehört (lacht) – aber als wir uns kennen gelernt haben, war alles super.

  • »Immer wieder neue Synonyme dafür zu finden, wie dich der Industriepimmel penetriert, das ist played out.«Auf Twitter teilen
  • Nach deinem Signing hast du einen Move gemacht, der in bestimmten Kreisen auch nicht das beste Image hat: Du hast an einem Internet-Battleturnier teilgenommen.

  • Ich hab echt lang überlegt, ob ich das machen soll. Eben, weil ich das VBT überhaupt nicht mag – wobei ich das nicht aus Prinzip scheiße finde oder der Meinung bin, dass ein Battle auf einer Bühne oder in der Cypher ausgetragen werden muss. Wettbewerb finde ich grundsätzlich gut. Aber zum einen haben beim VBT viele Leute ziemlich beschissene, einfallslose Namen – und das regt mich auf. (lacht) Und das wenige, was ich gehört hab, hat mich von den Lines her halt auch nicht umgehauen. Vielleicht hab ich aber auch einfach die falschen Sachen mitbekommen. Das Erste, was ich vom VBT gesehen hab, war so ein 17-jähriger Rapper, der mit seinen Homies auf einer Wiese ein Barbecue veranstaltet und dabei einen Battle-Track performt hat. Richtiger Müll, aber das hatte trotzdem voll viele Klicks. Und das hat mich so aufgeregt, dass ich mir danach kaum mehr was davon reingezogen hab. Das MOT fand ich aber super, eigentlich von jedem Teilnehmer bis auf ein, zwei fand ich mindestens ein Video richtig cool. Mich hat vor allem angesprochen, dass es nicht nur ein Battle war, sondern ein Battle auf Themenbasis. Und da sieht man eben schnell, wer Themen gut umsetzen kann – es ist ja viel einfacher, einen Battle-Track zu machen als einen guten Themensong. Die thematischen Vorgaben beim MOT waren auch so weit gefasst, dass du dir noch richtig was ausdenken konntest. Und das ist ja die Kunst dabei, sich kreativ mit einem Thema auseinanderzusetzen.

  • Das VBT wurde ja oft als Sprungbrett in eine »richtige« Rap-Karriere wahrgenommen. Wie fiel die Resonanz auf deine MOT-Teilnahme aus?

  • Quantitativ war das relativ überschaubar, zumindest gemessen an Facebook-Likes und Klicks – aber ich war zufrieden damit. Viele Leute haben mir geschrieben, dass sie meine Sachen cool finden, und es kam auch ganz konkretes Feedback auf bestimmte Runden. Vor allem die vierte Runde kam sehr gut an. Natürlich gab es auch den normalen Internet-Hate, was ich mir aber nicht wirklich zu Herzen genommen habe. Das kam auch erst in der Battle-Phase, als ich gegen Schote angetreten bin. Natürlich ist das cool zu sehen, wie solidarisch die Fans mit ihrem Favoriten sind und den anderen dann zu Tode haten, aber von der Intensität war ich schon überrascht. Und was die Leute da einem teilweise vorwerfen …

  • Du triffst den Takt nicht, wurde da behauptet.

  • Das ist meines Erachtens völlig haltlos. Auch, dass ich keinen Flow hätte – unverschämt! (lacht)

  • »Ich will auf jeden Fall einen Klassiker machen, und das ist auch drin für mich.«Auf Twitter teilen
  • Was an deiner jüngsten musikalischen Entwicklung sehr interessant ist: Anfangs hast du vor allem auf klassischen Sample-Beats gerappt, dann warst du plötzlich auf Südstaaten-Beats zu hören. Wie kam es dazu? Und wie kam das an?

  • Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich, oft kamen Sprüche wie: Bitte keine Trap-Experimente mehr! Die Leute hatten halt erst meine alten Sachen gehört und dachten, ich mache nur so was. Früher hab ich tatsächlich eher solche Musik gehört, aber mit der Zeit auch immer mehr Rap aus den Südstaaten und Chicago. Und dadurch kam dann eben das Verlangen, so etwas auch mal selbst zu machen. Dazu muss man aber sagen, dass es da ja um Mixtapes ging, und für mich bedeutet »Mixtape« vor allem: Ami-Beats und nur Perlen. Trotzdem soll das ja rund klingen, und deswegen war dann auf dem ersten Tape eben lauter Eastcoast-Shit von Diamond D und Konsorten – wenn ich da noch ein, zwei Südstaaten-Dinger verwendet hätte, wären die zu sehr rausgestochen. Aber ich mag einfach alles: Boombap. Südstaaten-Trap, Westcoast-Sound. Und deswegen will ich auch alles machen.

  • Wie schwierig ist es, für ein Album diese unterschiedlichen Style-Einflüsse zu einem kohärenten Bild zu verschmelzen?

  • Das kann schon schwierig sein, ist aber nicht unmöglich. Auf dem Album ist ja der größte Teil schon noch Sample-Sound, aber ein Drittel geht auch in eine ganz andere Richtung. Ich glaube, viel hängt von der Reihenfolge der Tracks ab. Und die Inhalte und mein Rap-Flavour bleiben ja gleich, egal, auf was für Beats ich rappe. Auch wenn ich andere Patterns verwende, bin ich ja immer noch ich. Und das ist der rote Faden, unabhängig von den Beats.

  • Zum einen ist es natürlich cool, so vielseitig zu sein, andererseits gibt es aber auch die Betonkopf-Fans, die nur den »realen« Boombap-Sound akzeptieren – und Köln scheint für Letztere ja eine Hochburg zu sein.

  • Diese Leute sind mir egal. Ich kann und will es nicht jedem recht machen. Und ich selbst fand auch immer Alben geil, wo nicht jeder Beat gleich klang. Ich mag Abwechslung. Du kennst ja die Floskel »für jeden etwas dabei« …

  • Ja, das ist das Allerschlimmste.

  • (lacht) Das sehe ich eher nicht so. Das Leben ist halt vielfältig und widersprüchlich, und so gehe ich auch meine Musik an. Natürlich wirkt es komisch, wenn man das eine Extrem direkt an das nächste reiht – aber wie gesagt: Es hängt sehr viel an der Reihenfolge der Tracks. Und im Idealfall wird das alles durch meinen Rap zusammengehalten und ergibt trotz stilistischer Vielfalt ein stimmiges Bild. Das habe ich versucht und bin auch mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden.

  • Wie viele Gedanken machst du dir eigentlich über deine Außenwirkung?

  • Es geht. Ich bin vielleicht ein bisschen bescheuert, aber ich mache das einfach so, wie ich denke. Ich hab keinen Masterplan, aber bestimmte Aspekte tauchen halt einfach immer wieder auf – weil es einfach so ist. Dass ich broke bin, ist schon immer ein Thema gewesen. Ich finde das auch viel sympathischer, als wenn jemand andauernd davon erzählt, wie viel Kohle er hat – außer bei 2 Chainz. (lacht) In Amerika geht das ja auch, aber in Deutschland finde ich das affig. Kay One zum Beispiel – ich könnte meinen Jungs nicht mehr in die Augen schauen, wenn ich so was rappen würde. Auch über »Bitches« rappen, das ist überhaupt nicht mein Ding.

  • Das sagst du jetzt, weil du noch broke bist.

  • Ja, natürlich. (lacht) Aber ich glaube auch nicht, dass da in Sachen Cash so viel geht bei mir. Ich will auf jeden Fall einen Klassiker machen, und das ist auch drin für mich. Was Karriere und Arbeit angeht, hab ich noch keinen Plan. Aber ich weiß, dass es auf jeden Fall keine gute Idee ist, sich diesbezüglich auf Rap zu fokussieren. Ich studiere ja auch noch fleißig und gewissenhaft. Vielleicht werde ich auch irgendwann schreiben, so wie du. Jedenfalls will ich keinen 9-to-5-Job machen, der mich deprimiert. Ich hatte schon Zeiten, in denen ich zu wenig Kohle für Essen hatte, und die werden bestimmt auch wieder kommen. Aber das ist halt das Ding: Entweder du gehst auf Sicherheit und suchst dir eine ordentliche Arbeit oder du gehst auf Risiko und machst etwas, was du liebst und dich glücklich macht. Und ich bin auf jeden Fall glücklich.