Kool Savas »Ich wollte Teil einer Familie sein und habe mich schlecht behandelt gefühlt.«

Kool Savas und Put Da Needle To Da Records: nicht das glorreichste Kapitel Deutschrap. Nach der Veröffentlichung unseres ausführlichen Label-Features meldete sich der King of Rap bei ALL GOOD, um der Geschichte, die sich in weiten Teilen auch um ihn dreht, einige ungehörte Details hinzuzufügen – und um auch seinerseits alten Ballast endgültig abzuwerfen.

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Inspiriert von unserem zweiteiligen Label-Spezial »Put Da Needle To Da Records – ein Label und seine Geschichte« mit Peter Sreckovic aka Fast Forward und dem Rest der STF-Crew, kontaktierte Kool Savas die Redaktion, um seinerseits ebenfalls mit uns ein paar Schritte die Memory Lane abzulaufen. Wie in Teil 2 des Features nachzulesen, wurde die alte Fehde mit seinem ehemaligen Label bereits auf dem 80. Geburtstag der Stieber Twins aus der Welt geräumt. Trotzalledem gab es weiterhin viele offene Fragen und Ungeklärtes – sowohl öffentlich, wie auch zwischen den Protagonisten der Auseinandersetzung selbst. Glücklicherweise zeigte Essah sich willens und fähig, diese Lücken bestens gelaunt und (selbst)kritisch mit seinen Erinnerungen und seiner Sicht auf diese Zeit zu füllen.

Aus dem Gespräch entwickelte sich darüberhinaus ein umfassender Rückblick auf Savas’ künstlerische, finanzielle und mentale Situation am holprigen Beginn seiner Karriere zur Jahrtausendwende. Neben nie zuvor gehörten Stories über Beschaffungskriminalität, Minderwertigkeitskomplexe und Mietwagen, erfahren wir Wissenswertes über die Machenschaften von Julian Smith und klären ausserdem die Frage, ob Optik Records je wieder die Pforten öffnen wird. Wenn sich jetzt dann auch noch Aphroe, Laki, Lord Scan sowie Mopz & Melmark zu Wort melden, machen wir ein Reclam draus.

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Mika Väisänen
ALL GOOD Buchtipp: »And It Don’t Stop«

  • Hallo Savas – super Sache, dass Du Dir für unser Gespräch extra noch schnell Software installiert hast. 

  • Klar – sitzt Du denn auch grade in Berlin? 

  • In Köln. 

  • Daher auch die Nähe zu Fast Forward und so, ja? Ich hatte mich gewundert, dass überhaupt mal wieder jemand Put Da Needle aufgegriffen hat. Das fand ich cool. Meistens sind das ja eher die alten Leute, die sich damit noch mal beschäftigen. Ich fand es sehr nice, das alles noch mal zu lesen.

  • Also fühltest du dir beim Lesen nicht auf den Schlips getreten?

  • Nein, überhaupt nicht. Ich fand den Bericht sehr schön, sehr locker. Für mich war alles, was Peter gesagt hat richtig und nachvollziehbar. Das Ding ist: Wir haben ja nie wirklich über all das gesprochen – erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Ich dachte also, dass es ganz schön wäre, das noch mal zu ergänzen. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass da ein falscher Eindruck erweckt wird. Aus seiner Perspektive ist das alles genau so passiert. 

  • Das ist natürlich sehr interessant. Peter, Scope und Tuareg meinten auch, dass es schwierig sei, 15 Jahre später alles richtig auf die Kette zu kriegen.

  • Manche Reaktionen von Peter waren damals für mich total unverständlich. Und jetzt beim Lesen konnte ich dank der zeitlichen Distanz erst nachvollziehen, warum er so und so reagiert hat. Ich bin später in meinem Business ja auch in Situationen geraten, in denen ich mich ähnlich verhalten musste. 

  • »Ich habe extrem Respekt vor Älteren und wollte den großen Brüdern bloß nicht auf den Sack gehen.« Auf Twitter teilen
  • Was meinst du konkret?

  • Da muss ich etwas weiter ausholen: Ich war auf der einen Seite super naiv. Um zu begreifen, was damals bei mir abging, muss man meinen Background kennen. Ich bin so groß geworden: Jeder, der älter war, war ein »Abi«, also ein großer Bruder. Für mich war Peter – genau wie Astrid Milewski und Chris Maruhn – eine der wenigen Personen, die wirklich an mich geglaubt haben. Meine Beziehungen in diesem Rap-Ding waren damals schon sehr emotionaler Natur. Ich habe gar nicht gemerkt, dass das ja auch ein Geschäft ist. Es gab viele Dinge, die ich mich gar nicht getraut habe, anzusprechen. Ich fand sehr lustig, als Tuareg meinte, dass ich so schüchtern gewesen sei. Das stimmt wirklich – so bin ich groß geworden: Ich habe zu meinem Vater in meinem ganzen Leben noch nie »Nein« gesagt. Ich habe extrem Respekt vor Älteren und wollte den großen Brüdern bloß nicht auf den Sack gehen. 

  • Den Namen Astrid Milewski könnte man von den legendären MTV-Beiträgen kennen, oder?  

  • Genau, sie hat damals bei »Fett MTV« gearbeitet und etwas mit mir für eine Doku gedreht. Sie mochte meine Mucke und hat mich richtig unterstützt. 

  • Hatte Ono von Walkin‘ Large vorher eine ähnliche Rolle wie Chris, Astrid und Peter, bzw. Fast Forward gespielt? 

  • Ono war der erste, der gesagt hat: »Komm’ mit mir auf die Bühne, du hast Skills, ich glaub’ an dich.« Ich habe Ono bei einem Auftritt in Berlin gebattlet und er fand cool, dass so ein weißer Bengel versucht, auf Englisch zu rappen. (lacht) Für mich war das überkrass – »Riverside Pictures« war damals das gefeierte Album, dicht gefolgt von Massive Tönes »Kopfnicker« und den Stieber Twins. Ich war dann Onos Backup – für mich eine Riesen-Ehre. Von ihm habe ich mir viel abgeschaut, auch den lockeren Umgang mit Cash, der mir eine zeitlang zum Verhängnis wurde. Ono und DJ Ara haben mir einfach bar auf die Kralle gegeben und somit meinen Teil mitversteuert. Dummerweise hab ich das später auch so gemacht: 20 Prozent für den DJ und 20 Prozent für den Backup. Teilweise hatte ich dann weniger als die beiden, weil ich denen steuerfrei ihr Geld geschenkt habe.  

  • Peter hat erzählt, er hätte dein Tape von Chris Maruhn bekommen …

  • Genau, Chris hat das Tape an Smudo geschickt, an Showdown und an Peter. Smudo hat lustigerweise später in einem Interview gesagt: »Warum landet so was wie Kool Savas nicht auf meinem Schreibtisch!« (lacht) 

  • Dein erster Trip nach Aachen war dann direkt für das »Ihr müsst noch üben«-Feature mit STF? 

  • Nein, ich bin hingefahren, weil Peter mich kennenlernen wollte. Wir hatten einmal davor telefoniert. Da hat er wohl gemerkt, dass ich ein ganz ruhiger Typ bin, aber, wenn ich mich erst einmal geöffnet habe, ziemlich abgedreht sein konnte. Bei dem Treffen haben wir vereinbart, dass wir beim nächsten mal etwas für die STF-Single aufnehmen – auch, um mich ein bisschen vorzustellen. Ich erinnere mich noch, wie ungewohnt es war, an einem Mic zu stehen. Normalerweise – zum Beispiel bei den Aufnahmen zu »LMS / Schwule Rapper« – hielt ich das Mic in der Hand. Deshalb ist meine Stimme auf »Ihr müsst noch üben« so komisch tief – einfach, weil ich sonst nie mit Kopfhörern aufgenommen habe und immer gegen den Beat anbrüllen musste. (lacht) 

  • Hast du dann die eigentlichen Releases ausschließlich in Aachen aufgenommen? 

  • Das war das Problem. Ich hatte keinen Führerschein und nicht das Geld, um immer rüberzufahren. Ich habe tatsächlich in Aachen meinen Führerschein gemacht – einfach, um in der Nähe des Labels sein. »LMS« hatte ich schon in Berlin recordet, das war auch auf dem Demo-Tape mit drauf, ebenso »Warum rappst Du?«, »Mehr als erwartet«, »Schwule Rapper« und noch so ein paar Dinger. Ich habe damals mit MK-1 und Staiger einen Tape-Sampler gemacht. Der hieß »Mikrokosmos Berlin No. 1« oder so. Da wollte ich »LMS« ursprünglich draufpacken. Als Fast Forward das dann rausbringen wollte, haben wir den Song bei ihm neu aufgenommen. Aber eben auch mit dem Mic in der Hand. 

  • »Aber für mich ging das nicht so recht mit dem Hype zusammen, den ich doch hatte.«Auf Twitter teilen
  • Peter erzählte von einer weiteren EP, die er gern rausgebracht hätte… 

  • Das war die »Warum rappst Du?«-EP. Da machen wir zeitlich einen Sprung – an dem Punkt war mein Level an Unzufriedenheit und genereller Brokeness so groß, dass ich es nicht mehr bei ihm rausbringen wollte. Er hatte damals schon den Mailorder und das zweite, große Büro. RAG waren sehr erfolgreich, Creutzfeldt & Jakob waren mega erfolgreich. Auf einmal waren alle anderen gut unterwegs – nur meine Gespräche mit ihm schienen mir immer weniger ergiebig. 

  • Wie war denn deine finanzielle Situation zu dem Zeitpunkt? 

  • Ich musste ständig gucken, woher das Cash kam. Mit den Auftritten habe ich zwar etwas verdient, aber wie ich schon meinte, gab es auf einmal Finanzamt-Faxen. Die »LMS«-Single kam ja nur auf Vinyl raus, damit war auch kaum Geld zu verdienen. Ich habe 11.000 Dinger verkauft und ein paar Tausend Mark damit gemacht, aber für mich ging das nicht so recht mit dem Hype zusammen, den ich doch hatte. Das muss ich noch erzählen, weil Haluk (Tuareg von STF, Anm. d. Verf.) doch mein Mietwagen-Problem angesprochen hat. (lacht) 

    Ich war mit Zett und Jack Orsen bei einem Open Air gebucht und kam mit so einem dreckigen, kleinen C-Sportcoupé, so einem kleinen, gemieteten Mist-Mercedes für 100 Mark am Tag dorthin. Immerhin war ich durch »LMS« einer der gehypetesten Rapper in Deutschland. Da kommen Till, Laki, Flipstar und Edla in einem übertrieben dicken BMW X5 um die Ecke – der war nagelneu und bestimmt 120.000 Mark wert. Es war kein Neid, ich hab es denen ja gegönnt, aber mein ganzes Mojo ist komplett in sich zusammengefallen. So auf »Ich bin ein richtiges Opfer!« (lacht)

  • Wie sah es bei dir zuhause aus?

  • Das war das Ding. Ich wusste ja, wie ich in Berlin lebe. Zu dem Zeitpunkt habe ich mit Mel in einer 1-Zimmer-Wohnung gehaust, das sah aus wie in einer Messi-Bude. Wir hatten so viel Stuff… es war richtig abgefuckt. Für Cash habe ich entweder im HipHop-Haus Berlin gearbeitet oder Lesegutscheine verteilt. Mein Equipment war komplett von anderen Leuten zusammengeschlaucht. Die Vierspur musste ich immer mit zur Arbeit ins HipHop-Haus zurückbringen. Mit der habe ich zuhause auf Tape aufgenommen, deshalb war die Quali auch so kacke. Mein S900-Sampler war von DJ Hype geliehen.

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  • Wie hast du die Erfolge deiner Label-Kollegen miterlebt?

  • Um mich herum gingen plötzlich alle durch die Decke, mit denen ich vor einem Jahr noch auf demselben Level war. Man muss dazu sagen, RAG waren vier Leute, die kannten sich mit Booking und Verlagsgeschichten aus, Curse hatte einen Manager, Till von Creutzfeldt & Jakob hatte durch seinen Onkel (Herbert Grönemeyer, Anm. d. Verf.) businessmäßig was im Kopf. Aber ich Idiot, ich stand alleine da, hatte keinen Anwalt und habe keinen meiner Verträge je durchgucken lassen. Meine Verträge waren alle Schrott. Ich habe bei Götz Gottschalk einen Verlagsdeal für 2.000 Mark unterschrieben… Gemäß diesem Heads of Agreement, das ich mit Fast Forward gemacht habe, hätte ich 20.000 für mein Album bekommen. Davon hätte ich Steuern bezahlen und Equipment kaufen müssen. Ich hing also in dieser 1-Zimmer-Butze, hatte absolut nix, aber alle sagen mir: »Du bist der deutsche Rapper mit dem größten Hype!«

  • »Es war ja nicht so, dass ich der einzige crazy Dude bei uns war. Die waren alle verrückt!« Auf Twitter teilen
  • War das der Moment, an dem du dich innerlich gegen Put Da Needle entschieden hast?

  • Zumindest ist da so ein Ekelgefühl bei mir entstanden. Ich muss aber auch fairerweise sagen, dass ich Abfuck auf jeden hatte. Zum Beispiel das Feature bei Papzt: Da erinnere ich mich nicht daran, Geld dafür bekommen zu haben. Wenn ich für ein Feature wo hingefahren bin, habe ich dafür bezahlt. Dicker, ich war pleite! True story! Mel wird dir das bestätigen können. Wir sind mit einer Einkaufsliste bei Lidl rein und haben unser Essen zusammengeklaut. Was für ein Opfer musst du sein, um bei Lidl zu klauen? Dann bin ich in Aachen und merke, dieses Label wird immer größer und größer und kriege gleichzeitig mit, dass dieses Wachstum ein Stück weit mit mir zu tun hat. Da hat das Kind in mir gesagt: »Die wollen mich hier alle veräppeln.«

  • Hattest du denn in Berlin damals feste Strukturen? 

  • Das kam dazu. In Berlin hatte ich mit vielen Leuten Streit. Seit ich mit Ono unterwegs war, gab es viel Neid und manche dachten, ich mache jetzt auf Star. Dabei hatte ich nicht mal ein Auto. Ich habe mir später mit Staiger für 1.000 Euro einen Renault Chamade geholt. (lacht) Bei mir haben dauernd Leute angerufen und meinten: »Wir wissen, wo du wohnst!« Und es gab immer Stress mit irgendwelchen Spasten. Innerhalb der Crew hatten alle Streit: Fuat hat Fumanschu gehasst, Taktloss und ich hatten irgendwann unsere Differenzen, Mel hat sich mit Staiger angeschrien. Es war ja nicht so, dass ich der einzige crazy Dude bei uns war. Die waren alle verrückt! Fuat war verrückt, der ist auf einmal in die Türkei abgehauen. Staiger ist ein Geisteskranker, Mel war auf ihre Art wahnsinnig. Wir waren alle nicht normal. Das waren Anstrengungen des Todes, Alter! (lacht) Deshalb war mir dieses Aachen-Ding heilig, das fühlte sich an wie meine Rettung.

  • Haben die Berliner dir mangelnde Loyalität vorgeworfen, weil du woanders Platten gemacht hast? 

  • Nie. Man darf nicht vergessen, dass ich lange vor MOR meine Musik am Start hatte. Ich habe von uns allen die meisten Shows gespielt und Tracks produziert. Ich habe Fuat und den Rest aus ganz anderen Ecken kennengelernt – Fumanschu zum Beispiel durch einen Austausch mit L.A. Diese Leute habe ich im Endeffekt einander vorgestellt. Staiger ist wiederum erst viel später dazu gekommen, als es MOR schon gab. Von deren Seite kam nie Hate – auch weil ich versucht habe, meine Position für die Crew zu nutzen. 

  • Du hast schon angesprochen, dass sich die meisten anderen Acts Hilfe geholt haben und zum Beispiel ein Management hatten. Du hattest dann ja sicher auch das Bestreben, alles zu professionalisieren…

  • Ich musste! Ich habe wirklich aus reiner Verzweiflung heraus agiert. Ich habe das noch nie wirklich erzählt, aber vor meinem ersten Album war ich an einem Punkt, an dem ich keine Mucke mehr machen wollte. Ich konnte mich nicht länger mit MOR und dem Stress in Berlin und mit Staiger herumschlagen und mich gleichzeitig mit meinem Labelboss in Aachen streiten, der mich nicht richtig verstanden hat. Wenn ich Peter am Telefon zum zehnten Mal gesagt habe: »Ich brauche eine Aufnahmemöglichkeit«, dann sagte er: »Komm doch nach Aachen!« Das war ja auch cool, aber ich hatte ja nicht nur Freundin, Katze und alles hier in Berlin, ich musste mich einfach um Sachen kümmern. Meinen Wink mit dem Zaunpfahl hat Fast Forward nicht so gesehen. Ich hätte klare Ansagen machen müssen. Als Creutzfeldt & Jakob ihre ersten Videos auf gutem Niveau gedreht und RAG vor 2.000 Leuten gespielt haben, habe ich noch auf Vierspur aufgenommen. Aber ich war Teil eines Labels, das extrem wichtig war. So ist ein andauerndes Gefühl von Ungerechtigkeit bei mir gewachsen. Ich habe den ganzen Ärger in mich reingefressen, aber das war meine Schuld. 

  • »Ich habe jeden Abend mit den Zähnen geknirscht. Mein Selbstbewusstsein war am Arsch und ich habe angefangen, alles und jeden zu hassen.«Auf Twitter teilen
  • Ähnlich wie bei dir, schien ja auch Peter von dem rasanten Erfolg überrascht gewesen zu sein. So wie ich es verstanden habe, ist das Label schneller gewachsen, als er sich professionell darauf hätte einstellen können. 

  • Das Umschalten hat ja keiner von uns wirklich geschafft. RAG und Creutzfeldt & Jakob noch am besten. Der Klan hatte interne Schwierigkeiten und ich kam gar nicht klar. Ich war aber auch ein Spast – ich hab nichts aus meinem Hype gemacht. Peter sagt ja auch im Interview: »Savas’ Album hat so lange gedauert!« Das stimmt! Ich hatte aber auch bloß eine Vierspur zuhause und als ich mir mal eine MPC und einen DA-88 geleistet habe, war meine Moral schon im Arsch. Warte mal, das DA-88 hat mir sogar einer geklaut…

  • Wer klaut denn einen Tascam?  

  • »Freunde« von Mel und mir sind bei uns ins Erdgeschoss eingestiegen. Das sind übrigens alles Stories, die noch keiner kennt. Wir sind umgezogen in eine 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss und weil wir kein Geld hatten, haben wir Gras verkauft. Mel hat damit angefangen, weil sie selbst ihr Buffen finanzieren wollte. Ich habe ja nicht gekifft, aber bin da automatisch mit reingerutscht. Dicker, wie willst du in so einer Atmosphäre Musik machen? Wenn jeden Tag irgendwelche Leute bei dir reinkommen, um Gras zu kaufen? Du sitzt da und denkst dir: »Ist das ernsthaft, wo ich gelandet bin?« Wenn Leute mir sympathisch waren, habe ich denen meine Tapes überspielt. Die Testpressung von »LMS« habe ich Freunden geschenkt, während ich denen einen Beutel abgepackt habe… und dann sind Leute, die jeden Tag bei uns waren, in unsere Wohnung eingebrochen und haben unser Geld und Equipment geklaut. Ich habe jeden Abend mit den Zähnen geknirscht. Mein Selbstbewusstsein war am Arsch und ich habe angefangen, alles und jeden zu hassen.

  • Also hast du das Album nicht absichtlich zurückgehalten, weil du es woanders rausbringen wolltest?

  • Nein, ich hatte gar nichts – außer die mieseste Schreibblockade. Es wurde erst besser, als ich mit Eko gechillt und meine Pläne konkretisiert habe. Da war endlich alles auf Null gesetzt. Ich hatte davor anderthalb Jahre an einem MOR-Album gearbeitet, an dem ich, lass mich nicht lügen, 6.000 Euro verdient habe. Einfach, weil wir das durch 10 Leute geteilt haben. Justus und Mel haben da auch viel dran gemacht, aber ich hatte mit Abstand am meisten damit zu tun. Ich wollte das einfach nicht mehr. 

  • Irgendwann wurde the infamous Julian Smith dein Manager. Konnte der jetzt eigentlich Deutsch oder nicht?

  • Der konnte nur Englisch. Ich erzähl‘ dir die ganze Story. Zu allererst: Julian Smith ist ein Poser, ein Blender und bis zu einem gewissen Grad ein Betrüger. Aber er konnte mit Menschen reden. Ich habe oft mit Amerikanern zu tun gehabt, die den Anschein von großer sozialer Kompetenz erwecken konnten. Das hat mir im Kontakt mit Peter gefehlt – dem habe ich meine Problemchen durch die Blume gesagt und gehofft, dass er mir als großer Bruder hilft, auch finanziell. Julian Smith war vielleicht ein Betrüger, konnte mir aber das Gefühl geben, dass sich jemand kümmert. Das war damals Gold wert für mich. Ohne dass er gute Intentionen hatte, half er mir so aus dem Tief. Aber im Endeffekt hatte er ein Ziel und wollte an meinen Vorschuss. Er ist damals mit einigen Vorschüssen abgehauen. Glücklicherweise nicht mit meinem, weil ich mich geweigert habe, einen Split-Account zu machen… 

  • Soll das heißen, andere Künstler haben ihre Konten mit dem zusammengelegt? 

  • Das war vielleicht das erste Mal, das ich zu jemandem, mit dem ich cool bin, gesagt habe: »Das geht so nicht.« Seine Argumentation war, er müsse ja meine Rechnungen überweisen und so weiter. Ich meinte nur, dass ich das schon hinkriege, er solle sich mal keine Sorgen machen. Der hat von mir seine Management Fee bekommen und Sentence und Desue an die BMG verkauft. Der hat auch so gut abgesahnt. 

  • Wie erinnerst du die Zeit, als Def Jam Germany und Put Da Needle angefangen haben zu verhandeln?

  • Auf einmal kam in Berlin Gelaber auf. Leute kamen auf mich zu und meinten, dass Def Jam Germany sich mit Peter getroffen habe. Ich dachte, wenn Peter nach Berlin kommt, dann würde er sich doch mit mir treffen und mich mit zum Meeting nehmen. Ein A&R von Def Jam Germany – ich habe den Namen vergessen – kam dann auf mich zu und sagte: »Ganz ehrlich, wir wollen nur dich und Creutzfeldt & Jakob. Der Klan und RAG sind relativ underground, das ist nicht hundertprozentig unser Ding. Aber Kool Savas wird ein Star.« Ich habe ihm gesagt, dass ich bei Put Da Needle bin und wir das nur zusammen als Kooperation machen können. Zu dem Zeitpunkt hatte ich Eko schon kennengelernt und mein Traum war ein Sublabel bei Put Da Needle in Kooperation mit Def Jam. Egal in welcher Konstellation, aber ich wollte, dass alle cool damit sind. Ich hatte auch nicht die Eier, Peter anzurufen und zu sagen: »Ich verpiss‘ mich.« Ich wollte einen gemeinsamen Weg finden. Unterm Strich war Peter mir ja überhaupt keine Rechenschaft schuldig – aber dann ging es mit den Gerüchten los, er habe ein paar Millionen von Def Jam bekommen. Das erwähne ich ja auch auf dem »Fuck Peter«-Track: »Def-Jam-Kohlen, Millionen für jedes Jahr / Und das alles nur, weil ich meinte, ich bleib‘ dem Label loyal.« Für mich schien das logisch: Das Majorlabel ist auf mich zugekommen und wollte mir 80.000 oder 100.000 direkt geben. Für mich war das übertrieben viel Geld, das hätte all meine Probleme auf einen Schlag radiert – vermeintlich. Mir kam es vor, als wenn das Major komplett nur wegen mir Put Da Needle gekauft hätte. Ich habe erwartet, dass Fast Forward mit offenen Karten spielt und mit mir zusammen mein Sublabel verwirklicht. Ich hätte Optik gerne bei Put Da Needle gemacht.  

  • Davon erzählte Peter auch im Interview. Habt ihr euch denn in Aachen nicht noch mal zusammengesetzt, als es mit Def Jam losging?

  • Das war der Knackpunkt. Mein letzter Stand war, PDNTDR sitzen in einem Hinterhof. Ich fahre also ins neue Büro, um über das Album zu reden und sehe dieses Riesen-Ding, Alter. Ein Hof, auf den zehn Autos passen, hinten eine Halle, vorne zwölf Tische mit Leuten, die alle arbeiten… Da haben die ganzen Gerüchte für mich auf einmal Sinn ergeben. In meinem Kopf dachte ich: »Der hat die Kohle von Def Jam bekommen, unter anderem wegen mir, und hat seinen Laden richtig dick gemacht. Und ich sitze hier wie ein Mistvogel in meiner 2-Zimmer-Butze mit den zwei Katzen, mit Leuten, die bei uns einbrechen, und verkaufe Gras!« Das war überkrass für mich. Abends sind wir Essen gegangen und da hat Peter leider Gottes noch mal einen drauf gesetzt. Es ging um dieses Taktloss-Ding: Ich habe wohl irgendwas gesagt wie »Ich habe keinen Bock auf den…« Peter wurde richtig sauer und meinte: »Ich weiß gar nicht, was diese Scheiße soll!« Man muss sagen, Peter hatte eine leicht cholerische Ader, wenn er genervt war. Anders als Staiger, den kannte ich ja und habe dessen Anfälle nicht ernst genommen – aber Peter kannte ich nicht so gut. Der war jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. Wenn der laut wurde, war ich überfordert. Mein Cousin war dabei…

  • Ronald Mack Donald?

  • Ja, genau. Peter hat mich vor meinem Cousin klein gemacht und da war es vorbei für mich. Ich habe mich verabschiedet und auf der Rückfahrt meinen Cousin gefragt: »Bilde ich mir das ein oder hat der mich gerade zum Hund gemacht?« Peters Frau war auch dabei und vielleicht auch Haluk. Das war auf jeden Fall zu viel. Aber verstehst du? Es kamen all diese Sachen zusammen: Meine persönliche Unzufriedenheit, meine Situation, für die er nichts kann. Meine Hoffnungen, die ich in das Label gesteckt habe und all diese Emotions-Scheiße. Und dann diese Geschichten über die Def-Jam-Millionen, das Riesenbüro – und er macht mich an dem Abend noch nieder. Ab da war mir alles scheißegal.

  • »Ich habe die ganze Zeit unter meinen Minderwertigkeitskomplexen gelitten, einfach, weil ich nicht gelernt hatte, mal auf den Tisch zu hauen.«Auf Twitter teilen
  • Wie kam es dann zu dieser »Fuck Peter«-Kampagne?

  • Ich hatte Julian durch Desue kennengelernt. Julian meinte, er kenne Def Jam Germany und wüsste, dass die mich haben wollen. Er war der erste, der mich gefragt hat, was ich die letzten Jahre verdient habe. Von da an bin ich mit Julian unterwegs gewesen und habe das volle Kanne durchgezogen: Der »Fuck Peter«-Track, die »Free Savas«-Aktion. Meine emotionale Bindung hat sich da komplett gedreht. Ich wollte Wind für meine eigene Sache machen und Druck aufbauen, damit Peter mich gehen lässt. Def Jam Germany hatte damit gar nichts zu tun – die hatten da ja auch nichts davon. Die haben nur mit Peter über die Kampagne geredet, weil Julian die Def-Jam-Leute kannte und denen davon erzählt hatte. Def Jam Germany wollte natürlich nicht, dass so eine Scheiße passiert. Deren Traum war, dass Peter mich denen übergibt und sie einen separaten Deal mit mir machen können. 

  • Auf dem »Fuck Peter«-Song erwähnst du, dass du das »King« im Namen hast fallen lassen, um aus dem Vertrag rauszukommen. Ist das richtig? 

  • Wir dachten früher, dass man so aus seinem Vertrag rauskommt. Aber ich glaube, das ist nicht wirklich der Fall. (lacht) Im Nachhinein verstehe ich auch, dass Peter diese ganzen Sachen gar nicht so wahrgenommen hat. Er hat ja nicht mal mitbekommen, dass zwischen Taktloss und mir ein schlechter Vibe herrschte. Das hätte man alles ganz klar, vielleicht sogar schriftlich, kommunizieren müssen. Für ihn war ich wahrscheinlich ein kleiner Junge, der sich Filme schiebt. Ich war ja eh so ruhig, wie Tuareg gesagt hat. Dadurch habe ich mich so unterschwellig geäußert, dass es bei ihm nicht angekommen ist. Ich hätte klipp und klar sagen sollen, was ich gehört habe. Vielleicht hätte er mir gesagt: »Das sind alles Stories – Def Jam haben mir 500.000 für drei Alben gegeben, davon zieh ich mein Label ab und hier ist dein Vorschuss.« Wäre es dazu gekommen, hätte ich mein Album bei ihm gemacht. Erst als ich den Vorschuss von BMG bekam, hatte ich den Kopf frei und konnte Leute bezahlen, um mir zu helfen. Vorher hat Staiger von uns 100 Mark bekommen, wenn er uns mal wo hingefahren hat. Aber Peter stand für mich als Gewinner in der Sache da, als der Starke. Ich hab ja gar nicht mitbekommen, dass diese Zeit für ihn auch voll der Stress war.

  • Warum war Germany dann mit auf dem »Fuck Peter«-Track drauf?  

  • Na, weil der auch so abgefuckt war damals. Reno und Germany hatten ihre Differenzen mit Lord Scan und dazu kam der Streit mit dem Label. Peter hatte mich auch mal vor den Jungs zusammengeschissen, das hat Germany mitbekommen. Germany und ich waren gut befreundet und er wusste aus erster Hand wie ich in Berlin lebe. Und dem Klan ging es vielleicht nicht überprächtig, aber allen ging es besser als mir. Da war das ein Stück weit Kollegialität von ihm.    

  • Wann hat diese ganze anstrengende Zeit für dich aufgehört?

  • Als ich meinen Deal unterschrieben und mich von Julian getrennt habe. Einen Manager zu finden war schwierig, also habe ich mir einen Assistenten besorgt. Ich bin in der Form ja durch Peters Schule gegangen und habe dementsprechend angefangen, mein Merch selbst zu machen. Dazu habe ich jemanden für die Finanzen eingestellt: David Laube, der im Verlauf mein Manager wurde – und es bis heute ist.  

  • Als Eko dir vorgeworfen hat, der zweite Peter Sreckovic geworden zu sein, wusste er wahrscheinlich, dass er dich damit persönlich ärgern kann, oder? 

  • Bestimmt, ja. Aber Eko konnte mir nichts von den Sachen vorwerfen, die ich Peter vorgeworfen habe. Da ging es um andere Themen. Die Geschichte mit Eko ist ja auch sehr weitreichend – ich habe mich im Endeffekt ja von ihm getrennt. Ich habe ihm sagen müssen: »Wenn das dein musikalischer Weg sein soll, habe ich darauf keinen Bock!« Der Unterschied zu Put Da Needle war, dass alle Optik-Artists jederzeit genau wussten, was Sache ist. Jeder wusste, wer wie viel Vorschuss kriegt und dass ich von diesen Vorschüssen sehr, sehr wenig bis gar nichts bekommen habe. 

    Eine kurze Anekdote: Als wir den Deal mit Eko ausgehandelt haben, kam mein Anwalt zu mir und sagte: »Du musst ein paar Prozente nehmen. Der Junge kriegt 50.000, du hast ihn entdeckt, aus Mönchengladbach rausgeholt und seine erste EP produziert.« Das darf man nicht vergessen: Ich habe an dieser EP auf Royal Bunker nichts verdient. Mein Anwalt und Finanzberater meinte, ich setze das falsche Signal. Nämlich, dass meine Arbeit nichts wert wäre. Dabei habe ich einen Haufen Arbeit für Mel, Valezka und Eko übernommen. Er meinte: »Acht Prozent sind immer noch weniger als dir zustehen. Du kannst Eko 20.000 geben und 30.000 für dich behalten – mit ruhigem Gewissen!« Ich konnte das nicht machen und wir haben uns auf zwei Prozent oder so geeinigt. Aber wie gesagt, ich war damals ein Dummkopf. Es war genau wie mein Finanzberater gesagt hat: Ich habe jedem das Gefühl gegeben, dass meine Arbeit nichts wert ist. Das war ein Riesenfehler, aber das musste man mir erst mal einhämmern. Erst als sich mein Album 100.000 mal verkauft hat und die Clubs voll wurden, habe ich gemerkt: Es geht ja doch was. Damit haben sich auch die Probleme verändert – aber meine Laune und mein Leben waren auf einmal selbstbestimmt. 

  • »Ich wollte Teil einer Familie sein und habe mich im Verlauf schlecht behandelt gefühlt.«Auf Twitter teilen
  • Du hast seitdem eine scheinbar sehr selbstbestimmte Karriere verwaltet.  

  • Das waren ja auch wichtige Lehren. Kampfsportler und andere erfolgreiche Leute sagen doch das Gleiche: Deine Niederlagen und was du aus ihnen machst, sind viel wichtiger als deine Siege. Ich bin froh, dass ich einen relativ steinigen und teilweise beschissenen Weg hatte. Nur um das mal greifbar zu machen: Ich bin beim Splash um 12 Uhr morgens aufgetreten – da waren 6.000 Leute! Danach spielten Luke & Swift oder Skills En Masse, da waren noch 500 Leute da. Das war das Ding. Ich habe die ganze Zeit unter meinen Minderwertigkeitskomplexen gelitten, einfach, weil ich nicht gelernt hatte, mal auf den Tisch zu hauen. Ich weiß noch, damals, als jeder Samy in den Arsch gekrochen ist und er sehr viele gute Leute um sich herum hatte, hat er beim Splash 25.000 Euro bekommen und ich bin für 5.000 auf der Bühne rumgekraxelt. So waren die Verhältnisse, obwohl unser Hype eine Zeit lang mindestens ebenbürtig war. Ich habe aus diesen Niederlagen krass viel gelernt. 

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  • Also machst du wohl so schnell kein eigenes Label mehr? 

  • Weißt du, wie viele Leute ankommen und Optik wieder aufmachen wollen? Es gibt Sachen, die mache ich nie weder. Ich will meinen eigenen Kopf nicht ficken und junge Künstler nicht enttäuschen. Wir haben Jungs im Booking, durch die wir im Jahr 200 Euro verdienen, die rufen jeden zweiten Tag meinen Booker an. Das ist nicht böse gemeint, aber die haben einfach den gleichen Kopf wie ich damals.  

  • Das Foto mit Peter vom 80. Geburtstag der Stiebers hattest du doch gepostet, oder? 

  • Ja, genau. Sag mal, war Haluk mir gegenüber eigentlich auch positiv gestimmt?  

  • Über dich als Typ fand er eigentlich nur positive Worte. Mit deiner Musik kann er, glaube ich, nichts mehr anfangen.   

  • (lacht) Das geht mir mit vielen Ami-Rappern ja auch so. Ich habe mich jedenfalls voll gefreut, die Jungs in Heidelberg gesehen zu haben. Das war einfach eine schöne Sache. Denn, sogar wenn es in meinem Kopf nicht mehr herumgeistert, war es eine Last, die man immer mit sich rumgeschleppt hat. Da bin ich auch ein Stück weit Esoteriker. Auf einmal hatte man die Möglichkeit, diese Last mal abzuwerfen und zu sagen: Komm wir befreien uns beide davon und geben uns die Hand wie Männer. Ich habe zu Peter gesagt: »Sorry, dass das so dumm gelaufen ist.« Und er hat sich auch entschuldigt. Ihm ist genau wie mir bewusst, dass wir einander nie etwas Böses wollten. Ich bin nie mit dem Gedanken nach Aachen gegangen, dass da einer mit Geld sitzt und ich den jetzt ausnutze. Gar nicht. Ich denke, das Fazit ist, dass ich da hingegangen bin und meinen Teil dazu beitragen wollte, etwas aufzubauen. Ich wollte Teil einer Familie sein und habe mich im Verlauf schlecht behandelt gefühlt. 

    Aber ich weiß ebenso, dass Peter mich als Künstler nie ausnutzen wollte. Ihm sind genau wie mir bestimmte Sachen über den Kopf gewachsen und er hatte nicht die Erfahrung oder die soziale Kompetenz, um zu verstehen, was ich gerade brauchte. Wäre er einmal in meine Wohnung in Berlin gekommen, hätte einen Umschlag mit Geld dabei gehabt und gesagt: »Ich hab das und das geregelt.« – Dicker, mein Leben wäre alles Sonnenschein gewesen. (lacht)