Aesop Rock »Ich wollte einfach nur rappen.«
Er hat das größte Vokabular im Rap – das ist statistisch nachgewiesen. Aber nicht nur deswegen ist Aesop Rock eine echte Indie-Rap-Größe. Nach 15 Jahren im Spiel veröffentlichte er gerade Album Nummer 7: »The Impossible Kid«. Julian Brimmers sprach mit dem Rapper über Stadt und Land, und über Angst und Humor.
Es klingt wie der Anfang einer Short Story aus dem Creative Writing-Giftschrank:
»New York zu Beginn des neuen Jahrtausends. Ein Kunsthochschulabsolvent und Hobbyrapper steckt in der Klemme. Er verliert sein Appartement, die Langzeitbeziehung geht in die Brüche, und die paralysierende Angst vor seiner ersten Headliner-Tour lässt ihn vor dem Rezept, das in seiner Schublade lauert, kapitulieren. Er macht sich auf den Weg nach Manhattan und erwirbt ein Medikament, das seine Psyche für die nächsten 15 Jahre beeinträchtigen wird. Es ist der 11. September 2001.«
Wer mit solchen Stranger-Than-Fiction-Episoden etwas anfangen kann, dem sei der großartige Open Mike Eagle-Podcast mit Aesop Rock aus dem letzten Jahr ans Herz gelegt. Weitere Einblicke in die geschundene Seele des Künstlers als nicht mehr so jungem Mann bietet »The Impossible Kid«, das neueste Album des einstigen Indie-Rappers mit dem notorisch komplexen Wortschatz. Dass man Aesop Rock mittlerweile statistisch nachgewiesen hat, das größte Vokabular im Rap zu manövrieren, ist unerheblich. Im Nachhinein war das vielsilbige Wortschleudern wohl eines der Hauptprobleme der Indie Rap-Blase – vier Strophen ohne Hook, in denen jede Zeile auf -ology und -ionic endet, sind doch nur selten funky.
Aesops wirkliche Stärke lag stets in seiner Fähigkeit, das Zeichen- und Sample-Bombardement mit One-Linern anzureichen, die den Hörer zurück in die Geschichte ziehen. »The Impossible Kid« ist voll von solchen Momenten. So sitzt Aesop in »Lotta Years« in der Saftbar und sinniert über das Älterwerden, angestoßen von den anklemmbaren Dreadlocks einer Kellnerin. »Rings« behandelt vergessene künstlerische Ambitionen, »Blood Sandwiches« das Verhältnis zu seinen Brüdern und »Get Out The Car« wieder einmal den tragischen Verlust seines alten Def Jux-Kumpels Camu Tao.
Vor kurzem gab Aesop Rock an der Seite von Yo La Tengo sein Late-Night Debüt in der Show von Stephen Colbert. Ein Stück Mainstream-Erfolg, das man der größeren Zugänglichkeit und Offenheit der Platte zuschreiben könnte, oder schlichtweg den 15 Jahren sturen Weiterrappens. Nicht schlecht jedenfalls für jemanden, der das Wort Erfolg wohl auch nach Album Nummer 7 nicht mit der Kneifzange anfassen würde.
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Wessen Kunst im weiteren Sinne hat dich zuletzt beeindruckt?
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Ich mag die Illustrationen von Dan Christofferson sehr – sie lassen mich gut fühlen. Die Animationen von Marty Cooper mag ich auch sehr gern – super witzig und weird. Der Film »The Witch« ist großartig. Ich liebe diese Zeit, Hexen-Überlieferungen finde ich generell super, der Film hat eine super Stimmung kreiert. Mein alter Kumpel Coro hat in letzter Zeit eine Reihe unglaublicher Öl-Gemälde auf Holz gemacht – wirklich abgefahren. Und ich habe gerade die erste Staffel von »Black Sails« angesehen, sehr unterhaltsam.
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Auf welches deiner eigenen Werke bist du besonders stolz?
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Ich weiß nicht. Ich finde nicht, dass mir irgendwas besonders gut gelingt. Wenn ich mal etwas zu Ende bringe, heißt das ja lediglich, dass es durch meine eigenen Qualitätskontrolle gegangen ist. Ich bin kein großer Freund davon, innezuhalten und mir selbst auf die Schulter zu klopfen. Eigentlich bin ich zu nicht viel mehr in der Lage, als Songs zu schreiben. Auch wenn ich gern male, bin ich nicht sehr gut darin. Es ist wie beim Skateboard fahren: Ich bin ziemlich schlecht, aber es macht mir Freude.
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Letztes Jahr hast du in Portland mit Open Mike Eagle darüber gesprochen, nach New York zu ziehen. Damals hattest du Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden – dein Vermieter in spe hatte keine Lust auf Rapper. Davor hast du im Bundesstaat Washington in einer Hütte gewohnt – wie kam das?
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In der Hütte in Washington habe ich fast ein Jahr lang gewohnt. Dort sind auch ein paar Beats und Ideen für das neue Album entstanden. Das letzte Hail Mary Mallon-Album haben wir dort fertig gemacht. Danach bin ich nach Portland gezogen – und bin seitdem hier. In Portland habe ich dann die Ideen aus der Hütte fertig gemacht und neue Sachen geschrieben. Wie gesagt, eigentlich wollte ich zurück nach New York, aber war dann zu sehr damit beschäftigt, das Album fertig zu stellen. Hinzu kam, dass man mich gefragt hat, ob ich den Score zum Film »Bushwick« machen will – da sitze ich gerade dran. Ich dachte einfach, es ist besser, dieses Jahr noch hier zu bleiben, wo die Miete billiger ist. Ich bin sowieso die ganze Zeit unterwegs. Jetzt mache ich erst mal das Album und den Film fertig und vielleicht zieht es mich dann gegen Ende des Jahres in den Osten.
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In unserem letzten Interview haben wir ziemlich lang über deine Schreibtechnik gesprochen. Damals hast du erwähnt, dass du zum Texten den ganzen Tag über Ideen und Beobachtungen aufschreibst. Wie war das während deiner Zeit in der Hütte? Dort warst du ja im Vergleich zur Stadt keinem Überangebot an Informationen ausgesetzt.
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Es gibt immer ein Überangebot an Informationen! Die Hütte bot mir die Chance, für eine Minute abzutauchen und irgendwo anders an Sachen zu arbeiten. Die Hütte war ein guter Start für die Ideenfindung, außerdem diente sie als nettes Konzept, das man schon übertreiben und natürlich auch romantisieren kann. Mittlerweile bin ich ja auch schon seit zwei Jahren zurück in der Stadt. Ich mache mir aber auch nicht nur Notizen, wenn ich durch die Stadt laufe – das passiert auch, wenn ich etwas lese, einen Film schaue, mir Kunst ansehe oder am Telefon bin. Ich schreibe einfach die Sachen nieder, die ich cool finde, weil ich weiß, dass ich sie später brauchen werde. In der Hütte habe ich dem Projekt eine grobe Form gegeben. Ich habe tonnenweise Beats gebaut, von denen auch einige mehr oder weniger auf dem Album gelandet sind. Ich habe viel geschrieben und erste Demos eingespielt. Ich kann gar nicht sagen, wie viel dort entstanden ist, aber die Zeit war für mich sehr produktiv. Ich habe da echt hart gearbeitet und viele der Beats, die es dann doch nicht aufs Album geschafft haben, werde ich irgendwo anders unterbringen. Die längste Zeit liegt vor einem sowieso nur ein Haufen Schnipsel, durch den man sich dann irgendwann wühlt und entscheidet, was gut genug ist, um es fertig zu machen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Hütte schon wieder verlassen.
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Isolation stellt komische Dinge mit einem an…sagt man ja so. Stimmt das? Und: Ist »seltsam« tatsächlich per se besser als »das Normale«, wie du und Homeboy Sandman es auf der Lice-EP behaupten?
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Ich war ja nicht in totaler Isolation, dennoch so sehr auf mich allein gestellt wie noch nie davor. Ich habe mich nie so richtig wohl gefühlt in Menschenmassen oder auch nur in Situation, in denen Menschen um Aufmerksamkeit buhlen. Wenn ich in Situationen komme, in denen ich mich in einem Raum voller Menschen beweisen muss, dann setze ich mich in die Ecke und zeichne etwas auf eine Serviette. So war ich schon immer. Anders zu sein hängt ja auch immer davon ab, wie du Normalität definierst. In dem Song, den du ansprichst – »So Strange Here« – gefiel uns einfach die Idee, dass man außerhalb seiner Komfortzone in Situationen gerät, die man so nicht kennt, mit allem Guten und allem Schlechten. Man fühlt sich irgendwann recht wohl darin, sich unwohl zu fühlen.
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John Darnielle von den Mountain Goats, mit dem du früher zusammengearbeitet hast, sagte mal, dass er viele Jahre gebraucht hat, um persönliche Lyrics schreiben zu können. Nicht, dass alles auf deinem neuen Album offensichtlich ist oder dass deine alten Sachen weniger persönlich wären, aber es scheint, dass es dir leichter gefallen ist, nachvollziehbare Sachen zu schreiben.
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Sowas fällt mir währenddessen nicht auf. Ich mache einfach, was mir in den Sinn kommt – und das ertrinkt manchmal in Metaphern und manchmal ist es viel linearer und klarer. Mir ist erst aufgefallen, dass ich auf den neuen Sachen teilweise viel direkter bin, als mich Leute darauf angesprochen haben. Ich habe das Album fast niemanden gezeigt, bevor es fertig war. Vielleicht zwei, drei Leuten, das war’s. Als es dann mehr Leute gehört haben, ging das Feedback häufig in diese Richtung. Während der Produktion ist mir das nicht aufgefallen. Mir gefällt beides: dieses Verkopfte kann sehr viel Spaß machen, weil du über Sachen sprechen kannst, über die du eigentlich nicht reden möchtest. Die Direktheit verschafft einem eine sofortige Befriedigung, die man unter einer Masse an Metaphern oft nicht findet.
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Zu einem der Schlüsseltracks des Albums, »Blood Sandwich«, habt ihr ein Video gedreht. Was war dein persönlicher »Ich würde sterben, um Ministry live zu sehen«-Moment?
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Ich würde nicht sagen, dass es einen Schlüsseltrack auf dem Album gibt. Für mich hat jeder Track die gleiche Relevanz. Wahrscheinlich hatte ich meinen »Ich würde sterben, um…«-Moment in genau dem Moment, als ich meinen Bruder den Satz sagen hörte. Ich weiß noch genau, wie der Typ, zu dem ich aufgeschaut habe, da saß und irgendwas davon gelabert hat, für ein einziges Konzert sein Leben zu geben. Das hat mich umgehauen und so weit beeinflusst, dass der Rest meines Lebens sich um Kunst und all das drehte. Mein älterer Bruder hat sich immer für Kunst, Musik und coole Scheiße interessiert – ich habe ihn einfach nur nachgemacht. Dass er von einer Band so dermaßen begeistert war, hat mich auf Jahre hin beeindruckt.
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Auf »Rings« heißt es, dass es es dir schwerfällt, über deine eigene Vergangenheit als bildender Künstler nachzudenken. Hast du das Gefühl, du hättest ein Talent auf der Strecke gelassen?
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Nicht unbedingt ein besonderes Talent, aber auf jeden Fall eine Leidenschaft. Etwas, das ich wirklich gern mache, egal ob ich jetzt gut darin bin oder nicht. Die erste Hälfte meines Lebens habe ich so viel Zeit in die Malerei gesteckt, weil es mir einfach so viel Spaß gemacht hat. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, geht mir diese Befriedigung einfach nicht aus dem Kopf – das war mein ein und alles, damit habe ich mich identifiziert und lange gab es nichts anderes, was ich mir für mich vorstellen konnte. Nicht, dass ich auch nur annähernd gut genug gewesen wäre, um irgendwann damit mal Geld zu verdienen, aber ich wollte einfach von nichts Anderem etwas wissen. Und irgendwann bin ich älter geworden und habe diese Begeisterung verloren.
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Du sprichst offen darüber, zum ersten mal seit 15 Jahre nicht auf Medikamente angewiesen zu sein. Hast Du Angst, dass das deinen Kreativprozess in irgendeiner Form beeinflusst? Und spielt das Touren dabei eine Rolle?
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Mit den Medikamenten habe ich tatsächlich in dem Monat begonnen, in dem ich zum allerersten Mal auf Tour ging. Depressionen waren für mich nichts neues, aber zu der Zeit haben mich meine Angstzustände zu stark eingeschränkt. Mental und emotional ging es bei mir schon mein ganzes Leben drunter und drüber, deswegen kann ich gar nicht sagen, ob und inwiefern die Tabletten meine Kreativität beeinflusst haben. Ganz egal, ob es mir jetzt gut oder schlecht ging oder ob der Output erfolgreich oder erbärmlich war – der kreative Drang war immer da. Egal, wie oft meine Mitmenschen oder das Leben mich enttäuscht haben – oder ich mich selbst –, Kunst und Musik waren immer da. Ich bin sicher, dass die Medikamente mich irgendwie beeinflusst haben, aber der Drang zu kreieren war zu groß, als dass mich meine Ängste davon hätte abhalten können.
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Hört man »Get A Dog« von der »Lice«-EP und »Kirby« vom neuen Album ist das ganz schön verwirrend… Ich brauche also einen Hund, wenn ich mich fürchte und eine Katze, wenn ich, was, einsam bin?
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Genau.
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Apropos Katzen, hörst du den »WTF«-Podcast von Marc Maron? Ich habe mir gerade noch mal deinen Podcast mit Open Mike Eagle angehört und dann nochmal seine Unterhaltung mit Maron: Der Katzen-Content, der selbstironische Humor, diese vielschichtige Misere, aus denen du komische Momente ziehst, sowohl in deinen Texten als auch in den »Funny Or Die«-Sketchen – gibt es da Überschneidungen mit Comedians wie Maron?
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Ja, Marons Podcast ist der Wahnsinn. Ich bin ein großer Fan seines Humors. Wenn du mich fragst, ist er dafür geboren, um genau in dieser Form mit Menschen zu sprechen.
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Wie kam es eigentlich zu diesen »Funny Or Die«-Videos?
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Wir hatten schon mal miteinander zu tun, als dort das Video von »Whales« vom Hail Mary Mallon-Album Premiere feierte. Wir haben einfach ein wenig unsere Fühler ausgestreckt, wer Interesse an den Teilen haben könnte und sie sind gleich drauf angesprungen. Für mich passt das auch voll. Ich bin ja kein Comedian, aber diese kleinen Episoden sind ja nicht traurig oder ziehen einen runter. Für mich sind die schon witzig – nicht unbedingt auf eine SNL-Skit-Weise, aber über diese surreale Kante kann man schon lachen. Finde ich zumindest. Nach all den Jahren, in denen ich bei irgendwelchen Ärzten, Therapeuten, Apothekern war und ständig umgezogen bin, ist die Situation, von einem Cartoon-Bär therapiert zu werden, eben genau so passend wie absurd.
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Kannst du die Arbeit an der Lice-EP und deinem Solo-Album vergleichen?
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Ich bin ein großer Fan von Sandman – wenn er rappt, hat das für mich immer etwas Besonderes. Wir haben schon lange darüber gesprochen, gemeinsam aufzunehmen. Aber wir arbeiten beide sehr unterschiedlich. Ich habe wirklich nur mit ein paar wenigen Produzenten gearbeitet – Blockhead, Rob Sonic auf dem Mallon-Kram und mir selbst. Hier und da mal ein Fremd-Beat, aber eigentlich behalte ich das sehr nahe bei mir. So gefällt es mir einfach am besten. Sandman ist genau das Gegenteil. Er hat wirklich immer hunderte Beats von ganz unterschiedlichen Produzenten herumfliegen. Er ist immer auf der Suche nach dem geilsten Scheiß, ganz egal wer ihn produziert hat. Weil ich ja seit einigen Jahren für mich selbst produziert habe, war ich einfach nur froh, dass ich mich dieses Mal nicht um den Teil der Arbeit kümmern musste. Ich wollte einfach nur schreiben. Ich wollte mich einfach nur gehen lassen und alles genießen, ohne mir Gedanken über jedes kleine Sound-Detail machen zu müssen. Also sind wir zusammen ein paar Beats durchgegangen und haben direkt entschieden, auf was wir gemeinsam viben können: Fühl ich das? Kann ich darauf abliefern? Let’s go! Ich wollte einfach nur rappen.
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Die gescratchen Hooks, die psychedelischen Gitarren, die Breakbeats, die Arpeggios und die Orgeln – hast du manchmal das Gefühl, dass du zwar als Texter, nicht aber als Produzent die Wertschätzung bekommst, die dir zusteht?
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Nicht wirklich. Aber so denke ich auch gar nicht. Mir gefällt mein eigener Sound noch gar nicht so lange. Das hat vielleicht bei »Skelethon« angefangen. In den letzten Jahren ist mir erst klar geworden, dass ich den Sound gefunden habe, der mir auf meine ganz eigene Art und Weise steht. Ob ich dafür zu wenig Wertschätzung bekomme? Ich stelle es aus und wenn es Menschen da draußen gibt, die darauf anspringen, dann können sie das gerne.
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Pusha T hat mir neulich erzählt, dass es unglaublich schwer ist, auf Timbaland-Beats den Rhythmus zu halten. Für einen deiner letzten Freetracks hast du den »Untouchable«-Beat genutzt. Stimmt es, dass Busdriver dich auf den Beat gebracht hat?
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Ich habe den Beat schon gefeiert und Pusha finde ich auch grandios – den Song kannte ich also schon. Und natürlich ist Timbaland absoluter Wahnsinn. Ich habe einfach nur ein paar Bars geschrieben und wollte über einen aktuellen Beat rappen. In einem Gespräch mit Busdriver sagte er dann, dass ich doch über das Pusha-Ding gehen soll. Da hat es bei mir geklickt, auch weil der Vibe des Beats auch voll zu mir passt.
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Pusha ist einer der herausragenden Punchline-Rapper. Welchen Stellenwert nehmen Punchlines bei dir im Text ein? Sind »Here’s how the great escape goes, when you can’t take your dead friends names out your phone« oder »This is something I’m willing to die for« nicht irgendwie auch welche?
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Für mich sind das auf jeden Fall Punchlines – egal ob sie jetzt am Höhepunkt des Songs kommen oder nicht. Sie dienen eher als Überraschung im Moment. Punchlines sind super. Eigentlich sind es ja einfach nur Standout-Lines oder Lines mit einem Effekt, den man gut vorbereitet. Im besten Fall ist jede Line eine Punchline, sogar die Aufbau-Lines. Beim Schreiben oder vielmehr generell im Rap geht es doch darum, Spannung aufzubauen und dann alles platt zu machen. Wenn dir das gelingt, dann grenzt es an Magie. Genau das verlangt am meisten von einem ab. Wie effektiv eine Line ist, hängt extrem viel davon ab, wie gut sie vorbereitet ist.
Gerade gestern war ich in einem Skatepark – da spielen sie immer aktuelle Songs. Da ist mir eine Line untergekommen, die mir dann für ein paar Minuten im Kopf geblieben ist. Das hat mich echt gefuchst, weil es eine wirklich gute Line war, die aber schwach eingeleitet wurde und deswegen einfach so vorbeigerauscht ist. Ich möchte nicht sagen, von wem sie war, weil ich hier niemanden dissen möchte… der Song ist sowieso um ein Vielfaches erfolgreicher als alles, was ich jemals gemacht habe. Ich habe mir bloß gedacht, dass die Line einen Verse schließen könnte, so gut ist sie. Du kannst eben eine halbgare Line zu einer guten machen, wenn du sie stark einleitest und eine gute Line in eine außergewöhnliche. Oder aber du setzt eine gute Line in den falschen Kontext und sie verpufft einfach.
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Du hast knapp zehn Jahre lang an der Westküste gewohnt – erst in der Bay Area, dann in Portland. Und jetzt soll es zurück an die Ostküste gehen. Bist du jemand, der die Orte, an denen er mal gelebt hat, glorifiziert? Oder ist es eher »Gott sei Dank bin ich da weg«?
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Ich versuche alles unter Lebenserfahrungen zu verbuchen. Ich habe quasi bis 30 in New York gewohnt, mit der Ausnahme von ein paar Jahren auf dem College in Boston. Mittlerweile habe ich an ganz unterschiedlichen Orten an beiden Küsten gelebt – manche haben mir mehr, manche weniger gefallen. Ich bin ein Mensch, der seine Umwelt aufsaugt und dann wieder ausspuckt, deswegen konnte ich eigentlich von jedem Ort etwas mitnehmen und daraus lernen. New Yorks Einfluss auf die USA und die ganze Welt ist ungebrochen. Ich selbst habe ein ganz spezielles Verhältnis zu New York, eine eigene Geschichte mit der Stadt. Ich liebe New York so sehr, dass es mich nach fast zehn Jahren wieder dorthin zieht. New York macht für mich einfach am meisten Sinn – das gilt für die Stadt an sich als auch für die Menschen dort. Ich wollte einfach diese anderen Orten sehen, ob es wirklich nichts anderes gibt. Ich wollte den Orten zumindest die Chance geben, mich zu beeinflusse, ohne voreingenommen zu sein. Aber den Stellenwert von New York wird keine andere Stadt jemals für mich haben. Tatsächlich ist mir zum ersten Mal überhaupt der Gedanke gekommen, komplett das Land zu verlassen und irgendwo ganz woanders zu wohnen. Nur, um was Neues auszuprobieren und zu sehen, was passiert.
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Du hast seit über 15 Jahren eine »Rap-Karriere«. Deine Diskografie wird als Referenz für alles Mögliche herangezogen. Deine Fan-Basis unterliegt keinen Trendschwankungen. Wie hat sich dein Job in den letzten Jahren verändert?
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Ich wünschte, ich könnte meine Situation so locker beschreiben, wie es ein Außenstehender tut. Für mich hat sich das alles nie so sicher angefühlt. Klar, ich bin jetzt seit ziemlich langer Zeit dabei, aber ich frage mich dann immer, wie viel davon meiner Sturheit geschuldet ist und gar nichts mit Erfolg zu tun hat. Meine Fans sind großartig, aber irgendwie kann ich mich an all das nicht gewöhnen. Rap und Musik generell ist Detailarbeit – ich brauche für ein Album immer ziemlich lange. Ich komme erst dann aus meinem Loch raus, wenn ich glaube, dass ich wirklich etwas Vorzeigbares habe. Ich weiß nie, ob ich wirklich fertig bin. Das Zeichnen war für mich immer eine sehr persönliche Beschäftigung, Musik war eine gemeinschaftliche Sache. Im Rap geht es um die Posse, die Crew, du musst dich zeigen und dich beweisen. Die längste Zeit habe ich das auch gemacht, oder es zumindest mit meiner Musik versucht. Nach ein paar Jahren ist die Musik aber immer persönlicher geworden – auf meinen Alben sind keine 100 Gäste, meistens produziere ich sie komplett alleine. Es ist ein privates Projekt und oftmals vergesse ich, dass es irgendwann mal andere Menschen hören. Ich denke, dass wirkliche Fans das schätzen und deswegen auch zurückkommen. Ich fühle mich auf der Bühne nicht cooler als die Fans vor der Bühne. Ich kann mich echt glücklich schätzen, dass es Menschen da draußen gibt, denen das nicht komplett scheißegal ist.. Wenn es nur nach mir gehen würde, würde ich mich auf die Musik konzentrieren und sie für mich sprechen lassen. Aber so läuft es nun mal. Tatsächlich hat man manchmal das Gefühl, dass die Musik das Unwichtigste an allem ist. Und da wird es dann für mich schon schwierig. Diese ganzen Social-Media-Sachen, die Presse und der ganze Kram soll mir dabei helfen, dass die Menschen da draußen die 15 Songs von meinem neuen Album anhören. Ich bin ja nicht neu in dem Spiel, ich bin kein Jungspund mehr und natürlich nehme ich alle Aufmerksamkeit mit, so lange es mir nicht komplett zuwider ist.
- »Du sprichst hier mit einem Typen, der immer vor allem Angst hat.«Auf Twitter teilen
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Was macht dir mehr Angst – die Aussicht, mit 50 noch zu rappen oder nach einem regulären Job suchen zu müssen?
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Du sprichst hier mit einem Typen, der immer vor allem Angst hat. Es ist schon komisch: Der Gedanke, mit 50 Musik zu machen und davon zu leben, jagt mir eigentlich keine Angst ein. Aber Rap ist komisch und den meisten Rappern gelingt es nicht, so lange fresh zu bleiben. Es gibt nichts Schlimmeres, als einem Rapper dabei zuzusehen, wie er sich lächerlich macht, fest davon überzeugt, dass er sich gerade auf keinen Fall lächerlich macht. Jeder hat es geschnallt, dass der Zug abgefahren ist, nur sie selbst nicht. Ich stelle mir also täglich die Frage, ob ich den Schuss nicht gehört habe. Ich glaube nicht, dass es bei mir der Fall ist, aber ich kenne mich zu gut. Ich würde es definitiv nicht mitbekommen. Das widerum jagt mir eine sehr große Angst ein. Ich unterhalte mich oft mit Sandman darüber. Er meint, ich habe sie nicht alle. Ich sage ihm: »Unsere Uhren ticken!« Ich möchte einfach nur ganz bewusst damit umgehen. Ich will damit nicht sagen, dass es unmöglich ist, ein guter Rapper im gehobenen Alter zu sein, aber…die Uhr tickt. Sandman ist davon überzeugt, dass er für immer fresh sein wird. (lacht) Vielleicht hat er ja sogar Recht. Was einen regulären Job angeht – davor habe ich gar keinen Schiss. Immerhin gehen ja fast alle Menschen einem geregelten Beruf nach. So beängstigend kann es ja nicht sein. Um ganz ehrlich zu sein, in manchen Punkten bin ich neidisch auf einen Arbeiter mit geregeltem Berufsleben. Man will ja immer das haben, was man nicht hat…