Rapsody »Ich musste lernen, komplex und trotzdem simpel zu sein.«
Kendrick, Jay-Z und 9th Wonder sind ihre bekanntesten Fürsprecher. Doch damit ist die Story von Rapsody längst nicht erzählt.
9th Wonder nahm sich früh ihres Talents an. Kendrick packte sie als einzigen Rap-Gast auf »To Pimp A Butterfly«. Jay-Z signte sie bei Roc Nation. Und die Grammys nominierten Rapsody gleich zweimal im letzten Jahr für ihr beeindruckendes Debütalbum »Laila’s Wisdom«. Trotz diesen Co-Signs fliegt die Conscious-Spitterin aus North Carolina noch immer unterm Radar der deutschen Szene und Feuilletons. Wir sprachen mit Rapsody, kurz vor ihrer ersten Soloshow in Berlin, über lokale Legenden und moderne Klassiker.
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Du kommst aus Snow Hill, einer Kleinstadt in North Carolina. Die bekanntesten Rapper aus deinem Heimatstaat waren lange Zeit Petey Pablo und Fred Durst.
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Fred wer?
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9th Wonder: (wirft ein) Durst, von Limp Bizkit! (verlässt den Raum)
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Oh, ich wusste gar nicht, dass Limp Bizkit aus North Carolina sind. (lacht)
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Bis dann irgendwann Little Brother kamen. Heute ist 9th Wonder, der Produzent des Trios, dein Mentor, Produzent und Live-DJ. Hat Little Brother der Region, die später auch J. Cole hervorbrachte, erstmals einen eigenen Sound gegeben?
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Total! Für mich war North Carolina immer ein Melting Pot. Wir liegen in der Mitte der Ostküste, sind also von New York, Jersey und Philly genauso wie von Atlanta und den Südtstaaten beeinflusst. Und wir hören viel Musik von der Westküste. Wie nehmen also von allem etwas. Du musst wissen, North Carolina ist ein sehr religiöser Staat, daher steckt eine Menge Soul in unserer Musik. Aber das entscheidende ist: Wir sind verrückt nach Autos. Es gibt kaum U-Bahnen oder Taxis. Du bist hier immer mit dem Auto unterwegs. Unsere Musik ist also zum Cruisen gemacht.
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Wann hast du Little Brother erstmals wahrgenommen?
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Da war ich im College. Freunde hatten mir das »The Listening«-Album gezeigt. Ich hab das dauernd gehört – im Auto. 9th Wonder kannte ich sogar schon früher, mein Schwager hatte mir mal eine Beat-CD geliehen. Da waren Remixe von ihm für Nas drauf: »God’s Stepson«. Sein Sound war einfach anders. Ich hab ja immer viel New-York-Rap gehört: die Beats von DJ Premier und Pete Rock. Aber wie 9th auf einmal Soul geflippt hat, war anders. Ich war ihm sofort verfallen. Und wie Phonte rappte! Dieser Sing-Sang. Dazu hört man ihm an, dass er stark von Black Thought geprägt wurde. Dass Little Brother dann noch über North-Carolina-Dinge sprachen, änderte meine Perspektive komplett. Sie zeigten, wie groß HipHop aus unser Region sein kann. Little Brother gab uns eine Identität.
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Du hast in den letzten Jahren über 50 Features aufgenommen und warst für dein Major-Debüt »Laila’s Wisdom« mit Kendrick Lamar, Busta Rhymes und Black Thought, also einigen GOATs, im Studio. Wie sehr Battlerapper bist du in diesen Momenten?
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Gar nicht so sehr. Die Songs, die ich mit anderen schreibe, sind eher konzeptionell. Ich versuche natürlich immer, den besten Verse abzuliefern und einen Song zu bereicheren. Zum Beispiel der Track, den ich mit Evidence und Styles P gemacht habe [»Love is a funny Thing«; Anm. d. Red]. Oder »Loved Ones« auf dem neuen PRhyme-Album: ein Liebeslied. Da war schnell klar, welche Perspektive, ich einnehmen sollte. Rapper wollen nunmal Frauen auf Liebesliedern. (lächelt ironisch) Ich denke bei einem Feature eher: Wie kann ich dem Track noch eine weitere Facette geben? Es sei denn, es geht ums Spitten! Dann will ich dich einfach nur killen. (grinst)
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Verstehst du »Laila’s Wisdom« auch als Konzeptalbum?
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Ich kümmere mich schon um Konzepte, einen musikalischen Faden und einen Narrativ. Meine Aufgabe ist es, meine Geschichte zu erzählen. Zu erklären, dass es okay ist, verwundbar zu sein. 9th war für das Sequencing zuständig. Er ist ein Meister als Executive Producer. Songs zu konzipieren, ist wirklich nicht einfach. Ich habe jahrelang die großen Klassiker und Flows studiert. Ich musste lernen, komplex und trotzdem simpel zu sein. Meine frühen Sachen waren wahnsinnig vielschichtig und komplex. Man bekam kaum Zugang zu mir als Person, wenn man die Lyrics nicht umständlich entcoden wollte. Mit diesem Album ist das jetzt anders. Es hat endlich Klick gemacht. Hast du »Matrix« gesehen? Als Neo das erste Mal die Agenten bekämpft. Und die Kugeln in der Luft anhalten. Genau so fühle ich mich jetzt. Auf diesen Moment hab ich so lange hingearbeitet.
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Verstehst du deshalb »Laila’s Wisdom« erst als dein Debütalbum?
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So fühlt es sich an, ja. Obwohl ich seit acht Jahren dabei bin und acht Tapes gemacht hab. Es wirkt, als hätte ich auf diesen Punkt hingearbeitet. Das ist mein Startpunkt auf Mainstream-Level. Das heißt aber nur, das ich starkes Durchhaltevermögen habe.
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Auf dem Outro »Jesus Coming«, nimmst du verschiedene Erzählperspektiven ein, die ein Ereignis aus mehreren Blickwinkeln beschreibt. Wie entstand der Song?
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Die erste Strophe handelt von einem Jungen, der auf einer Party ist und eine Überdosis nimmt. Eine Geschichte, die ich in der Zeitung gelesen hatte. Ein Großteil der populären Musik damals thematisierte Molly und verherrlichte diese neuen Drogen als etwas cooles. Das ist wirklich gefährlich. Und manche dieser Rapper nehmen nicht mal Drogen! Andere Leute gehen wirklich drauf dabei. Welchen Einfluss nimmt das auf unsere Jugend? Stellen wir uns wirklich die Frage, welche Macht wir mit dem Mikrofon haben? Ich wollte diese Geschichte erzählen, aber keine Predigt halten. Keiner will einem Preacher zuhören! Und so hab ich die Story so verpackt, dass jeder sie verstehen kann: aus der Sicht des Jungen, kurz vor seinem Tod. Im zweiten Part beschreibe ich, als Mutter, wie meine Tochter aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe unschuldig erschossen wird. Ihr wisst hier in Deutschland wahrscheinlich, was für Probleme wir mit Waffen in den USA haben. In der dritten Strophe spreche ich über meinen Bruder, der in der Army war. Er diente im Afghanistan-Krieg und hat mir oft erzählt, was er dort gesehen, und wie ihn das geprägt hat. Wo ich herkomme, hört man in den Nachrichten so oft von einem Religionskrieg: Christen gegen Muslime. Das ist doch lächerlich. Wir haben so viel mehr gemeinsam, als das wir verschieden wären. Und wir ziehen garantiert nicht wegen unserem Glauben in den Krieg, sondern weil Menschen, die an der Macht sind, diese Macht ausbauen wollen. Mir ging es bei dem Song einfach darum, einige Themen anzusprechen. Und die lagen mir gerade auf dem Herzen. (lange Pause) Oh, war dir das jetzt zu deep? (Gelächter) Tut mir leid.
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Einige sprachen schon vor der Grammy-Nominierung von einem modernen Klassiker. Was macht für dich ein Album heutzutage zu einem Klassiker?
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Wow, ich weiß gar nicht, ob ich das soundtechnisch benennen kann. Es muss einfach unsere Zeit überdauern. Wenn man ein Album noch in zehn bis zwanzig Jahren hören kann, ist es ein Klassiker. Aber einen Classic kann man nicht beschreiben, man spürt es, wenn man ihn hört.
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Gibt es deiner Meinung nach Neuzeit-Klassiker?
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Auf jeden Fall: Alle drei Alben von Kendrick sind Classics.
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Über »DAMN.« könnte man sich vielleicht streiten.
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Äh, nein. Das ist ein Klassiker. (lacht) Okay, man muss vielleicht differenzieren. Spricht man nur von der Musik? Den Verkäufen? Dem Impact auf die Kultur? Den Kritiken? Wenn man das alles mit einbezieht, muss man die drei Alben als Klassiker bezeichnen. Das letze Jay-Album? Ich denke auch. Es ist März 2018 und die Leute hören immer noch »DAMN.« und »4:44«. Für unsere heutige Zeit ist das eine Ewigkeit.
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Du warst, unter anderem mit »DAMN.« und »4:44«, für das beste Rapalbum bei den Grammys nominiert. Ein Award, der zu letzt stark in der Kritik stand und bei dem sich einige afroamerikanische Künstler unterrepräsentiert fühlten. Wie hast du diese Diskussion miterlebt?
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Ich glaube, dieses Jahr war es erstmals kein Popularitäts-Wettbewerb. Es ging nicht um die meisten Radio-Spins, die meisten Verkaufszahlen. Es ging um die beste Musik. Und darum sollte es auch gehen. Es scheint, als hätte sich die Jury die Bedenken, besonders der HipHop-Community, zu Herzen genommen und wollte das fixen. Das halte ich für eine gute Entwicklung. Perfekt sind die Awards deswegen noch lange nicht. Aber immerhin will man sich verbessern und geht auf die Kritik ein. Mir war wirklich egal, wer von uns gewinnt – Kendrick und Jay sind ja Familie für mich – alle nominierten Alben sind großartig. Das war gut und wichtig für die Kultur.
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Ab wann war Jay-Z, der dich bei Roc Nation gesignt hat, eigentlich in den Albumprozess involviert?
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Erst ganz am Ende, als wir fertig waren – true Story! Nein, Young Guru hatte ihm irgendwann schon mal Tracks vorgespielt. Ich habe ihm dann eine E-Mail mit dem ganzen Album geschickt. Aber, ey, Jay ist ein vielbeschäftigter Mann. Auf die E-Mail hat er erst geantwortet, als die Grammy-Nominierung bekannt wurde. (grinst)
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Hat er dich erst dann als Competition anerkannt?
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(lacht) Nein, Quatsch. Jay unterstützt mich, wo er nur kann. Ich weiß zwar immer noch nicht genau, was er von meinem Album hält. Aber er hat mich schon davor zur Seite genommen und mir gesagt, dass er stolz auf mich ist. Ich schätze also, er mag es. Wenn wir uns bisher gesehen haben, waren wir meistens in Eile oder auf einer Party. Und wer will da schon über Musik reden? Da frag ich ihn meistens nur: Na, Jay, wo ist der Belvedere? (lacht)