Yaw Herra »Ich liebe Rap wirklich, aber dieses Drumherum ist mir zu viel Show.«
Mittlerweile veröffentlicht der Koblenzer Rapper Yaw Herra seine Musik über das eigene Label Rule Breaker Records, wo bald auch sein Debütalbum »ERROR« erscheint. Bis dahin war es ein langer Weg. ALL GOOD-Autorin Sofie Rathjens sprach mit ihm über Crossover-Sound und eine eigene Haltung im Deutschrap.
Vor sieben Jahren begann Yaw Herra seine Idee vom Rappen und Musikmachen ernst zu nehmen. Seitdem hat der Koblenzer mehrere Mixtapes und EPs veröffentlicht und sein eigenes Label Rule Breaker Records an den Start gebracht. »Koblenz represent« gehört zu einem der Statements, mit denen man bei einem Auftritt von Yaw Herra rechnen kann. Die Stadt ist seine Heimat – und taucht doch auf der Deutschrap-Karte kaum auf. Zu klein ist die Szene, die sich auf eine überschaubare Anzahl an Locations für Gigs oder Jams reduziert. »Ein paar Sprüher, einige Skater, viel mehr an HipHop-Szene gibt es hier eigentlich nicht«, sagt Yaw Herra. Das hat ihn jedoch nie davon abgehalten, weiter mit der Musik zu machen. Nach einigen Releases auf Corn Dawg Records veröffentlicht er jetzt auf Rule Breaker Records. Darauf wird in Kürze auch sein Debütalbum »ERROR« erscheinen.
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Du hast mal erzählt, dass dein Weg zu HipHop durch die Schule kam. Du hattest eine Musiklehrerin, mit der ihr im Unterricht 50 Cent gehört habt…
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Das stimmt, darüber habe ich mich vor ein paar Tagen gerade erst noch mit jemandem unterhalten. Tatsächlich hatten wir das Glück, eine Musiklehrerin zu haben, die den anderen Lehrern da einiges voraus hatte. Sie war so offen, uns Schülern die Möglichkeit zu geben, uns im Unterricht die Musik, die wir in unserem Alter so gehört haben, gemeinsam anzuhören und damit auseinanderzusetzen. Da waren auch 50 Cent und G-Unit dabei, daran kann ich mich noch erinnern, vor allem an den Track »Stunt 101«. Zu der Zeit kam auch »8 Mile« in die Kinos – und ich war einfach mega geflasht von dem ganzen HipHop-Ding. Aber in dem Moment habe ich noch nicht selbst zu texten begonnen. Das kam etwas später auf dem Song »Eines Tages« von Azad und Cassandra Steen. Weil sie damals der Anfang von allem war, möchte ich bald einen Song mit Cassandra zusammen aufnehmen – das gehört zu den Dingen, die jetzt geplant sind. Mein erster Text war allerdings richtig schlecht, ehrlich gesagt. (lacht) Als ich später die Aufnahmen gehört habe, hat es mir echt nicht gepasst, deshalb habe ich danach erst mal ganz lange nichts mehr gemacht.
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Inzwischen hast du deinen Weg fortgesetzt und mehrere eigene EPs und Mixtapes herausgebracht, von BoomBap bis Battle-Rap. Dein Plan war es sogar, Elemente von Crossover und Nu Metal in deine Musik einfließen zu lassen, oder?
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Ja, und ich habe das Gefühl, das ist mir auf den Alben, die als nächstes erscheinen werden, auch gelungen. Mir gefiel zum Beispiel Zombiez, das Bandprojekt von MC Basstard, das in diese Richtung geht. Ich werde auch mit meiner zukünftigen Musik noch HipHop-Fans abholen. Nur werden die Alben diverser sein. Einen Limp Bizkit-Sound in modern, darauf habe ich eigentlich Bock. In der kommenden Zeit sind drei Single-Releases geplant, die dritte davon wird dieses Soundbild schon ziemlich klar beschreiben. Das wird der Sound sein, wie ich ihn mir vorgestellt habe.
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Um das alles vielleicht noch genauer nach deinen Vorstellungen zu gestalten, hast du vor zwei Jahren dein eigenes Label ins Leben gerufen, nachdem du zuvor bei Corn Dawg Records unter Vertrag warst. Was hat sich seit dem bei dir beziehungsweise deiner Einstellung zum Rap-Business verändert?
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Ich habe gelernt, dass Erfolg in dem Business an sehr internen Dingen gemessen wird. Letztlich wird sich nicht zuerst mit der Musik, sondern mit den Zahlen dahinter auseinandergesetzt. Aber ich glaube daran, dass sich gute Musik am Ende immer durchsetzt. Ich habe aber unter anderem auch gelernt, wie wichtig Organisation und Medien hierbei sind. Auf unserem Label sind wir drei bis vier Leute, die praktisch alles allein machen. Ich selbst hatte nie das Bedürfnis, viel in den sozialen Medien stattzufinden, bis mir eine Bekannte, die Management studiert, die Wichtigkeit dieser Präsenz klargemacht hat. Seither kommt auch wesentlich mehr von auf Youtube oder Instagram. Außerdem starte ich demnächst mit einem Twitch-Stream auf meinem Account. Dort möchte ich in chronologischer Abfolge die letzten dreizehn Jahre, also von meinen Rap-Anfängen bis heute, mit den Zuschauern durchgehen. Ich weiß, ich muss dieses Social Media-Ding mehr pushen, zumal eh schon ein immens großes Wachstum stattfindet. Aber es muss alles authentisch bleiben. Ich muss mir das, was ich tue, immer selbst abkaufen können. Was Labels angeht, fand ich Selfmade Records mit ihrer Ideologie damals einfach krass. Allein diese Signing-Kombination aus Kollegah, Favorite und Casper war so verrückt. Den gemeinsamen Sampler von denen fand ich großartig. Das hat einfach gepasst, obwohl sie so unterschiedlich sind. Das möchte ich auch für mein eigenes Label, es soll divers sein und verschiedene Stile vereinen.
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Wie ist es denn, in Koblenz so was an den Start zu bringen oder überhaupt von dort aus mit Rap anzufangen?
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In Rheinland-Pfalz gibt es nicht viele überregional bekannte Rapper, dort werde ich öfter auf mein Rap-Ding angesprochen. Aber jede Stadt hat qualitativ gute Künstler. Mit einigen von hier versuche ich das aufzubauen. Das Wichtige ist sich zu connecten. Zum Einen in Koblenz, wo Freunde und Bekannte von früher heute als Fotografen und DOPs zu uns dazustoßen. Sie sollen ein Teil davon werden. Zum Anderen sind es aber auch die Verbindungen in die großen Städte, in denen, was Hip Hop betrifft, noch mehr geht. Als ich neulich mal wieder in Berlin war, lief mir zum Beispiel Bonez über den Weg. So was passiert dir in Koblenz nicht! Langfristig ist eine Connection mit Städten wie Berlin und Hamburg für den künstlerischen Austausch und das, was wir aufbauen wollen, auf jeden Fall sinnvoll.
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In der Vergangenheit sprachst du hingegen schon mal darüber, dass es eine Zeit gab, in der du überlegt hast, mit der Musik aufzuhören…
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Mit Musikmachen selbst nicht, aber ich wollte mit der Szene eigentlich nichts mehr zu tun haben. Ganz ehrlich, ich kann verstehen, wenn Leute aufhören, Musik zu machen. Aber nicht aufgrund von Misserfolg, sondern weil die Rap-Szene an sich einfach ein Problem hat. 2018 bin ich auf dem Splash! aufgetreten. Darauf hatte ich mich als Künstler lange gefreut. Das hätte eigentlich ein Höhepunkt werden sollen. Mein Auftritt lief auch gut, das war es nicht. Aber als ich später im Backstage war, habe ich im dritten Stock eine Auseinandersetzung zweier Ami-Rapper mitbekommen. Auch einige Deutschrapper waren am Rande dabei mit dem Management der Künstler. Das Ganze ist so eskaliert, dass einer der beiden fast über das Absperrgitter des dritten Stocks hinuntergestoßen wurde. Und niemand hat etwas getan! Ich bin raus gelaufen, um Bescheid zu geben. Alle haben sich das Spektakel einfach nur angeschaut, bis die Security das geregelt hat. Ich frage mich einerseits, wie man dazu kommt, sich auf einem Festival als Künstler so aufzuführen, andererseits hat mich dieses Nichteingreifen aufgeregt – die wollten sich einfach nur die Show geben. Wollten die das sehen? Wenn damals wirklich etwas passiert wäre, hätte ich aufgehört. Ich liebe Rap wirklich, aber dieses Drumherum ist mir zu viel Show.
Ein Freund von mir reagierte vor Kurzem auf den Post einer Deutschrapperin, die darin fragte, ob jemand ihren neuen Song erkenne. Der Beat war einfach eins zu eins von Travis Scott. Also schrieb mein Kumpel den Verweis auf Travis unter ihren Post. Der Kommentar wurde gelöscht. Einfach so, ohne Stellungnahme. Daraufhin habe auch ich darauf reagiert und geschrieben, dass es doch okay ist, wen dem so sei, man könne doch dazu stehen. Auch dieser Eintrag wurde von ihr gelöscht. Es ist kein Verbrechen, einen Song zu adaptieren oder offensichtlich Elemente davon zu benutzen, wenn du das in den Credits angibst und für die Rechte an dem Original bezahlst. Aber das passiert immer weniger im Deutschrap. Stattdessen wird von einer Menge Künstler kopiert und das Kopieren dann bestritten. Anstatt dich angegriffen zu fühlen, solltest du als Künstler aber eine gewisse Größe an den Tag legen und zu den Dingen, die du tust, stehen.
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Das heißt, du ziehst dich auch an der Stelle etwas heraus und versuchst es auf deine eigene Weise, zum Beispiel mit deinem eigenen Label?
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Ich möchte schon lieber allein Musik machen, dafür ist einfach zu viel Ego im Rap. Wenn ich mitkriege, was hier für Promo-Beef abgeht, könnte ich kotzen! Und dass das auch noch von den HipHop-Medien gepusht wird, ist unglaublich. Darum geht es mir selbst nicht. Ein Bekannter von mir stellte mir neulich die Frage, wie ich Erfolg messe. Er sagte, wenn es dir gelingt, 5.000 oder 6.000 Leute in eine Halle für deinen Auftritt zu bekommen, dann hättest du es als Künstler geschafft. Ich entgegnete: Wenn dem so wäre, hätten es also nur Leute wie 187 oder Kontra K geschafft? Die füllen solche Hallen. Und der ganze Rest? Wären das dann also keine richtigen, erfolgreichen Künstler, nur weil die weniger Massen anziehen? Als ich vor ein paar Jahren mit B-Tight auf Tour war, hatten wir ausverkaufte Shows. Ich hatte auch eine eigene Tour und einen Labeldeal. Als Künstler hatte ich damit schon alles erreicht, was ich mir wünschen konnte. Aber auch wenn sich etwas ändert, geht es weiter. Du lernst dich da rein. Jetzt weiß ich zu 90 oder 95 Prozent, wie das Spiel geht. Alles dauert so vielleicht etwas länger, aber es gibt keinen besseren Zeitpunkt dafür als jetzt.
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Für April ist nun die Veröffentlichung deines Debütalbums angesetzt, dessen Titel auch schon steht: »ERROR«. Du hast bereits angedeutet, dass du deinen Sound auf den nächsten Alben weiterentwickeln willst. Kannst du ein bisschen erzählen, was auf diesem Release oder auch generell von dir in der nächsten Zeit zu erwarten sein wird?
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Es wird schon unterschiedliche Elemente vereinen, es wird einige ruhigere Songs geben – ich will mich immer mehr ausprobieren. Es ist nicht mehr verpönt, auch über Gefühle zu schreiben oder zu rappen, also mache ich das. Aber mir wäre auch egal, wenn es nicht cool ist. Ich habe BoomBap gemacht, weil ich es echt mochte. Aber auch dort gibt es eine eigene Szene und die steht still. Aber ich schließe mit nichts ab, alles wird auf irgendeine Weise weiter auf meinen Platten stattfinden. Inhaltlich ist »ERROR« ein starkes Album, das nicht allen gefallen wird. Aber das ist okay. Mein Rap hat sich verändert. Ich stehe hinter jedem einzelnen Yaw Herra-Track, den ich gemacht habe. As ich gerade die Single »Reset« veröffentlicht habe, lief der Song zehnmal hintereinander bei mir, weil ich ihn so feiere. Jetzt fühlt sich meine Musik schon anders an. Geplant ist auch noch ein Projekt, für das ich mit den Rappern, durch die ich selbst das Rappen angefangen habe, zusammenarbeiten möchte. Dafür werde ich zum Beispiel Obie Trice anfragen. Alles wird langsam größer, step by step. Ich feiere auch kleine Erfolge. Und genau so mache ich weiter.