Die P »Ich habe mich nie als Frau gesehen, nur als Rapper.«
Das Debütalbum von Die P heißt »3,14« und erscheint auf dem All Female*-Label 365xx Records. Anlässlich der Veröffentlichung sprach Till Wilhelm mit der Rapperin über die Musik ihrer Kindheit, HipHop als Lebensstil und die Ambivalenz motivierender Musik.
2002 schrieb Die P ihren ersten Raptext, kurz darauf steht sie zum ersten Mal auf der Bühne. Erst 13 Jahre später erschien die Debütsingle »Mach Platz« auf Youtube. Und nochmal fünf Jahre danach steht die Veröffentlichung ihres Debütalbums »3,14« an. Den Weg in die Kulturressorts überregionaler Zeitungen fand die Bonnerin zuletzt vor allem, weil sie als erste Künstlerin auf dem All Female*-Label 365xx Records unter Vertrag genommen wurde. Eine Symbolfigur möchte sie allerdings nicht sein. Im Gespräch geht es dementsprechend nicht um sogenannte Frauenpower oder Powerfrauen, sondern um HipHop. Die Kultur, der Lifestyle, die Message und die Musik. Warum die Golden Era für sie bis heute so wichtig ist und warum Die P Wert auf Competition legt, das erklärt sie im Interview mit ALL GOOD-Autor Till Wilhelm.
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Was war die erste HipHop-Platte, die du dir gekauft hast? War das Vinyl, CD, Tape? Wo hast du die gekauft?
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Das war die Single »Lose Yourself«, von Eminem. Gekauft habe ich die bei Mr. Music, den Laden gibt es heute nicht mehr. Ich hatte vier ältere Geschwister, deswegen musste ich mir viele Alben nicht selbst kaufen.
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Wie bist du als Jugendliche auf neue Musik gestoßen?
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Die meiste neue Musik habe ich auf MTV gesehen. Ich war super interessiert: Welche Videos sind rausgekommen? Was ist neu in den Charts? Dann bin ich zu Mr. Music gegangen. Dort konnte man stundenlang Alben hören, ohne dass der Verkäufer gesagt hätte: »Reicht jetzt, willste was kaufen?«. Da gab’s an der Seite Discmans mit Kopfhörern und man konnte die CDs, die interessant waren, einfach einlegen und hören.
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Welche Musik wurde bei dir zuhause gehört?
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Ich weiß, dass meine große Schwester viel TLC gehört hat, »No Scrubs« und das Album »CrazySexyCool«. Das hat mich extrem geprägt. Lisa »Left Eye« hat mich begeistert, weil sie nicht nur gesungen, sondern auch gerappt hat. Das war sofort ein Vorbild. Mein Bruder hat sehr viel Wu-Tang Clan gehört – Method Man, Redman, auch Gang Starr und DJ Premier. Das waren die Sachen, die ich früh mitbekommen habe. Viel R&B auch.
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Das zeigt sich auch auf deinem Album, in einigen Hooks hast du gesungen.
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Als ich das Album geschrieben habe, war mir der R&B-Faktor noch nicht so bewusst. Die Erkenntnis kam dann erst, als es fertig war. Ich habe mehr gesungen, als ich es vorhatte. Aber es hat sich sehr rund angehört, sehr organisch.
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Auch einige Referenzen an die Musik deiner Jugend tauchen auf. »Hood 53« ähnelt »U.N.I.T.Y«, »Das Leben ist DieP« ähnelt »Life’s A Bitch«.
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Das ist eine ganz bewusste Hommage. Die Beats sind allgemein sehr oldschoolig, die haben direkt den Golden Era-Vibe.
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Hat diese Musik auch deine Art, Texte zu schreiben, geprägt?
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Ich bin ein übertriebener HipHop-Nerd. Wenn ich Rap höre, faszinieren mich Reimstrukturen und Flows. Als ich angefangen habe, zu rappen, habe ich mir alte Songs von Busta Rhymes angehört. Weil ich verstehen wollte: Wie reimt der überhaupt? Was sind das für Strukturen, die er benutzt? Das gibt mir natürlich Inspiration. Trotzdem habe ich meine eigene Art, zu texten.
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Viele, die mit der Golden Era aufgewachsen sind, waren dann sehr enttäuscht vom HipHop der 2000er-Jahre. Ging dir das ähnlich?
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Nein, gar nicht. HipHop ist in einer ständigen Entwicklung. Auch die Mainstream-Sachen, die sich mehr an R&B orientiert haben, fand ich super. Man hat versucht, sich von der Gangsta-Attitüde zu verabschieden. Biggie war tot, Tupac war tot. Diddy ist den nächsten Schritt gegangen.
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Du rappst auf »Nie mein Stil«: »Headphone und Mic hab ich schon früh für mich entdeckt«. Wann hast du deinen ersten eigenen Text geschrieben?
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Mit 14 Jahren. Das war der Tag, an dem ich »8 Mile« im Kino gesehen habe. Ich bin sofort nach Hause gegangen und habe meinen ersten Text geschrieben. Als Beat habe ich das Instrumental von Tupacs »Changes« benutzt. Das war 2002.
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Wie ging das dann weiter mit Rap?
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Als ich vom Kino nach Hause kam, wusste ich, ich will Rapperin werden. Daran führte kein Weg mehr vorbei. Den Text habe ich auf Englisch geschrieben, am nächsten Tag habe ich das meinen Freund:innen vorgerappt. Zu der Zeit war meine Cousine in meiner Klasse. Die war zu der Zeit über ihren Freund schon im Kölner Underground vernetzt. Die hat mitbekommen, dass ich angefangen habe, auf dem Schulhof zu battlen. Da hat keiner Englisch verstanden, also musste das auf Deutsch sein. So »8 Mile«-Style einfach. Meine Cousine hat gesagt, sie meldet mich bei einem Battle an. Ich habe das gar nicht so richtig geglaubt. Selbst, als ich dann mit meinen Klassenkamerad:innen bei der Veranstaltung war, hat sich das noch nicht real angefühlt. Erst, als ich auf der Bühne die ersten Zeilen gerappt habe, hat es sich echt angefühlt. Danach war ich viel mit meiner Cousine unterwegs und habe Leute aus der Szene kennengelernt. HipHop ist Connections, Netzwerk aufbauen. Danach war ich jahrelang auf Jams unterwegs.
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Es geht in deiner Musik immer wieder darum, dass du hart arbeiten musstest, um dahin zu kommen, wo du jetzt bist. Wieso war es so schwer für dich, deine Ziele zu erreichen?
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Als ich angefangen habe, Rap zu machen, hatte ich richtig Hunger. Ich wollte allen zeigen, wie krass ich bin. Das war mein Impuls. Ich hatte Gier nach der Bühne. Dann kam schnell die Erkenntnis, dass ich noch besser werden musste. Besonders als Frau musst du immer krasser sein als die männlichen Kollegen. Aber ich habe mich nie als Frau gesehen, nur als Rapper. Auch als Deutsch-Afrikanerin hatte ich lange das Gefühl, es wäre schwer, im Deutschen HipHop Fuß zu fassen. Dann kam Gott sei Dank die Bantu Nation und hat gezeigt, dass es geht. Trotzdem war da ein kleines Gefühl von Boykott. Dass ich mein Ding einfach durchgezogen habe, reproduziert sich in meinen Texten.
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Competition spielt bei dir eine große Rolle. Ist auch das Empowerment?
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Bei einem Song wie »Genug«, auf dem es darum geht, die Messlatte höher zu legen, bin ich inspiriert von Künstlern wie Curse oder Megaloh. HipHop ist nicht nur Attitude, sondern auch Message. Die Energie, die diese Worte verleihen. Wenn Menschen mir erzählen, meine Texte geben ihnen Mut und Kraft, dann ist das das Größte. Genau dafür mache ich das.
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Motivierende Musik ist sicher ein zweischneidiges Schwert. Kontra K wurde beispielsweise für den Song »Erfolg ist kein Glück« kritisiert, weil er ein neoliberales Mindset à la »Jeder kann es schaffen« reproduziert.
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Wenn ein Mensch sein Bestes gibt und scheitert, hat er trotzdem etwas gewonnen. Das ist meine Lebenseinstellung. Ich versuche, Motivation zu geben. Aber auch mein eigenes Fallen und Stolpern spiegelt sich in meinen Texten. Aber ich sage »Scheiß drauf!«, klopfe es ab und das Leben geht weiter. Ich hoffe, die Leute merken beim Hören meiner Musik auch, dass der Mensch einfach Mensch ist. Es ist okay, Reue zu zeigen und aus Fehlern zu lernen.
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Ist das Schreiben ein Weg, Ärger zu verarbeiten?
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Frustration ist meine Muse. Rap ist für mich eine Art Tagebuch. Es gibt Songs, die veröffentlicht man, und Songs, die bleiben für immer unter Verschluss. Da steckt viel Persönlichkeit und Emotion drin. Rap ist Alltagsbewältigung. Der Song »Viertel« ist an einem übelst abgefuckten Tag entstanden. Hier im Viertel schaut jeder nur auf sich, die Stadt zerbröckelt. Die Bullen halten einen Bruder an, während zehn Meter weiter Junkies öffentlich spritzen setzen. Sowas muss ich auf Papier bringen.
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Es gibt ja das berühmte Zitat von Chuck D: »Rap Music is the CNN of the Ghetto«.
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Darin finde ich mich wieder. Auf »Viertel« fucke ich mich ab, die Hood ist wie Betonställe. Wir müssen alle schauen, wie wir hier überleben. Egal, ob man aus Godesberg, Tannenbusch oder sonstwo herkommt. Man denkt, Bonn ist die Ex-Hauptstadt, aber eigentlich ist es nur ein etwas größeres Dorf. Wenn einer abgezogen wurde, weiß jeder Bescheid. Das Leben ist Krise, aber so ist es in unserem Viertel. Trotzdem habe ich hier alles, was ich brauche. Das zelebriere ich auf »Neuer Tag«.
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Was fehlt den Menschen in deinem Viertel?
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Perspektive, auf jeden Fall Perspektive. Die meisten Menschen aus Bonn, die etwas aus sich machen, haben sich selbstständig gemacht oder sind weggezogen. Dass es hier keine Perspektiven gibt, hat sicher auch damit zu tun, dass Bonn nicht mehr Hauptstadt ist. Da ist viel verloren gegangen. Hier kannst du abends nicht mal ausgehen, da musst du nach Köln.
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Auf »Niemand Kann Mir Sagen« heißt es: »Die Cypher wird bunter«. Ist die deutsche Rapszene auf dem Weg der Besserung?
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Deutscher HipHop ist vielschichtiger geworden, das ist eine gute Sache. Eine gewisse Sparte ist aber völlig verloren. Da gilt es: Dagegenhalten. Aber es gibt heute viel mehr Möglichkeiten, sich auszuprobieren, die Leute sind offener gegenüber anderen Sounds geworden.
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»Ganjaman« fand ich spannend, weil du dort Drogenhandel recht differenziert darstellst.
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Der Track war mir total wichtig. Es gibt Vorteile von Ganja und dem Verkauf. Es wäre gelogen, zu sagen, die Dealer hätten keine Flatscreens. Ich selbst bin Konsumentin und weiß genau: Es gibt einen Unterschied zwischen Konsum und Missbrauch. Dealen ist Stress, dein Handy klingelt dauernd, die Leute schulden dir Geld oder wollen dein Geld. Es ist wichtig, dass junge Menschen wissen, dass Kiffen auch Schattenseiten hat. Für mich selbst ist das ein Lifestyle, ich verbinde das mit Meditation.
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Stört dich die Glorifizierung von Drogen in Raptexten?
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Das kommt auf die Droge an. Bei Marijuana und Alkohol finde ich das nicht so schlimm. Aber Zigaretten finde ich schon nicht cool. Ich find’s auch nicht cool, harte chemische Drogen zu verherrlichen. Es ist schlimm, wenn junge Menschen einfach hören und machen. Die wissen gar nicht, was Opium ist und ziehen sich das rein. Künstler:innen müssen das für sich selbst entscheiden. Wenn das dein Leben ist, dann werde ich dir nicht verbieten, darüber zu rappen.
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Inspiriert vom Song »Mailbox«: Wann hattest du zum letzten Mal einen Tag, an dem du ganz auf dein Handy verzichtet hast?
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Im August 2020, als die Maßnahmen gelockert wurden, war ich mit Freunden ganz weit oben in der Eifel. Da hat man sowieso keinen Empfang. Drei Tage lang nur Musik, Sonne und gutes Essen mit den Besten. Das war wunderbar. Ich hoffe, diesen Sommer wird das wieder möglich sein.