Shlohmo »Ich hab keine Ahnung, was ich da tue und das hört man manchmal auch.«

Auf »Dark Red« webt Shlohmo wieder neue Sphären-Klangteppiche. Aber was steckt denn eigentlich hinter den experimentellen Sounds des Produzenten aus L.A.? Carlos Steurer hat näher nachgefragt und sprach mit Shlohmo dabei über nerdige Technikdetails, Aliens und verstaubte Keyboards.

Shlohmo

Tief verwurzelt in der Beat-Bewegung Kaliforniens waren die verhallten Klangexperimente von Henry Laufer mit das Spannendste, was instrumentalem HipHop in den letzten Jahren passiert ist. Die runtergescrewten OVO-Edits für Lieblingsrapper Drake und Ambient-Klangteppiche seines Debüts »Bad Vibes« machten aus dem Kreativkopf des WEDIDIT-Kollektivs den Posterboy der neuen Generation an Bedroom-Producern. Als Slow-Jam-Ideengeber für Jeremih und Banks hat sich Shlohmo zudem in der Post-R&B-Blase zu einem der It-Produzenten der Stunde gemausert. Wir sprachen mit dem Soundfrickler über technische Details seiner Produktionen und das Equipment, mit dem er sein zweites Album »Dark Red« aufnahm.

  • Deine ersten Beats entstanden als »Henry from Outer Space«. Waren das noch klassische Boombap-Produktionen?

  • Da ich damals nur mit Reason arbeitete, waren das eher synthielastige Beats – ein wahlloses Midi-Geballere. Ich habe auch gesamplet, aber das ging schon mehr in die basslastige Instrumental-Richtung. Ich habe aus House-, Techno- und Electro-Sounds ganz langsame HipHop-Beats gemacht. Die Samples stammten aus alten, trashigen Science-Fiction-Filmen. Das Konzept war: Ein völlig bekifftes Alien bruchlandet auf der Erde und muss sein Raumschiff reparieren. Es findet dann einen Haufen Weed und vergisst, zurück zu fliegen. (lacht)

  • Klingt, als hättest du zu viel Quasimoto gehört. Das müsste doch auch zeitgleich zum Höhepunkt der Stones-Throw-Ära gewesen sein?

  • Das war definitiv die Lord-Quas-Phase in meinem Leben. Das war 2008, ich war total auf Madlib und Dilla hängengeblieben, zog gerade von San Francisco nach Oakland und ging regelmäßig auf die Low-End-Theory-Partys in Los Angeles. Eine super inspirierende Zeit an der Westküste: Flying Lotus, Ras G, Samiyam und Teebs brachten gerade ihre ersten Beats raus. Und mich hat das krass angespornt, auch zu experimentieren. In dem Jahr bin ich dann von Reason auf Ableton umgestiegen. 

  • »Mastering-Engineers sind krasse Genies, und die härtesten Musik-Nerds, die ich kenne.«Auf Twitter teilen
  • Hat dir das neue Möglichkeiten als Produzent eröffnet?

  • Total, denn in Reason 3 – was ich damals nutzte – konnte man nur Midi-Tracks einspielen. Ich war eingeschränkt und Sampling war auch komplizierter. Dafür brauchte man »Recycle«, ein anderes Propellerhead-Programm. Darin musste man das Sample als Datei speichern und konnte es dann im Reason in dem Dr.-Rex-Loopplayer öffnen und so wieder als Midi-Datei verarbeiten. Als ich dann Ableton hatte, dachte ich: »Wow, Audio-Spuren – so einfach kann das also gehen.« (lacht) Das hat mir einen ganz neuen Zugang verschafft. Endlich konnte ich richtige Instrumente aufnehmen und Samples ganz anders modifizieren. So fand ich meinen eigenen Produktionsstil und Sound. 

  • Auf »Dark Red« benutzt du viele Geräte aus den 80ern. Die Synthesizer soll dir dein Vater gegeben haben. 

  • Er hat mir sein altes Jupiter-6 geschenkt – ein Roland-Keyboard von 1981. Es ist wahrscheinlich so groß wie diese Couch. (streckt seine Arme aus) Kein Scheiß, das Ding ist knapp zwei Meter lang und war komplett vollgestaubt. Aber es klingt fantastisch. Von ihm habe ich auch die Space-Echo-Box von Roland. Da jage ich mittlerweile alles durch, ohne ein Echo draufzulegen. Es überspielt die Spuren analog auf Band, bevor es rausbounct und gibt dem Ganzen einen unverfälschten warmen Klang. Diese Geräte und meine Gitarre, eine Fender-Jaguar, stellen so ziemlich die Basis des Albums dar. Alles, was drumherum geschieht, stammt aus Drum-Machines und Zeugs, das zufällig im Studio rumlag. 

  • Hast du dich diesmal mehr mit Mixing und Mastering beschäftigt?

  • Ich habe schon immer alles selbst gemacht. Diesmal habe ich mir aber beim Vinyl-Mastering helfen lassen. Ich hasse es, wenn die Platten nicht richtig gemastert sind und bei übersteuertem Bass die Nadel springt. Früher habe ich die Bedeutung von Mastering völlig unterschätzt. Wenn ich Tracks produziert habe, habe ich die Spuren einfach so laut wie möglich gemacht und den Mixdown exportiert. Als dann aber ein Label ins Spiel kam, musste ich mich erstmals damit auseinandersetzen. Und der Mastering-Engineer meinte nur: »Was soll ich damit? Der Track ist doch schon völlig totkomprimiert.« (lacht) Ich musste dann die Spuren noch mal exportieren und so mischen, dass es für mich völlig falsch klang, der Engineer aber damit arbeiten konnte. Die letzten Platten durchliefen immer verschiedene Versuchsphasen. Mittlerweile mache ich alles – außer dem Vinyl-Mastering – selbst. Mastering-Engineers sind jedenfalls krasse Genies, und die härtesten Musik-Nerds, die ich kenne. 

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  • Zwischen den Alben »Bad Vibes« und »Dark Red« erschien die »Laid Out«-EP. Das waren teilweise richtige Turn-Up-Beats, die auch im Club funktionierten. 

  • Das war ein komplett anderer Ansatz. Die EP sollte einfach und minimalistisch sein: eine Bassline, Lead-Spur, Drums. Ganz simple Produktionen. Zum Vergleich: Die Tracks auf »Bad Vibes« haben fast alle über 50 Spuren. Ich habe die Tracks editiert, noch mal überarbeitet, editiert, Sachen hinzugefügt. Das hatte wirklich kein Ende und ging von der Anzahl der Spuren schon an die Grenzen. Die Gitarre nimmt auf allen Songs einen wichtigen Platz ein – auch wenn ich ein beschissener Gitarrist bin. Ich weiß leider nichts von Akkordlehre und habe einfach nach schönen einzelnen Tönen gesucht. 

  • Viele Produzenten haben kein theoretisches Grundwissen über Musiklehre. Kann das nicht auch ein Vorteil sein, naiv herumzuprobieren?

  • Teilweise, ja. Ich hasse es aber. Wenn ich wüsste, wie man Noten liest, könnte ich mir bestimmte Melodien aufschreiben und besser merken. Es ist vielleicht kein Nachteil, aber ein ästhetischer Unterschied. Ich hab keine Ahnung, was ich da tue und das hört man manchmal auch. (lacht)