Hanybal »Ich erzähle die Wahrheit – und die ist ungeschminkt, rau und oftmals nicht schön.«
Früher war er auf Azads Bozz Music gesignt, heute steht er bei Haftbefehls Azzlackz unter Vertrag – Hanybal ist FFM durch und durch. Mit »Weg von der Fahrbahn« veröffentlichte er jetzt sein erstes Solo-Album. Kurz vor dem Release trafen wir ihn zum Gespräch.
Als Azad sein Label Bozz Music im Jahr 2009 schließen musste, waren Hanybal zusammen mit seinem Partner Solo als 439 sowie Jeyz die letzten Künstler, die dort noch unter Vertrag standen. Seitdem tauchte der Frankfurter Deutsch-Ägypter Hanybal nur sporadisch über Aggro Berlins »HDF«-Format und hier und da als Feature-Gast auf. Inzwischen rappt er an der Seite von Haftbefehl, bei dessen Label er heute einen Vertrag hat. Mit »Weg von der Fahrbahn« erscheint jetzt sein Debütalbum, auf das nicht alle unbedingt gewartet haben – aber manche dafür umso mehr.
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Du bist gerade zusammen mit Haftbefehl unterwegs, um für die »Russisch Roulette«-Tour zu proben. Ich habe den Eindruck, dass du aktuell so etwas wie sein Lieblingszögling bist. Er hat ja auch schon viele andere Leute gepusht – aber zwischen euch scheint irgendwie eine besondere Beziehung zu bestehen.
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Das weiß ich nicht. Vielleicht kommt das so rüber, weil wir uns ein bisschen ähnlicher sind als Aykut und die anderen. Aber ob ich jetzt sein Liebling bin – keine Ahnung. Vielleicht kommt es nach außen so rüber, weil wir halt beide aus der gleichen Gegend kommen – Rhein-Main, Frankfurt, Offenbach.
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Bist du älter als Haftbefehl?
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Ja, ich bin ein bisschen älter. Ich bin 32, drei Jahre älter.
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Wie habt ihr euch kennengelernt?
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Das war bei einem Auftritt in Frankfurt. Damals auf der »Echte Musik«-Releaseparty zum Sampler, auf dem er seine ersten Releases hatte. Da haben wir uns zum ersten Mal gesehen.
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Hat sich eure Beziehung seitdem verändert? War sie am Anfang schlechter als jetzt?
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Was heißt schlecht? Schlecht war die Beziehung noch nie. Nach dem ersten Kennenlernen hatten wir erstmal nicht viel miteinander zu tun, aber man hat sich halt immer wieder getroffen und auch immer gut verstanden.
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Du bist ja nicht nur älter, sondern auch schon etwas länger im Rapgeschäft. Trotzdem bist du jetzt bei ihm mit auf Tour. Wie ist das für dich? Ist er trotzdem noch der Kleinere?
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Nein, auf gar keinen Fall. Ich nehme das dankend an und zwischen uns ist alles easy.
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In Interviews redet er immer sehr positiv über deine Mucke. Er scheint große Stücke auf dich zu halten.
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Ja, ihm gefällt meine Musik auf jeden Fall. Hat ihm auch immer schon gut gefallen. Mich freut es auch sehr, dass ihm auch dieses Album jetzt wieder gefällt. Nur bei den Beats haben wir einen unterschiedlichen Geschmack. Ich hör aber auch von vielen anderen Leuten, dass sie meine Beats nicht picken würden.
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Deine Texte sind alle ziemlich kompromisslos – und oft auch voller Gewalt.
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Ja. (nickt)
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Ich würde aber auch sagen, dass dich genau das – und vielleicht auch die Azzlackz generell – aus- und so authentisch macht. Warum schreckst du nicht davor zurück, diese ganzen Realitäten oder auch Gewaltphantasien textlich auszuleben?
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Wenn ich irgendeine Intention beim Musikmachen habe, dann auf jeden Fall real zu sein. Wenn ich dabei über Sachen berichte, die vielleicht nicht schön, aber echt sind, dann ist das für mich in Ordnung. Ich könnte auch Märchen von schönen Sachen erzählen oder schlimme Geschichten, die aber nicht wahr sind. Ich erzähle aber die Wahrheit – und die ist ungeschminkt, rau und oftmals nicht schön.
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In punkto Härte hat man in Frankfurt natürlich auch große Konkurrenz. Dieses Frankfurt-bleibt-stabil-Ding wird da ja gerne hochgehalten. Ist dir das auch wichtig?
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Es ist mir nicht so wichtig, diese Härte immer in meine Musik einzubringen. Das empfinde ich nicht so. Das passiert eher unterbewusst. Ich könnte auch gar keine andere Musik machen als die, die ich jetzt mache. Meine Musik ist ja schon vielfältig – aber auf eine gewisse Art und Weise auch immer Hany. Man merkt, wo ich herkomme. Etwas komplett anderes könnte ich auch gar nicht machen.
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Gibt es außer der Härte und Kompromisslosigkeit noch andere Sachen, durch die du dich von anderen Rappern absetzt?
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Ich bin auf jeden Fall mein eigener Typ. Es wird auch keinen geben, der irgendwie sagen kann: »Ey, der Hany macht den nach.« Sei es ein Ami, ein Franzose oder ein Deutscher – das kann keiner sagen. Ich habe meinen eigenen Style. Ich weiß selber nicht, wie es dazu kam. Ist halt einfach so.
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Dieses Minimal-Rap-Prinzip – also mit wenigen Wörtern maximal ausdrucksstark zu sein – hat ja Azad auf seinem letzten Album »Assassin« bereits ziemlich perfektioniert. Du hast früher eng mit Azad zusammengearbeitet. Ist das bei dir in dieser Zeit entstanden?
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Ich habe nicht irgendwann mal einen Track gehört und dann gesagt: »Genau so will ich jetzt rappen.« Ich will jetzt nicht sagen, dass mich niemand inspiriert hat, aber ich habe einfach angefangen zu rappen. Unterbewusst habe ich wahrscheinlich schon ein paar Sachen übernommen, aber ich habe mir nie vorher groß Gedanken darüber gemacht, wie ich rappen will und mit welcher Technik – es kam einfach intuitiv.
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Bei Azads Label Bozz Music warst du zusammen mit Solo als 439 gesignt. Warum habt ihr dort nie offiziell etwas releast?
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Es muss eigentlich so gewesen sein: Ich hab mir die Rough-Mixes immer gerne nach dem Aufnehmen aus dem Studio mit nach Hause genommen – zum Anhören und um sie den Jungs vorzuspielen. Solo hat mir immer davon abgeraten: »Mach‘ das nicht, vielleicht passiert irgendwas.« Und irgendwann ist es dann halt passiert. Ich habe die Lieder bei einem Bekannten in den PC reingehauen und er hat sie sich dann rübergezogen. Auf den PC hatten aber viele Leute Zugriff – und irgendwie ist es dann bei YouTube gelandet. Aber so hundertprozentig kann ich dir das auch nicht sagen.
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Habt ihr dann entschieden, dass es nicht mehr veröffentlicht wird – oder hat das Label gesagt: »Das können wir nicht mehr veröffentlichen«?
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(schweigt)
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… oder war das damals alles einfach eine verplante Aktion?
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Genau, eher so. Es gab keine Ansage »Ey, wir bringen das nicht mehr raus, ihr habt jetzt Pech gehabt.« Aber wir haben auch nicht gesagt: »Boah, das ist im Internet, voll schlimm.« Es gab beides. Die einen meinten: »Das ist jetzt verkackt. Es bringt nichts mehr, das jetzt noch rauszuhauen.« Es gab aber auch Stimmen, die gesagt haben – und auch noch heute sagen – dass wir das als »Lost Files« raushauen sollen, weil die Lieder heutzutage immer noch krass sind.
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Hast du noch Kontakt zu Azad? Ihr wohnt doch nah beieinander.
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Nicht direkt, aber das ist ja alles um die Ecke. Man sieht sich auf jeden Fall.
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Dein Debüt-Album »Weg von der Fahrbahn« erscheint ja nun. Kannst du etwas zum Titel sagen? Was ist die Fahrbahn? Und wie darf man das lesen? Gehst du weg von der Fahrbahn?
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Ne, ich geh nicht weg von der Fahrbahn. Das ist mehr so ein Aufruf, dass die Leute sich von der Fahrbahn verpissen sollen. Platz machen! Also so »Geh mir aus dem Weg!«-mäßig. Das ist einmal die asozialere Variante. Dann kann es aber auch einfach bedeuten, dass ich meinen Weg gehe, ganz egal, was dazwischen kommt.
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Ich dachte, du willst dich vielleicht auch ein bisschen von der Bahn lösen, in die du auch ohne Probleme reinrutschen könntest.
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Die gibt es auf jeden Fall. Das ist die Fahrbahn, von der man sich fernhalten sollte – die schiefe Bahn. Mit der habe ich und alle meine Jungs auf jeden Fall schon Erfahrungen gemacht. Ich kann keinem dazu raten, irgendwie kriminell zu werden oder schlechte Sachen zu machen – aber das Leben entscheidet sowieso.
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Was versprichst du dir von dem Album?
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Mir ist am Wichtigsten, dass es meinen Jungs gefällt. Deswegen hab ich ja angefangen Musik zu machen – für meine Jungs. Die kennen das Album jetzt schon und denen gefällt es. Deswegen bin ich eigentlich jetzt schon zufrieden – noch vor dem Release. Wenn es den ganzen anderen Blockjungs auch gefällt, bin ich natürlich sehr happy.
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Willst du denn nicht auch ganz andere Leute damit erreichen? Bei Celo, Abdi und Haftbefehl war ja auch zu beobachten, dass Leute die Mucke feiern, die wahrscheinlich sonst nie mit oder über Haftbefehl gesprochen hätten – oder Haftbefehl mit denen. Visierst du das auch ein wenig an oder willst du eigentlich gar nicht, dass die das hören?
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Nö, das wäre wahrscheinlich auch ein bisschen arrogant, zu sagen: »Ich will nicht, dass irgendwer meine Musik hört.« Aber ich bin jetzt auch nicht darauf aus, Leuten meine Musik reinzupressen. Das wird sich alles von alleine entwickeln. Weil: Die Musik ist gut und gute Musik findet immer Hörer.
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Noch mal zum Thema Verkaufszahlen: Ich weiß nicht, wie zufrieden Haftbefehl mit seinen Verkaufszahlen ist.
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Schon, schon.
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Aber es ist ja schon offensichtlich, dass sein Hype größer ist als es die Verkaufszahlen widerspiegeln.
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Das auf jeden Fall.
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Woran liegt das?
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Einerseits ist er seiner Zeit etwas voraus. Die Tracks sind teilweise einfach zu krass. Und dann gibt es wahrscheinlich auch Leute, die vor vier, fünf Jahren etwas von ihm gehört haben und das damals zu asozial fanden. Wenn dann heute einer kommt und sagt, dass Haftbefehl ein neues Album gemacht hat und mittlerweile auch ganz andere Sachen macht, dann lassen sich manche Leute bestimmt gar nicht mehr darauf ein. Die brauchen nur den Namen Haftbefehl hören und schalten schon ab. Es gibt verbohrte Leute mit Scheuklappen und es gibt auch Leute, die immer offen bleiben.
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Lass‘ uns über Politik sprechen: Du hast nach den Charlie-Hebdo-Attentaten »Je suis Achmed« auf Facebook gepostet und dich damit mit dem muslimischen Polizisten, der umgekommen ist, solidarisch gezeigt. Warum war es dir wichtig, dieses Statement zu setzen?
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Dieser Wachmann, der dort gestorben ist, hat einen ganz normalen Lohn gekriegt. Keine Ahnung, was der genau verdient, aber er wollte seine Familie über Wasser halten mit dem Job. Mir war es wichtig zu zeigen, dass ich mit ihm auf jeden Fall Mitleid habe, beziehungsweise mit ihm sympathisiere. Und zu dieser Charlie-Hebdo-Sache kann ich nichts sagen. Im Endeffekt kam ja dann auch heraus, dass die Redaktion Ende letzten Jahres, glaube ich, von den Rothschilds übernommen wurde. Ob das ein Insidejob war oder so – keine Ahnung.
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Du stehst also eher in den Reihen der Skeptiker.
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Auf jeden Fall.
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Um jetzt nicht ›Verschwörungstheoretiker‹ zu sagen.
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Ne ne, aber auf jeden Fall skeptisch – sehr skeptisch.
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Es ist ja schon problematisch, dass jetzt schon seit einigen Jahren ein gewisses Islam-Bashing betrieben wird.
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Also zu allererst mal: Terrorismus hat keine Religion. Das Problem ist, dass die Leute, die Islam-Bashing betreiben oder den Islam schlecht machen, häufig dumme oder ungebildete Leute sind. Deswegen ist es mir auch ein Anliegen, Folgendes an die Menschen zu richten: Bildet euch und seid belesen. Versucht zumindest, viel zu lesen – denn dumme Leute sind gefährlich. Bildung ist auf jeden Fall der Schlüssel.
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Aber dass es auf Seiten der Religion, egal welcher, auch dumme Leute gibt, würdest du wahrscheinlich auch nicht bestreiten?
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Natürlich nicht. Was diese Charlie-Hebdo-Sache betrifft: Ich weiß ja selber noch nicht einmal, wie die sich im Endeffekt dazu geäußert haben. Ich würd‘ gerne mal wissen, was die Redakteure, die überlebt haben, dazu sagen. Ob die jetzt wirklich den Islam dafür verantwortlich machen oder ob die das so differenziert sehen und sagen: »Das waren einfach Verrückte.« Oder: »Okay, wir haben provoziert – und zwar aufs Übelste.« Das ist ja auch deren Intention. Ein Satiriker will ja provozieren. Umso mehr er provoziert, desto besser ist er ja, in dem was er tut. Und das haben sie geschafft – zu provozieren. Ich würde echt mal gerne wissen, wie die das einschätzen. Für mich waren das einfach Verrückte, die geschossen haben. Das hat ja nichts mit dem Islam zu tun.
Diese Karikaturen finde ich aber auf jeden Fall auch nicht in Ordnung. Damit haben die 1,5 Milliarden Leute traurig gemacht. Der Prophet ist vielen Leuten wichtiger als ihre Eltern. (seufzt) Klar, Satire darf keine Grenzen haben und auch keinen Maulkorb. Aber Meinungsfreiheit ist so eine Sache. Wenn ich jetzt auf die Straße gehe und einem Bullen einen Ficker zeige oder zu ihm sage: »Du dreckiger Bulle, ich fick‘ deine Mutter.« Dann gibt’s auch keine Meinungsfreiheit. Dann gehe ich auch erst mal mit auf die Wache und kriege eine Geldstrafe. Oder stell‘ dir mal vor: Ich war gestern im Puff und sehe am nächsten Tag die Prostituierte auf der Straße. Wenn ich jetzt aber »Du Hure« zu ihr sagen, dann kann sie mich anzeigen. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Ich darf auch keine Leute auf der Straße beleidigen. Es gibt Regeln, an die ich mich halten muss. Und warum muss sich ein Satiriker nicht daran halten? Ich darf ja nicht mal einen normalen Menschen beleidigen – und die nehmen sich raus, einen Propheten zu beleidigen. Das finde ich auf jeden Fall nicht in Ordnung. Das heißt natürlich nicht, dass diese Schüsse oder der Mord gerechtfertigt sind. Mord ist auf gar keinen Fall ein Lösung, aber ich bin jetzt auch nicht so, dass ich sage: »Ah, die Schweine haben die umgebracht – die Armen.« Die haben halt Milliarden Menschen traurig gemacht. So wie du in den Wald hineinschreist, so kommt es zurück. Das heißt jetzt nicht, dass jeder Satiriker mit Kugeln rechnen muss, aber man muss schon aufpassen bei so etwas. Die wollten halt provozieren – und das haben sie geschafft.