Easy Mo Bee »Ich bin nicht verbittert.«
Easy Mo Bee produzierte für den frühen Biggie, RZA und GZA sowie für den späten Miles Davis. Außerdem für Busta Ryhmes, Craig Mack, Gang Starr, Snoop und viele mehr. ALL GOOD-Autor Philipp Kilmann sprach mit der HipHop-Legende.
Unter den großen HipHop-Produzenten führt Easy Mo Bee ein gewisses Schattendasein. Zu Unrecht. Osten Harvey Jr., wie Easy Mo Bee mit bürgerlichem Namen heißt, hat mit Tracks für Biggie, 2Pac, Craig Mack, LL Cool J, Busta Rhymes oder die Lost Boyz nicht nur mehrere große und kleinere Hits produziert. Auch lieferte er bereits dem jungen Big Daddy Kane zu und begleitete noch in der Prä-Wu-Tang-Ära die musikalischen Anfänge von RZA und GZA. Er war zudem eine Schlüsselfigur für den Erfolg von The Notorious B.I.G. und kann sich damit rühmen, das letzte Album von Jazz-Legende Miles Davis produziert zu haben. Außerdem blickt der heute 53-Jährige auf mehrere eigene Alben zurück. 1991 schuf er mit seiner Gruppe Rappin‘ Is Fundamental mit »The Doo-Hop Legacy« ein unbeschwertes Kind seiner Zeit. Später scharte er für »Now or Never: Odyssey 2000« allerhand Rap-Größen um sich: von Gang Starr und Goodie Mobb über Snoop Dogg und Kurupt bis zu Busta Rhymes und Prodigy. 2014 folgte mit »And You Don’t Stop!« ein Instrumental-Album. Zuletzt steuerte er Beats zu der Netflix-Serie »Unsolved« bei, die von Tupacs und Biggies ungeklärten Mordfällen handelt. Kein Wunder, hat er doch schon zu ihren Lebzeiten nicht nur mit beiden zusammengearbeitet, sondern auch einen der wenigen gemeinsamen Songs der zwei produziert. Inzwischen ist Easy Mo Bee viel als DJ unterwegs. Nur wenige Tage vor dem Interview mit ALL GOOD legte er mit kistenweise Vinyl im Schlepptau in Kanada auf. Ein Gespräch über das Schattendasein eines einflussreichen Produzenten, die Prä-Wu-Tang-Ära, die Freundschaft von Biggie und Tupac, die Zusammenarbeit mit Miles Davis und darüber, was so alles aus einem Sampler herauszuholen ist.
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Wenn von The Notorious B.I.G. die Rede ist, fällt der Name Easy Mo Bee komischerweise nur selten, obwohl du einen Großteil seines Debütalbums »Ready To Die« produziert hast. Was macht das mit dir?
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Ich weiß nicht, warum das so ist. Schließlich war ich Biggies Produzent, der zu Beginn seiner Karriere die wichtigste Rolle gespielt hat. Das Gros der Produktion von »Ready to Die« kam von mir. Aber ich habe keine Ahnung… Diese Frage kann ich nicht beantworten.
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Macht es dich verbittert?
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Oh, nein, ich bin nicht verbittert. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich sehr gut damit. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Jeder Kritiker, jeder Journalist hat seine eigene Meinung und seine persönlichen Favoriten und jeder von ihnen hat bestimmte Dinge, die er erwähnt, und andere, die er unter den Tisch fallen lässt. Darüber haben wir keine Kontrolle. Worüber ich aber die Kontrolle habe, ist das Wissen darüber, was ich damals gemacht habe. Daher sei allen gesagt, die mit meinem Anteil daran hinter dem Berg halten: Ich weiß, dass meine Arbeit für immer bleibt. Für immer! Daran kann niemand etwas ändern. Egal, wie oft mein Name genannt wird oder nicht, ich bleibe für immer. Die Musik, die ich gemacht habe, geht in die Geschichte ein und die bleibt für immer. (lacht) Das bedeutet mir mehr als alles andere.
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Mit »Runnin‘« hast du einen der ganz wenigen Songs produziert, die 2Pac und Biggie gemeinsam gemacht haben. Wie kam das zustande?
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Biggie hing damals mit Tupac ab. Das ist ja das Irre, dass die beiden damals noch gute Freunde waren. Ich hatte mit Biggie gerade die Aufnahmen abgeschlossen, als ich Tupac traf. Er sagte: »Hey, du hast doch ›Party And Bullshit‹ gemacht. Ich liebe diesen Track und will mit dir zusammenarbeiten!« Das war verrückt, dass die Arbeit mit Biggie nahtlos in die mit Tupac überging. Also fing ich an, mit Tupac an dem »Me Against The World«-Album zu arbeiten, für das ich »Temptations« und »If I Die 2Nite« machte. Daraufhin produzierte ich für Tupac dann noch »Str8 Ballin‘« für das Thug Life-Album, »My Block« für den »The Show«-Soundtrack und schließlich »Runnin‘« für das One Million Strong-Album. Da kommt der Song »Runnin‘« übrigens eigentlich her. Es gibt nämlich noch eine bekanntere Version von diesem Song – einen Eminem-Remix. Aber die originale Version, die wir alle zusammen gemeinsam im Studio aufgenommen haben, ist von dem One Million Strong-Album. Ich weiß noch, wie Tupac Biggie zu dem Song hinzugeholt hat…
Ich habe sogar noch eine Nachricht von Biggie auf meinem Anrufbeantworter damals in Brooklyn. Er rief mich an und sagte: »Yo Mo! Wenn gehst du mit Pac wieder ins Studio? Wir wollen diesen einen Song zusammen aufnehmen?! Komm vorbei und hol mich ab! Ich bin so gegen sieben in meiner Bude. Chill!« Und klick. Ich habe diese Nachricht aufgehoben. Ich bin froh darüber, besonders wenn alle Welt die beiden mal wieder zu Feinden erklärt. Denn diese Nachricht beweist, dass sie damals Freunde und cool miteinander waren. Immer wird ihr Beef glorifiziert, aber ich war dabei, als die beiden miteinander befreundet waren. Ich bin froh, dass ich das miterleben durfte. Denn als später der Beef kam, ging alles drunter und drüber. Ich wachte eines morgens auf und fragte mich selbst, wie es dazu nur kommen konnte.
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Du solltest diese Sprachnachricht in einem deiner Songs verarbeiten.
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Das habe ich auf meinem im Jahr 2000 über Priority Records erschienenen Compilation-Album »Now or Never« schon getan: am Ende des Intros. Als die Leute das zum ersten Mal hörten, klappte ihnen die Kinnlade runter. Ich habe das ganz bewusst so verarbeitet, um in Anbetracht der Verherrlichung des Beefs der beiden aufzuzeigen, dass sie auch mal Freunde waren.
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Wie war die Arbeit mit Biggie und Tupac zusammen im Studio?
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Da gab es keinerlei Probleme. Ich weiß noch, dass das Studio bei jeder Session vollgepackt mit lauter Leuten war. Tupac brachte seine Crew mit, Biggie kam mit der Junior Mafia. Das war im Unique Recording Studio am Times Square in New York. Studio C, das weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen. Inzwischen wurde es abgerissen.
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Du hattest gewissermaßen schon mit dem Wu-Tang Clan zu tun, noch bevor es ihn überhaupt gab. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit The Genius aka GZA für dessen erstes Album »Words From The Genius« ergeben?
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Ich lernte GZA durch seinen Manager Melquan kennen. Ich hatte gerade zwei Songs für Big Daddy Kanes Album »It’s A Big Daddy Thing« produziert: »Another Victory« und »Calling Mr. Welfare« mit DJ Red Alert. Melquan hatte die Songs gehört, stellte sich vor und sagte, dass er gerade mit einem Künstler zusammenarbeite, den er mich gerne produzieren lassen wollte. Dann erzählte er mir, dass Genius nur einer von vielen sei. Da seien noch acht oder neun weitere. Er sagte, die haben ihren ganz eigenen Stil, den sie Wu-Tang nennen. Sie vermischen Kampfsport und HipHop miteinander. Ich dann nur: »Was?! Aber lass uns ruhig mal mit deinem Künstler arbeiten.« Während wir dann an den Aufnahmen des Albums saßen, fiel mir auf, dass The Genius immer mal wieder diesen einen Begriff sagte: Wu-Tang. Ich fragte mich, was das bedeuten soll. Nach und nach kamen dann weitere Mitglieder der Gruppe zu mir nach Hause, um ihre Demos aufzunehmen. Ein, zwei Jahre nach dem »Words From The Genius«-Album lernte ich auch True Master kennen, er hing dann viel bei mir rum. Eines Tages dann stand er bei mir vor der Tür, hielt eine Platte in der Hand und sagte: »Yo, Bee! Wir haben es geschafft!« Die Platte war die Single »Protect Ya Neck« vom Wu-Tang Clan. Erst dann war ich von diesem Wu-Tang-Phänomen überzeugt und sagte mir: »Melquan hatte recht. Da ist nicht nur The Genius, sondern noch mehr.« Dann kamen alle ihre Soloalben. Ich war mittendrin zu Beginn, als sich Wu-Tang formierte. Deshalb habe ich noch heute frühe Demos von Ol‘ Dirty Bastard oder auch von The Genius aus der Zeit vor seinem Album »Words From The Genius«
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Was wird aus diesen Demos?
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Ich weiß es nicht. Vielleicht veröffentliche ich sie eines Tages. (lacht)
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Abgesehen von dir gab es auf »Words From The Genius« noch einen anderen Produzenten namens Patrick Harvey. Dein Nachname ist auch Harvey – seid ihr miteinander verwandt?
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Ja, Patrick Harvey alias The LG Experience ist mein Bruder: die gleiche Mutter und der gleiche Vater. Er produzierte vier Songs für das Album und ich zehn. Und mein Kumpel Jesse West aus der Bronx produzierte noch den Song »Come Do Me«.
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War das die einzige Zusammenarbeit zwischen dir und deinem Bruder?
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Abgesehen von dem Genius-Album waren wir beide noch an ein paar Big Daddy Kane-Alben beteiligt. LG produzierte noch Ill Al Skratch, wozu ich einen Remix von »Chill With That« beisteuerte. Verrückt, oder?! Die Songs seines Bruders zu remixen. (lacht)
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Macht dein Bruder auch immer noch Musik?
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Ja, er produziert immer noch. Musik ist wie Ungeziefer, du wirst sie nie wieder los. Oder wie Fahrradfahren, das verlernst du auch nicht. Mein Bruder LG hat sogar gerade erst mit AB Money (von Easy Mo Bees einstiger Rap-Gruppe Rappin´ Is Fundamental; Anm. d. Verf.) zusammengearbeitet für dessen Soloalbum. Ich arbeite mit ihm an verschiedenen Projekten. AB Money hat auch noch ein Projekt namens »Hip-Hop Health« am Laufen, auch da hat LG mitproduziert.
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Nochmal zu Wu-Tang: Du hast ja nicht nur für The Genius, sondern auch für RZA produziert, als dieser sich noch Prince Rakeem nannte.
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Ja. Ich weiß manchmal gar nicht mehr, wen ich zuerst produziert habe, Prince Rakeem oder Genius. RZA hatte eine Maxi-Single bei Tommy Boy Records namens »Ooh, I Love You Rakeem« veröffentlicht, für deren B-Seite ich den Song »Sexcapades« produziert habe. Das war 1991. Danach hat man bis zum ersten Wu-Tang-Album »36 Chambers« nichts mehr von ihm gehört.
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Jahre später, 2007, hast du für das Wu-Tang-Album »8 Diagrams« den Track »Take It Back« produziert. Wollte dir der Clan damit wohl etwas zurückgeben?
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Sie haben jetzt nicht gesagt, dass sie etwas zurückgeben wollen. Ich glaube, es war eher eine Frage des Respekts und ein Zeichen der Freundschaft. Die Musik, die wir zusammengemacht haben, war Business, aber wir sind auch miteinander befreundet und kennen uns sehr gut. Als ich also hörte, dass sie an einem neuen Album arbeiteten, zeigte ich RZA ein paar Tracks und der eine gefiel ihm. Den wollten sie haben. Es ging also nicht darum, mir etwas zurückzugeben.
- »Aus irgendeinem Grund mochte Miles Davis meine Sachen und entschied sich für mich.« Auf Twitter teilen
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Wie bist du dazu gekommen, ein Album der Jazz-Koryphäe Miles Davis zu produzieren?
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Das ist eine gute Frage. Anfangs wurde ich noch von Russell Simmons gemanagt. Er hatte damals eine eigene Abteilung für das Management von Produzenten. Meine Managerin bei Russell Francesca Spero – Ruhe in Frieden – leitete diese Abteilung. Sie organisierte mir alle möglichen Projekte, Remixes und Albumbeiträge. Eines Tages rief sie mich an und erzählte mir, dass Russell Simmons mit Miles Davis abhängen würde. Ich weiß noch, dass ich das etwas komisch fand: Russell Simmons, der HipHop-Mogul, hängt mit einem Jazz-Musiker ab?! Meine Managerin sagte mir, dass Miles in HipHop einsteigen wolle und ich ihr ein paar Tracks schicken solle. Also reichten ich und ein paar andere Produzenten von Rush Producers Management ein paar Tracks ein. Und aus irgendeinem Grund mochte er meine Sachen und entschied sich für mich. Wir nahmen ein paar Songs auf und ich dachte, er würde noch andere Produzenten hinzuholen. Aber nach ein, zwei Songs konnte er mich so gut leiden, dass er sagte, ich solle das gesamte Album produzieren. Mann, ich war so froh, ich sprang in die Luft vor Freude! Es war 1991, ich war gerade mal zwei Jahre im Game und fing an, mit Miles Davis zu arbeiten. Zwei Jahre zuvor, 1989, war ich durch Big Daddy Kane gerade erst ins Geschäft gekommen, und jetzt produzierte ich Miles Davis, eine der kultigsten Jazz-Legenden überhaupt. (lacht) Es war irre.
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Eine steile Karriere…
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Nicht wahr? Um ehrlich zu sein, hatte ich einen Riesenschiss. Du fängst ganz automatisch an, dich selbst in Frage zu stellen: Schaffe ich das? Aber dann sagte ich mir: Ja, du schaffst das, sei einfach du selbst. Und am Ende hatten wir das Album »Doo-Bop«: Miles Davis, produziert von Easy Mo Bee. Und wie schon mit Rappin‘ Is Fundamental sangen und rappten wir nun auf »The Doo Bop Song« (AB Money und JR, das dritte Mitglied der Gruppe, wurden in dem Titeltrack gefeaturet; Anm. d.. Verf.). Ich rappte auch noch auf ein paar anderen Songs. Es war irre – und ich hatte eine Riesenangst.
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War der Albumtitel »Doo-Bop« eine Anspielung auf das Rappin‘ Is Fundamental-Album »The Doo-Hop Legacy«?
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Ich erzähl dir mal was Verrücktes: Miles Davis und ich waren mit den Aufnahmen bei etwa vier, fünf Songs angekommen, als ich ihn fragte, wie wir die Lieder überhaupt nennen wollen. Er sagte mit seiner typischen Stimme (imitiert Miles Davis): »Das ist mir egal. I don’t give a shit. Mach du das, nenn sie wie du willst!« Ich konnte es erst gar nicht glauben, aber von da an fing ich an, über die Titel der Songs nachzudenken. Er gab mir sogar die Freiheit, den Namen des Albums zu bestimmen. Der Albumtitel »Doo-Bop« war ein Wortspiel. Der frühe Jazz-Stil, den Miles Davis spielte, war Bebop. Und was wir mit Rappin´ Is Fundamental gemacht hatten, nannten wir Doo-Hop: Wir kombinierten Doo Wop und HipHop. Als es nun um den Albumtitel für Miles Davis ging, wurde aus dem Präfix Doo von Doo-Hop und dem Suffix Bop von Bebop Doo-Bop. Dieses Wort gab es noch nicht, bis ich dieses Album so benannte. So werden Stile miteinander vermischt, der Doo-Hop mit unserem Rap und Gesang auf der einen Seite mit dem Bebop-Jazz auf der anderen.
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Wie vertraut warst du mit der Arbeit von Miles Davis, als es darum ging, sein Album zu produzieren?
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Ich war sehr vertraut damit, hatte mehrere seiner Alben. Es ist so: Der einzige Grund, weshalb ich Musik mache, ist mein Vater. Er hat mich stark beeinflusst und hatte jede Menge Platten, Alben und etliche Maxis. Er hatte immer irgendeine Musik an, als ich noch klein war. Und mein Vater hatte auch schon ein Miles Davis-Album: »Miles Davis at Carnegie Hall«, das Album mit dem orangefarbenen Cover und einem grünen Strich drauf. Das war das einzige Miles Davis-Album, das er hatte. Und da ich genau nach meinem Vater komme, sammele ich selbst alle möglichen Platten, sodass ich sehr vertraut war mit Miles Davis und seinen Beiträgen zum Jazz. Ich wusste ganz genau, wer er war und von seinem Wert im Hinblick auf die Musikgeschichte. Als ich dann erfuhr, mit ihm arbeiten zu können, war ich geschockt und dankbar zugleich.
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Wie war es, mit Miles Davis zusammenzuarbeiten?
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Er war sehr bodenständig. Ich hatte ja auch all die Geschichten gehört, wie er die Band zusammenbrüllen würde. Und ja, ich sah, wie er im Studio jemanden anschrie: Deron Johnson, den Keyboarder. Mann, hat er den ein paar Mal übel beschimpft. (lacht) Während sie spielten! Es war der Song »Duke Booty«. An einer Stelle des Songs wollten sie einen Patch machen. Ein Patch ist, wenn zwei Spieler direkt übereinander spielen, wenn sie das gleiche zur selben Zeit spielen. Bei diesem Patch schrie er ihn an. Genauso in »High Speed Chase«, wo sie auch ein Patch machten. Aber es klappte nicht richtig und sie mussten es wieder und wieder wiederholen. Bis Miles Davis sagte (imitiert Miles Davis): »Motherfucker, kannst du diese Scheiße nicht richtig machen?!« Da dachte ich: Das ist also der Miles Davis, von dem alle immer reden. Aber ich habe das nie abbekommen. Aus irgendeinem Grund schrie er mich nie an. Allerdings gab ich ihm auch keinen Anlass. Er machte, was auch immer er wollte, und ich habe einfach darauf reagiert und versucht, es richtig zu machen. Deshalb zog ich nie seinen Zorn auf mich.
- »Wenn Miles Davis irgendetwas gangsta-mäßiges an sich hatte, dann dass er Jazz revolutioniert hat.«Auf Twitter teilen
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Wie dachte Miles Davis über HipHop?
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Ich erinnere mich an Folgendes: Wir waren bei ihm zuhause an der Central Park West zwischen der 88. und 89. Straße. Miles hatte all die Produzenten zu einem Vorspielen eingeladen – ihre Namen möchte ich nicht nennen. Jeder Produzent, darunter auch ich, hatte einen Termin mit ihm und spielte ihm seine Musik vor. Ich hatte den Eindruck, als wäre ich extra erst als letzter an der Reihe gewesen. Alle anderen waren schon weg. Einige Produzenten hatten ihm Sachen vorgespielt mit Raps, in denen viele Schimpfwörter gesagt wurden. Als sie weg waren, sah er mich an und sagte: »Diese Scheiße hat mir nicht gefallen.« (lacht) »All die Schimpfwörter, ich mag das nicht.« Es war nicht so, dass wir ein ausführliches Gespräch über HipHop geführt hätten, aber so viel habe ich verstanden: Er mochte es nicht, wenn die Lyrics zu viele Schimpfwörter beinhalteten, obszön und beleidigend waren. Ich glaube, er mochte einfach nicht den Gangster-Style. Wenn man sich seinen Katalog ansieht, kam so etwas auch nie darin vor. Wenn Miles Davis irgendetwas gangsta-mäßiges an sich hatte, dann dass er Jazz revolutioniert hat.
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Als das Album damals erschien, fielen die Kritiken durchwachsen aus. Wie war das für dich?
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Ehrlich gesagt, ich habe viele der Magazine mit den Kritiken aufgehoben. Und ich will nicht lügen, die Kritiken taten schon etwas weh. Denn ich hatte das Gefühl, dass Miles und ich großartige Arbeit geleistet hatten. Und deshalb sollte man auch nicht darauf hören, was andere Leute sagen oder denken. Es sollte einem egal sein. Stattdessen sollte man einfach machen, was einem gefällt und an sich glauben. Dann ist man auch glücklich und zufrieden mit sich selbst. Das sage ich aufgrund dieser Kritiken damals. Denn heute hat niemand mehr etwas Negatives über das Album zu sagen. Im Gegenteil. Heute sagen alle, wie toll es war und wie sehr sie meine Arbeit mit Miles Davis lieben und bezeichnen das Album als Klassiker – in so hohen Tönen sprechen sie von dem Album. Was ich sagen will, ist: Egal, wer der Kritiker ist – ob vom »Rolling Stone« oder sonst woher –, er ist und bleibt ein Mensch. Und dieser Mensch gibt seine persönliche Meinung zum Besten. Aber das ist nur eine Meinung von vielen. Es gibt Millionen andere Menschen, die das nicht so sahen und das Album großartig fanden. Und heute, nach all den Jahren, wird das Album rezensiert und für eine Art Klassiker befunden. Aber ja, damals haben mich die Reviews geärgert, aber heute bin ich froh, denn das Album hat die Zeit gut überdauert und es wird immer noch darüber gesprochen.
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Wie denkst du selbst über das Album heute?
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Ich liebe es. Erst vor ein paar Wochen habe ich mir mal wieder den Eröffnungssong »Mystery« angehört… Die Art und Weise, wie ich dieses Album produziert habe, glaubt mir kein Mensch. Vorweg sei gesagt, dass ich keinerlei formale Musikausbildung habe, ich kann Noten weder lesen noch schreiben. Alles was ich damals machte, war Samplen: mit einem E-mu SP 1200 und einem AKAI S900. Das waren meine beiden Sampler. Und in »Mystery« gibt es zum Ende hin eine Stelle, an der ich mit der Trompete mitgehe, als würde ich selbst eine Bläserharmonie spielen. (Imitiert das Bläserspiel) Das habe ich mit einem Drum-Computer gemacht – du dachtest sicher, dass das ein Keyboard war, oder?!
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Wahrscheinlich.
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Es war aber kein Keyboard. Ich dachte mir diese Bläserharmonie aus und spielte sie mit einem Drum-Computer und nur einer Note ein. Ich hatte nur diese eine Bläsernote. Ich stellte den Drum-Computer auf Multipitch, sodass man ihn wie ein Keyboard benutzen kann. Nachdem das mit dem ersten Track geklappt hatte, spielte ich ganze Harmonien und andere Noten. Als ich mir das vor ein paar Wochen noch einmal anhörte, dachte ich mir schon, dass ich ganz schön krasse Sachen mit dem Sampler gemacht habe, als das damals sonst noch keiner tat. Wir haben da Sachen gemacht, die so bis dahin noch nie gemacht worden waren. Das Album an sich, war sehr innovativ.
- »Ich war nicht der erste, aber ich bin froh, ein Teil dieser Jazz-HipHop-Sensation gewesen zu sein.«Auf Twitter teilen
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Wie hat sich das Album deiner Meinung nach auf HipHop ausgewirkt?
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Wenn es um dieses Jazz-HipHop-Ding geht, wird dieses Album zwar immer genannt, aber ich möchte klarstellen, dass ich nicht der erste war, der Jazz und HipHop miteinander verband. Meiner Meinung nach war Grand Mixer DST der erste, heute nennt er sich GrandMixer DXT. Er nahm 1983 zusammen mit Herbie Hancock »Rock It« auf. Das war das erste Mal, dass Jazz mit HipHop kombiniert wurde. Das zweite Mal war meines Erachtens Gang Starrs »Jazz Thing« vom »Mo Better Blues«-Soundtrack zu Spike Lees Film. Dann gab es Gruppen wie A Tribe Called Quest, die Jazz in Form von Sampling in ihre Musik einbanden, was es im HipHop immer gab. Aber »Doo-Bop« markiert das erste Mal, dass ein HipHop-Produzent zusammen mit einem Jazz-Künstler ein Projekt auf die Beine stellte. Das ist das Besondere an »Doo-Bop«. Danach muss als eines der bedeutsamsten Jazz-Fusion-Projekte »Jazzmatazz« von meinem sehr guten Freund Guru genannt werden – Ruhe in Frieden, Guru. Aber ich kann mich in der Reihenfolge auch irren und lass mich gerne eines Besseren belehren. Aber nach den letztgenannten Projekten ging es im HipHop richtig ab und viele weitere Projekte dieser Art folgten. Ich war nicht der erste, aber ich bin froh, ein Teil dieser Jazz-HipHop-Sensation gewesen zu sein.
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Was ist aus deinem Plan geworden, zusammen mit Live-Musikern ein Remix-Album von »Doo-Bop« aufzunehmen?
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Ja, ich hielt das für eine gute Idee, die ich dem Label (Warner Bros. Records, wo das Album erschien; Anm. d. Verf.) auch präsentiert habe. Aber die haben das einfach nicht verstanden. Dabei hatte ich bereits einen Remix von »The Doo Bop Song« eingereicht. Es kam jedenfalls nicht dazu. Aber ich gebe nicht auf. Ich werde ein neues Angebot einreichen. Ich finde, dass es dieses Remix-Album geben sollte. Es wäre echt schön, diese Songs Jahre später in anderer Form hören zu können.
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Angefangen hast du mit der Rap-Gruppe Rappin‘ Is Fundamental. Was ist aus der Gruppe geworden?
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Das ist korrekt. Mit Rappin‘ Is Fundamental habe ich angefangen. Wir sind zusammen in denselben Projects in Brooklyn aufgewachsen und nahmen ein paar Songs auf, die zu einem ganzen Album führten. Ich war vor allem der DJ und Produzent der Gruppe, denn um ehrlich zu sein, hatte ich nie vor zu rappen. (lacht) Es war AB Money von Rappin‘ Is Fundamental, der mich dazu drängte. Er sagte, ich habe eine Idee für eine Gruppe, in der wir rappen und singen. Also ich, AB Money und JR. Ich sagte »Okay!«. Und so wurde ich nicht nur der DJ und Produzent der Gruppe, sondern sang und rappte auch mit ihnen. Das war so um 1987/88. Unsere erste Independent-Single, »Ain’t No Smoke Without Fire«, mit »You Wanna Trip« auf der B-Seite, erschien 1989 über Khafra Records. Daraus entstand unser Album »The Doo-Hop Legacy«, das 1991 über A&M Records erschien und recht erfolgreich war. Nicht so erfolgreich wie vorgesehen, aber das Tolle an diesem Album ist, dass es aus den vorgefertigten Formen ausbrach, in denen sich Rapper damals bewegten. Denn damals war alles hardcore. Wenn du gesungen hast, hieß es, das ist corny. Und heute? Alle singen! Von daher würde ich sagen, haben wir dazu beigetragen, aus diesen alten Mustern auszubrechen, sodass es heute jede Menge gesungene Hooks gibt. Alle möglichen Rapper singen: von Ja Rule über 50 Cent bis zu Drake. Gesang ist heute ein großer Bestandteil ihrer Musik. Und ich bin froh, dass wir geholfen haben, das zu ermöglichen. Die ersten gesungenen Hooks im HipHop, wie wir sie machten, fielen uns auf einem der NWA-Alben auf und dann auf Dr. Dres »The Chronic«. Ich sah AB an und sagte: »Hörst du das? Sie singen.« (lacht) Wie auch immer. Meine Zeit des Rappens reichte von 1987 mit Rappin‘ Is Fundamental bis ins Jahr 2000. Dann entschied ich, das Rappen an den Nagel zu hängen. Ich wollte nicht mehr rappen, sondern nur noch das machen, was ich schon immer machte: produzieren.
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Was wurde aus AB Money und JR?
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Die beiden sind nach South Carolina gezogen. AB nimmt gerade sein Soloalbum auf. Es heißt »Gumbo« und ich habe einen großen Anteil an der Produktion dieses Albums. Wir machen also immer noch Sachen zusammen, arbeiten miteinander, nur dass ich halt nicht mehr rappe.
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Und was ist mit JR?
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Er macht auch immer noch Musik.
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Wie fühlt es sich für dich an, »The Doo-Hop Legacy« heute zu hören?
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Es fühlt sich gut an. (lacht) Wenn ich mir manchmal die Zeit nehme und es mir anhöre, dann staune ich über die Kombination der Raps mit dem Gesang und allem. Vielleicht habe ich das damals gar nicht wirklich erkannt, weil ich selbst voll involviert war, aber im Nachhinein staune ich. Wir haben da wirklich was kreiert. Wir haben unsere Köpfe angestrengt. Das zu hören, ist schon toll.
- »Ich wollte immer mehr als nur zu loopen.«Auf Twitter teilen
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Hast du unter all den Songs, die du produziert hast, einen Lieblingssong?
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Einer meiner Lieblingssongs ist »Everything Remains Raw« von Busta Rhymes, aber das gilt natürlich auch für »Flava In Ya Ear«. Ich mag Songs wie »It’s A Party« von Busta Rhymes mit Zhané. Denn auch in dem Song kannst du hören, was für krasse Sachen ich anhand von Samples gemacht habe. Ich spielte Vibraphon-Harmonien. (lacht und summt die Vibraphon-Melodie von »It’s A Party«) Dann legte ich noch eine weitere Melodie darüber. (summt sie) Und dann habe ich all das zusammengelegt. (lacht) Sowas war in Sachen Samples damals nicht an der Tagesordnung! Sampler waren damals nur für Loops vorgesehen, sodass wir eine Passage aus einem Song loopen und verwenden konnten. Aber ich bin einen Schritt weitergegangen. Samples zu spielen, nenne ich das. Die Samples so wie die Sounds in einem Keyboard zu benutzen. Wenn ein Klavier- oder Keyboardspieler mit der einen Hand Tasten runterdrückt und gleichzeitig mit der anderen Hand andere Tasten runterdrückt, dann entsteht ein Akkord. Sampling fand ich immer sehr simpel, sodass ich mich fragte, ob ich es nicht auf ein anderes Level heben könnte. Dadurch, dass ich die Samples wie die Sounds eines Keyboards sah, entwickelte ich daraus eine Technik, die für mich auf einer Harmonielehre basiert. Im Grunde basiert alles auf Harmonien, in denen es darum geht, dass ein Instrument mit anderen zusammenspielt. Das ist der Ansatz eines jeden Musikers. Und diesen Ansatz übertrug ich für mich aufs Samplen. Ich wollte immer mehr als nur zu loopen.
Ursprünglich sollte ich »Juicy« produzieren. Puffy fragte mich, ob ich diesen Juicy-Joint für ihn loopen und in Form bringen könnte. Ich sah ihn nur an und fragte ihn: »Was bitte soll ich machen?!« (lacht) Ich konnte gar nicht glauben, dass er von mir erwartete, diese Platte einfach zu loopen. Ich sagte ihm, ich könnte es mit Drums unterlegen und später zusammenfügen, aber das wollte er nicht, er wollte nur den Loop. Also ging dieser Track an mir vorbei. Ich lehnte ihn ab und Puffy gab ihn jemand anders. Und es wurde einer der größten Songs überhaupt. Na, und?! Mir ist das egal. Ich wollte nicht einfach etwas loopen. Ich wollte ernsthaft arbeiten und mehr erreichen. Nicht, dass »Juicy« keine großartige Platte wäre. Aber ich hätte nicht das Gefühl gehabt, wirklich gearbeitet zu haben, wenn ich es einfach nur bei dem Loop belassen hätte.
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Welche deiner Produktionen hältst du für die am meisten unterschätzte?
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Jede einzelne. (lacht)