SD »Ich bin auf einem guten Weg.«

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir die 20 besten Songs von SD gekürt. Das Feedback auf die Liste machte noch mal ausdrücklich klar: Nicht wenige warten immer noch auf ein Comeback von Stefan Duschl. Jan Wehn hat den Rapper in Köln zum Interview getroffen.

SD

Wenige Rapper werden so schmerzlich vermisst wie SD. Das sieht man an Kommentaren unter seinen Songs und Videos auf YouTube, an einer Petition, die sein sofortiges Comeback fordert und auch an dem Feedback, das wir auf unsere Liste mit den 20 besten Songs von Stefan Duschl bekommen haben. Aber seit seiner Debüt-LP »21 Gramm« im Jahr 2008 und einem allerletzten Featurepart auf dem Capkekz-Album im Jahr 2009 wurde es – bis auf ein paar unbestätigte Comeback-Gerüchte – still um SD.

Auf unsere Interviewanfrage hat er sich dann aber doch gemeldet. Also ist Jan Wehn nach Köln gefahren und hat SD getroffen. Ein Gespräch über seine Anfänge als Freestyle-MC im Kölner Stadtgarten, Lob von den Stieber Twins, einen Schwur mit MC Spontan, Jams mit MC Rene, seinen Deal mit Headrush und Roe Beardie, die Zeit bei Optik Records, die Arbeiten an seinem Debütalbum – und, ja, natürlich geht es auch um die große Frage, ob da vielleicht so etwas wie ein Comeback geplant ist.

  • Wie bist du überhaupt zu Rap gekommen?

  • Ich habe, als ich neun Jahre alt war, ein Breakdance-Tape bekommen, auf dem Songs von Grandmaster Flash und so waren. Ich war zwar noch ein kleines Kind, aber die Musik hat mir sehr gut gefallen und mich immer sehr gut gelaunt gemacht. Danach hatte ich mit 11 oder 12 Jahren eine kurze Guns’n’Roses-Phase. Die war aber nur ganz kurz, denn dann gingen die Workshops der Freestyler und Writer bei uns an der Schule los. Ein halbes Jahr vorher haben meine Freunde und ich uns noch darüber gestritten, welche Musikrichtung – Rap oder Rock – jetzt cooler ist. Aber plötzlich gab es nur noch Rap und wir wollten uns damit ausdrücken. Es ging um Ausdruck durch Kunst. Das war ungefähr die Zeit, in der in Deutschland auch MC Rene, Advanced Chemistry oder Too Strong am Start waren. Das waren auch die deutschen Rap-Sachen, die ich zu der Zeit gehört habe. Rene hat damals ja auch in Köln gewohnt und mich mit seinem Feuer, der Liebe zu Rap und seinen Freestyle-Fertigkeiten richtig krass beeindruckt.

  • Wann hast du selbst mit dem Rappen angefangen?

  • Das war in Köln-Nippes bei einer Jazz-meets-HipHop-Veranstaltung, wo auch die Königsdorf Posse am Start war. Davor habe ich aber schon die Texte von anderen gerappt. Ich hatte schon immer ein Talent dafür, Sachen schnell auswendig zu lernen. Ich habe die auswendig gelernten Texte vor meinen Freunden und anderen Rappern gekickt, bis mir gesagt wurde, dass ich doch auch mal was Eigenes schreiben solle. Also habe ich angefangen selber zu schreiben – damals noch auf Englisch.

  • Hattest du damals schon ein Faible für Technik, mehrsilbige Reime, schnelle Flows und dergleichen oder kam das erst später?

  • Wenn du dir die Oldschool-Sachen aus Deutschland anhörst, waren das immer schnelle Sachen. Ich habe das alles gehört, war großer Fan von 3P und habe mir damals auch T-Shirts von denen bestellt. Da war dann auch später mal was mit 3P… aber das ist eine andere Geschichte. Ich weiß jedenfalls noch, wie ich zu der Zeit mal im Sommerurlaub war und ein Typ dort immer Die Fantastischen 4 gehört hat. Dieser Typ hat von Natur aus sehr schnell gesprochen und die Texte der Jungs sehr schnell nachgerappt. Und wenn du die schnellen Einflüsse anderer nimmst, dazu noch jemand bist, der schnell denken kann, dann entsteht eben schnell ein Anspruch, das auch live selber so umzusetzen. Rap war für mich schon immer ein Live-Ding. Die ersten sechs Jahre habe ich mich sehr auf den Live-Aspekt konzentriert.

  • Live rappen konnte man zu der Zeit am besten auf Jams, oder?

  • Richtig. Die Rapper in Köln waren alle schon ein paar Jahre älter. Ich hatte nur zu Sprühern Kontakt. Das war aber gut. Die Jungs haben ihre Kunst sehr ernst genommen und dadurch habe ich auch Rap ernsthaft verfolgt und mich verbessert. Gefreestyled haben die aber nur, wenn sie besoffen waren. Also habe ich angefangen, mich mit Leuten kurzzuschließen, die nicht aus Köln kamen. Der erste war Spontan – und ohne ihn wäre das alles nichts geworden.

  • Spontan hast du auf einer Jam kennengelernt.

  • Genau. Das war eine Jam in Köln. Er war zusammen mit einem Typen dort, der damals in dem HipHop-Laden Da Source gearbeitet hat. Ich habe zu der Zeit sehr viel »Der Prinz von Bel-Air« geguckt und habe irgendeinen Freestyle aus der Sendung gekickt und wir haben uns sofort gut verstanden. Wir haben dann auf dem Weg zur Bahn in Köln-Deutz gefreestyled und uns für eine Woche später verabredet. Und da haben wir am Gaudizelt in der Nähe vom Dom, das übrigens immer noch steht, gegenseitig versprochen, dass wir die nächsten Jahre einfach rausgehen, freestylen und alles abreißen wollen. Spontan war damals schon viel mit seinem Bruder, DJ E-Force, unterwegs und die haben auf Jams richtig abgerissen. Das war für mich wie ein Sechser im Lotto und von da an sind wir zusammen losgezogen. Wir haben alles mitgenommen, wir sind 12 Stunden mit dem Regionalexpress nach Berlin gefahren, einfach um da zu sein. Wir hatten keinerlei Kohle und sind mit 5 oder 10 Mark in der Tasche hingefahren. Wir sind vor den Kontrolleuren geflüchtet und wenn wir doch mal erwischt und rausgeschmissen worden, haben wir den nächsten Zug genommen. Das war alles scheißegal – wir wollten nur dabei sein.

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  • Deutscher Rap war damals ja noch viel kleiner als heute und die Leute noch lange nicht so gut miteinander vernetzt. Du hast dir über diese Besuche von Jams quasi die Szene erschlossen, oder?

  • Ja, ich habe auf diesem Weg viele Leute kennengelernt. Das war gut, denn ich hatte schon immer meine eigene Vision und durch die Jams eine Möglichkeit, mich mit anderen Leuten zu messen und Styles zu vergleichen. Jeder von uns hat unter der Woche trainiert, um sich am Wochenende mit den anderen anzulegen.

  • Wurde die Szene in Köln nicht auch langsam größer?

  • Köln hat zu der Zeit Rap geatmet. Da ging es richtig rund. Überall haben Stores aufgemacht, in denen man Platten und Klamotten kaufen konnte. Die Stores waren die wichtigen Anlaufstellen, weil es ja noch kein Internet gab und man irgendwo ja Musik hören musste. Wenn man Pech hatte und pleite war, dann konnte man sich die neuen Sachen nur ein oder zwei Mal im Laden anhören, sich alles merken und danach ohne neue Platten oder Kassetten wieder nach Hause. (grinst) Das ist auch der Grund, warum die Freestyles von Leuten aus dieser Generation so gut klingen und man oft denkt, dass das richtige Texte waren.

  • So wie bei euren Sachen auf den »Stammtisch«-Tapes von DJ Amir.

  • Nee, das war anders. Nach meinem Empfinden waren die »Stammtisch«-Tapes eher so ein Ausraster-Ding. Die richtig krassen Sessions von uns sind dort abgelaufen, wo keine Kamera oder ein Aufnahmegerät am Start war. Das finde ich sehr schade. Das wären sicherlich über 30 Stunden sehr gutes Freestyle-Material. Aber auch wenn die Zeit längst vorbei ist, ist sie nicht vergessen und lebt in den Köpfen und Herzen der Leute von damals weiter.

  • Du hast gerade davon gesprochen, dass ihr unter der Woche trainiert habt. Wie lief das ab?

  • Das war einfach learning-by-doing. Ich habe mich den ganzen Tag mit Rap beschäftigt und es einfach gemacht. Ich habe Tapes gehört, verglichen, geübt und mich um meine Skills gekümmert. Das war wie Liegestütze. Erst machst du 10, dann irgendwann 50. Genau so habe ich erst eine Minute frei gerappt und irgendwann waren es zehn, dann 20. Als das hingehauen hat, habe ich mich darum gekümmert, dass die Leute sich nicht langweilen. Die sollten ja nicht nur hören, dass ich rappe, sondern ich wollte auch unterhalten. Ich hatte eine Mission und die hieß: Crowd rocken und Respekt bekommen. Ich wollte von der Bühne gehen und danach respektiert werden. Also musste ich auch so rappen. 

  • In einem alten Interview mit »MK-Zwo« hast du mal gesagt: »Spax hat irgendwie acht Takes für einen Freestyle gebraucht. Da denke ich mir doch ›Oh mein Gott, Alter!‹ Und so einer kommt dann nachher in die Top 5 der Freestyler, da läuft doch irgendwas falsch. Ist alles so aufgesetzt.« Was hast du denn anders gemacht?

  • Leute wie Spax waren ja respektierte Leute, die sich lange schon durch Rap ausgedrückt haben. Das Pendant zu Spax war für mich immer Rene. Ich fand Rene immer besser, Spontan hätte vielleicht Spax bevorzugt. Ich grüße ihn auf jeden Fall an dieser Stelle, aber ich weiß noch, wie ich bei meinem ersten Freestyle-Battle in Hannover. Scopemann saß damals in der Jury und Spax hat das Ganze moderiert. Spax hat mich damals als MC SD angekündigt und das SD aber Englisch ausgesprochen. Das habe ich ihm bis heute nicht verziehen, Alter! (lacht) 

  • Wenn wir schon bei Hannover sind: Wann und wie ging die ganze Stammtisch-Geschichte denn eigentlich los?

  • Zu der Zeit, von der wir gerade reden, gab es richtige Freestyle-Teams. Es gab mich und spontan, aber zum Beispiel auch Rene und Rano. Spontan und Rano kannten sich schon von Sessions. Spontan hat dann Amir auf einer Jam in Bochum kennengelernt. Die beiden sind zusammen auf Shows gegangen und wenig später bin ich auch nach Hannover, damit wir dort zusammen im Keller chillen und ein bisschen aufnehmen. Spontan hat dann auch Laas angeschleppt. Wir waren dann dank DJ Lifeforce auf den »Beatz aus der Bude«–Tapes und haben Tapes mit Amir gemacht. 

  • Wie liefen die Sessions damals denn ab? Habt ihr einfach »Aufnahme« gedrückt und das Mikro rumgereicht?

  • Ganz genau. So lief das damals bei Amir im Keller ab. Ich erinnere mich, dass da auch ein Aquarium, eine Hantelbank und ein Super-Mario-Stuhl rumstanden – und dazwischen standen wir und haben gerappt. Da kann ich noch einen schönen Schwenk erzählen: DJ Amir hatte damals eine Sendung mit dem Namen »Da Flava« auf radio flora. Falk Schacht war auch mit dabei. Amir hatte damals Tic Tac Toe zu Gast. Die waren ja scheinbar liebe Mädchen, die damals auch in Dortmund auf Jams abgehangen sind, aber in der Sendung haben sie sich zu dem Rap-Ding geäußert und ich fand ihre Aussagen damals so krass peinlich. Da war ich direkt auf 180 – nicht was den Hass angeht, aber ich wollte denen zeigen, was HipHop eigentlich heißt. Also habe ich mir die Sendung angehört und bin dementsprechend verrückt und angeturned in die Sessions gesteppt. (grinst)

  • Amir meinte über die Zeit zu mir: »Ein Sack Flöhe war nix gegen uns!« Wie hast du das damals wahrgenommen?

  • Ja, wir haben da richtig krass gerappt – aber wir haben uns immer an die Regeln gehalten. Zehn Jahre später war das leider nicht mehr so.

  • Bist du zu der Zeit eigentlich noch zur Schule gegangen?

  • Ich habe den Realschulabschluss gemacht und dann mit 17 Jahren geschmissen. Ich sollte immer BWL studieren. Das habe ich dann nicht gemacht. Ich war einfach jung und wild und wusste, was ich kann. 

  • War das auch die Zeit zu der es bei dir mit den Drogen losging?

  • Bei mir hat das gar keine so große Rolle gespielt. Das wird ja alles etwas aufgebauscht. Sido wird ja auch nicht gefragt, wann er zu Drogen gekommen ist. Ich glaube, dass die Leute, von denen du es gar nicht weißt, mehr Koks gezogen haben als ich. Denn ich habe nämlich gar nichts gemacht. Ich bin ein ganz braves Kerlchen, mache nur meinen Sport, achte auf meine Ernährung. Manchmal smoke ich nach dem Training noch einen, aber das war’s dann auch.

  • »Die richtig krassen Stammtisch-Sessions sind dort abgelaufen, wo keine Kamera oder ein Aufnahmegerät am Start war.« Auf Twitter teilen
  • In der Musik hast du es aber schon erwähnt.

  • Klar, da stehe ich auch zu. Den Vibe, den ich transportieren wollte, der ist angekommen. Als das »21 Gramm«-Album erschienen ist, war das mit den Drogen aber bei weitem nicht so schlimm, wie es in den Texten dargestellt wurde. Da habe ich auch viel aus den 15 Jahren davor eingefangen. Als ich »21 Gramm« gemacht habe, war ich 27, es war aber mein Debütalbum und ich wollte auch meine Vergangenheit abbilden. Dazu kommt: Das Album ist ja auch unter dem Namen S.Diddy erschienen. Den Namen hat mir mal irgendein Typ in Dortmund gegeben, weil gerade das Video von P.Diddy erschienen war. Das ganze Album hätte mit viel mehr Humor aufgefasst werden müssen.

  • Nach der Stammtisch-Zeit warst du, soweit ich weiß, kurzzeitig bei dem neuen Kölner Label Overstolz gesignt, oder?

  • Nein. Pass auf, das war so: Ich hatte damals einen Albumdeal bei Headrush. Ich wollte das Album aber nicht machen, weil ich gesehen hatte, dass die Single schon über ein Jahr dort rumlag und nichts passiert ist. Spontan hat zu der Zeit auch ein Album gemacht und ich wollte auch eines veröffentlichen. Overstolz ist damals von einem gewissen Marc gegründet worden, der sich von MZEE abgespaltet hat, wenn ich mich recht erinnere. Die haben versucht, hier in Köln mit der EFA im Hintergrund was zu machen, was aber leider nicht funktioniert hat. Ich wäre auch nicht der richtige Künstler gewesen. Aber Marc hat mir damals geholfen, aus dem Deal bei Headrush rauszukommen.

  • Wie kam es denn überhaupt zu dem Deal mit Headrush?

  • Da ist mir mein Ruf auf der Straße vorausgeeilt. (grinst) Das war einfach eine Kölner Nummer. Ich weiß nicht mehr genau, wie das abgelaufen ist. Aber Roman (Roe Beardie, Anm. d. Verf.) war immer schon ein sehr netter Mensch und ich meine, dass er mich dann gefragt hat, ob ich nicht Lust hätte, bei Headrush zu signen.

  • Bei Headrush ist die Doppelsingle »Aufsässig & frech«/»Stoned« erschienen. Der Beat für »Aufsässig & frech« kam von Profan78.

  • Ganz genau. Profan und ich hatten gar nicht so viel miteinander zu tun. Aber als ich ihn einmal in Dortmund-Barop bei »Mama Mia Barop« getroffen habe, mochte ich ihn sehr. Die Leute im Pott haben ohnehin immer zu mir gesagt, dass ich zu ihnen gehören würde und in Köln gar nichts verloren hätte. Im Nachhinein hätte ich mir die ganze Berlin-Nummer schenken können. Wir hatten das auch hier geschafft, aber… hätte, hätte Fahrradkette. Jedenfalls: Ohne diesen Beat und die Cuts von DJ Amir wäre auch der »F.F.«-Track auf dem Roey Marquis II. kurz darauf nicht entstanden. Profan hat da nämlich seine Hand für mich ins Feuer gehalten. Und wer Profan kennt, der weiß, dass dieser Typ für niemanden seine Hand ins Feuer legt. (lacht) Aber er hat’s gefühlt! Der Song für Roey Marquis II. war damals eine kritische Sache, da ich in meinem Text ja einen seiner damals besten Buddies, Curse, von der Seite angequatscht habe. Das war von mir aus eine saubere Battlegeschichte und genau so habe ich das Calo (Roey Marquis II., Anm. d. Verf.) auch erklärt, der mich natürlich gefragt hat, was das soll.

  • Marc von Overstolz hat dich jedenfalls aus dem Vertrag mit Roman geholt.

  • Genau. Da waren zu dem Zeitpunkt irgendwie 1000 Mark offen, die er vorgestreckt hat und dann war die Sache gegessen. Bei Overstolz hatte ich dann einen Verlagsdeal und von dem Geld konnte ich meiner Freundin auch einen schönen Verlobungsring holen, mit ihr in die Dom-Rep fliegen und mir eine schöne Winterjacke kaufen.

  • Ich meine gelesen zu haben, dass zu der Zeit auch ein Album von dir und Spontan erscheinen sollte. Stimmt das?

  • Das weiß ich nicht mehr. Spontan hat zu der Zeit aber sehr viel produziert. Das war dieses eine Jahr, in dem die MiniDisc so angesagt war – und ich habe dann bestimmt 120 Minidiscs mit Beats von Spontan bekommen. (lacht) Die Beats waren wirklich gut und daraus hätte man gut ein SPSD-Album machen können. Das ist etwas, das mich auch heute noch reizen würde. 

  • Du hast aber weder bei Headrush noch bei Overstolz released. Eben hast du schon mal erzählt, dass da mal was mit 3P im Gespräch war. Habt ihr da über ein eventuelles Signing gesprochen?

  • Ja, ich habe mal mit DJ Katch zusammengesessen und darüber gesprochen. Aber ich fand die Stimmung  nicht so gut. Ich muss aber auch sagen, dass ich zu der Zeit generell ziemlich viel kacke fand. Das Angebot war für mich uninteressant, aber natürlich war es eine Riesenehre, dass Moses Pelham Interesse an mir hatte. Aber ich war damals wie heute so, dass ich etwas gekickt habe, wenn mir auch nur eine Kleinigkeit nicht gefallen hat.

  • »Ein SPSD-Album ist etwas, das mich auch heute noch reizen würde.«Auf Twitter teilen
  • Wie kam denn dann der Kontakt zu Kool Savas zustande?

  • Getroffen habe ich Kool Savas damals auf einem KRS-One-Konzert. Ich habe die Musik von ihm und M.O.R nie gehört. Wir hatten komplett unsere eigenen Sachen am laufen und auch nicht viel miteinander zu tun. Nach dem »F.F.«-Track für Roey Marquis II. habe ich einen Anruf von Eko bekommen: »Ey, hier ist Eko. Das war ein hammer Track!« Ich meinte dann nur »Welcher Eko?« Auch wenn er mit auf dem Album war, hatte ich seine Sachen noch nicht gehört. Danach hat Savas sich gemeldet. Zu der Zeit hing ich in meiner Zivildienst-Bude und habe Kleingeld aus der Couchritze gezogen, um mir ein Bier zu holen. (lacht) Er hat mich dann eingeladen, ich bin nach Berlin gekommen und wir haben in der Bude, in der er mit Melbeatz damals wohnte, einen eingerappt. Ich weiß noch, wie ich in der Küche saß, Melbeatz reinkam und mega abgefuckt war. Savas musste sie dann erst mal beruhigen und ihr erklären, wer ich war. (lacht) Ich habe gleich zwei Sachen dort aufgenommen: Meinen Part für »X und quer« und dann noch den »Rhyme Skit« für das »Optik Mixtape Vol. 1«. Die Jungs haben richtig gefeiert, dass ich durchgerappt und nicht 10 Takes gebraucht habe. Dann bin ich wieder zurückgefahren. Mir war gar nicht klar, was Savas und seine Leute für eine große Nummer waren – und plötzlich reagieren Leute auf dich, weil du mit jemandem zu tun hast, der bei einem Majorlabel ist und bald sein erstes Album herausbringt. Ein paar Wochen nach der Veröffentlichung des Tapes ist mir dann das erste Mal aufgefallen, was für Schwanzlutscher es in Köln gab. Da kamen plötzlich ganz andere Schulterklopfer. (lacht) Das war neu. Bis dahin kamen die Leute nur wegen meinem Rap zu mir und nicht, weil ich diesen oder jenen Typen kannte.

  • Wie haben deine Freunde das Ganze denn aufgefasst?

  • Es hieß immer: »Du brauchst das nicht!« Aber ich habe das Problem gar nicht gesehen. Damals war mir noch nicht bewusst, dass das Ganze ja in Berlin passiert ist und diese Stadt komplett von der Musikindustrie verseucht war. Ich habe das erst gecheckt, als es konkret wurde. Ich saß dann nämlich gemeinsam mit Benny Blanco (jetzt Bazzazian, Anm. d. Verf.) und Savas bei Universal und es ging darum, die »Dirrrty«-EP zu verdealen. Das war in Savas’ hektischer Phase, als er gerade Eko verloren hatte. Wir haben bei Universal zwei Songs vorgespielt und ich weiß noch, wie ich damals gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, in der »Bravo« stattzufinden. Ich war zu der Zeit gerade 23 und habe mich an meine Zeit mit 15 zurückerinnert – und da ist mir klar geworden, dass ich dafür keine Mikrofone gerockt habe. Also habe ich gesagt: »Ich will einfach nur Musik machen. Entweder ihr zahlt das – oder nicht.« Neben diesem Majorkram war dann ja auch das Problem, dass ich mitten in diese Streitereien reingeraten bin. Ich bin ein Scheidungskind und hatte viel Hass auf die Welt, weil meine Eltern sich getrennt haben. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war Streit mit Leuten, mit denen ich das mache, was ich am meisten lieb habe – nämlich Musik.

  • Nichtsdestotrotz hattest du bei Optik ein paar Veröffentlichungen. Zu allererst die »Wie es geht«-EP…

  • Eigentlich war es nur eine Single, aber ich finde eigentlich auch, dass es eine EP war, weil der »Radio Skit« eigentlich ein ganzer Song war.

  • Du hast eben schon Bazzazian angesprochen. Er hat auf der EP ja auch einen Track produziert. Wie kam eure Connection damals zustande?

  • Ich möchte da jetzt nichts Falsches sagen. Es war so, dass ich nicht nur gerappt habe, sondern auch Gitarre gespielt habe. Ich hatte eine Gibson Les Paul Standard, die ich dann aber vertickt habe. Bazzazian hat zu der Zeit viel Punk gemacht. Kennengelernt habe ich ihn über einen Typen, der hier in Köln Gras verkauft hat. Beim ersten Mal fanden wir uns beide, glaube ich, nicht sonderlich sympathisch – aber das hat sich dann gelegt und alles war cool. (lacht) »Wie es geht« ist am 3. März 2003 erschienen und es gab dazu auch eine kleine Tour mit ein paar Dates in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die ganze Energie und den Spaß, den wir auf der Tour hatten, haben wir dann in der »Dirrrty«-EP weiterverarbeitet.

  • Auf dem Song »Für Kenna« läuft im Intro ein Shoutout von Jay Z an dich. Wie kam das denn?

  • Das hat Falk Schacht klargemacht. Bei einem Jay-Z-Konzert. Da stand ich später auch fünf Meter neben Jay Z. Er hatte ja die Sendung mit Amir und mochte das Zeug, das wir gemacht haben. Falk hat mir auch dazu geraten, bei Optik zu bleiben und auf den ganzen Stress zu scheißen. 

  • »Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war Streit mit Leuten mit denen ich das mache, was ich am meisten lieb habe – nämlich Musik.«Auf Twitter teilen
  • Gab es denn bei Optik auch Pläne für ein Album?

  • Ja, es sollten ein oder zwei Alben verdealt werden. Aber ich wollte das nicht. Ich habe die Konditionen checken lassen und fand die scheiße. Für einen normalen Rapper war das vielleicht okay, aber nicht für jemanden mit meiner Erfahrung.

  • Wie ging es nach dem Optik-Deal denn dann für dich weiter? Soweit ich weiß, hast du für ein Umzugsunternehmen gearbeitet, oder?

  • Ja, das stimmt. Du musst wissen, dass das für mich schon richtig scheiße war. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und nachdem das mit Savas nichts geworden ist, hatte ich gar nichts mehr. Ich habe so gesehen mal eben für Rap mein Leben gefickt. Das war nicht schön. Ich habe also erst mal Geld machen müssen und habe mich erholt, nach dem ich eine kleine Bruchlandung hingelegt habe. Ich habe in Kalk gearbeitet und immer mal wieder Capkekz getroffen, der mich direkt eingeladen hat. Eko war auch da – in der Zeit hatte ich mit Musik eigentlich nichts zu tun. Irgendwann meinte Eko zu mir, dass wir doch ein SD-Album machen könnten. Eine Woche später bin ich beim Entmoosen des Daches vom Haus meines Vaters aus sieben Metern abgestürzt. Dabei hätte ich locker draufgehen können, aber ich habe mir nur das Knie und das Becken gebrochen. Ich musste neun Monate lang auf Krücken laufen und musste mich entscheiden: Entweder Playstation, Bett und Smoken – oder, so wie Eko es vorgeschlagen hat, ein Album machen.

  • Und du hast dich fürs Album entschieden.

  • Genau. Gefesselt ans Bett habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und versucht, in den Songs auch die Stimmung der Jahre davor einzufangen. Außerdem wollte ich nicht auf Überfluss schreiben, sondern auf den Punkt genau produzieren. Manche Leute haben gesagt, ich solle keine Features machen, andere meinten ich solle keine Seitenhiebe verteilen – ich finde aber, dass meine Liebe für alle Formen von HipHop auf dem Album sehr gut rübergekommen ist. 

  • Du betonst immer wieder, dass das Album keine Momentaufnahme war, sondern vielmehr ein Querschnitt deiner Biographie.

  • Ich würde nicht mal sagen, dass es so biographisch war. Es ging mehr um die Stimmung. Songs wie »Wenn er geht« oder »Hoffnunglos« berühren die Leute bis heute. Ich werde jetzt noch in der Bahn von Leuten angesprochen, die sich bei mir für diese Songs bedanken. 

  • Wie kam es denn überhaupt zu dem Beat von den Stieber Twins für den Song »Hook«?

  • Damit habe ich mir einen Traum erfüllt. Ich hab mir den damals von meinem Geld geleistet – der hat 800 Euro gekostet. Die Stiebers kannte ich schon, als ich noch ein kleines Kind war und sie im Stadtgarten in Köln gerappt haben. »Fenster zum Hof« haben wir ständig gepumpt. Ich weiß noch, wie ich mal im Stadtgarten auf einer Freestyle-Session war und Chris zu mir kam und meinte: »Du hast einen sehr guten Flow!« Das hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg war. Außerdem haben die beiden einen wichtigen Satz geprägt. (fängt an zu rappen) »Lügen bringt nichts,/ ich kenn‘ genug Kollegen im HipHop-Showbiz, wo der Ruhm zu Kopf gestiegen ist/ Heute hardcore und härter wie Onyx, morgen smooth bei Sony, auf Seite B ein Dance-Mix.« Es war immer ein Traum von mir, mit den Jungs zusammenzuarbeiten. Ich fand einfach, dass etwas aus der alten Zeit draufmusste – eben weil ich auch aus dieser Zeit komme.

  • Und? Wie geht’s weiter?

  • Mir geht’s echt gut – ganz ohne Rap und Musik. Wenn ich nochmal etwas machen sollte, dann ohne diesen ganzen Rattenschwanz der letzten 15 Jahre. SD ist auf einem guten Weg. Der braucht dieses Game weniger, als es ihn brauchen würde. Andererseits braucht der Stefan auch was zum Spielen. Der mag Musik und wenn das irgendwie alles einen vernünftigeren Rahmen hätte als den, den ich die letzten 20 Jahre gesehen habe, dann würde ich es vielleicht auch wieder machen. Aber da man heutzutage viel mehr Kontrolle über seinen Shit hat, könnte es ganz interessant sein, Ende des Jahres eine EP, 2017 ein Album zu machen und danach ein SPSD-Album zu veröffentlichen. Aber das ist alles Spekulation!