Berries HipHop and Beyond auf dem splash! 2019

Auf dem splash! 2019 durfte die queerfeministische Partyreihe Berries die Backyard-Bühne übernehmen. ALL GOOD-Autorin Zina Luckow sprach mit Berries-Gründer Dominik Djialeu sowie den Gästen Salwa Houmsi und Miriam Davoudvandi.

Berries

Den fruchtigen Titel »Berries« trägt die Partyreihe des queerfeministischen Veranstalters Dominik Djialeu, auch bekannt als DJ Tchuani. Saftigkeit bedeutet in Zusammenhang mit Berries allerdings keineswegs, dass Frauen und Transpersonen auf ihre Äußerlichkeiten reduziert und als bloße Objekte dargestellt werden. Die Partys sind gerade an jene Menschen adressiert, die in der allgemeinen Clublandschaft häufig wenig Respekt, Toleranz und Diversität erfahren. Wie Berries für einen guten Vibe sorgt und dabei ein queeres und heterosexuelles Publikum gemeinsam auf die Tanzfläche bringt, hat Dominik der ALL GOOD-Autorin Zina Luckow erzählt. Sie durfte den Berries-Veranstalter mit den Gästen Salwa Houmsi und Miriam Davoudvandi auf dem splash! 2019 während des Hostings der Backyard Bühne besuchen und darüber sprechen, wieso eine Party außerhalb der bekannten Umgebung neue Herausforderungen aber auch Chancen mit sich bringt.

  • Wie fühlt sich das an, dein erstes Hosting auf dem wohl wichtigsten HipHop-Festival Deutschlands? 

  • Es ist super aufregend und spannend. Es ist tatsächlich nicht nur mein erstes Hosting, es ist auch das erste Mal, dass ich auf dem splash! bin. Ich habe aber natürlich viel gehört. Wir sind jetzt gerade drei Stunden hier, es war erstmal ziemlich stressig, und chaotisch – alle sind freundlich, aber niemand wusste hier scheinbar so richtig Bescheid, alles hat ewig gedauert. (lacht) Aber jetzt kommen wir so langsam an und können hoffentlich auch noch etwas entspannen, bevor es heute Nacht für uns los geht. Also es sind viele Eindrücke einfach.

  • Stellt doch mal kurz die eingeladenen Freunde vor, die heute auf der Backyard Bühne für musikalische Vielfalt sorgen. 

  • Ich freue mich, dass Salwa Benz mit dabei ist, die sich besonders hier in Deutschland als Moderatorin für »Jäger & Sammler« und als Journalistin einen Namen gemacht hat und jetzt auch als DJ durchstartet. Außerdem ist Juba am Start, das ist eine meiner Lieblings-DJs aus Berlin. Sie spielt HipHop und Afrobeats. Und quasi ein Heimspiel haben wir mit dem Set von Ex-splash Mag-Chefredakteurin Miriam Davoudvandi aka Cashmiri. Ihr haben wir es zu verdanken, dass wir heute überhaupt hier sind, weil sie uns bei den splash!-Bookern auf den Schirm geholt hat. Ich werde natürlich auch ein kleines Set spielen. Und einen wichtigen Teil liefert auch die Crew von So Extra, das ist eine Berliner Vogueing und Performance-Kollektiv. Die werden heute einen Twerkcontest machen und voguen und uns zu unseren Sets energetisch unterstützen. Außerdem ist US Rapper Le1f gerade in Europa und ich bin mega stolz, dass er heute einen Gig auf unserer Stage spielen wird. Er ist quasi eine Ikone der queeren Rapwelt. Das macht unser Hosting heute Nacht sehr rund.

  • Wählt ihr eure DJs immer exakt nach Sound und Geschlechterverhältnis aus oder seid ihr schon eher spontan und am Ende kommt ein guter Mix bei raus?

  • Das ist mir wichtig, dass sowohl female DJs auf unseren Floors spielen, wie auch queere Menschen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass auch mal Hetero-Männer bei uns auflegen. Es geht halt um Inklusivität, dass wir mehr abbilden als nur so ein straightes, weißes männliches Line-Up. Ich habe auch mal Line-Ups gehabt, die nur aus Frauen bestanden. Ich habe auch mal Line-Ups, in dem vielleicht irgendwie mal ein Mann mehr dabei war oder vielleicht auch mal nur eine schwarze Person. Es ist also nicht zwingend, dass bei jedem Line-Up strikt alles abgedeckt ist. Die Zeit hat gezeigt, dass mein Line-Ups immer sehr divers sind. Wenn mal ein Part mehr dominiert, ist es nicht zwangsweise schlimm. Mir ist es halt besonders wichtig, BPoCs miteinzubinden. 

  • »Warum sollten Frauen nicht genauso gut auflegen können?«Auf Twitter teilen
  • Ihr bezeichnet euch als queerfeministisch. Mögt ihr kurz erklären, warum Feminismus nicht immer von Frauen ausgehen muss?

  • Weil es im Grunde einfach nur um Gleichberechtigung geht. Es geht nicht darum, ob ich mich selbst selbst als weiblich identifiziere, oder als queer. Es geht darum, dass wir alle die gleichen Rechte und Möglichkeit zu Entfaltung haben sollten. Das ist ein abgedroschener Spruch, aber jeder sollte Feminist sein. Wo ist der Unterschied? Warum sollten nicht Frauen genauso viel, in Line-Ups vertreten sein? Warum sollten Frauen nicht genauso gut auflegen können? Warum sollten Frauen schlechter bezahlt werden? Warum sollten Schwule und Lesben nicht heiraten dürfen? Ich sehe da einfach keinen Sinn drin. Feminismus ist häufig ein hartes und abschreckendes Wort… Klingt für viele nach: »Oh, Hetero Männer sind scheiße.« Das ist Quatsch. Deswegen sage ich gerne auch inklusive Party. Da können dann vielleicht Leute erst mal weniger mit anfangen, dann erkläre ich es ihnen. Es ist halt erstmal softer und einladender für einige, als wenn ich sage, es ist eine queerfeministische Party. Das klingt dann immer erst mal so bierernst. Das sind unsere Partys gar nicht! 

  • Welche Vorkehrungen können auf einem so großen Festival wie dem splash! getroffen werden, damit deine Party einen Safe Space/Schutzraum bleibt? 

  • Das ist nicht gegeben. Das ist uns auch klar. Ich bin auch total gespannt, wie das heute wird, wie wir angenommen werden. Wir werden schon auch Statements raushauen und signalisieren, dass wir eine queere Stage sind. Ich bin gespannt, wie das Feedback da so ist. Das kann ich schwer einschätzen. Ich rechne auch mit negativen Erfahrungen heute Nacht. Das Publikum ist hier quasi das Gegenteil von queer und divers. (lacht) Schade ist nur, dass wir da von Festival Seite wenig Support bekommen. Als ich vorhin die Stagemanager angesprochen habe und um ein extra Briefing der Securitys gebeten habe, wurde ich da eher belächelt. Mal sehen…

  • »Ich finde wir sollten langsam so weit sein, dass wir alle gemeinsam miteinander klarkommen – egal welche Religion, Herkunft oder sexuelle Orientierung.«Auf Twitter teilen
  • Welche Chance bietet das splash!-Hosting außerhalb der bekannten Umgebung? 

  • Ich mache Berries jetzt fünf Jahre und es ist krass, in was für Parallelwelten oder Bubbles wir leben, und wie viele Leute uns einfach noch nicht kennen. Und jetzt dringen wir halt aus dem Underground in diese Mainstream HipHop-Welt vor. Das wir zu so etwas eingeladen werden zeigt, dass sich die Zeiten ändern, dass sich der Mainstream auch langsam aber sicher öffnet. Aber in erster Line ist es natürlich kein Festival, dass bewusst queere Leute anspricht. Es ist klar, dass wir hier schon diese Aliens sind und auch von Festival-Seite nicht die gleiche Wertschätzung erfahren, wie andere Kollektive. Aber ich finde es ist wichtig für uns hier zu sein. Auch wenn ich sage, ich rechne heute auch mit negativen Erfahrungen, trotzdem so etwas anzugehen, um Dinge voranzubringen, sich Dingen auch auszusetzen. Ich finde, es wichtig, sich trotzdem da hinzustellen und zu sagen: »So guckt mal, so sind wir, gewöhnt euch an uns, weil wir haben keine Bock mehr, uns immer abzugrenzen und uns quasi in Schwulen-Ghettos zu bewegen.« Ich finde wir sollten langsam so weit sein, dass wir alle gemeinsam miteinander klarkommen – egal welche Religion, Herkunft oder sexuelle Orientierung. Wir machen das definitiv nicht für das Geld, unsere Bezahlung ist mies. Wir machen das, weil uns dieser Platz zusteht.

  • So ein Festivalticket kann sich auch nicht jede Person leisten.

  • Ich finde das eben auch sehr schade, dass gerade marginalisierten Gruppen oft gewisse Zugänge gar nicht gewährt werden, eben weil es an finanziellen Mitteln scheitert. So ein Festival ist nicht gerade günstig. Man braucht eine Anreise, das Ticket, Verpflegung, hier auf dem Gelände ist alles mega teuer. Das finde ich besonders bei solchen HipHop-Festivals besonders schade, weil: Wo kommt HipHop her? Für wen ist es? Eigentlich ist HipHop nicht für weiße Abiturienten, die von Papa finanziert werden. Ja, die Strukturen sind aber leider für die gegeben und für andere nicht. Und das ist schade, aber natürlich auch schwierig sowas zu bewerkstelligen, gerade so etwas wie Ticketpreise. Es gibt aber bestimmt auch Möglichkeiten, wie man solche Menschen ins Boot holt. Darüber könnte man nachdenken… 

  • »Ich passe mich sehr selten an.« (Miriam Davoudvandi)Auf Twitter teilen
  • Miri, wählst du die Tracks hier für Berries auf dem Splash anders aus?

  • Miriam Davoudvandi: Ne, eigentlich nicht. Ich spiele eigentlich immer, worauf ich Bock habe. Ich passe mich sehr selten an. Ich habe von Grund auf eine Policy, dass ich bestimmte Künstler eh niemals spielen würde und bestimmte Texte vielleicht nicht im Übermaß vorkommen sollten. Darum denke ich, ist es sowohl für Berries, als auch fürs splash! kompatibel. 

  • Was meinst du, wird hier heute Abend den Unterschied machen, als wenn Berries eine Clubparty in Berlin veranstaltet?

  • Miriam Davoudvandi: Ich glaube erst mal, das splash! ist viel weißer. Berries zieht ja schon viele People of Color an, das ist ja schon ein kleiner Schutzraum. Ich glaube, dass die Möglichkeit nach einem Schutzraum auf dem Splash nicht in dem Maße gegeben sein kann. 

  • Würdest du allgemein sagen, ein Festival könnte durch bestimmt Vorkehrungen trotz allem einen sichereren Ort bieten? Hast du praktische Anregungen?

  • Miriam Davoudvandi: Erst einmal braucht jedes Festival ein Awareness Team. Das splash! hat dieses Jahr zum ersten Mal eins. Ein Awareness Team ist auf jeder Veranstaltung wichtig, sonst geht man verantwortungslos mit den Gästen um. Im Voraus sollte man kommunizieren, was so die Werte eines Festivals sind. Klar, es werden trotzdem Arschlöcher kommen, weil die das einfach überlesen und denen das egal ist. Aber zum Beispiel muss das Personal gebrieft werden, um entsprechend zu reagieren. Ich bin der Meinung, damit ein Festival ein sicherer Ort sein kann für marginalisierte Gruppen, muss das Mindset von Chefbooker bis zu Security angekommen sein und wenn es Lücken in der Kette gibt, ist ein sicherer Ort nicht gewährleistet. Da helfen auch irgendwelche Regenbogenfahnen in der Social Media-Kampagne nichts. 

  • »Man merkt einfach, hier kann man so sein, wie man will.« (Salwa Houmsi)Auf Twitter teilen
  • Salwa, was macht für dich das Besondere an Berries aus?

  • Salwa Houmsi: Für mich ist das Besondere an Berries und an diesem Konzept einer queerfeministischen Party, dass es sich sehr anders anfühlt dahin hinzugehen. Kann ich aus eigener Erfahrung sagen, auch aus der Perspektive eines DJs. Man merkt einfach, das ist wirklich ein Safe Space. Es macht etwas auf mit einer Party, wenn man vorab sagt, wir haben hier gewisse Regeln, die werden vorher auf Instagram gepostet, die werden vielleicht sogar auf der Party ausgehangen. Die Leute, die auf die Party kommen, werden gefragt, ob sie wissen, auf welcher Party sie sind, wofür sie steht, was es für Regeln gibt. Ich finde das merkt man so krass. Ich habe jetzt einmal bei Berries gespielt und ich habe mich so viel wohler gefühlt, als bei vielen anderen Standard-HipHop-Partys. Es geht einfach um eine Sensibilisierung. Klar, kann auch auf einer Berries-Party Scheiße passieren, aber hier wurde einmal laut ausgesprochen, dass sie nicht willkommen ist. Man fühlt sich ganz anders, wenn man als Frau auf so eine Party geht, wie man tanzt, wie man sich gibt. Man merkt einfach, hier kann man so sein, wie man will. 

  • Ist so ein Safe Space auf dem Festival möglich?

  • Salwa Houmsi: Letztes Jahr bei dem Hosting von hoe_mies hat das sehr gut funktioniert. Wir haben extrem gutes Feedback bekommen und gerade von Frauen gehört, dass es deren Highlight des Festivals war und die sich total wohl gefühlt haben. Du brauchst dir das Line-Up ja nur angucken – es sind überwiegend Männer. Klar, macht das einen Unterschied, wenn da eine Bühne ist, wo nur Frauen spielen. Die stehen da, die twerken, die sind so angezogen, wie sie Bock haben. Das Publikum würde vielleicht am liebsten da hingehen und jeder an den Arsch grabschen oder irgendetwas schreien. Aber die sind halt einfach da und ihr müsst halt verdammt nochmal damit klarkommen. 

  • »Es sind halt immer noch überwiegend junge, besoffene Männer, die hier unterwegs sind.« (Salwa Houmsi) Auf Twitter teilen
  • Ob das heute funktioniert?

  • Salwa Houmsi: Ich bin gespannt, wie das sein wird, wie das Publikum damit umgeht. Aber ich glaube auch, dass zumindest seit den letzten zwei Jahren sich ein bisschen was tut. Gestern habe ich auf der Pre-Party gespielt und das Mikro genommen, um zu fragen: »Geht’s euch gut?« Da kamen dann Sprechchöre mit: »Ausziehen! Ausziehen!« Das war so das Letzte, was ich erwartet habe. Da wurde ich so daran erinnert: »Ach krass stimmt, ich bin ja eine Frau und spiele auf einem Rap-Festival.« Es sind halt immer noch überwiegend junge, besoffene Männer, die hier unterwegs sind. Aber ich bin zuversichtlich und ich glaube es wird sehr schön heute. Ich glaube, es wird ein wichtiges Statement sein. 

  • »HipHop and Beyond« ist der selbsterklärte Auftrag von Berries, kann man den Bildungsauftrag auch außerhalb von Partys nutzen? 

  • Salwa Houmsi: Ich glaube, es ist schon ein guter Punkt bei Parties anzufangen, weil das ist der Moment, wo Leute sich wohlfühlen wollen, so wie sie sind. Und dahinzugehen und zu sagen. »Ja, aber hier kann sich eigentlich nicht jeder wohlfühlen, wusstet ihr das schon?«  Das finde ich ist schon eine kluge Taktik, weil Tanzen, auf Parties gehen, ist so etwas Emotionales, da können sich vielleicht auch mehr Leute mit identifizieren, als mit einem Panel.

  • Nach einer rauschenden Partynacht ist Dominik am Telefon, der morgens zurück nach Berlin gefahren ist und noch kurz erzählt, wie es für ihn war.

  • Du hast es geschafft, welches Feedback habt ihr erhalten?

  • Insgesamt ist alles noch sehr frisch und ich bin gerade dabei es zu verarbeiten. Es bleibt ein positives Gefühl, wir hatten eine schöne Zeit, trotz des Wetters und dem Regen, sind die Leute abgegangen. Es gab kein offensichtliches Missfallen. Aus dem Publikum kam nur positives Feedback. Ich behalte die Nacht in sehr guter Er-innerung. Ich hoffe, dass das splash! Festival weiter diesen Weg geht und weiterhin Kollektive einlädt, die politische Interessen verfolgen. Das ist die Chance von Veranstalterseite, etwas an unserer Gesellschaft zu verändern. Beim nächsten Mal vielleicht auch mit angemessener Wertschätzung vom Festival und einer offiziellen Nennung im Line-Up. Das wir mehr Wert sind, haben wir letzte Nacht bewiesen.

  • Berries hat bald fünfjähriges Jubiläum – wird das gebührend gefeiert?

  • Ja, am 13.09.19 feiern wir den Berries Geburtstag im OHM in Berlin. Darauf freue ich mich schon sehr und somit stehen auch schon die nächsten Vorbereitungen an.