Megaloh »Hinter mir liegt das beste HipHop-Jahr, das ich je erleben durfte.«
Vor ziemlich genau einem Jahr veröffentlichte Megaloh sein Album »Endlich unendlich«. Im Vorfeld des Releases nannte der Berliner Rapper diese Platte seine letzte Chance. Ein Jahr später blickt er zurück.
Die Neu-Erfindung Megalohs durch sein Nesola-Album »Endlich unendlich« liegt ein Jahr zurück. Nach seiner jahrelangen Karriere, in der so ziemlich alles passierte außer das mit einer Karriere, erkämpfte er sich endlich den Platz, den er dank seines Rap-Talents auch verdient hat. Ein Album in den Top 10, ausverkaufte Live-Gigs, einen Auftritt bei Max Herres »MTV Unplugged« und den Respekt von Legenden. Der neue Megaloh ist heute einer der wenigen Rap-Techniker mit Musikgeschmack, ein bestimmender Akteur der kontemporären Deutschrap-Landschaft, ein nicht hängengebliebener Nostalgiker und nicht zuletzt ein moderner HipHop-Traditionalist, dem die Szene den ersten Rap-Part der legendären Stieber Twins seit 14 Jahren zu verdanken hat.
Zum einjährigen Jubiläum von »Endlich unendlich« spendierte Megaloh kürzlich die »Dr. Cooper Remix«-EP, die es auf seiner Facebook-Seite zum freien Download gibt. Darauf: Die besagten raren Stieber Twins-Lines, ein Mammut-Remix mit MoTrip, Aphroe, Afrob, Samy Deluxe, Umse, Ali As sowie Celo & Abdi, außerdem einen »Dr. Cooper«-Remix von Mirko Machine und einen »HipHop«–Remix von Dexter.
-
Wie blickst du ein Jahr danach auf »Endlich unendlich« zurück?
-
Hinter mir liegt das beste HipHop-Jahr, das ich je erleben durfte. Und ich mache das ja schon ewig – vielleicht nie so ernsthaft wie jetzt. Aber ich musste eben erstmal durch die ganze schwere Zeit gehen, um die Musik überhaupt so ernsthaft betreiben zu können. Was ich zurückbekommen habe, nachdem ich mich für die Musik entschieden habe, macht alles wett. Der lange und beschwerliche Weg, die ganzen Kummertäler sind vergessen. Dafür kann ich mich nur immer wieder bei allen Leuten bedanken, die mir das ermöglicht haben. Vor allem bei denen, die das Album gekauft und supportet und mir so viel Energie zurückgegeben haben. Das soll jetzt nicht wie eine Oscar-Rede rüberkommen, aber so ein Album ist einfach keine Ein-Mann-Leistung. Das denken ja viele, dass ich nur kurz die Texte rausscheißen muss, von irgendwoher die Musik bekomme und dann geht das Ding raus. Da gehört aber so viel mehr dazu. Gerade heutzutage, wenn du ein Künstler bist, der nicht auf kurzfristige Hypes oder Skandale baut, dann braucht man umso mehr Unterstützung.
-
Du sagst gerade, du hast nie so ernsthaft Musik gemacht wie jetzt. Ich würde dir aber jetzt unterstellen, dass du schon früher dachtest, dass du alles richtig ernst und professionell angehst, oder?
-
Vielleicht. Ich habe mich aber jetzt zum ersten Mal wirklich ernsthaft mit meinen Zielen und meiner Musik auseinandergesetzt. Durch meine Begeisterung und Leidenschaft fürs Texten habe ich natürlich schon früher immer mein Bestes gegeben. Aber meine Gesamthaltung hat sich geändert. Ich habe mich endlich mit Sachen auseinandergesetzt, mit denen ich mich lange nie befassen wollte und die ich immer verdrängt habe.
- »Die grundlegende Existenzangst ist weniger geworden.«Auf Twitter teilen
-
Kann man in der Rückschau das Album als erfolgreiches Projekt verbuchen?
-
Das kann man schon so sagen. Zum Jahresende an Silvester hat man bei den vielen Glückwünschen schon bemerkt, dass es ein außergewöhnliches Jahr war. Ich habe noch immer nicht das Gefühl, dass ich es jetzt endlich geschafft habe. Die Sicherheit ist noch immer nicht da, aber ich habe jetzt endlich den Fuß in der Tür. Die Möglichkeit, es zu schaffen, ist jetzt viel größer als sie jemals war. Dieses Gefühl und die Energie der Zuhörer bestärken mich wahnsinnig. Wenn ich jetzt wieder im Studio bin, habe ich eine ganz andere Überzeugung, Musik zu machen. Trotzdem ist der Druck in meinem eigenen Kopf nicht geringer geworden. Ich habe nach wie vor extrem hohe eigene Ansprüche. Ich möchte weiterhin deutsche Rap-Musik machen, so wie sie noch nicht dagewesen ist. Damit mache ich mir weiterhin den Kopf kaputt. (lacht) Das Wichtige ist aber: Die grundlegende Existenzangst ist weniger geworden.
-
»Endlich unendlich« hast du ja auch im Vorfeld immer wieder als deine letzte Chance bezeichnet.
-
Ich habe auch versucht, daraus keinen Hehl zu machen. Klar sollte man überzeugend rüberkommen, wenn man den Leuten etwas verkaufen will. Ich war ja auch überzeugt von meiner Musik, weil wir wirklich alles reingesteckt haben. Aber ich wusste eben nicht, ob es klappt. Weil es bisher einfach noch nicht geklappt hatte. Zur Zeit der Veröffentlichung konnte ich noch nicht den Unterschied sehen zwischen jetzt und davor.
-
Vor ein paar Monaten sind ein paar Videos von der Tour aufgetaucht, in denen du auf der Bühne mit »Megaloh«-Sprechchören besungen wurdest.
-
Genau das meine ich. Diese Energie ist der Wahnsinn. Ich hätte im Traum nicht damit gerechnet, dass ich zwei Minuten lange Standing Ovations bekomme. Oder diese Sprechchöre. Allein, wie manche Leute sich bei »Dr. Cooper« die Seele aus dem Leib brüllen, das ist der Wahnsinn.
-
Jetzt hast du pünktlich zum einjährigen Jubiläum von »Endlich unendlich« die »Dr. Cooper«-EP rausgehauen. War das von langer Hand geplant?
-
Eigentlich sollte das Ding früher kommen. Ich hatte auch schon seit längerem die Verses der anderen Rapper. Aber einerseits lagen die Prioritäten meines Labels woanders und andererseits war auch ich gedanklich bereits bei meiner nächsten Platte. Ich wollte nahtlos an das letzte Album anschließen und nicht wieder so viel Zeit ins Land ziehen lassen wie beim letzten. Deswegen hat alles etwas länger gedauert. Und dann dachten wir einfach: Wieso das vermeintlich Schlechte nicht einfach zum Guten drehen? Da kam das Jubiläum gerade recht.
-
»Dr. Cooper« war ein extrem wichtiger Song für deinen neuen Karriereschritt. Ich weiß, dass es euch gar nicht so leicht gefallen ist, ihn zu machen. Den Song musstet ihr euch richtig erarbeiten, oder?
-
Ich habe ja beim Album mit den schweren Songs begonnen. Das Flexen und Angeben auf Songs ist mir ja immer leicht gefallen. Für mich war es immer extrem schwer, mich meinen Ängsten und Zweifeln zu stellen und mich wirklich damit auseinanderzusetzen. Das war der erste wichtige Schritt bei der Albumproduktion und der schwierigste. Am Ende war ich aber dann so drauf geeicht, in diese Richtung zu denken, dass es mir sehr schwer fiel, eher oberflächliche Sachen zu texten. Also einen Song, der Spaß macht, bei dem man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Ich wollte, dass mein Album aber nicht nur eine nachdenkliche und tiefsinnige Sound-Farbe hat. Die Leichtigkeit hat mir noch gefehlt. Ich wollte einfach zeigen, dass ich eben nicht nur dieser nachdenkliche Typ bin. Es gibt auch die oberflächliche und ignorante Seite an mir, die ich zeigen wollte. Deswegen habe ich lange nach einem bestimmten Beat gesucht und von etlichen Leuten Beats bekommen, die in die Richtung gehen. Aber da war nichts dabei.
Irgendwann saß ich mit Ghanaian Stallion, der ja den Großteil des Albums gemacht hat, im Studio und hab ihn aufgefordert, jetzt endlich mal genau so einen Beat zu machen. Ich habe ihn richtig angepflaumt. Ich wollte ein Instrumental haben, das reduziert ist und nur über den Rhythmus funktioniert. Das habe ich ihm erklärt und, Boom, am gleichen Nachmittag hatte ich den »Dr. Cooper«-Beat von ihm. Die Idee mit den Stieber-Zeilen für die Hook hatte mein Label-Chef Götz Gottschalk schon davor in den Raum geworfen, weil das einfach goldene Zeilen sind. Als ich von Ghanaian Stallion den Beat bekommen habe, war es klar, dass die Line da drauf musste. Ich hab dann in nur einem Tag den Song fertig gemacht.
-
Wichtig war aber auch, dass »Dr. Cooper« ein echter HipHop-Song ist. Viele haben in dem Song sofort alte HipHop-Tugenden wiedergefunden. Viele deiner neuen Fans sehen in dir – auch durch »Dr. Cooper« – einen Rapper, der für diese Tugenden steht, obwohl du das vielleicht gar nicht beabsichtigt hast.
-
Ja, das ist echt erstaunlich. Bewusst habe ich das nie gemacht. Klar, nach den »Auf ewig«-Mixtapes konnte ich jetzt nicht sagen, dass ich mit den guten alten Neunzigern nichts zu tun habe. Das war ja eine Hommage. Aber das bin ich ja nicht nur. Aktuell feiere ich, ehrlich gesagt, in erster Linie Trap und ziemlich ignorante Sachen. Ich habe schon immer hauptsächlich amerikanischen und französischen Gangsta-Rap gehört. Klar komme ich aus den Neunzigern und bin deswegen dort auch – durch Wu-Tang oder Jay-Z – musikalisch verwurzelt, aber ich wollte mir das nie auf die Fahnen schreiben. Als dann aber ASD für das Album bestätigt war, dann konnte ich nicht anders und musste einfach sagen, dass ich »die goldene Ära zurückbringe«. (lacht)
-
Auf der »Dr. Cooper«-EP ist jetzt der erste Stieber-Twins-Verse seit 14 Jahren.
-
Yeah. Die Jungs haben den Song einfach gefeiert. Ich habe den Verse nicht explizit bei ihnen angefragt, deswegen war es für mich umso krasser. Ich habe auch ordentlich Neid kassiert von gestandenen Größen aus der Rap-Szene, denen das nicht gelungen ist.
-
Auf der EP ist ebenso ein All Star-Remix von »Dr. Cooper«. Wie hast du die Gast-Rapper ausgewählt?
-
Das sind alles Leute, die ich cool finde. Ich wollte mit dem Remix zeigen, dass HipHop in Deutschland auf einem sehr hohen technischen und inhaltlichen Level angekommen ist. Aber eben auch, dass es zusätzlich eine große Vielfalt gibt. Die Leute, die Celo & Abdi auf dem Remix haten, kann ich einfach nicht verstehen. Das ist eine richtig coole Facette von Deutschrap. Es geht nicht immer um den Sechsfach-Reim oder die dicke Punchline, die gekünstelt irgendwo hingelegt wird. Das ist nicht alles. Ich bin froh, dass der Remix nicht einfach nur so ein Posse-All Star-Track geworden ist, sondern wirklich eine Zusammenkunft von richtig krassen Leuten. Ich kann den Track eigentlich nur mit »K2« vergleichen. Eigentlich nicht mal das, weil bei »K2« waren es auch nur Künstler aus einem Lager. Mir war wichtig, dass da eben auch Nate und Telly und Celo & Abdi auf dem Track sind, weil sie alle für eine neue Ausrichtung von Rap stehen. Die haben Straßenrap noch einmal auf ein neues Level gehievt. Hör dir mal Celos Part an, oder allein wie Abdi reinkommt – das ist unfassbar.
- »Es bahnt sich gerade eine neue goldene Ära an.«Auf Twitter teilen
-
Das Niveau von deutschem Rap ist sowieso gerade sehr zufriedenstellend, oder?
-
Absolut. Es bahnt sich gerade so etwas wie eine neue goldene Ära an. Zumindest ist gerade eine sehr gute Zeit für HipHop, in der sehr viel geht und nicht jeder den anderen nachmacht. Es ist eine Vielfalt da und auch die Hörer sind nicht mehr so engstirnig. Es gibt eine extrem breit gefächerte Hörerschaft. Ich denke aber trotzdem, dass HipHop in Deutschland immer noch nicht großflächig angekommen ist. Die Kunstform findet immer noch nicht den kompletten Respekt. Vieles funktioniert auch nur über offensichtliche Unterhaltungswerte. Es geht immer noch oft nur um Entertainment und wer lauter schreit oder am schärfsten schießt. In der Öffentlichkeit herrscht leider immer noch ein falsches Bild von HipHop. Da tragen natürlich auch die berichterstattenden HipHop-Medien eine Verantwortung – die müssen als erstes die ganzen Bandbreite abdecken und objektiv bleiben.
-
Möchtest du noch einen Blick in die Zukunft werfen?
-
Ich bin leider doch nicht so schnell mit der Arbeit an meinem neuen Album, wie ich mir das gewünscht habe. (lacht) Ich habe mir gerade drei Monate von der Arbeit freigenommen, damit ich wirklich mal mein Künstlerleben leben kann und die Tage im Studio verbringen. Ich hatte gehofft, dass ich jetzt nach den drei Monaten – die Zeit ist jetzt dann um – ein fertiges Album habe. Doch das ist leider nicht der Fall. Aber nach den letzten Sessions bin ich sehr zufrieden. Wir haben jetzt fünf, sechs Songs und die sind super.
-
»Endlich unendlich« hat sich für dich wie ein Debüt angefühlt. Jetzt sitzt du also am zweiten Album. Man sagt ja, dass die zweite Alben traditionell die schwierigsten sind. Es heißt: Für sein Debüt hat man sein ganzes Leben Zeit, für den Nachfolger nur ein paar Monate …
-
Ich wusste nicht, dass die zweiten Alben die schwierigsten sind. Aber jetzt bin ich schlauer. (lacht)