Bushido »Heute gibt’s nur noch Instagram, iPhone und Hurensohn.« — Teil 2/2
Vergangenen Dienstag erschien die erste Hälfte unseres zweiteiligen Rückblicks mit dem Straßenrap-Titan. Hier nun der zweite Teil des ausführlichen Gesprächs, das Jan Wehn anlässlich des morgen erscheinenden »Carlo Cokxxx Nutten 3« mit Bushido geführt hat.
Bild: David Daub
Nach dem ersten Teil unseres ausführlichen Bushido-Interviews, der die Zeit vor Aggro Berlin und vor »Vom Bordstein bis zur Skyline« beleuchtet, verschiebt sich der Fokus nun auf seinen enormen Backkatalog und einige Kuriositäten seiner Karriere.
Bushido erinnert sich unter anderem an den legendären Auftritt in der Talkshow von Tobias Schlegl, die Entstehung von »Vom Bordstein bis zur Skyline«, den Weggang von Aggro Berlin und den Wechsel zu Universal sowie in dieser Phase entstandene Songs mit Flipstar, Nina MC und Eko Fresh – und daran, wie er mal 30 Stunden mit dem Zug nach Marseille gefahren ist, um sich französische Rap-Platten zu kaufen.
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2003 hast du auch einen Remix für den Song »Von 0 auf 100« der Berliner Rapcrew Dejavue gemacht. Die waren mir eigentlich nur wegen dem Rhymin-Simon-Diss ein Begriff.
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Gut, die kennt man auch nicht. (grinst) Und wenn, dann nur, weil die mal ein Savas-Feature hatten. Wie habe ich die denn kennengelernt? Mit dem einen von den beiden habe ich gar keinen Kontakt gehabt und zu Robsen hatte ich einen ganz guten Draht. Das lief aber über Halil oder Ilan. Da hat man sich manchmal auf Partys getroffen. Und als er gemerkt hat, dass ich schon jemand bin, wollten sie gerne ein Feature haben. Aber auf Features hatte ich nicht so richtig Bock und Aggro hatte damals eh diese No-Feature-Politik. Dann habe ich ihm halt einen Remix angeboten.
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Im selben Jahr ist auch die legendäre »Sex Issue« der »Juice« erschienen in der es diese Oben-ohne-Fotos von dir gab und in der du sehr ausführlich über deine Bordellbesuche berichtet hast.
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Oh Mann! (grinst) Krass, Alter, das war so wack.
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Seid ihr damals wirklich so häufig ins Bordell gegangen?
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Jaja. Das muss man mir dann auch wenigstens lassen: Ich habe ja immer auch Rap gemacht, weil ich ficken wollte.
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Das hast du ja auch unmissverständlich klar gemacht, als du ein Jahr vorher bei Tobias Schlegl in dessen Sendung »Absolut Schlegl« zu Gast warst.
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Das war eine lustige Geschichte: Ich habe das ja nur gemacht, weil ich ein Zugticket brauchte. Ich war in Lindau bei einer Freundin, habe da ein paar Tage verbracht, hatte irgendwann kein Geld mehr und habe gemerkt, dass ich nicht mehr zurück nach Berlin komme. Zu der Zeit liefen vormittags noch die ganzen Talkshows im Fernsehen. Und als ich gesehen habe, dass man sich für eine der nächsten Sendungen bewerben kann und es dafür sogar Geld gibt, habe ich da angerufen und mir ein Ticket von Lindau nach Köln und von Köln nach Berlin ausstellen lassen. Die Magda, mit der ich dann da in der Sendung saß, war übrigens eine Freundin von mir, mit der ich aber nie etwas hatte. Die hat mich früher ein paar Mal für das Magazin »Bumbanet« interviewed – und Murat Aslan hat damals immer die Fotos gemacht.
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War es wirklich so, dass du in der Sendung keinen Carlo-Colucci-Pullover anziehen konntest, weil das die Kamera irritiert hätte?
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Jaja, deswegen musste ich so ein scheiß weinrotes Hemd anziehen. Hatte ich gar keinen Bock drauf. Ich wollte lieber mit bis zu den Knien hochgekrempelter Hose, Nikes und schönem Carlo da rein und representen. Aber der Kameramann, dieser Wichser, hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dieser Pisser, Alter! (lacht)
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Was ist eigentlich aus dem Film – eine Mischung aus Porno und Actionstreifen – geworden, den du mal drehen wolltest und für den du auch einen Casting-Aufruf im Aggro-Board gestartet hast?
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Wir haben das schon relativ ernst gemeint. In erster Linie haben wir natürlich gehofft, die Weiber zu vögeln und das Ganze dann weiterzuverwerten. Auf den Touren nach der Aggro-Berlin-Zeit 2005 und 2006 habe ich ja auch Hengzt und seinen Bruder mitgenommen und in dieser Zeit hat man sich wirklich beim Ficken gefilmt. Zu der Zeit, als diese Filmidee entstand, gab es ja auch diesen Porno von Snoop Dogg und wir wollten das ein wenig so wie er machen. Das war schon ein bisschen abgehoben. Aber ganz ehrlich: Das wäre eine der Sachen, für die ich mich heute wirklich schämen würde. Wegen meiner Eltern, aber auch, weil ich Frau und Kinder habe. Ich bin sehr froh, dass es nicht dazu gekommen ist. Aber zu der Zeit hat man das natürlich ernst gemeint. So wie man leider alles ernst gemeint hat, was man gesagt hat.
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2003 ist bei Aggro Berlin »Vom Bordstein bis zur Skyline« erschienen. Ursprünglich sollte das ja nur eine EP werden. Im Booklet des »CCN«-Tapes wurde auch eine »B….«-EP angekündigt.
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Wir haben das ausgepunktet, um die Spannung ein bisschen zu erhöhen. Es hätte ja auch die »Bushido«–EP sein können. Die sollte es erst auch werden. Dann wurde daraus die »Bordstein«-EP und schließlich das »Vom Bordstein bis zur Skyline«-Album.
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Die neongrüne Schrift auf dem Cover und der Homepage, die im Kontrast zu der düsteren Schwarz-Weiß-Aufnahme steht – das war alles Specters Idee, oder?
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Ja, klar.
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Es gab ja auch das »Wicked«-Cover, für das du auf einem Motorrad fotografiert wurdest. Aber du hattest zu der Zeit doch noch nicht mal einen Autoführerschein.
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Ach, das sollte einfach cool aussehen: Auf dem Motorrad mit Handschuhen, Mütze, Zahnstocher und geiler Tussi hinten drauf. Es ist dann alles nicht so geil geworden und es gibt auf jeden Fall auch schönere Frauen. (lacht) Auch diese Mütze: Ich habe nie in meinem Leben eine Mütze getragen. Aber während dieser ganzen »Vom Bordstein bis zur Skyline«–Geschichte hatte ich immer dieses Cap auf. Das kam alles von Specter.
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Aber es war ja schon genial – und wirkte auch nicht so, als ob du keinen Bock darauf hättest.
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Eben. Specter hat einfach ein Auge für jemanden. Wenn Shindy mich um Rat fragt, kann ich mich ja auch nur auf mein Bauchgefühl verlassen. So hat Specter das auch gemacht. Der hat uns gesehen und für jeden die perfekte Nische gehabt. Das finde ich gut und das habe ich teilweise auch übernommen, als ich dann selbst ein Label geführt habe – egal ob es Kay One, Bizzy Montana oder Chakuza war. Specter hatte darüber hinaus diese grafische Vision, die ich nie hatte. Aber kaufmännisch sind wir uns schon sehr ähnlich.
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Zum Album gab es auch dieses legendäre 20-Minuten-Snippet von dir und DJ Ilan.
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(lacht) Mit den 50 Millionen Schüssen und allem drum und dran. (lacht) Das ist das einzige Snippet in ganz Deutschland und auf der Welt, das man sich einfach so an einem Stück durchhören kann.
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Wie seid ihr denn auf den Quatsch gekommen?
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Wir waren einfach irgendwann in so einem Film. Das war wie ein Wahn – und irgendwann ist das, was wir da gemacht haben, auch Realität geworden. Natürlich sind wir nicht mit Kanonen raus auf die Straße und haben rumgeballert. Aber für das, was wir repräsentieren wollten, mussten wir so sein. Wir waren richtig hängengeblieben. Zu der Zeit war ja 50 Cent krass präsent mit »Get Rich Or Die Tryin’« und es gab auch diese ganzen Tapes von ihm. Der beste Kumpel von Ilan hatte immer schon ganz früh gerippte Mixtapes und ich habe bei ihm im Auto die ersten Songs vom 50-Cent-Album gehört. Danach sind wir ins Studio und ich habe diese ganzen Einflüsse verarbeitet, weswegen wir ja auch 50-Scratches verwendet haben. Wenn man das rückblickend betrachtet, ergibt das alles durchaus Sinn und war nicht einfach wahllos. Aber viele Leute gucken eben nicht auf Details.
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Auf dem Snippet, aber auch schon bei »Carlo Cokxxx Nutten« und dann bei »Vom Bordstein bis zur Skyline« fiel auf, dass du ein großes Faible für Adlibs hattest.
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Ja, schon. Aber irgendwann gar nicht mehr. Dann bin ich so richtig von 100 auf 0 runter. Adlibs waren eine Zeitlang echt krass und ich habe die viel als Stilmittel benutzt. Das ist wie ein Spielzeug. Wenn ich meiner Tochter eine neue Barbiepuppe schenke, dann spielt die damit zwei Tage lang jeweils 24 Stunden am Stück. Und so war das auch mit der Musik und den Dingen, die wir da machen konnten. Als Vader mir damals gezeigt hat, wie man einen Snare-Break macht, habe ich in jedem Song plötzlich Breaks gemacht, bin aber irgendwann auch wieder sparsamer damit umgegangen. Eine Zeitlang ist man dann immer auf Adlibs ausgerastet. Aber heutzutage habe ich gar keinen Bock mehr da drauf. Aha! Yeah! Genau! Hmm, auf jeden! (lacht)
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Hast du die Dialoge aus Filmen wie »Drunken Master« oder »Sie nannten ihn Knochenbrecher« einfach so verwendet, weil es gepasst hat, oder die Filme auch wirklich gerne geguckt?
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Ich habe viele Kung-Fu-Filme gehabt und die auch alle gefeiert. Und ich hatte schon immer ein Gespür für Sachen, die sich gut anhören.
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Nie drüber nachgedacht, selbst mal Kung-Fu zu machen?
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Auf gar keinen Fall. Ich habe mich noch nie in meinem Leben für etwas Sportliches interessiert. Okay, vielleicht mal für Fußball oder Tischtennis. Aber Kampfsport noch nie. Judo war auch immer voll langweilig, aber diese Jackie-Chan-Filme oder Manga-Serien wie »Samurai Showdown« oder die »Power Rangers«-Serie fand ich einfach geil.
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Im Song »Eine Kugel reicht« hört man am Anfang ein Telefongespräch zwischen dir und einem Dealer, dessen Stimme etwas hochgepitcht worden ist. Wer hat den gespielt?
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Ilan. Aber Ilan war so uncool, dass er nicht erkannt werden wollte. Das war seine Bedingung. Alle Kumpels von Ilan fanden mich scheiße und fanden es auch scheiße, dass er mit mir gearbeitet hat. Er fand’s irgendwie geil, weil er damit Geld verdient hat, aber konnte auch nie so richtig dazu stehen.
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Und wer ist die Anrufbeantworterstimme auf »Dreckstück«? Habt ihr das zufällig aufgenommen?
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Nein, nein. Das war kein Zufall. Das war eine Tussi, die bei uns in Schöneberg gewohnt hat. Die haben wir einfach gefragt, ob sie das mal machen kann. Und sie ist überkrass ausgerastet. Für uns war das total normal, weil in Schöneberg alle so geredet haben. Aber für die Wessis war das krass – zumal das ja auch noch ein Mädchen war. Damals war es ja noch richtig tabu, solche Ausdrücke wie »Hurensohn« zu sagen. Das wurde früher viel seltener in den Songs gesagt. Eines der wenigen Male, wo ich »Hurensohn« gesagt habe, war, als ich Godsilla gedisst habe. Aber dann kam sie auf einmal und hat »Du Missgeburt« gesagt – das war richtig krass für uns. Und da hat dann die »Juice« eine halbe Seite darüber geschrieben, dass eine Frau solche Sachen sagt. (schmunzelt)
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Das Sprachsample auf »Pussy« stammt aus einem Porno mit der Darstellerin Kobe Tai, richtig?
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Ja, Mann. Das ist übrigens auch die Frau mit dem Milchbart, die auf dem Cover vom 030-Squad-Tape zu sehen ist.
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Im »Outro« wurden dann ja noch mal ein paar Catchphrases wie »Ich mach‘ Rap wieder hart, bleib‘ ruhig weiter Untergrund« oder »Deutscher Rap will Ghetto werden, doch die Nutte weiß nicht wie« gesamplet. War dir damals schon klar, dass das Statements sind, die über kurz oder lang zu geflügelten Wörtern werden könnten?
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Nee, nicht so wie heute. Das war einfach das, was einem beim Machen der Platte im Kopf geblieben ist. Aber viele Leute haben uns dafür am Anfang auch ausgelacht, dass wir »Deutscher Rap will Ghetto werden, doch die Nutte weiß nicht wie« gesagt haben. Das war natürlich mein Rauskommer aus der Strophe und ich fand das richtig geil – aber ich hätte nicht gedacht, dass Leute das 15 Jahre später zitieren.
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Mit Begrifflichkeiten wie »Electro Ghetto« oder »Heavy Metal Payback« war es vermutlich genau so.
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Klar. Als ich mich Bushido genannt habe, hat Orgi mich krass ausgelacht und gefragt, was die Scheiße soll. Auch für Sachen wie »Electro Ghetto« haben die Leute mich früher ausgelacht. Aber für mich hat das durchaus Sinn gemacht. Nur »Electro« war halt eine Sache, die mit HipHop nicht in Verbindung gebracht wurde. Und mit »Ghetto« hatte Deutschrap ja auch nichts zu tun. Aber war mir scheißegal.
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Es waren ja viele Fler-Features auf dem Album. War das ursprünglich sogar mal als Kollabo-Album geplant?
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Ne, aber wir haben halt 24 Stunden miteinander rumgehangen und sogar in derselben Wohnung geschlafen. Und weil wir jede Sekunde miteinander verbracht haben, bin ich dann auch nicht allein ins Studio und hab Musik gemacht, sondern er war wirklich die ganze Zeit mit dabei und dann haben wir eben zusammen Mucke gemacht.
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Zwischen deinem Weggang von Aggro Berlin und deinem Signing bei Universal sind damals drei Songs entstanden, die alle auf unglückliche Weise im Internet gelandet sind. »Wet’n’Dirty« mit Nina MC, »Out For Fame« mit Flipstar und »Gegensätze ziehen sich an« mit Eko. Wie kam es dazu jeweils? Mit Flipstar hast du dich ja 2003 schon das erste Mal getroffen.
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Genau, den Flipstar-Song habe ich noch zu Aggro-Berlin-Zeiten gemacht. Ich wollte mit ihm Mucke machen, weil ich cool fand, was er mit Creutzfeld & Jakob gemacht hat. Ich bin dann zu ihm gefahren und habe bei ihm und Elvir (Omerbegovic, Chef von Selfmade Records, Anm. d. Verf.) in der Garage gepennt. Flipstar hat relativ lange für seine Strophe gebraucht und ich habe in der Zeit auch noch »Wie 1 Gee« für die dritte »Aggro Ansage« geschrieben. Das mit Flipstar hat dann aber irgendwie nicht so richtig gepasst – aber ich weiß auch nicht mehr, wie der Song ins Internet gestellt wurde. Der Song mit Nina ist entstanden, weil sie bei Universal gesignt wurde. Das war so eine Neffi-Connection. Ich kannte ihr Management sehr gut und habe mich auch mit ihr sehr gut verstanden. Sie hat mir dann am Ende auch meinen jetzigen Anwalt Heiner vorgestellt. Und der Song mit Eko ist entstanden, nachdem Eko sich bei mir meldete, weil er mitbekommen hatte, dass es mit Aggro vorbei war. Er hat zu der Zeit in Berlin aufgenommen und wollte einfach mal schauen, wie es zwischen uns so ist. Ob wir immer noch Beef haben. Aber ich weiß auch da nicht mehr, warum der Song nicht direkt rausgekommen und stattdessen irgendwann im Internet gelandet ist.
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Während der Zeit, in der »Electro Ghetto« entstanden ist, hattest du ja viel mit Sentino zu tun. Was war er für ein Typ? Vermutlich doch Genie und Wahnsinn in einer Person, oder?
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Mehr Wahnsinn als Genie. Damals wusste ich gar nicht so viel über ihn. Er konnte sehr gut das, was man Shindy auch vorwirft: amerikanische Sachen verinnerlichen und auf Deutsch umsetzen. Und Sentino hat einfach komplette Verses von Lloyd Banks übersetzt. Ich habe da schon keine amerikanische Musik mehr gehört und das überhaupt nicht gecheckt. Ich weiß auch gar nicht mehr, über wen ich den kennengelernt habe – den kannte ja auch jeder. Und er hat vermutlich ganz schnell den Braten gerochen und sich direkt an mich rangehängt. Er behauptet ja bis heute, dass er meinen Labelnamen erfunden hat – und andere Leute behaupten wiederum, dass er Ghostwriter war. Und das sind zwei Sachen, bei denen ich hundertausendmillionenprozentig sagen kann, dass die nicht so gewesen sind.
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Beim Schreiben hat er dich aber schon beeinflusst. Ich finde, dass man das an Zeilen wie »Also hol‘ die Mics, du Bitch / oder Soda mit Wasser / Ich falle mit der Tür ins Haus / nenn‘ mich Mohammed Atta« vom Song »Deutschland, gib mir ein Mic« schon hört, weil es sehr stark an die verkopften Sieben- oder Achtfach-Reime von Sentino erinnert.
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Ja, na klar. Aber das ist ein bisschen wie in der Zeit mit Vader gewesen: Die Musik, die ich damals gemacht habe, war auch eine andere. Da gab es keinen Carlo, kein Geld und keine Nutten und da hat man noch für etwas gekämpft und wurde von Vader und seiner HipHop-Sicht beeinflusst. Man wird immer beeinflusst, aber die Sachen sind alle von mir.
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Auf »AMYF« hört man auch heraus, dass du zu dieser Zeit wiederum viel Zeit mit MoTrip oder Joka verbracht hast. Ich finde, eigentlich erübrigt sich das Sprechen über die Ghostwriting-Vorwürfe ja auch insofern, als das man in einer Szene deines Films sieht, wie das mit dem Songwriting vermutlich abgelaufen ist. Da sitzt du mit Kay beim Soundcheck am Rand der Bühne, ihr schreibt den Song »Reich mir nicht deine Hand« und als du an einer Stelle nicht weiterkommst, flüstert er dir ein paar Reime ins Ohr.
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Diese Szene gibt es halt im Film, weil es wirklich so gewesen ist. Natürlich hat er dafür auch Geld bekommen. Aber es war nie so, dass er sich drei Monate eingeschlossen und ein komplettes Album für mich geschrieben hat und dann wiedergekommen ist. Wir haben das immer zusammen gemacht.
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Generell sind viele der Leute mit denen du unterwegs warst – Sentino, Kay, MoTrip oder jetzt auch Shindy – immer sehr auf gute Technik und lange Reime fixiert. Etwas, das mir bei dir zu Beginn nie aufgefallen ist. Das war immer sehr on point und es gab allerhöchstens mal Doppelreime. Machst du dir etwas aus dieser Technik-Fixiertheit?
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Geht so. Ich habe nie mit HipHop angefangen, weil mich das so krass interessiert hat. Als ich die ersten Platten gehört habe, war der US-Rap ja auch noch etwas spartanischer und nicht so, wie es heute mit Wayne und Eminem ist. Aber in gewisser Weise bin ich Ästhet und ich finde es unglaublich gut, wenn Leute wie Shindy oder MoTrip krasse Reimketten haben – als Zuhörer finde ich das super. Ich selber könnte das so nicht und will das auch nicht. Ich musste mir nie – wie ein Kool Savas oder ein Kollegah – auf die Fahnen schreiben, dass ich der beste Rapper bin. Ich habe immer das gemacht, was ich wollte und viel durch Atmosphäre erzeugt. Aber trotzdem habe ich riesigen Respekt vor Leuten wie Shindy oder Kollegah, die sich einfach hinsetzen und so etwas runterschreiben können.
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In dem »Juice«-Interview zum »Electro Ghetto«-Album habe ich gelesen, dass es sogar das Gerücht gab, du hättest für andere Leute Texte geschrieben. Du hast die Frage danach mit dem Satz »An allem was man hört, ist auch etwas Wahres dran« beantwortet. Kannst du da mit Abstand etwas dazu sagen?
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Naja, nimm mal »CCN 2« mit Saad. Das war mein Projekt – Punkt. Ich habe ihm nicht seine Songs geschrieben, aber wir haben uns da ergänzt. Die Leute haben das immer von der einen Seite gesehen und behauptet, diese Rapper hätten nur für mich gearbeitet. Aber auch zu der Zeit, als ich noch mit Frauenarzt zusammengearbeitet habe, hat man nicht gesagt »Mein Text ist mein Text und wenn ich dir auch nur ein Wort sage, dann will ich etwas dafür haben.« Das war schon immer Gang und Gäbe. Deshalb habe ich gesagt, dass ich es nicht Ghostwriting nennen würde. Wir haben immer alle viel zusammen geschrieben. Es gibt ganz wenige Songs wie »Schau mich an«, die ich bei mir zuhause in meinem Zimmer geschrieben habe. Deswegen kann man das gar nicht so richtig auseinanderhalten. Und selbst wenn – ich hatte nie ein Problem damit. Andere Leute haben das immer zu einem gemacht. Sentence hält sich da ja auch bedeckt. Er sagt ja, dass wir Songs zusammen gemacht haben. Wenn er ein ganzes Album geschrieben hätte, könnte er das ja auch sagen – ich habe den Menschen seit Jahren nicht gesehen. Kann er ja machen. Und wenn Sentence etwas nicht sagt, dann… der ist wirklich das größte Klatschmaul der ganzen Nation.
- »Ich habe trotzdem immer noch Musik gehört, die ich selbst nicht gemacht habe. Talib Kweli zum Beispiel. ›Train of Thought‹ von Reflection Eternal habe ich übelst krass gefeiert.«Auf Twitter teilen
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Lass uns kurz über »Staatsfeind Nr. 1« reden. Auf »Endgegner« sagst du im Intro »Oh Mann, Rizbo, Alter! Was hast du nur gemacht? […] Das ist so, wie wenn man schlecht träumt und plötzlich aufwacht und man hat das ganze Bett vollgepisst, Alter!« Wie bist du auf so ein Zeug gekommen?
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(grinst) Das war spontan, einfach behindert. Das, was nicht zu deiner Strophe gehört, denkst du dir meistens aus. Ich stand bei Stickle in der Gesangskabine und habe einfach irgendwas gesagt. Das war auch einfach ein krasser Beat für mich, der richtig krass herausgestochen hat.
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Gab es das J.R.-Writer-Feature auf »Harte Brocken«, weil du Fan warst oder weil es zu der Zeit angesagt war, sich Verses von Dipset-Rappern zu kaufen?
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Ich hab das schon gefeiert und wollte natürlich nicht einfach nur für viel Geld die großen Namen kaufen. Ich habe gesagt, dass das – wenn man sich schon so ein Feature holt – Style haben muss. Und J.R. Writer war natürlich viel unbekannter als Cam’ron, aber ich fand den cool. Und er war natürlich auch viel billiger. Aber in erster Linie sollte das auch zeigen, dass ich mich damit auseinandersetze und nicht einfach für Hunderttausend irgendwen kaufe.
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Was hat das gekostet?
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Nicht viel. (grinst) Richtig wenig sogar.
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Hast du ihn dann auch vorher ein bisschen gebrieft, um was es in dem Song oder auf dem Album gehen sollte?
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Nein, gar nicht. Das ist viel zu kompliziert und die schalten dann einfach ab. Ich habe das selbst gemerkt, als ich mit Swizz Beatz in New York gearbeitet habe. Das ist denen egal. Die wollen Musik machen und wollen was verdienen.
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2006 ist ein Song von Kollegah mit dem Titel »H.A.T.E.R.« erschienen, auf dem er dich imitiert und Sido disst. Kennst du den?
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Nee. Geil! Den muss ich mir mal anhören.
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2007 kam dann »Heavy Metal Payback«. Der zugehörigen Steelbox lag ein T-Shirt mit dem Schriftzug »Ich bin Rap!« bei. Warum?
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Weil ich den Leuten ein bisschen zeigen wollte, dass ich auf jeden Fall auch dazugehöre. Viele Leute haben ja gesagt, dass ich kein Rap oder kein HipHop sei. Und damit wollte ich damals ein Statement setzen und zeigen: Ich gehöre genau so dazu wie ihr.
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Auf vielen Releases danach gab es Songs von dir oder anderen Rappern aus deinem Umfeld, in denen Vocalsamples von dir mit sehr minimalistischen Beats vermengt wurden. Sei es jetzt »Flersguterjunge« / »Mit dem BMW« von Fler, »Snare Drum Ich Rap« mit MoTrip oder »Multimillionär« – und vor allem »Style & das Geld« von Kay One. Auch Shindy hatte auf seinem letzten Album einen Song namens »Nikotin & Alkohol«, der sich bei diesem Konzept bedient.
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Stimmt. Als ich mit Kay auf Tour war, habe ich mir damals auch Drums und Vocalsamples auf die Tasten von einem Sampler gelegt und das dann live abgefeuert. Shindy wollte unbedingt auch so einen Song haben. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt noch dasitze und sage, dass wir das unbedingt machen müssen. Aber die Leute fanden das immer cool und die Künstler haben sich das dann auch immer gewünscht, wenn sie mit mir gearbeitet haben. Ich fand das einfach geil. »Snare Drum Ich Rap« war ein Gefallen, den ich MoTrip getan habe. Der fand das total geil und meinte, dass er das nur mit mir machen könne. Bei Kay war es so, dass er »Style & das Geld« gemacht hat, aber ihn nicht als erste Single rausbringen wollte. Aber ich habe sofort gewusst, dass das die erste Single ist. Er wollte unbedingt »Ich brech die Herzen aller Mädchen« rausbringen. Und im Nachhinein ist »Style & das Geld« halt sein größter Hit – mit einem Sample aus der »CCN«-Zeit.
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Auf »AMYF« gibt es den Song »Lebende Legende«, der fast die gleiche Melodie wie »Von der Skyline zum Bordstein zurück« hat. Warum?
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Ich hab den Song damals krass gefeiert. Der war einfach übelst stimmig. Also habe ich gesagt, ich würde diesen Sound gerne mal wieder nachbauen, bin dann sehr nahe rangegangen und habe das fast identisch nachgespielt.
- »Dann bin ich so reich und bekannt geworden, dass mich das nicht mehr interessiert hat.«Auf Twitter teilen
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Eine deiner populärsten Zeilen ist wohl »Denn ich war nie ein Rapper, ich hab’ für die Straßen gekämpft« aus dem Song »Nie ein Rapper« mit Saad. Ich finde, dass das doch sehr im Gegensatz zu deiner krassen und unbändigen Liebe für HipHop in den Anfangstagen steht. Wie kam dieser Sinneswandel?
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Du hast schon recht. Das kam durch diese Berlin-Attitüde, die auf mich eingewirkt hat. Am Anfang war ich ein krasser Einzelgänger und hatte nur Vader, mit dem ich in den 0711-Club gefahren bin. Wir hatten eine ganz andere Sichtweise auf HipHop. Und dann hat sich mein Umfeld vergrößert, ich habe Leute wie Frauenarzt, Basstard oder Fler kennengelernt, meine Karriere ging los und alles hat sich verändert. Dann habe ich da eben mitgemischt und das hat ja auch großen Spaß gemacht. Aber ich habe trotzdem immer noch Musik gehört, die ich selbst nicht gemacht habe. Talib Kweli zum Beispiel. »Train of Thought« von Reflection Eternal habe ich übelst krass gefeiert. Das war eine ganz andere musikalische Ecke, aber ich wollte mir da auch nie einen Riegel vorschieben.
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Du hast ja früher auch die Beginner, Samy oder Curse gehört.
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Na klar. Ich hatte über 1.500 Platten im Schrank stehen, Alter! Von 2008 bis 2013 habe ich mich gar nicht für Rap interessiert. Nicht aus Hate, sondern ich hab es einfach nicht mitbekommen. Aber gerade zu Beginn meiner Karriere war es so – genau wie jetzt –, dass ich mich mit dem, was ich gemacht habe, viel mehr beschäftigt habe. Wollen wir uns nichts vormachen – in der Anfangszeit war HipHop wirklich mein Leben. DJ Tomekk hat ja diesen »Ich lebe für HipHop«–Song gemacht… und das war wirklich so. Ich habe für HipHop gelebt und nichts anderes gemacht, als mich mit HipHop auseinandergesetzt.
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Ein schönes Beispiel dafür war ja auch, dass du 2000 mal alleine nach Marseille gefahren bist, um dir dort Platten zu kaufen.
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Das war krass. Ich weiß gar nicht, was mich da geritten hat. Ich habe schon immer gerne französische Musik gehört. IAM, Fonky Family oder Faf Larage, eben all die Sachen aus Marseille. Es gab auch so krasse Sampler, auf denen alle zusammen Musik gemacht haben. Also bin ich irgendwann am Bahnhof Friedrichstraße in den Zug gestiegen und 30 Stunden oder so über Belgien bis nach Marseille gefahren. Da bin ich dann aus dem Bahnhof raus, habe mir in der nächstbesten Pension ein Zimmer gebucht, bei McDonald’s was gegessen und bin dann komplett alleine durch die Stadt, habe mich durchgefragt, mit Typen gekifft, mir Platten gekauft und bin am nächsten Tag wieder zurück.
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Aber das zeigt ja schon sehr gut, wie stark deine Bereitschaft war, etwas für HipHop zu tun.
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Natürlich. Bis zu der Phase, in der alles sehr kommerziell und erfolgreich wurde. Selbst 2005, als ich in Österreich im Knast war und danach mit Beatlefield »Staatsfeind Nr. 1« und mit Saad »Carlo Cokxxx Nutten II« aufgenommen habe, war ich immer noch Fan.
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Aber warum dann nicht mehr?
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Dann bin ich so reich und bekannt geworden, dass mich das nicht mehr interessiert hat. Als ich damals vier Tage unterwegs war, um einen Tag in Marseille zu verbringen, hat kein Hahn nach mir gekräht. Irgendwann hatte ich jeden Tag so viel Zeug zu tun, das nix mit Musik zu tun hatte, dass es echt unmöglich wurde, mich da noch so damit zu beschäftigen. Aber bis zu dieser Scheißphase, die gleichzeitig auch meinen Erfolg bedeutet hat, war sogar mein Fingernagel HipHop. Ich fand auch den Beginner-Remix geil, den der DJ von IAM gemacht hat. Jan Delay ist mittlerweile auch persönlich ein cooler Typ geworden. Square One, ABS – das habe ich alles gehört. Ich hatte sogar Raptile-Maxis. Ich weiß nicht mehr, welche Single das genau war, aber auf einem Song gab es einen coolen Drumloop, von dem ich die Snare gesamplet habe. Stimmt wirklich: Ich habe mal einen Song mit der Raptile-Snare gemacht.
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DJ Revolution mochtest du auch sehr.
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Ja, voll. Der hat damals auch so ein 80er-Tape gemacht. Der hat Musik aus den 1980er Jahren auf Miami-Bass-Beats gepackt. Da gab es einen richtig geilen »Time After Time«-Remix – habe ich übelst gefeiert. Dann kamen die ganzen Tapekings-Geschichten von Tony Touch, die ich auch alle hatte. »5 Deadly Venoms« und so Sachen. Das war einfach krass. (überlegt) Mann, bei den ganzen Sachen, die du gerade fragst, merkt man erst mal, wie krass lebendig das früher alles war. Die Typen, die vor uns da waren – also Samy, die Beginner und die ganzen anderen – mussten nicht viel machen. Die haben natürlich auch alle eine Geschichte mit HipHop. Aber die waren einfach da und haben auf mich wie die eigenen Eltern gewirkt, die einfach schon immer da waren. Dann kam meine Ära – und danach schließlich die Jetztzeit. Und die erste und die letzte Station sind für mich gar nicht so sehr aktiv oder lebendig. Die Leute vor mir waren sehr eingestaubt, plump und träge. Und heute gibt’s nur noch Instagram, iPhone und Hurensohn. Außerdem kann heute jeder was machen. Du bräuchtest heute ja nicht mal richtiges Equipment. Deshalb habe ich vor der ersten Ära und vor der heutigen nicht sonderlich viel Respekt. Damit möchte ich einzelne Künstler nicht abwerten. Shindy ist auch ein unglaublicher Künstler. Aber die Umgebung und die Atmosphäre, in der wir angefangen haben, Musik zu machen, fand ich am interessantesten, lebendigsten und intensivsten – Punkt.
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Letzte Frage: Wie geht’s dir denn eigentlich?
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Wie’s mir geht? Alles gut. Toi, toi, toi. (überlegt) Das Problem ist: Es geht einem immer scheiße. Dafür gibt es jeden Tag tausend Gründe. Aber ich suche mir lieber die Gründe, warum es mir gut gehen sollte. Natürlich gibt es immer Sachen, die scheiße sind. Meine Oma ist vor wenigen Wochen gestorben. Ich bin in den letzten zwei Jahren sehr häufig mit dem Tod in Berührung gekommen. Das sind Sachen, die so unendlich traurig sind, dass es gar nicht schlimmer geht. Egal, was passieren würde – es gibt nichts Schlimmeres als das. Aber nichtsdestotrotz darf man auf der anderen Seite nicht vergessen: Ich habe einfach so unglaublich wunderbare Kinder bekommen. Ich glaube, jeder redet über seine Kinder gut – aber meine Tochter ist so krass. Wenn ich jetzt kein Geld hätte, mich niemand kennen würde, ich kein Auto hätte und in einer Ein-Zimmer-Wohnung wohnen würde, aber diese eine Tochter hätte, würde es mir immer noch gut gehen. Das ist dann auch das einzig Wichtige. Dass mich Leute abfucken, wäre auch ein Grund, zu sagen, dass es mir gerade scheiße geht. Aber das ist egal, Alter. Und wenn du dann auch noch gesund bist, hast du eh den Jackpot. Wir geben alle irgendwann den Löffel ab. Also machen wir doch das Beste aus dieser Zeit. Das ist das Einzige, was Sinn macht. Sonst müsstest du morgens auch nicht aufstehen, könntest dich umbringen und es wäre eh alles vorbei. Das Leben dauert auch gar nicht so lang. Deswegen ist es umso wichtiger, nur noch gute Sachen zu machen und dich mit Freunden und Familie zu umgeben. Das hört sich immer so aufgesetzt an, aber es ist wirklich so.