Tobi Tobsen »Für uns war Helge Schneider genauso real wie Run DMC.«

Als Teil von Der Tobi & Das Bo, Fünf Sterne Deluxe und, ja, auch Moonbootica hat Tobi Tobsen hiesige HipHop-Geschichte mit »pietätloser Freigeistigkeit« mitgeschrieben. Ein Interview, das ALL GOOD-Autor Davide Bortot für das Buch »Könnt ihr uns hören?« geführt hat, hier exklusiv in voller Länge.

TobiTobsen

Was für eine Geschichte: Ein paar Kids aus Pinneberg machen Rap, erst auf Englisch, dann auch auf Deutsch. Beides geht auf Dauer nicht. Es ist 1992, man muss sich entscheiden. Der eine, Martin, nimmt Deutsch, Tobi, der andere, bleibt bei Englisch – und landet über seinen Kumpel Mirko schließlich doch bei Deutsch. So entstehen zwei der wegweisenden Deutschrap-Gruppen der neunziger Jahre: Fettes Brot und Der Tobi & Das Bo.

Der Tobi aus dieser Geschichte macht später auch Musik als Teil des Electronica-Duos Moonbootica und natürlich mit seiner Band Fünf Sterne Deluxe – einer Art Ur-Orsons mit unkonventioneller Besetzung und Raves als Lehrmeister. Ihre neue Single »Aale zusammen« ist vor ein paar Wochen erschienen. Ein Gespräch mit einem latent Unterschätzten.

Dieses Interview wurde geführt für »Könnt ihr uns hören? – Eine Oral History des deutschen Rap« von Jan Wehn und Davide Bortot. Das Buch erscheint am 22.02.2019 über Ullstein und kann jetzt hier vorbestellt werden. Wir veröffentlichen exklusiv die komplette, leicht redigierte Version des Gesprächs.

  • Was war dein erster Berührungspunkt mit der HipHop-Kultur?

  • Mein Bruder war ‘87 auf einem Austausch in Amerika. Bei seinen Gastgebern gab es zwei Brüder, die nicht nur Rap-Musik gehört, sondern auch selbst Rap-Musik gemacht haben: Darin & Dan. Mein Bruder hat ein Mixtape mitgebracht, auf dem Songs von denen und andere Underground-Sachen aus Seattle waren. Damals hat bei uns im Kreis Pinneberg niemand wissentlich Rap gehört. Man kannte vielleicht »Walk This Way« von Run DMC oder die Beastie Boys, aber man hat das nicht als Bewegung verstanden. Erst dieses Tape hat bei uns eine Begeisterung und ein Bewusstsein dafür erzeugt, dass das etwas wirklich Neues ist. Dadurch, dass auf dem Tape auch Tracks von Leuten waren, die mein Bruder persönlich kannte, schien uns das auch möglich. Also haben wir bald angefangen, selbst Texte zu schreiben.

  • Was habt ihr mit diesen Texten gemacht?

  • 1989 haben wir in der »Bild«-Zeitung vom ersten Rap-Wettbewerb Hamburgs gelesen. Wir haben unser Tape hingeschickt, damals noch als Brotherhood – das waren mein Bruder und ich. Wir haben nie erwartet, dass da was zurückkommen würde. Aber zwei Wochen später kam tatsächlich der Anruf: »Ihr seid dabei.« Ich weiß noch, wie ich am Telefon versucht habe, total cool zu bleiben, aber direkt nach dem Gespräch komplett zusammengebrochen bin vor Aufregung (lacht). Bei dem Wettbewerb haben wir den glorreichen neunten von neun Plätzen gemacht. Der Auftritt war auch wirklich bitter, ich habe den noch auf VHS (lacht). Aber zumindest hat er uns das Gefühl gegeben, dass wir irgendwie mithalten können.

  • Hat da noch jemand mitgemacht, den man heute kennt?

  • Boris Ekambi, also Doug ED von Easy Business, ist außer Konkurrenz angetreten. Der war schon so weit, dass er nicht mehr bei einem Wettbewerb mitmachen wollten. Die hatten sogar schon eigene kabellose Mics und so. Das hörte sich auch wirklich geil an, was die gemacht haben. Gewonnen hat dann – wen wundert’s – Eric »IQ« Gray, der aus den USA nach Hamburg gekommen und viel professioneller war als alles anderen. In der Jury saß auch unser späterer Engineer »Super« Mario von Hacht.

  • »1990 habe ich angefangen, mit Pausetaste Beats zu machen.«Auf Twitter teilen
  • Ich habe dich immer eher als Producer-on-the-Mic, als Musiker wahrgenommen und weniger als MC-MC. Wann kam das Produzieren bei dir dazu?

  • 1990 habe ich angefangen, mit Pausetaste Beats zu machen. Wir haben verschiedene Sample-Layer auf einen Beat gemischt und das dann wieder zu einem langen Beat zusammen gecuttet. Das haben wir drei Jahre lang so gemacht. Die Idee von Sampling hat mich generell tierisch fasziniert. Als ich in Network Press über Samples gelesen und so rausgefunden habe, woher die Sounds auf den Platten von De La Soul und A Tribe Called Quest kommen, hatte ich richtig Gänsehaut! Generell war die Begeisterung für Beats bei mir immer größer als die Begeisterung fürs Rappen. HipHop hat allen kreativen Menschen die Möglichkeit gegeben, Musik zu machen, ohne ein Instrument zu beherrschen, ohne Noten lesen zu können und vor allem ohne andere Bandmitglieder zu haben. Man konnte das abends alleine vor dem Computer oder dem Tapedeck zusammenbauen. Das war zuvor nicht möglich. 

  • Was ich immer faszinierend fand: In Deutschland klangen die Beats bis tief in die Neunzigerjahre nach dem New Yorker 80s-Sound – also eher schnell, dünn und lärmig – während es in den USA schon Nas, Biggie und Dr. Dre gab. Der geschätzte Kollege Marc Leopoldseder hat mal die These aufgestellt, dass halt jeder das für die wahre Lehre hält, was er als erstes gehört hat. Stimmt das?

  • An der Theorie, dass man an dem festhält, womit man anfangs in Berührung gekommen ist, ist schon was dran. Und unsere Sozialisation war nun mal Native Tongues! Parallel gab es vor allem in Hamburg einen Einfluss von Britcore, wo die Beats auch nicht so definiert waren und alles eher schepperig klang. Da hat sich schon ein gewisses Soundgefühl eingeschliffen. Es hatte aber auch viel damit zu tun, dass man erst einmal verstehen musste, wie das alles geht. Mein erster Jeep-Beat war 1993 »Anaphoras« auf dem Poets-of-Peeze-Album. Den habe ich noch eins zu eins von einer anderen Platte runter gesamplet. André Luth meinte dann, er hätte gehört, man müsste die Beats aus Einzelsounds zusammenbauen. Mir war überhaupt nicht klar, wie das gehen soll. Aber er hatte so eine Sample-Scheibe und wollte das mal ausprobieren. Also hat unser damaliger Produzent Ralf Droesemeyer die Bassdrum, Hi-Hat und Snare auseinander geschnitten und ich habe das dann neu eingespielt und wieder zusammengesetzt. Das war für mich ein echtes Aha-Erlebnis. Ich habe sofort angefangen, das zuhause auch so zu machen. Auf dem ersten Tobi & Bo-Album sind auch schon ein paar Jeep-Beat-artige Sachen drauf. Aber dadurch, dass die Sachen tendenziell noch aus 1993 kommen, ist es eher noch Breakbeat-lastig. Erst auf dem zweiten Album war das anders – aber das war dann schon 1996… Ich weiß jedenfalls, dass die ich Beats schon hatte, als wir mit der Klasse von 95 unterwegs waren. Da waren alle anderen so: Derbe, wie hast du die Beats so fett hingekriegt?!? Ich war scheinbar unter den Ersten, die diese Ami-Beats zumindest ansatzweise so hingekriegt haben. Aber es hat gedauert, bis das alles auch raus kam.

  • Wie seid ihr als Kids aus der Hamburger Vorstadt mit André Luth in Kontakt gekommen?

  • Über einen weiteren Rap-Wettbewerb waren wir, also die Poets of Peeze, an Ralf Droesemeyer geraten. Mit dem haben wir eine EP aufgenommen, die er wiederum an André Luth von Yo Mama Records verkauft hat. André hat mir später erzählt, dass er es nicht wirklich gefühlt hat. Aber er hat wohl gesehen, dass da irgendwie Potenzial drin steckt. Also hat er uns vorgeschlagen, dass wir Remixe von den Stücken machen. Die Originalstücke waren durch den Produzenten von der Grundausrichtung eher acidjazzig. Wir haben dann Jeep Beats dazu produziert. André hat sich trotzdem noch lange damit herumgeschlagen, ob er das veröffentlichen soll oder nicht… Ich glaube, heute ist er ganz froh, dass er’s gemacht hat (lacht).

  • »Deutschrap? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich das ernsthaft durchsetzt.« Auf Twitter teilen
  • Als Poets of Peeze habt ihr auf Englisch gerappt.

  • Ja. Das war der ganz normale Standard. Die deutschen Sachen habe ich über Schiffmeister von Fettes Brot kennen gelernt. Er ist über skurrile Wege an unser Demo gekommen und hat mich über eine Freundin kontaktiert. Wir haben uns dann einfach mal getroffen. Bei dem Treffen hat er mir Die Fantastischen Vier und Die Coolen Säue vorgespielt. Ich fand das interessant, konnte mir aber nicht vorstellen, dass sich das ernsthaft durchsetzt. Für mich selbst habe ich das Rappen auf Deutsch eindeutig auch auf einer witzigen Basis entdeckt. Ich dachte mir, das könnte vielleicht etwas sein, wo ich meinen skurrilen Humor ausleben kann. Die erste Nummer, die ich wirklich ernst genommen habe, war »Fremd im eigenen Land«. Da dachte ich: Das geht ja! Alles davor war für mich Spielerei. Später musste ich dann André Luth zu Deutschrap überreden. Das Fettes-Brot-Demo habe ich ihm im Auto auf dem Weg zu einer Produktionsbesprechung der Poets of Peeze vorgespielt. Er meinte nur: Diesen deutschen Kram fühl’ ich nicht.

  • Was war dein erster Text auf Deutsch?

  • Es gab ein Poets-of-Peeze-Stück namens »Multiple Language«. Dokter Renz hat darauf auf Französisch gerappt, mein Bruder auf Lateinisch (!), CRAM auf Holländisch und ich auf Deutsch: »Hier bin ich, ich bin ein Wicht / Doch ihr, ihr glaubt es mir nicht / Man könnte sagen, ich käm’ aus Skagen« – weiter bekomme ich es nicht mehr zusammen (lacht). Das fiel klar noch in diese Spaß-Kategorie. Allerdings habe ich relativ schnell gemerkt, dass ich die Skills, die ich im Englischen schon geformt hatte, relativ gut ins Deutsche übertragen und mich darin sogar noch besser ausdrücken konnte. Das Fettes-Brot-Demo kam in der »MZEE« gut an, und wir haben auch sonst gutes Feedback bekommen. Aber es wurde schnell klar, dass es zu viel Stress ist, Poets of Peeze und Fettes Brot weiter zu machen. Wir mussten uns für eines von beidem entscheiden. Martin (Dokter Renz) ist zu Fettes Brot gegangen. Mein Bruder und ich sind bei Poets of Peeze geblieben.  

  • Sehr bald hast du dann doch auf Deutsch weitergemacht. Wie bist du an Das Bo geraten?

  • Wir waren mal im Offenen Kanal Hamburg, noch als Fettes Brot. Da war Bo auch, mit seiner Crew Verschaoten aus Elmshorn. Bo behauptet zwar steif und fest, ich sei an dem Abend gar nicht da gewesen. Aber ich habe relativ präzise Erinnerung an einem Freestyle von ihm, bei dem ich mir gedacht habe: Wie geil kann der denn rappen?!? Der hatte so einen weichen Flow, während alle anderen auf Deutsch noch so hackig waren. Also habe ich gesagt: Ich produziere dich jetzt. André Luth hat dann vorgeschlagen, dass ich auch rappen soll, weil Bo sonst »auf der Bühne nicht genug Luft bekäme«. Also habe ich da halt mal mitgemacht (lacht).

  • 1994 erschien euer gemeinsames Album »Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander«. Das ging schnell, zumal für damalige Verhältnisse.

  • André Luth hat für zwei Wochen das Container Studio gebucht, damit wir eine EP aufnehmen können. Bo ist für die Zeit bei mir eingezogen, weil meine Eltern im Urlaub waren. Ein paar Beats hatte ich schon vorbereitet, aber die meisten habe ich tatsächlich morgens in meinem Kinderzimmer geschraubt. Parallel haben wir Texte geschrieben, oft noch auf dem Weg ins Studio. Was wir an dem Tag geschrieben haben, haben wir nachmittags direkt eingerappt. Nach zwei Wochen hatten wir bereits zu viel Material für eine EP. Also hat André Luth noch eine weitere Woche Studio dazugebucht, und nach drei Wochen hatten wir ein Doppelalbum. Wir haben im Prinzip keinen einzigen Text überarbeitet. Wenn etwas nicht gepasst hat, wurde das so lange gerappt, bis es gepasst hat.

  • Welche Rolle hat André Luth allgemein in dieser Zeit gespielt?

  • Er hat alles ein bisschen zusammengebracht. Er war immer ein bisschen wie der ältere Bruder. Während wir noch sehr mit uns selbst beschäftigt waren, hatte er eine Vision, wie aus bestimmten Konstellationen ein guter kreativer Impuls entstehen könnte. Der Tobi & Das Bo hat er zusammengebracht, ohne uns zusammenzubringen: Wir haben ja schon gemeinsam Musik gemacht, aber er hat initiiert, dass wir auch zusammen rappen. Bei Fünf Sterne war es später ähnlich. Coolmann war unser Live-DJ und Marcnesium ein freier Kreativer, der regelmäßig mit uns unterwegs war. André Luth hat vorgeschlagen: Nehmt die beiden doch mit rein und macht ‘ne Band. Wir haben uns damals schon Der Tobi & Das Bo ***** genannt, also lag das Fünf Sterne Deluxe nahe… Das hatte auch einen praktischen Vorteil. Unsere damalige Plattenfirma Metronom ist pleite gegangen, und unser Projekt wäre von der Nachfolgefirma übernommen worden. André hat die Chance gewittert, durch eine neue Band noch mal ganz von vorne anfangen zu können (grinst).

  • Wie war euer Verhältnis zu Fettes Brot, nachdem du dort ausgestiegen bist? Von vielen wurdet ihr damals ja stark als Einheit wahrgenommen: »die witzigen Hamburger«.

  • Anfangs haben wir noch viel zusammen gemacht. Es gab diverse Possetracks und auch mal einen gemeinsamen Song zum Jubiläum der »Sendung mit der Maus«. Wirklich auseinander entwickelt haben wir uns erst mit Fünf Sterne Deluxe. Da kam bei uns ein bisschen mehr klassische Rap-Attitüde rein. Der Tobi & Das Bo war ja noch: Bunte Klamotten, Konfetti auf der Bühne, Flokati-Anzug. Das war auch ein bisschen Trash. Fünf Sterne Deluxe dagegen war etwas seriöser, während Fettes Brot parallel immer mehr ihre eigene Dynamik bekommen haben. Da hat man gemerkt: Jetzt gibt es eigentlich keine Überschneidung mehr.

  • »Ein bisschen wie eine europäische Version von Biz Markie.«Auf Twitter teilen
  • Die humoristische Komponente war euch dennoch gemein. Was hat euch damals dazu bewegt, das so anders zu machen als fast alle anderen?

  • Wir hatten HipHop einfach jahrelang schon für uns zelebriert, ohne Kontakt zu anderen Rappern zu haben. Dokter Renz und ich waren gefühlt die einzigen Leute auf der ganzen Schule, die Rap gehört haben. Irgendwann hieß es dann, ein Marko höre auch Rap. Das war’s dann aber. Als wir auf die anderen getroffen sind, waren wir schon viel zu gefestigt in unserem Stil, als dass wir uns noch hätten anpassen wollen. Uns war auch gar nicht klar, dass man unsere Sachen missverstehen könnte. Erst als nach den ersten Veröffentlichungen die Anfeindungen kamen, ist uns aufgefallen, wie anders wir das offenbar machen als andere. Wir hatten einfach Spaß an skurrilem Humor. Das kam durch den Einfluss von Monty Python und Helge Schneider. Bei dieser Art Humor wartet man ja vergeblich auf den Moment, an dem man lachen soll. Das war einfach nur maximal neben der Spur, und das hat mich fasziniert. Das hat mich mit Fettes Brot und vor allem auch mit Bo verbunden. Dieser Humor war unser Ausgangspunkt: Lass uns mal so was in Rap machen! Ein bisschen wie eine europäische Version von Biz Markie – humorvoll, aber auch seriös, zumindest aus unserer Sicht.

  • Aus dem Kern der Szene hieß es: Das ist witzig, also Sellout.

  • Der Sellout-Vorwurf hat uns sehr getroffen. Wir haben unsere Musik nie als Kommerz wahrgenommen, ganz im Gegenteil. Wir dachten, unsere Sachen sind so verschroben und anders, dass sie ohnehin keinerlei kommerziellen Standards gerecht werden. Wir haben das eher alternativ gesehen und wollten aus einem ganz reinen Gefühl unsere Version von HipHop machen. Plötzlich wurden wir mit in die Sellout-Kiste gepackt. Es hieß, wir würden HipHop kaputt machen. Das hat uns wirklich gekränkt.. 

  • Besonders offensichtlich wurde der Argwohn der Etablierten in der inzwischen legendäre Folge von »Freestyle« auf VIVA. Wie hast du die Sendung erlebt?

  • Es gab, glaube ich, zwei Sendungen, in der wir angefeindet wurden: Ein kurzes Interview mit Scopemann und eine komplette Sendung mit Storm. Da verlief eindeutig die Frontlinie. Stylewarz hat sich rausgehalten, das fand ich gut. Aber bei den anderen war ziemlich klar, dass die nicht cool finden, was wir machen. »poH piH« ist dann entstanden als Reaktion auf die Sendung. Wir dachten: Offensichtlich sind wir die Leute, die den HipHop-Begriff umdrehen, also machen wir uns eben einen Spaß daraus. Das war tatsächlich eine bewusste Provokation an die Alte Schule. Alles davor war einfach unsere Interpretation des HipHop-Gedankens. Für uns war Helge Schneider im Ansatz genauso real wie Run DMC.

  • Gab es denn, abgesehen von diesem Interview, offene Konflikte mit Leuten aus der Szene?

  • Spax hat mir mal erzählt, dass Der Lange von Too Strong vorbeikommen wollte, als wir mit der Klasse von 95 in Essen gespielt haben, um uns aufs Maul zu hauen wegen Sellout und Lustigmachen über HipHop. Dann hat er sich aber wohl das Konzert angeschaut und fand es wider Erwarten richtig gut und uns »voll korrekt«. Danach haben wir zusammen Bier getrunken. Viele dachten auch, die Stiebers hätten ein Problem mit uns. Vielleicht waren die anfangs auch wirklich ein bisschen skeptisch. Aber auf der Tour haben die verstanden, was wir mit unserem HipHop-Begriff meinen. Die meinten: »Okay, wir checken das, ihr seid gar nicht kommerziell.« Wir waren ja eher die Kiffer-Dudes, die vor dem Auftritt noch Bong gezogen haben und auf der Bühne beim DAT-Recorder Stopp gedrückt und zurückgespult haben, wenn Bo seinen Text vergessen hat. Fettes Brot sind währenddessen schon mit Manager aufgeschlagen, haben sich vor dem Auftritt eingesungen und wollten das generell viel professioneller aufziehen. Aber wir haben das alles nicht aus einem bestimmten Bewusstsein heraus gemacht. Das war einfach unsere Persönlichkeit.

  • Die umgekehrt ja für viele Leute ein angenehmer Ausgleich zum heiligen – und auch wichtigen – Ernst der, sagen wir, »MZEE«-Bubble war.

  • Total. Mir haben im Nachhinein viele Leute erzählt, dass sie ein Problem mit HipHop, den Typen und der ganzen Attitüde dahinter hatten, aber das, was wir gemacht haben, geil und besonders fanden. Wie wir uns in Interviews gegeben haben. Wie wir den Moderator auch mal haben auflaufen lassen. Wie wir uns selbst nicht so ernst genommen haben. Wie gesagt, wir haben es nie auf so etwas angelegt. Aber ich finde es trotzdem interessant und bin auch ein bisschen stolz darauf, dass wir uns dieses eigene Standing erarbeitet haben. Wir werden ja selten als vollwertiger Teil der HipHop-Szene wahrgenommen. Da geht auch mal unter, was wir für einen Einfluss auf andere Bands hatten. Aber gleichzeitig finde ich das gerade gut: dass wir unser eigenes Kapitel aufgemacht haben.

  • Wie fandest du Deutschrap Anfang und Mitte der neunziger Jahre?

  • Damals gab es von keiner Band ausschließlich gute Songs. Advanced Chemistry haben es noch am ehesten erwischt. Aber »Dir fehlt der Funk« fand ich auch schon nicht so geil… Von den Beginnern gab es teilweise haarsträubend schlechte Songs. Es gab in den Neunzigern einfach sehr wenige Kombinationen aus politischer Ambition und »Geiler Rapper, geile Beats«. Wenn Leute sich auf den Inhalt konzentriert haben, hat die Form, finde ich, stark gelitten. Es gab immer wieder einzelne gute Songs, zum Beispiel von MC René, aber das meiste fand ich schrecklich. In der Gesamtheit war es so Rookie-mäßig, dass man eher Ami-Rap geil fand und Deutschrap als Aufbauprojekt verstanden hat. 

  • »Punk war schon total durchkommerzialisiert, HipHop dagegen hatte noch diese DIY-Mentalität.«Auf Twitter teilen
  • Wann kam für dich der Wendepunkt? Auch mit den Massiven Tönen, wie für so viele aus dieser Generation?

  • Das war das erste Mal, dass sich deutscher Rap sehr amerikanisch angehört hat, ohne dabei die Plattitüden zu übernehmen. Das ist aus einem ganz anderen Selbstverständnis heraus entstanden. In der Stuttgarter Region gab es ja viel mehr amerikanische G.I. als bei uns im Norden. Die hatten schon HipHop-Clubs, und das hat man hundertprozentig rausgehört. Das war schon soulful und warm und allgemein viel selbstverständlicher an das Amerikanische angebunden, während in Hamburg noch Britcore und die Punk-Szene die Hauptrolle gespielt haben. Die Beginner zum Beispiel haben einer Sexpuppe eine Polizeiuniform angezogen oder ein Hakenkreuz mit einer Kettensäge zersägt. Die waren explizit politisch. Aber dadurch, dass die traditionellen Konzerthäuser HipHop nicht ernst genommen haben und er dadurch fast ausschließlich in Jugendhäusern stattgefunden hat, hatte die Szene generell einen linken Vibe: multikulti und anti-kommerziell. Auf den Jams gab es immer viele Punker. Die haben das als Fortsetzung dessen verstanden, was sie gut fanden. Punk war schon total durchkommerzialisiert, HipHop dagegen hatte noch diese DIY-Mentalität. Man hat einfach den Jugendleiter angerufen, das selbst organisiert und die Einnahmen so aufgeteilt, dass jeder zumindest seine Fahrtkosten bekommt. Das war der Klassiker, »für Fahrtkosten« spielen (lacht). Diese Mentalität hat viele Punker angesprochen. Es gab immer eine starke Connection.

  • Bei euch hat sich das Hamburg-Ding eher in einer Art pietätloser Freigeistigkeit niedergeschlagen. Wie konnte aus dieser Ursuppe ein Album wie »Silium« von Fünf Sterne Deluxe entstehen?

  • Bei »Sillium« gab es eine übergeordnete Idee: Die Platte war zwar nicht als Konzeptalbum gedacht, aber alle Songs sind in diesem Vibe entstanden. Wir haben uns ein Jahr in diesem Kontext bewegt. Die »Sillium«-Idee war eine dankbare Spielwiese. Einerseits war es ein klassisches HipHop-Ding, andererseits hat es uns erlaubt, eine psychedelische, auch metaphysische Ebene aufzumachen. Ich sach mal: »Drogenmusik« – aber mitunter mit einem klassischen Pop-Drive. So geplant war das nicht. Aber alleine durch die Mehrfacherwähnung des »Sillium«-Begriffs auf vier oder fünf Songs wirkt es im Nachhinein viel runder und zusammengehöriger als alles, was wir davor gemacht haben. Das zweite Album »Neo.Now« war dann die Reaktion. »Sillium« war unser erstes richtiges Album. »Neo.Now« hat das verarbeitet, was wir mit dem aufkommenden Erfolg erlebt haben. 

  • Wie hast du diesen Erfolg in dem Moment erlebt? Das kam ja alles sehr unvermittelt.

  • Aber so richtig durch die Decke gegangen, ist es ja gar nicht! Das hat sich alles nach und nach ergeben. »Sillium« ist auf 23 eingestiegen. Das war für uns natürlich der totale Wahnsinn, aber gleichzeitig war die Realität, dass wir bei der ersten Tour mit Jäki in einem Multivan durch Deutschland gefahren sind: wir und Eins, Zwo, mit dem kompletten Equipment und dem ganzen Merch hinten drin. Im Nachhinein verklärt man die Dinge ja. Aber damals hatte das keine Größe. Die Tour, die wir im Herbst 2017 gespielt haben, hat ausschließlich in Locations stattgefunden, die größer waren als die größte Halle, die wir damals auf dem Höhepunkt von Fünf Sterne gespielt haben. Damals war es halt neu und eine Sensation für uns alle, dass Deutschrap überhaupt in einem Popkontext stattfinden kann. Aber wenn man sich heute zum Beispiel die Beginner ansieht, sind die Konzerte seit damals um den Faktor zehn gewachsen. »Sillium« und »Neo.Now« kamen zu einem Zeitpunkt, als sich ein Mainstream-Publikum einzelne Acts rausgepickt hat, aber eigentlich noch gar nicht bereit war für diese Art von Musik. Das war ein eher optischer Erfolg. Es gab eine selektive Aufmerksamkeit, aber in echt gar nicht so ein großes Mainstream-Potenzial.

  • Trotzdem standet ihr plötzlich in der Öffentlichkeit. Das war – mit Ausnahme der Fantas und 3p, die klar den Mainstream-Erfolg gesucht haben – neu für Deutschrap.

  • Dadurch, dass VIVA und MTV noch so präsent waren, hatte man so eine Fernsehprominenz. Fernsehprominenz ist ein sehr interessantes Phänomen, weil sie viel verklärt. Leute, die damals dein Video auf MTV oder VIVA gesehen haben, hatten das Gefühl, man müsste schon Millionär sein – was natürlich nicht weiter von der Realität hätte entfernt sein können. Und du wirst auf der Straße erkannt. Die Leute sprechen dich nicht unbedingt an, aber du merkst, dass sie sich umdrehen und tuscheln. Man hat also eine recht irreale Form von Berühmtheit, ohne wirklich erfolgreich zu sein. Man sagt, das war der große Boom von HipHop. Aber in echt war das immer noch eine Spartenmusik und kein Teil der Popkultur. Heute hat jeder zweite Popsong eine Rap-Strophe oder einen HipHop-Beat, teilweise sogar HipHop-Attitude. Das wäre damals undenkbar gewesen. Damals hat sich HipHop, wenn er kommerziell sein wollte, dem Pop angebiedert. Heute biedert sich Pop, wenn er cool sein will, dem HipHop an. Der offene Umgang mit Satzstrukturen, die ungenauen Reime, wie Umgangssprache in Texten verwendet wird – das haben sie sich alle ganz genau angeguckt. Damals gab es die Kombination aus cool und Pop nicht. Alles, was cool war, ist automatisch an den Charts gescheitert, weil man dafür das Radio brauchte und sich das Radio konsequent dem Rap verweigert hat.

  • »Die Zeit verwäscht die Dinge ins Positive.«Auf Twitter teilen
  • Also Neunziger-Verklärung?

  • Die Zeit verwäscht die Dinge ins Positive. Vieles hatte damals nicht die Relevanz, die es heute für die Leute hat. »Dein Herz schlägt schneller« zum Beispiel war irgendwo auf 85 in den Charts und im größeren Zusammenhang eine Nummer von vielen. Heute ist es für die Leute ein Signature-Stück. Interessant ist auch, dass es bei diesem Vergrößerungsglas der Geschichte eine Art Trennlinie zu geben scheint. Sachen, die damals schon relativ groß waren, wirken heute noch viel größer. Andere Sachen dagegen, die damals nur geringfügig kleiner, aber trotzdem anerkannte Teile der Rap-Szene waren, kennt man heute gar nicht mehr. Die sind einfach nie in die Popkultur übergegangen und fallen daher heute durchs Raster der Erinnerung.

  • Auf der richtigen Seite war offenbar auch Dendemann, dessen neues Album vor zwei Wochen auf die Eins eingestiegen ist. Wie schätzt du seine Rolle ein?

  • Daniel ist ein begnadeter Texter, auch wenn er anfangs nicht so gut gerappt hat und erst über die Zeit besser geworden ist. Er hat neue Sichtweisen in den Rap eingebracht, Storys wie die von der Omi aus dem ersten Stock oder die vom rappenden Pizzaboten. Das war ein geiler neue Vibe. Wir hatten Eins, Zwo ja auf unserer Tour als Vorband mit dabei. Dadurch gab es schnell engen Kontakt.

  • Deichkind?

  • Mit Deichkind ist eine etwas modernere Form der popkulturellen Referentialität in den Rap gekommen: keine wertende Auseinandersetzung nämlich, sondern etwas, das ich »Aufzählungsrap« nenne. Man schneidet das Thema durch bloße Erwähnung an, hat aber keine Message drin, sondern bringt die Leute dazu, eigene Gedanken zu dem Thema zu denken. Es gibt keine Entscheidung für die eine oder die andere Seite. Deichkind ist wahnsinnig ambivalent zwischen Ballermann und hochpolitischem Diskurs. Es wird einfach ein Multiversum aufgespannt, zu dem jeder seinen eigenen Zugang hat. In gewisser Weise ist das dem, was man heute »Cloudrap« nennt, durchaus ähnlich… Deichkind sind auch ein schönes Beispiel dafür, wie es manchmal läuft im Leben. Die waren ja kurz davor aufzuhören und wollten eigentlich nur den Karren an die Wand fahren, indem sie mal so richtig Quatsch machen. Ausgerechnet das haben die Leute gemocht. Mir ging es ähnlich. Ich fand, Deichkind hatten immer ein paar richtig stylische Tracks. Aber in der Gesamtheit sind sie immer eher »die Nachfolger« gewesen und dadurch auch ein wenig als mittelmäßig wahrgenommen worden. Der Wendepunkt war für mich »Limit«. Da haben sie konsequent umgeschaltet. Was für eine geile Nummer!

  • Wie siehst du im Rückblick eure Rolle in dem ganzen Hamburger Geflecht um die Jahrtausendwende?

  • Wir waren als Band immer ein bisschen außen vor. Das lag auch daran, dass mit Marcnesium jemand dabei war, der nicht unbedingt Rap-affin war, sondern eher Acid und Ambient gehört hat. Da gab es von Vornherein ein großes Interesse, auch in andere Richtungen auszubrechen – vor allem bei mir. Bo hat sich mit der Mongo Clikke und dem Eimsbush Basement viel stärker in eine Szene integriert. Da habe ich mich bewusst rausgehalten und dafür angefangen, parallel House und Techno aufzulegen und zu produzieren. Mein Soulmate war Ferris (MC). Mit dem habe ich relativ früh eine Seelenverwandtschaft entwickelt. Auf den ersten Ferris-Sachen hörst du auch deutlich, dass ich mich in den Jahren davor mehr mit TripHop als mit HipHop beschäftigt hatte. Das war vielleicht auch der Anfang vom Ende von Fünf Sterne.

  • Heute macht ihr wieder zusammen Musik und seid auf Tour. Wie würdest du die Dynamik zwischen dir und Bo beschreiben?

  • Es ist schon die klassische Dick-und-Doof-Konstellation. Ich bin eher der ruhige Beat-Schrauber, Bo mehr der Verrückte, der Labersack, der Künstlertyp. Bo ist eher der, der alles noch mal hinterfragt und umwerfen will, ich eher der, der Sachen zu Ende bringt. Das funktioniert ja immer ganz gut, wenn jeder seine Rolle und seine Aufgabe hat. Die anderen beiden waren der kreative und soziale Kitt, der uns zusammengehalten hat. Als Coolmann irgendwann weg war, war es für Marcnesium schon schwierig, das auszubalancieren. Und als er dann gesagt hat, dass er keine Lust mehr hat und raus ist, ging es eben nicht mehr. Nur Bo und ich, das hätte damals nicht funktioniert! Die Pole hatten sich zu weit auseinander bewegt. Das ist ja der Klassiker von Lennon und McCartney. Die konnten sich irgendwann nicht mal mehr sehen, weil sie einfach zu weit auseinander waren. Bis zu einem gewissen Grad ist Reibung total gut für Kreativität, aber wenn es zu heftig wird, kommt man eben gar nicht mehr zusammen. Deswegen war es für uns nach zehn Jahren ohne jeden gemeinsamen kreativen Output sehr interessant zu sehen, dass das, was uns damals so entzweit hat, weg ist und wir wieder dieser Doppelstern sind, der sich gegenseitig in der Bahn hält. 

  • »Gangstarap war ein Fortschritt, schon alleine weil es das vorher in Deutschland scheinbar nicht gegeben hatte.« Auf Twitter teilen
  • Hat bei dieser Entzweiung und der darauf folgenden Trennung auch das Aufkommen der Berliner Straßenrap-Welle eine Rolle gespielt? Es gibt ja dieses Narrativ: Der große Boom, der große Zusammenbruch, dann der Neuanfang mit Savas und Aggro…

  • Die Neunziger haben eine Form von deutschem HipHop hervorgebracht, der am Ende sehr spitz zugelaufen ist. Vieles hatte sich totgelaufen, weil es, wenn man ehrlich ist, keinen echten Fortschritt gab. Gangstarap aber war ein Fortschritt, schon alleine weil es das vorher in Deutschland scheinbar nicht gegeben hatte. Das hat einfach viel zu lange nicht stattgefunden, warum auch immer… Viele aus unserer Generation waren natürlich verwundert, als diese Art von Rap aufkam. Aber es bedurfte einer Inhaltsspritze. Dem eher dadaistischen Ansatz, einfach lustige Wortspiele aufzuschreiben und dabei möglichst viel Spaß zu haben, wurde eine gewisse Tiefe und Story-Lastigkeit entgegengesetzt. Man muss auch ehrlich sagen, dass viele etablierte Rapper Probleme hatten, ihren Style an die Moderne anzupassen. Aber für uns hat das keine Rolle gespielt. Bei uns waren das eher interne Gründe. Wir hatten einfach das Gefühl, der eine geht in die Richtung und der andere in die andere, und da gab es keinen Konsens. Ich glaube, wir waren immer schon eine Band, die sich hauptsächlich mit sich selber beschäftigt (lacht).

  • Gab es denn in Zeit zwischen eurer Trennung und eurer Wiedervereinigung, in der du hauptsächlich Moonbootica gemacht hast, irgendwas im Deutschrap, das dich wirklich begeistert hat?

  • Die ersten Marteria-Sachen gingen in eine Richtung, die mich wieder interessiert hat: die open minded attitude dahinter. Das war so ein spielerischer Ansatz an Rap, der mir einfach nahe ist. Für mich war HipHop immer ein entspanntes Miteinander, ein chilliges Abhängen auf Augenhöhe. Aber vieles im HipHop ist ja gar nicht so. Das ist mir aber erst später aufgefallen, als ich mich in einer anderen Szene viel wohler gefühlt habe.

  • Diese andere Szene war, grob gesprochen, elektronische Clubmusik. Wie ist Moonbootica entstanden?

  • Als ich angefangen habe aufzulegen, hatte ich das Gefühl, wir haben so viele Party People, die gar nicht wissen, wo sie hingehen sollen. HipHop-Partys waren geprägt durch Aggressivität und uncoole Leute. Ansonsten gab es nur Techno und House. Eine Party für Freigeister aber gab es eigentlich nicht. Also haben wir eine gestartet, bei der wir erst HipHop gespielt haben und dann von Breakbeats über House zu Techno gekommen sind. Diese Party hieß Moonbootica. Das ist in Hamburg sehr gut angekommen. Ich hatte das Gefühl: Die coolen Dudes, die meinen Vibe haben, die vielleicht eher ein schräges Weltbild haben, die links und rechts nicht reinpassen und deswegen ihr eigenes Ding machen, die finde ich in der elektronischen Musik viel eher als im Rap. Ich habe mich da viel wohler gefühlt. In der Zeit muss es unglaublich vielen Leuten so gegangen sind. Viele House-DJs, die jetzt groß sind, wie zum Beispiel Andhim oder Super Flu, sind alles ehemalige Rap-Jünger.

  • »Ich sehe bei ‚Cloudrap‘ durchaus Parallelen zu der Arbeitsweise von Der Tobi & Das Bo.« Auf Twitter teilen
  • Du hast vorhin »Cloudrap« angesprochen. Hast du diese Zeit um 2015, 2016 herum mitgeschnitten?

  • Ja. Am Anfang waren halt viele Sachen so hingeschissen und unstylish, dass man sich nicht sicher war, ob die das ernst meinen oder das eine Verarschung ist. Aber inzwischen sind Charaktere wie Yung Hurn, LGoony, Young Krillin oder Rin so ausgereift, dass das aus meiner Sicht eine legitim neue und eigentlich die modernste Form von Rap ist. Ich sehe da durchaus Parallelen zu der Arbeitsweise von Der Tobi & Das Bo. Da wird sich nicht der Kopf zerbrochen, sondern einfach gemacht. Solange es einen Vibe transportiert, ist alles gut! Das ist das einzige, worum es im Cloudrap geht: die Transportierung eines Gefühls. Viele Songs sind ja auch recht kurz, was wiederum in die Hörgewohnheiten unserer Zeit passt. Wenn es nach 30 Sekunden nicht knallt, ist schon längst der nächste Track an. Und so wie diese Musik gehört wird, wird sie auch produziert.

  • Kann man sich davon als Mittvierziger was abgucken?

  • Manchmal beneide ich einen 20-Jährigen, der noch das Mitteilungsbedürfnis und vor allem die Leidenschaft hat, eine bestimmte Position zu vertreten. Je älter man wird, desto mehr relativiert man – alles. Eine flammende Rede für einen bestimmten Punkt könnte ich gar nicht mehr halten, weil ich schon längst viel zu ambivalent im Kopf hin und die ganzen Gegenargumente zu einer bestimmten Position auch schon verinnerlicht habe. Und dann bleibt eigentlich nur noch Aufzählungsrap übrig… (lacht)