SSIO Früher war alles Pokémon
SSIO, der Bonner Jung mit »mehr Testosteron als Sylvester Stallone« hat mit »B.B.U.M.M.SS.N« eines der besten deutschen Rap-Alben des vergangenen Jahres abgeliefert. Gerade erst ging es auf ausverkaufte »Spritztour« durch deutsche Clubs. Und das nächste Album, so munkelt man, soll tatsächlich mit einer Jazz-Band aufgenommen werden. Was natürlich auch Quatsch sein könnte. Denn SSIO macht gerne Quatsch.
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Wir unterhalten uns doch jetzt eh wie immer über irgendeine Scheiße, ne? (lacht)
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Vielleicht. Ich wollte mit dir ein bisschen über früher sprechen. Während deiner Tour hast du mit dem Publikum immer diesen legendären »Treffpunkt 18«-Werbespot einstudiert.
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Ganz genau. Der Spot mit meinem alten Kumpel Jeff! (lacht)
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Erinnerst du dich noch an diese ganzen alten Telefonsexreklamen im Fernsehen?
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Natürlich. Die Werbungen waren immer so klischeehaft, dass es schon wieder lustig war. Aber es gab zum Beispiel eine mit ‚nem richtig coolen Beat. (singt) »Sieben, sechs, sieben, sechs, sieben, sechs, komm spiel mit miiir.« Irgendwie so, total behindert. Oder erinnerst du dich an diesen »Theresa Orlowski geprüft«-Stempel, der immer so auf die Nummer draufgedrückt wurde? (lacht) Und es gab eine Frau mit Peitsche, die einen immer ganz böse angeguckt hat und „Ruf mich an!“ gesagt hat. (lacht) Überkrass! Vor der hatte ich immer Angst.
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Die Softpornos auf RTL 2 kanntest du vermutlich auch, ja?
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Klar, »Emanuelle« und wie die nicht alle hießen. Wenn ich die geguckt habe, konnte ich immer besser schlafen. Auch wenn Hardcore-Pornos natürlich viel spannender waren. Die gab es damals ja nur auf Kassetten und das war um einiges verzwickter als heute: Man konnte nicht einfach mit der Maus an die Stelle zurückspulen, die einem besonders gut gefallen hat. (lacht) Überhaupt gab es da ja noch nicht wie heute diese riesige Auswahl an Internet-Pornos. Deshalb habe ich einen kleinen Trick angewandt: Ich hatte auf der Realschule eine geile Biologielehrerin. Die hatte so einen richtig geilen dicken Arsch, wie ich ihn mag. Die war auch schon alt. Aber ich habe ja eh eine Vorliebe für Frauen ab 40 Jahren – also war das genau mein Ding. Und ich hab mir ihren Arsch immer ganz genau angeguckt und gemerkt, bin dann schnell nach Hause und habe meine Arbeit verrichtet. (lacht)
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Und was hast du außer Pornos so geguckt?
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Hauptsächlich Serien wie »Alle unter einem Dach« mit Steve Urkel oder »Prinz von Bel-Air«. Ich habe das wirklich jeden Tag gesehen. Das waren wenigstens noch richtige Serien. »Two And A Half Men« ist ja noch okay, aber der Rest ist einfach pillepalle. LL Cool J hatte auch eine Serie. Die war auch übertrieben lustig.
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Dein Humor erinnert mich tatsächlich auch sehr an diese Serien.
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Normal. Unbewusst und unterbewusst lasse ich das sicher einfließen. Das hat einen ja geprägt.
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Du hast neulich »All That She Wants« von Ace of Base bei Facebook gepostet. Hat dich das auch geprägt?
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Absolut! Es gibt einfach so viele Lieder, die einen an die Zeit früher erinnern. Die Venga Boys, Mr. President, Down Low, »Lonely« von Nana oder »Boom Boom Boom« von den Outhere Brothers – die ganzen alten One-Hit-Wonder halt. Damals gab’s ja diese »Bravo Hits«. Die habe ich alle noch zu Hause liegen. Das war einfach unsere Zeit! Immer, wenn ich diese Lieder höre, bekomme ich Nostalgiegefühle und Herzschmerz hoch zehn. Das war einfach die geilste Zeit meines Lebens.
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Woran denkst du denn genau?
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Das Leben war einfach viel unbesorgter. Heute dreht sich bei mir vieles um Geld. Damals bin ich zwei Tage lang mit fünf Euro klargekommen, heute komme ich mit fünf Euro keine zwei Meter weit. Aber früher bin ich nachts von zu Hause abgehauen, hab mich mit ‚ner Alten getroffen, dann Ärger von der Mutter bekommen und so. Aber man findet vergangene Zeiten ja immer schöner als die Gegenwart.
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Warum eigentlich?
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Ich habe mich auch gefragt, woran das wohl liegt. Daran, dass wir alle Heulsusen sind? Nein. Es liegt einfach in der Natur des Menschen: Vergangene Zeiten werden eben zu schönen Erinnerungen.
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Was vermisst du denn noch so?
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(überlegt) Weißt du, was geil war? Chupa Caps! Diese kleinen runden Dinger, wo man mit dem Metall-Slammer draufwerfen konnte? Das war der Hammer, haben wir in der Grundschule immer gespielt.
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Hast du auch Karten gesammelt?
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Ja, Pokémon-Karten! Ich habe den Leuten immer ihre Glurak-Karten abgezogen. Man hat seine Karten ja immer in so einer Folie gesammelt und ich habe mir dann auch eine mit ganz billigen Karten besorgt. Dann habe ich den anderen gefragt, ob ich seine Folie mal sehen kann und habe beide übereinander gehalten. Und die Leute haben ihre Glurak-Karten, die ja sehr wertvoll waren, immer unter anderen Karten versteckt. Das wusste ich. Also habe ich die von unten in meine Folie reingeschoben. Und dann bin ich in den Bonner Comicladen und habe die da verkauft. Da gab’s damals 100 Mark für. Eigentlich mein erstes Einkommen. (lacht)
- »Das Leben war einfach viel unbesorgter. Heute dreht sich bei mir vieles um Geld. Damals bin ich zwei Tage lang mit fünf Euro klargekommen, heute komme ich mit fünf Euro keine zwei Meter weit.«Auf Twitter teilen
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Hast du auch Wrestlingkarten gesammelt?
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Klar! Und ich hatte auch Stickeralben von den Power Rangers. Mann, es gab so viele Sachen. Kratzeis …
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… Center Shocks …
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Ja, Mann! (lacht) Oder dieser Lutscher in Fußform, den man in so ein Brausepulver tunken konnte. Was gab’s noch? Den Game Boy mit diesen Spielen, wo 100 Stück in einem waren.
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Und Buffalos. Über die rappst du sogar auf deinem Album.
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(lacht) Stimmt. Die haben halt sehr viele Kanaken getragen. Schnellfickerhosen, die blau-gelbe Daunenjacke von Helly Hansen und Buffalos. (lacht)
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Hattest du selber welche?
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Nicht die Plateauschuhe, nur solche feinen Lederschuhe mit einer X-Schnalle.
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Warst du damals ein bisschen schicker unterwegs?
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Geht so, ne? (lacht) Ich fand zum Beispiel die Lederjacke von P. Diddy im »I Need A Girl (Part 2)«-Video übertrieben heftig. Oder die von Ginuwine. War aber zu teuer. Zu den Schuhen habe ich mir dann also bei C&A für 50 Euro einen Mantel aus Kunstleder geholt, der angefangen hat zu schäumen, wenn es geregnet hat. Keine Ahnung, warum. Manche Sachen waren echt behindert. Jeder von uns hatte damals eine Dauerwelle, die Haare an den Seiten abrasiert und dann entweder einen Mittelscheitel oder die Haare nach hinten gegelt. Das war voll der Trend damals!
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Glaubst du, dass es noch mal so eine Phase geben wird, auf die du ähnlich nostalgisch zurückblicken wirst wie auf deine Kindheit und Jugend?
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Ja, wenn ich 35 bin, werde ich auf die jetzige Zeit ähnlich nostalgisch zurückblicken. Da bin ich mir sicher. Schon allein deshalb, weil ich kein Smartphone habe und mir alles viel krasser merke. Das Zwischenmenschliche geht durch die Dinger doch verloren. Ich war zum Beispiel nie der Typ, der sich über Smartphones Weiber geklärt hat. Ich war immer draußen auf der Straße und habe die Frauen angesprochen.
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Kennst du diese ganzen Pick-up-Artists, die einem erklären wollen, wie man Frauen anspricht und ins Bett bekommt?
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Ja ja, dieser Vitalyzd und so, ne? Oder diese Leute, die sagen, man solle sich mit Pheromonen einsprühen und die Frauen würden direkt Sex mit dir wollen – alles Quatsch. Du musst nur deinen Charme spielen lassen. Rausgehen, jeder Frau sagen, dass man sie liebt. Somit hat die Phrase »Ich liebe dich« keine Bedeutung mehr, was ich sehr begrüße. (lacht)