Skinnyblackboy »Es geht um Innovation.«

Erotik Toy Records-Member Skinnyblackboy hat eine EP mit KitschKrieg veröffentlicht. ALL GOOD-Autor Till Wilhelm hat mit ihm über seinen musikalischen Werdegang, das Leben in Bremen und seinen kreativen Prozess gesprochen.

SKINNYBLACKBOY

Es ist noch gar nicht lange her, als unser Autor in seinem damaligen Büro saß, seine Zeit auf Youtube verbrachte und auf einmal das erste Video von Skinnyblackboy vor den Augen hatte. Das war 2018, der Track hieß »Up In The Sky« und da rappte ein völlig unbekannter, gerade so erwachsener Mann zwischen Schmetterlingen und Blüten auf Englisch mit dem Swag eines US-Newcomers. Zwei Mixtapes und etliche Live-Auftritte folgten. Malik, so sein tatsächlicher Name, gehört zur Bremer Crew Erotik Toy Records und wohnt im sogenannten Viertel. Ein Ort, den die Gentrifizierung noch nicht komplett in ihrer unsichtbaren Hand hält. Jetzt, zwei Jahre nach diesem ersten musikalischen Lebenszeichen von Skinnyblackboy, ist eine neue EP erschienen, produziert von den Berliner Hitmaschinen aus dem Hause KitschKrieg. Novum: Malik rappt auf Deutsch. Till Wilhelm hat ihn an Tag Vier der Corona-Quarantäne angerufen, um ein wenig zu plaudern. Denn dafür haben wir gerade recht viel Zeit.

  • Herzlich Willkommen in der Quarantäne. Wie hast du die letzte Woche verbracht?

  • Nicht viel anders als sonst. Hier mal Session, dort mal Session. Jetzt ist nicht mehr so viel mit Rausgehen, das mach ich aber sowieso nicht so oft. Meine WG ist normalerweise immer ein Anlaufpunkt für viele Leute, das hat etwas nachgelassen. Alles ist ein bisschen chilliger.

  • Seit 2018 rappst du als Skinnyblackboy. Du hattest aber vorher schon andere musikalische Projekte.

  • Ich war mit Florida Juicy zusammen Teil der Alternative-Band Ophéleia. Da waren wir 17. Wir haben ganz normal mit Gitarre und Schlagzeug im Keller angefangen. Irgendwann hat Florida Juicy seinen Laptop genommen und Beats dazu produziert, dadurch sind auch E-Drums und Synths in die Musik eingeflossen, das hat den Sound etwas sphärischer gemacht. 

  • Was konntest du daraus für deine jetzige Musik mitnehmen?

  • In einer Band ist Teamwork zentral. Man muss sich mit mehreren Leuten arrangieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Das fällt mir auch heute noch leicht. Florida Juicy und ich arbeiten immer noch gerne zusammen, seit dem Bandprojekt ist da eine gute Routine entstanden. Auch musikalisch fließen die Sounds von damals auf jeden Fall noch in meine sentimentalen Tracks mit ein. Wir sind offener für andere Genres.

  • 2018 erschienen deine Mixtapes »Vol. 1« und »Skinnydippin«. Wie war das Feedback?

  • Die Raps waren ja auf Englisch. Bei Ophéleia hatte ich auch schon englische Texte, deshalb war ich daran gewöhnt. Das hat mich anfangs verunsichert, aber ich hab’s durchgezogen. Die Reaktionen waren nicht schlecht. Es gab viel Support. Kurz nach dem Drop von »Vol. 1« haben sogar paar Youtuber aus den USA Reaction-Videos gemacht. Die sind aber mittlerweile nicht mehr online.

  • »Es geht darum, nicht diesen Modus Mio-Film zu schieben.«Auf Twitter teilen
  • In dem Jahr ist auch ein Track unter dem Namen King Cornetto erschienen. Da rappst du auf Deutsch.

  • Da war ich noch ein bisschen unsicher, ob ich das auch als Skinnyblackboy auf Deutsch durchziehen kann. Es lag immer mehr Fokus auf den englischen Tracks. Mit KitschKrieg habe ich für die gemeinsame EP zum ersten Mal ernsthaft versucht, die Texte auf Deutsch zu schreiben.

  • Wie kam die EP zustande?

  • KitschKrieg sind einfach nice Dudes, die sich gefragt haben, wer dieser freshe Motherfucker namens Skinnyblackboy ist. Die sind voll auf dem Boden geblieben und hatten Spaß daran, Musik mit mir zu machen. Der Kontakt kam über Instagram, da haben sie gefragt, ob ich Lust auf eine Session hätte. Erotik Toy Records und KitschKrieg verbindet einiges. Es geht um Innovation, musikalische Experimente und darum, nicht diesen Modus Mio-Film zu schieben. Die Crazyness ist gleich, auch wenn KitschKrieg etwas mehr im Mainstream stattfinden.

  • Du rappst jetzt auf Deutsch. Wie kommt das?

  • KitschKrieg hat ja bisher nur deutsche Produktionen übernommen. Ich wollte das auch ausprobieren und mal schauen, was passiert. Die haben mir die Wahl gelassen. Ich bin auch ziemlich zufrieden. Da wird man nochmal draufschauen müssen, wenn ein bisschen Zeit vergangen ist. Ich muss das erstmal verdauen.

  • Auf »Freikarten« geht es viel um deine Gang. Erzähl doch mal was über Erotik Toy Records.

  • Das ist einfach meine Familie. Meine Freunde haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich hoffe natürlich, ich habe sie auch ein bisschen beeinflusst. Wir haben zwar alle verschiedene Stile, aber wir verkörpern Ähnliches. Wir sind auf einer Wave. Wir repräsentieren Freakyness. Das sollte man auch nach außen tragen.

  • »Musik ist wie Drogen.«Auf Twitter teilen
  • Du ziehst viel Inspiration aus dem Alltag. Wie hat dich Bremen geprägt?

  • In Bremen sind die Dinge bisschen anders als im Rest Deutschlands. Bremen ist dirty, heruntergekommen, das ist ein ganz anderes Feeling. Hier sehe ich täglich Sachen, die mich inspirieren, in meine Texte einfließen. Besonders bei uns im Viertel ist es rougher, punkiger. Die Gentrifizierung findet hier natürlich auch statt, aber der Spirit ist noch der gleiche. Gerade passiert einiges, viele kreative Leute hier fahren ihre eigenen Filme.

  • Auf »TGV« erwähnst du immer wieder die Strecke London – Paris. Steckt das auch deine Einflüsse ab?

  • Klar, die UK-Roughness trifft auf französische Melodien. Die Zeile ist aber einfach aus dem Vibe entstanden, wie die meisten auf dem Album. Ich musste nicht viel nachdenken, das kam einfach aus mir heraus. Bei »It’s A Trap« habe ich nur zwei Spuren Freestyle aufgenommen, daraus ist der Track entstanden.

  • Auf »PVC« fließen technoide Elemente mit ein. Du beschreibst darauf die Eindrücke einer Partynacht.

  • Ich wusste erstmal nicht, was ich auf dem Beat machen will. Dann bin ich am Abend hart feiern gegangen. Wir haben es zumindest versucht, wir standen über eine Stunde in der Schlange und sind immer mehr verzweifelt. Den Vibe wollte ich catchen. 

  • Finden Drogen auch in deinem kreativen Prozess statt?

  • Eigentlich nicht. Klar bin ich öfters auf THC, aber das ist nicht wichtig. Wenn man die Musik peilt, braucht man den Shit nicht. Es gibt genug Themen, die uns alle beschäftigen, die liegen fernab von Drogen. Musik ist auch wie Drogen. Sie versetzt mich in eine Mood, die ich sonst nicht erreichen würde.

  • »Viele der Texte auf der EP sind aus einem Vibe heraus entstanden.«Auf Twitter teilen
  • In dem Song wird auch die Vielfalt deiner Stimme total präsent.

  • Früher hat es mich total aufgeregt, dass ich immer unterschiedlich klinge. Mittlerweile habe ich da meinen Frieden gefunden. Es ist ja nice, dass ich mich dem Beat anpassen kann. Je mehr Erfahrung man sammelt und je mehr man freestylet, desto einfach geht das. Million Flows, Mann! 

  • »Mañana« ist ein Dancehall-Track. KitschKrieg sind dafür bekannt, für dich ist das allerdings ungewöhnlich.

  • Als ich den Beat gehört habe, war ich zuerst sehr verwundert. Ich wusste gar nicht, wie die Jungs sich das vorstellen. Was soll ich denn damit anfangen? Jetzt ist das fast mein Lieblingstrack von der EP. Ich hab’s einfach durchgezogen, dann konnte ich mich langsam mit dem Style anfreunden. Ich rate das auch jedem, der Musik macht: Nehmt alle Beats, die ihr bekommt und rappt darauf. Nur so kann Neues entstehen. Ich finde außerdem, »Mañana« ist gerade in dieser Quarantäne-Zeit ein sehr beruhigender Song.

  • Möchtest du noch was über »Dioz Mioz« erzählen?

  • Ich glaube, da ist schon alles gesagt, wenn man die Musik hört. Viele der Texte auf der EP sind aus einem Vibe heraus entstanden. Da kann ich nicht viel drüber reden, wie die Lines gemeint sind, das musste einfach so raus. Wären mehr Beats wie der von »Dioz Mioz« gewesen, hätte ich wahrscheinlich auch nur diesen pessimistischen Style gebracht. Aber man muss ja auch mal die positiven Seiten des Lebens zeigen.

  • Hast du letzte Worte für diese harten Zeiten?

  • Einfach Peace & Harmony! (lacht) Alle sollen den Shit machen, auf den sie Bock haben. Und keine Panik machen, behaltet die Ruhe.