Olexesh Eminem und Kaufhausdiebstahl
»Dieses Album sollte für die Top Ten ausreichen«, gab sich Olexesh auf seinem Debüt »Nu Eta Da« optimistisch. Vollkommen zurecht. Nach dem unterhaltsamen Mixtape »Authentic Athlethic« des 25-Jährigen landete sein erstes Album sogar auf Platz 6. Wie kommt man da hin? Ein Gespräch über den Struggle auf dem Weg in die Charts.
Darüber, dass die zweite große Welle deutschen Straßenraps interessante Charaktere hervorgebracht hat, sind sich die meisten Rap-Fans einig. Einer von ihnen ist Olexesh. Im letzten Jahr legte der 25-Jährige mit seinem Mixtape »Authentic Athletic« ordentlich vor: Energisch und hungrig, aber mindestens genauso humorvoll rappte der Exil-Ukrainer über Neunziger-Jahre-Klassiker von der US-Westküste und verdichtete seine Erzählungen zu einer vielversprechenden Korrespondenz straight outta Darmstadt-Kranichstein. Aber was hat »Deutschraps Ivan Drago« denn vor seiner Karriere eigentlich getrieben?
-
Wann bist du eigentlich nach Deutschland gekommen?
-
Als ich sieben war, sind wir nach Frankfurt gezogen. Da hat meine Mutter einen neuen Mann kennen gelernt, der eine Pizzeria besaß. Das war mein Stiefvater, wie ich immer sage. Am Anfang lief alles gut. Aber dann hat sich schnell herausgestellt, dass er auch ein Zocker war. Und offenbar hat er ziemlich große Scheiße gebaut. Eines Tages gab es einen Überfall auf den Laden. Ein Pärchen kam in die Pizzeria und bat um ein Essen. Mein Stiefvater hatte Mitleid und machte ihnen eine Pizza. Dann ist der Mann auf die Toilette gegangen und als er zurückkam, stach er meinem Stiefvater 21 mal in den Rücken. Danach haben die beiden sich die Kasse geschnappt und sind nach Holland gefahren. Mein Vater lag bis morgens um 6 Uhr in der Pizzeria und ist verblutet. Der wurde einfach abgestochen, einen Tag vor seinem Geburtstag.
-
Warst du seit deiner Kindheit noch mal in Kiew?
-
Ja, vor fünf Jahren. Und davor das letzte Mal vor acht Jahren. Besonders meine Großeltern sehe ich viel zu selten. Als ich mich das letzte Mal verabschiedet habe, dachte ich schon: »Wann sehe ich sie das nächste Mal wieder?« Ich muss da wieder mal hin dieses Jahr. Nicht hinzufahren und sie zu vergessen ist Verrat an der Familie. Meine Großeltern wünschen sich ja auch, dass wir dort bei ihnen leben. Ich würde sie aber lieber nach Deutschland holen. Wenn man eine Aufenthaltsgenehmigung kaufen könnte, würde ich das sofort tun und meiner Oma ein Haus bauen. Egal, wie lange sie noch lebt. Zum Glück schreiben wir uns oft bei Skype.
-
Bei Skype?
-
Ja, Bruder. (lacht) Sie ist multikulturell geblieben. Mein Onkel ist Anwalt, er hat ihr einen Computer gekauft und alles gezeigt. Gott sei dank läuft das noch so!
-
Lass uns ein bisschen über deinen Alltag sprechen. Wie sieht zurzeit ein typischer Tag bei dir aus?
-
Ich stehe um acht Uhr auf und mache den PC an, ohne Zähne zu putzen. Meistens habe ich den Beat vom Abend davor noch im Kopf, mache ihn wieder an und schreibe weiter.
-
Und dann kommt Samir und holt dich ab, ja?
-
(lacht) Klar, das kommt vor. Dann hängen wir ab und wenn er meint, dass wir noch ein bisschen draußen abhängen sollten, dann sage ich, dass ich jetzt mal abziehe und noch schreiben muss. Ich bin gerade 25 und habe genau jetzt die Möglichkeit, von der ich träume, seit ich elf oder zwölf Jahre alt bin. Damals habe ich ja schon Texte geschrieben, die meine Mutter gefunden und dann weggeschmissen hat.
-
Ach was?
-
Ja, ich habe total viel Eminem gehört und wollte auch so rappen wie er. Und dann habe ich eben Texte geschrieben. Meine Mutter kam nachts rein, wenn ich geschlafen habe, und hat die Textblätter weggeschmissen. Sie war entsetzt, dass ich in so jungen Jahren solche Schimpfwörter benutzt habe. (lacht) Aber jetzt ist sie stolz drauf, dass ich das so durchgezogen habe.
-
So nach dem Motto: »Mama, ich werde jetzt Rapper.«
-
(lacht) Es gab auch Zeiten, wo sie mich täglich gefragt hat, was ich denn jetzt mit meinem Leben mache, wann ich endlich mal anfange zu arbeiten. Und als dann das Mixtape kam, wollte sie wissen, wo denn nun das Geld herkommt. Dann musste ich ihr erklären, dass das jetzt erst mal umsonst ist, um mich bekannt zu machen. Erklär das mal deiner Mutter! Aber mittlerweile hat sie es akzeptiert.
-
Hast du denn auch mal gearbeitet?
-
Klar, ich hab Brötchen bei Subway belegt. Mein Chef wusste auch, dass ich Musik mache. Er war dann voll nett und hat mir hin und wieder ein Getränk, einen Cookie oder den Sub des Tages umsonst gegeben. Danach war ich bei McDonald’s, im Eiscafé und im Einzelhandel bei TK Maxx. Da war ich gerade 19 Jahre alt und hab 900 Euro im Vollzeitjob gemacht. Damals habe ich noch bei meiner Mutter gewohnt und das Geld halt verplempert.
- »Als mein Mixtape kam, wollte meine Mutter wissen, wo denn nun das Geld herkommt. Erklär das mal deiner Mutter!«Auf Twitter teilen
-
Wofür verplempert man sein Geld denn so?
-
Für Partys, für Automaten und für Kokain. Aber ich war nie der Typ, der gezogen hat. Ich war immer dagegen, hab das nur für Freunde gekauft. Ich rauche lieber einen oder trink ein Glas Wein oder Wodka. Aber ich übertreibe es nicht. Ich bin jung und man sollte sich auf den richtigen Weg begeben. Locker machen, stabil sein. Das ist das Geschenk von Gott. Das sollte man sich nicht mit Drogen verbauen.
-
Gab es mal eine Phase, in der du richtig viel Scheiße gebaut hast?
-
Klar, da war ich aber noch jünger. Eigentlich immer, wenn man neue Leute kennen lernte und sich beweisen wollte – oder musste.
-
Was denn zum Beispiel?
-
Ach, wir haben zum Beispiel im Auftrag von anderen Klamotten geklaut. Da bin ich mit drei Shirts in die Umkleide, habe zwei unter meine eigenen Klamotten gezogen und das dritte wieder hingelegt. Das Gleiche ging auch gut mit Hosen. Ich war damals noch so jung, dass die Detektive und die Kameras mich nicht als Dieb wahrgenommen haben. Aber später wurde ich natürlich auch erwischt.
-
Und was hast du dann mit den Klamotten gemacht?
-
Entweder selbst angezogen oder sie verkauft. Nach meinem ersten Umzug hatte ich kein Geld. Also sind Freunde zu mir gekommen und ich habe denen geklaute Klamotten verkauft. Manchmal waren sogar meine eigenen Sachen dabei. Ich weiß noch, wie ich mit einem Kollegen auf dem Sofa saß und er meinte: »Geile Hose.« Das war eine von G-Star oder Levi’s, die ich ihm dann für 20 Euro verkauft habe.
-
20 Euro ist ja jetzt nicht so viel Geld, oder?
-
Nee. Aber einmal habe ich auch meinen Reisepass für hundert Euro an so einen Marokkaner verkauft. Das Problem war nur: Ich musste mich irgendwie ausweisen und meine Bankkarte hatte ich auch verloren. Also hab ich den Typen, dem ich den Pass verkauft habe, im Internetcafé aufgetrieben, um mir meinen Pass zurückzuholen. Die hundert Euro hatte ich natürlich nicht mehr. Also fragte ich ihn nach den Kleidergrößen seiner Kinder und bin am nächsten Tag in den C&A und habe Kinderklamotten im Wert von hundert Euro geklaut. Ich hab mir die Sachen auf den Arm gelegt und bin mit Telefon am Ohr wieder rausgegangen. Das war meine Taktik: Ich war scheinbar so in das Gespräch vertieft, dass ich beim Rausgehen die Klamotten auf dem Arm vergessen habe. So hab ich meinen Ausweis wiederbekommen.