Cid Rim »Ein Stückerl nehmen und im Kreis abspielen ist eine einfache, aber revolutionäre Idee.«
Cid Rims zentrale musikalische Idee ist die Weiterentwicklung des Rhythmus. Auf seinem 2012 auf Lucky Me veröffentlichten Solo-Debüt trug er seine Jazz-Wurzeln auf Synthesizern in den Club und fusionierte experimentellen Beatkram mit industrieller Kälte. Die HipHop-Sozialisation des Wieners ist dabei ebenso schwer zu leugnen, wie der Respekt, der ihm durch die coole Seite der Popwelt zuteil wird. Nach Remixen für Sky Ferreira, Mikky Ekko und CHVRCHES arbeitete der studierte Schlagzeuger zuletzt an Theophilus Londons zweitem Major-Album »Vibe« mit.
Momentan bespielt Cid Rim mit seinen Schulfreunden The Clonious und Dorian Concept, mit denen er bereits die experimentelle Electro-Trash Band JSBL formte, als Dorian Concept Trio die Boiler Rooms dieser Welt. Dieser Tage erschien seine neue Doppel-Single »Charge/Kano« über Affine Records. Wir unterhielten uns mit dem ausgewiesenen Fußball-Experten über Wiener Nächte, Fashion-Week-Rapper und ein spontanes Flughafen-Meeting mit Mos Def.
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Du hast, neben Kanye West, Karl Lagerfeld und 88-Keys am zweiten Album für Theophilus London mitgearbeitet. Gerard ist ja ebenfalls Wiener und hat mal die Geschichte erzählt, wie Theophilus bei ihm zu Hause aufschlug, nachdem er über Twitter nach Frauen und Weed gesucht hat.
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(lacht) Ja, geile Story. Ich glaube, da hat der London irgendeinen gesponserten Brand-Gig gespielt und war auf der Durchreise. Jedenfalls landete er im Volksgarten Pavillon, wo bekannte Promoter von mir, The Loud Minority, eine Veranstaltung machten. Die in Wien renommierten Twin-Tower-Zwillinge, die auch in Gerards Live-Band mitspielen, haben ihn dort kennengelernt und waren mit ihm feiern. Mr. Guan, einer der Veranstalter und DJs, spielte einen Track von mir und Theo hat ihn daraufhin angesprochen. Am nächsten Tag bekam ich eine E-Mail von ihm, dass er die Nummer total feiere und ich ihm Beats schicken solle. Ich mutmaße, dass an dem Abend dann alle zu Hause beim Gerald gelandet sind, weil seine Wohung eine so zentrale Lage hat.
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Dein Track »Do Girl« ist laut Producer-Credits von Kanye arrangiert worden. Wie genau kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
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Ich habe Theophilus recht wenig bis gar nichts geschickt, da ich nichts Frisches hergeben wollte, wenn jemand gerade bei einem Major unterschrieben hat. Irgendwann kam dann aber die Anfrage, ob ich übers Wochenende nach Paris kommen könnte. Er war dort auf der Fashion Week. Dann wurde ich eingeflogen und habe mir im Flieger noch schnell ein paar Sachen rausgesucht, die ich ihm vorspielen könnte. Er wollte wirklich alles haben. Nach einer zwölf Stunden langen Studio-Session hatte er zwei Stücke mehr oder weniger komplett aufgenommen und zwei Dinger angefangen zu schreiben. Kanye kannte er zu dem Zeitpunkt schon länger. Ami-Rapper auf der Fashion Week halt – da lernt man sich schnell kennen. Ich denke, dadurch, dass Kanye ein Feature auf dem Album hatte, hat er dann über alle anderen Sachen drübergehört. »Do Girl« war aber de facto mehr oder weniger fertig gestellt, als ich das Studio verließ. Das kann man dann wohl »arranged« nennen. (lacht)
- »Aus sieben verschiedenen Beats von Producern einen Frankensteintrack zu machen, klingt meistens nicht mehr gut.«Auf Twitter teilen
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Respektierst du Kanye für das was er als Produzent geleistet hat?
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Als Rapper find‘ ich ihn spitze und früher als Produzenten auch. Jetzt als, sagen wir mal, Executive Producer für fremde Alben – eher schwierig. Das ist aber keine Sache die nur für Kanye West gilt. Ich glaube, Major-Alben werden zu sehr zusammengestückelt. Ein Produzent sollte aber lieber ganze Projekte verantworten. Oder zumindest sollte ein Kopf pro Track alles alleine machen. Aus sieben verschiedenen Beats von Producern einen Frankensteintrack zu machen, klingt meistens nicht mehr gut. Ich glaube, die Magie und die Seele von Musik geht verloren, wenn sie in den Händen zu vieler Leute war. Zu viele Köche… da gibt es doch so ein Sprichwort.
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Die Produktion von »Do Girl« ist deutlich minimalistischer als deine instrumentalen Solo-Sachen. Hältst du dich bei Projekten mit Sängern oder Rappern, wie auch mit dem südafrikanischen Hyperdub-Künstler Okmalumkoolkat gezielt zurück?
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Der Track ist einfach schlichter, weil er älter ist. Ziemlich alt sogar schon. Ich habe den mal während einer Zugfahrt von Wien nach München zu einem Gig gemacht. Das war damals noch ein ganz anderer Produktionsansatz. Zurückhalten muss man sich schon ein bisschen, in Bezug auf den Sound des Tracks. Also ein super lauter Synthie in der Stimmlage des Vokalisten wird sich nie ganz ausgehen. Ansonsten schränke ich mich wenig ein.
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Stimmt denn die Geschichte, dass dich Mos Def am Flughafen angesprochen hat und meinte, dass er Fan von »Holy Oxygen«, deinem Track mit Okmalumkoolkat, ist?
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Ja, voll. So gut – das war einer der Momente, wo man sich denkt, soll ich den jetzt ansprechen? Ich will natürlich kein aufdringlicher Mensch sein. Dann geht man hin und er sagt dir, dass er ein riesen Fan von Okmalumkoolkat ist und unsere gemeinsame Platte richtig super findet. Das war schon sehr wohltuend. »Holy Oxygen« war literally das erste, was er gesagt hat. Mal schauen, vielleicht entwickelt sich da ja noch was draus.
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Im Interview mit Dorian Concept sprach ich mit ihm über einen anderen einflussreichen Österreicher: Joe Zawinul. Es gibt da die Anekdote, dass er behauptet hat, mit seinem Weather-Report-Drumbreak auf »125th Congress« den HipHop-Beat erfunden zu haben. Was ist deine Meinung dazu – als Drummer und Fachmann?
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Da gibt es bestimmt bessere HipHop-Chronisten, die das verifizieren können – oder eben nicht. Ich find‘ es aber cool, dass er sich damit beschäftigt und Bescheid weiß, wer was von ihm gesamplet hat. Prinzipiell muss man schon sagen, dass der samplende Produzent schon auch einen großen eigenen Teil dazu beiträgt. Der »Amen«-Break im Original ist ja noch mal eine ganz andere Geschichte als Squarepushers Jungle-Epen zu seiner Hochzeit. Ein Stückerl nehmen und im Kreis abspielen ist zwar eine recht einfache, aber revolutionäre Idee. Die hatte Zawinul dann doch noch nicht. Aber wenn wir schon dabei sind: Teo Macero hat auf Miles Davis‘ »Bitches Brew« das Editing gemacht und aus einem völlig konfusem Session-Band mit extrem vielen Schnitten und Wiederholungen die erste Nummer »Pharao’s Dance« gemacht. Also wenn, dann war er hier noch vor Zawinul.
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Du bist großer Fußball-Fan: Wenn deine Musik ein Verein oder eine Epoche wäre, welcher würde dich am besten charakterisieren?
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Härteste Frage ever. Ich habe letztens in einem Buch über die Entstehung von Fußball gelesen, wie sich in England auf den Colleges die ersten Spielregeln langsam rauskristallisierten. Also so ein reicher Schnöselsohn am King’s College anno 1880, der sich mit seinen besten zwei Freunden die »Zehn-Stürmer-ein-Tormann-Aufstellung« – ja, die gab es wirklich mal – ausdenkt, fände ich schon ganz spannend. Ansonsten würde ich mich epochenmäßig jetzt irgendwo in England verorten – das Spiel war noch nie so schnell und tight. Noch zehn Jahre und es ist wie Basketball, ohne Unterbrechungen.
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In Wien koexistieren gerade sehr viele spannende musikalische Szenen. Neben der eklektischen Ausrichtung eures Affine-Camps regulieren Brenk & Fid Mella das Beat-Game – und Bilderbuch beleben den Austro-Pop neu. Eure musikalische Sozialisation dürfte durchaus ähnlich sein – findet da ein generationsübergreifender Austausch statt?
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Man kennt sich vom Ausgehen. So groß ist die Stadt ja nicht, dass man nicht sowieso früher oder später an der selben Bar steht. Aber groß genug anscheinend doch, weil – obwohl ich schon mit ihnen geschrieben hab – konnte ich die Bilderbuch-Jungs leider noch nicht persönlich kennenlernen.
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Kriegst du denn so Untergrund/Internet-Phänomene wie die Hanuschplatzflow-Gang mit?
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Ja, aber nur über Freunde, die sich da auskennen. Nennen wir ihn beim Namen: Wandl, der kennt die alle.
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Es ist also vorerst nicht mit einem Money-Boy-Remix von dir zu rechnen?
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(lacht) Doch klar, wenn er mich fragt… Ich würde das Interview im Kinderfernsehen vertonen, wo er sagt, dass er eh nur manchmal Heroin nimmt – und das dann so Hollywood-Soundtrack-mäßig unterlegen.