Die Orsons »Ein Song wird zerschunden und vergewaltigt, von vier Leuten.«
Neben dem kämpferischen Interview mit Tua führte ALL GOOD-Autor Simon Langemann auch ein Gespräch über die Albumproduktion von »What’s Goes« mit den zwei Orsons Bartek und Kaas.
Mit »What’s Goes«, der mittlerweile vierten Platte der Orsons, ist dem Chimperator-Quartett sein »bisher stringentestes, zusammenhängendstes« Album gelungen. So sagt es zumindest Tua in seinem Interview, das während des Studiobesuchs in Undingen auf der Schwäbischen Alb entstand. Dass Tua und seine drei Kollegen Bartek, Maeckes und Kaas durchaus auch mal nicht so ganz einer Meinung sind, sollte bekannt sein. Als sich Tua langsam wieder dem Mischpult widmete, fragte ALL GOOD-Autor Simon Langemann zusätzlich noch bei Bartek und Kaas nach, wie die Aufnahmen zum neuen Album so verlaufen sind.
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Wie lange seid ihr mittlerweile schon hier in Undingen?
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Bartek: Eigentlich immer mal wieder. Tua war die letzten drei Wochen die ganze Zeit hier und ich kam immer wieder zwei, drei Tage dazu.
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Tua: Seitdem wir angefangen haben, das Album aufzunehmen, waren wir alle bestimmt fünf-, sechsmal hier. In wechselnden Konstellationen.
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Bartek: Anfangs waren noch alle vier da.
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Tua: Ich auf jeden Fall immer, denn ich bin am Ende ja sozusagen die Exekutive. Man kann sich hier zwar selber aufnehmen, aber ich mache das immer alles am Rechner auf und mische es anschließend zusammen. Dann flashen wir alle vier rum: Was kann man machen, im Arrangement und so weiter? Oft läuft es auch so, dass eine Skizze kommt. Bartek hat zum Beispiel einen Beat gemacht und einen Verse oder ‚ne Hook. Dann wird das in den großen Orsons-Topf fürs Album geworfen. Da werfen alle ständig Sachen rein.
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Ein Dropbox-Ordner?
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Tua: Genau. Jeder wirft Sachen rein und sagt: »Hey, ich hab ‚nen neuen Song-Versuch und hab mir das und das gedacht. Was haltet ihr davon?« Dann sieht man ziemlich schnell, wie das Feedback ist. Und alle paar Male ist es halt so: Ey, geil. Ein anderer hat auch eine Idee und jumpt schnell drauf oder so. Wenn das dann konkreter wird, bearbeiten wir es alle zusammen. Dann kommt der Song sozusagen in den Recall. Man arbeitet oft so etappenweise. Als die Auswahl fürs Album dann klar war, war ich mit unserem Drummer hier. Da haben wir auf ganz viele Songs noch Drums gespielt, um das Ganze lebendiger zu machen. Das Gleiche mit unseren Background-Sängerinnen Jasmin und Lena.
Wir wollen erreichen, dass das Album irgendwie … beziehungsweise: Ich will das erreichen. (lacht) Den Anderen ist alles egal. Kaas trägt solche Hosen und sieht richtig geil aus. Und Bartek schreibt WhatsApp. Ich will jedenfalls erreichen, dass das Album einerseits die ganzen Vorteile eines Studios nutzt, sauber und abgecheckt klingt, aber trotzdem diesen Live-Faktor hat. Dass es einfach klanglich näher an dem ist, was wir später auf die Bühne bringen. Denn wir haben hier ja die selben Leute im Studio: Mit Jopez nehmen wir gerade Cuts auf. Ich nehme nicht irgendeinen Drummer und lass das dann unseren Drummer live nachspielen. Wir wollen das Ganze mehr bandmäßig angehen.
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Kaas: Ich würde es gerne so halten in dem Interview: Alles was Tua sagt, kannst du bei mir in das genaue Gegenteil umschreiben. Dann hättest du meine Antwort quasi schon parat. (Gelächter)
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Ist das schon immer so?
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Kaas: Ja, schon. Also das ist jetzt natürlich übertrieben. Aber es ist schon echt oft so: Wenn er was geil findet, finde ich es furchtbar – und andersrum halt genauso. Das ist teilweise echt krass. Wir haben so ein paar Dinge, auf die wir uns einigen können. Das hält uns auch zusammen.
- »Ich dachte wirklich: Alter, wir erstechen uns gleich alle, hören sofort auf und machen nie mehr Orsons-mäßig Musik.« (Bartek)Auf Twitter teilen
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Macht es das nicht unfassbar schwierig?
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Bartek: Es ist mega schwierig. Es gibt schon so Phasen … wir hatten einmal Räume in Berlin gemietet. Und da haben wir uns wirklich von der allerallerersten Sekunde gehasst. Jeder war kurz vorm Heulkrampf. Ich bin auch zwei mal aus dem Raum raus. Es war vergiftete Luft. Ich dachte wirklich: Alter, wir erstechen uns gleich alle, hören sofort auf und machen nie mehr Orsons-mäßig Musik. Die Gegebenheiten waren einfach alle irgendwie komisch: In dem Studio gab es kein Fenster, gar nichts. Das war das Schlimmste. Dann gibts auch wieder Phasen, in denen es geht. Aber das waren vier Tage, in denen wir nichts mehr angefasst haben. Wir haben am ersten Tag gemerkt: Okay, wow. Egal, wer was sagt, wir treten nur aufeinander ein. Daher haben wir wirklich keine Musik gemacht. Das war im Endeffekt verschenkte Studiomiete. Aber wenn es halt auf Teufel komm raus nicht geht, kann man natürlich nichts machen.
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Kaas: Man muss natürlich auch dazusagen, dass das Studio scheiße war. Es war wunderschönes Wetter und wir saßen in so ‚nem Kellerraum.
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Bartek: Ohne Fenster.
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Kaas: Ohne richtige Stühle, wir hatten nicht mal richtige Stühle! Das war einfach dieser Kackraum, in dem Tua an diesem Schreibtisch saß und wir alle auf solchen Pappschachteln. Richtig dumm. Man muss dazu sagen: Bei uns wirkt es nach außen hin immer so krass, als sei das alles voll die unangenehme Zeit. Aber unangenehm wird es eigentlich meistens erst, wenn wir zu feilen anfangen. Am Anfang läuft es eigentlich. So lange alles relativ locker ist. Wenn wir live spielen, ist ja auch alles cool. Aber so bald es um Songdetails geht, hat halt jeder eine komplett andere Vision.
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Wie lange arbeitet ihr denn schon am Album?
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Kaas: Seit einem Jahr, oder? Das war ungefähr die Jahreszeit, als wir gesagt haben: Lass uns mal ein lockeres Album in vier Wochen machen.
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Das meinte Tua auch, als wir uns letztes Mal zum Interview trafen: So eingespielt wie ihr jetzt seid, könntet ihr in ein paar Wochen ein neues Orsons-Album produzieren.
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Kaas: (lacht) Die Illusion gibts halt immer wieder.
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Bartek: Es hat dann doch länger gedauert.
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Ihr hattet zwar offiziell noch kein Releasedate angekündigt, allerdings macht die Verlegung der Tour doch recht deutlich, dass das Album intern verschoben werden musste, oder?
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Bartek: Ja.
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Blöde Frage, aber geht eigentlich nicht irgendwann der Vorschuss aus?
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Bartek: Unser letztes Album ist zwei Jahre her. Also ich wäre so langsam mal wieder bereit, ein neues rauszubringen. (betretenes Gelächter)
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Kaas: Es wird schon eng. Vor allem für Bartek und mich.
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Bartek: Ja, gut. Aber wenn die Band sagt, wir konzentrieren uns jetzt auf die Orsons, dann machen wir eben Orsons-Sachen – und nicht noch zwei Soloalben, wie die beiden anderen. Weißt du?
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Kaas: Ja, voll.
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Bartek: Es geht wahrscheinlich auch nicht anders bei vier Leuten, aber wir hatten ganz wenige Momente, in denen wirklich alle Energien gleichzeitig aufs Machen eingestellt waren. Für mich war das ganz krass das Album der verschiedenen …
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Kaas: Zugpferde.
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Bartek: Genau. Meine Hochzeit war zum Beispiel im Frühjahr. Da hab ich ganz viel gemacht und den Jungs eineinhalb Monate lang jede Woche irgendwas geschickt. Sei es ein Refrain oder was auch immer. Und ich dachte, da kommt von überall irgendwas zurück. Aber das war die Zeit, in der Tua gerade »Stevia« und somit für die Orsons eigentlich nichts gemacht hat. Dafür hat Tua dann im Juli ganz viel gemacht. Das war ganz verschoben. Ich fand das … interessant.
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Kaas: Jetzt wo du es sagst: Im Winter war Maeckes am Start, hat übelst die Beats und Skizzen an den Start gebracht. So bald der Winter vorbei war, war Maeckes raus, du kamst und hast durch den kompletten Frühling übelst gerockt. Dann kam der Sommer, dann hab ich übelst Sachen gemacht. Und im Herbst ist jetzt natürlich Tuas Phase.
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Bartek: Die vier Jahreszeiten.
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Totale Klischeebestätigung also.
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Kaas: Voll eklig, oder? (lacht)
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Bartek: Irgendwann hätte ich mir halt gewünscht, dass wir alle mal zusammen an einem Ding arbeiten. Aber das geht halt nicht.
- »Irgendwann hätte ich mir halt gewünscht, dass wir alle mal zusammen an einem Ding arbeiten. Aber das geht halt nicht.« (Bartek) Auf Twitter teilen
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Mich erwarten jetzt aber nicht nur Solotracks, oder?
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Kaas: Nein, um Gottes Willen. Es ist voll verrückt. Wir haben so viele Songs, dass wir eigentlich schon fünf Alben hätten rausbringen können. Im Frühling hatten wir halt so viele Rap-Songs, von denen ich gesagt hätte: sofort raus damit! Und du auch, oder?
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Bartek: Ja.
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Kaas: Und dann war aber Tua so: »Ah, des isch mir aber zu rappig. Ich will mehr solche Sachen.« Dann löscht er seine Parts von irgendwelchen Songs und sagt: »Boah, den fühl ich gar nicht mehr.« Und produziert drei Tage an irgendeinem Song rum, den wir eigentlich alle voll feiern, und sagt: »Der ist scheiße.« Dann ist der wieder raus. Wir haben echt viele geile Leichen.
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Bartek: Im Keller haben wir noch die schönsten Leichen. Aber das ist eigentlich auch ganz gut.
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Dann könnt ihr in 20 Jahren ein Mega-Raritäten-Tape veröffentlichen.
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Kaas: (lacht) Genau. Die ganzen Hits ballern wir dann raus.
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Bartek: Ich glaube, es ist manchmal klüger oder besser für die Nachhaltigkeit der Musik, wenn das nochmal so ‚ne Phase durchläuft. Und wenn man es nicht gleich raushaut, nach dem Motto: Oh, wir haben coole Rap-Tracks. Und dann sind die halt in einem halben Jahr noch ganz okay. Dadurch dass wir jetzt immer noch mal drüber gucken, sind die Songs halt eigentlich auch alle geil. Das ist schon super.
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Kaas: Wenn wir uns zu viert auf einen Song einigen, ist der meistens schon geil.
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Bartek: Ein Song wird zerschunden und vergewaltigt, von vier Leuten. Dann wird er noch angespuckt. Und dann kommt er aufs Album.
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Kaas: Ich glaube, wir haben auf diesem Album wirklich die meisten Songs, auf die wir uns zu viert einigen können.
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Bartek: Wir haben auf jeden Fall gelernt, was wir nicht mehr machen.
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Zum Beispiel?
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Bartek: Äh, »Horst & Monika«.
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Die Pop-Sachen also.
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Bartek: Genau. Das war schon für den Hörer erkennbar und für uns auch nicht zufriedenstellend. Eine Lose-lose-Situation. So was haben wir zum Beispiel komplett weggelassen. Wir haben jetzt einfach nur geile Sachen. Geilheit!
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Kaas: Da bin ich zum Beispiel komplett anderer Meinung. Ich hasse es immer, wenn die anderen dann in dem Zusammenhang »Horst & Monika« erwähnen, weil ich »Horst & Monika« geil finde – bis auf den Aspekt, dass wir ihn zerproduziert haben. Aber so im Kern ist das voll der geile Orsons-Song. Eigentlich ein perfekter Orsons-Song. Eigentlich ist es der Killer, Alter. Wir haben ihn nur scheiße produziert.
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Bartek: Das war jetzt halt nur ein Beispiel.
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Kaas: Sag lieber … (dumm nachäffend) »Wir können alles machen, was sollen wir machen?«
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Ich fand den, glaube ich, cooler als »Horst & Monika«.
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Bartek: Live mag ich den auch, aber der ist halt jetzt nicht … super.
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Kaas: Oder »Übertreiben Baby«. Der ist ein bisschen cool, aber das checkt halt niemand.
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Bartek: Da haben wir ein geiles Prinzip verfolgt, indem wir ein Rihanna-Video genommen und alles, was da passiert ist, in Worte gefasst haben. Das war dieses »We Found Love«-Video. Das haben wir ohne Ton angeguckt.
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Kaas: Der ganze Text ist einfach nur vom Video abgeguckt.
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Bartek: Ich fand die Idee eigentlich voll witzig. Das ist ein schönes Prinzip.
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Kaas: Wenn man das Lied übers Video laufen lässt, macht es komplett Sinn.
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Dann macht das doch mal.
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Kaas: Stimmt. Sollten wir eigentlich mal so raushauen.