T-No »Durch Moses Pelham habe ich Musik erst richtig verstanden.«

TrackSetters? Das waren doch die Burschen, die damals halb Rapdeutschland mit Beats versorgt haben, oder? Schon richtig, ja. Aber bereits damals unterschieden sich die Beats von T-No, einem Teil des Kreativkollektivs, deutlich von denen der anderen, äh, Superproducer aus Deutschland. Da war mehr drin. Mehr Tiefe, mehr Groove.

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Seitdem ein gewisses Faible für Referenzen auf die Neunziger in der aktuellen Musik Einzug gehalten hat, kann Tino Borja sich erst so richtig austoben. Zum Beispiel auf »Glücksrezepte«, dem Debütalbum von Teesy, dass dieser Tage über Chimperator erscheint. Nach dem Interview mit Teesy gibt es hier jetzt ein Gespräch mit T-No – über die Genialität von Teddy Riley, warum er durch Moses Pelham Musik erst richtig verstanden hat und warum Kunstgriffe Ehrlichkeit in der Musik evozieren.

  • Ich habe gelesen, dass du mit New Jack Swing aufgewachsen bist. Wie kommt man von da zum Beats bauen?

  • Ich hatte schon immer eine Liebe für Musik. Sei es das Hören und Verstehen, das Sammeln und das Auflegen – oder irgendwann auch das Produzieren. Ende der Neunziger habe ich dann mit einem Kumpel angefangen, in Cubase zu produzieren. Das war alles noch sehr dilettantisch und schlecht. (lacht) Er kam aus Korea und wir aus Asien lieben ja diese Herzschmerz-Balladen sehr. Also haben wir da ziemlich schnell einen coolen Vibe gefunden. Wir haben dann zusammen für Swiss produziert. Der macht mittlerweile Punk. Aber da fing es dann an, dass Leute die Musik gehört haben und cool fanden. Wir waren zu dem Zeitpunkt noch sehr jung und dachten, jetzt käme der große Durchbruch. Der kam natürlich nicht. (lacht) Aber wir haben weitergemacht. Irgendwann habe ich SiNCH kennen gelernt und wir haben 2007 gemeinsam mit André (Rogoschewski, CEO von TrackSetters, Anm. d. Verf.) die TrackSetters gegründet. Wir hatten unser Headquarter dann erst bei SiNCH zu Hause und später in der Sternschanze. Und da war irgendwann ganz HipHop-Deutschland bei uns im Studio. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar noch jung, naiv und habe mein Handwerk noch nicht so gut verstanden, aber hatte auch schon ein paar Beats am Start.

  • Was war dann dein erstes richtiges Release?

  • Mein erstes Release war dann auf »Hamburgs Finest: Das Fußball-Mixtape – Einer geht noch«, danach kamen Produktionen für das Album von Illo, bei Samy hat es leider nicht geklappt. Aber ich war in der ganzen Zeit immer ganz nah dran und sehr fasziniert. Einfach, weil man mit Leuten zusammen Musik gemacht hat, die man in seiner Freizeit gehört hat. Irgendwann ist das mit SiNCH dann wieder auseinandergegangen.

  • Das mit den TrackSetters kam doch ungefähr zu der Zeit auf, als es auch in den USA sehr angesagt war, Produzentenkollektive wie die J.U.S.T.I.C.E. League zu gründen.

  • Das kann gut sein. Die TrackSetters wurden, meine ich, 2005 gegründet. Das war zu den MySpace-Hochzeiten. Ich würde sogar behaupten, dass wir damals Samy und Co. auf den MySpace-Film gebracht haben. (schmunzelt) Aber die TrackSetters waren schon immer mehr als nur ein Produzententeam. Wir hatten auch DJs, Grafiker, Maler, Sprayer und Breakdancer. Das war mehr eine Crew.

  • Also die Mongo Clikke 2.0?

  • Ganz genau. Zu der Zeit gab es ja auch noch Hamburgs Finest und Curtains Up, und wir waren das nächste Ding. 

  • Gibt’s denn Produzenten-Vorbilder für dich?

  • Es gibt eine Handvoll Leute, an deren Sachen ich mich gerne erinnere. Ich würde sogar sagen, ich arbeite darauf hin, auch so zu klingen. Natürlich will ich immer noch meinen eigenen Fingerabdruck haben, aber genauso cool zu sein, würde mich sehr glücklich machen. (lacht) Als erstes auf jeden Fall Teddy Riley. Außerdem Quincy Jones und die Sachen von R. Kelly, Eddie F oder DeVante Swing. Von den neueren sind es Polow da Don und Pharrell – wobei ich bei ihm nicht alle Produktionen bewundere, sondern eher, dass er einen eigenen Sound etabliert hat. Puff Daddy mag ich auch, wobei der eher so eine Art Lenker und Mastermind war, der damals ja auch die Idee hatte, Rap mit R&B zu koppeln. Aus Deutschland habe ich immer zu DJ Friction und Don Philippe vom Freundeskreis aufgeschaut. Und zu Moses Pelham.

  • Ich finde es spannend, dass du Moses Pelham nennst. Die 3P-Produktionen mochte ich auch immer sehr gerne, weil sie einen eigenen Sound und eine ganz besondere Tiefe und Atmosphäre hatten.

  • Durch ihn und die 3P-Produktionen kam ich eigentlich erst dazu, Musik zu verstehen. Die Sachen von zum Beispiel Glashaus waren immer sehr sphärisch und deep. Insofern kann man sagen, dass Moses Pelham der Grund dafür war, dass ich Musik auf einmal in Räumen gesehen habe. 

  • Was meinst du damit?

  • Eine Komposition ist für mich wie ein Zimmer, in dem du nach und nach Einrichtungsgegenstände platzierst. Vielleicht willst du hier noch ein paar Streicher hinzufügen, musst sie aber wie ein neues Bild sehen, dass du in dem Raum aufhängst. Dann bist du damit noch nicht ganz zufrieden und schiebst es noch ein Stückchen weiter nach rechts. (grinst) Das habe ich beim Moses-Pelham-Hören gelernt. Die Produktionen waren richtige Panoramen, bei denen mal etwas von links reinkam, die Gitarre war dann aber nur rechts zu hören.

  • Ich denke gerade darüber nach, dass ich diese Tiefe einer 3P-Produktion wirklich ganz lange gar nicht gehört habe. Erst als Drake und Noah »40« Shebib an den Start kamen, gab es wieder etwas Vergleichbares, oder?

  • Ja, voll!

  • Teddy Riley, von dem du eben sprachst, ist dann aber wieder eine andere Geschichte.

  • Klar. Da kam einfach ein Typ um die Ecke, der hundert Milliarden Dezibel an der Snare hochzieht, dass dir das Dingen links und rechts eine mitgibt. Dieser typische Michael-Jackson-Sound eben. Solche Grooves hatte einfach keiner vorher. Ich sage immer: Das war HipHop genug für die HipHopper, aber auch soft genug für die Balladen-Fans und Leute, die aus der Soul-Zeit kommen. Und dieser Mensch hat einfach einen Sound entwickelt und eine komplett neue Musikrichtung erfunden. Wer kann das sonst noch von sich behaupten? Klar gibt es auch gute Leute wie Stargate oder Darkchild – aber deren Sound ist nicht für die Ewigkeit. Aber die Beats von Teddy Riley vergisst man nicht mehr.

  • Der Sound, den du magst und auch machst ist ja schon ein spezieller. Ich kann mir vorstellen, dass es im Deutschrap eine Zeit lang schwierig war, so einen Sound an den Mann zu bringen.

  • Du sagst es. (grinst) Die große Masse konnte mit H-Town oder Soul 2 Soul gar nichts anfangen. Ich wurde damals auf jeden Fall dazu gezwungen, mich ein wenig zu limitieren. Du hast ja eben schon von 40 gesprochen. Ich habe 2003 schon solche Beats gemacht. Qualitativ waren die natürlich nicht so gut, aber was die sphärischen Flächen und einen ganz bestimmte Drum-Sound angeht, war das dem Drake-Sound nicht unähnlich. Es konnte nur niemand etwas damit anfangen. Und zehn Jahre später kommt ein Drake um die Ecke und alle wollen solche Beats. Drake und The Weeknd waren eigentlich der Grund dafür, dass die Leute offener für solche Musik geworden sind. Die beiden sind es in meinen Augen auch, die das Tor für die Mischung aus Rap, Deep House und R&B geöffnet haben. Durch die sind Leute wie Majid Jordan erst möglich geworden.

  • Lass uns mal ein bisschen über Teesy sprechen. Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?

  • Ich weiß das noch ganz genau. Ich habe damals bei OTTO in der Retusche für die Katalogfotos gearbeitet. André (Rogoschewski, Anmd. d. Verf.) hat mir einen Link geschickt und meinte, ich solle mir das mal anhören. Das war der Song »Lippen, die die Welt bedeuten«. Und André hat mich dann gefragt, ob ich Bock hätte, mit dem zu arbeiten. Und ich war mies geflasht. Ich bin so ein mieser Prince-Fan und habe in der Musik von Teesy etwas gesehen, dass mich an Prince erinnert hat. Ich habe ihn dann sofort angerufen und am Wochenende ist er nach Hamburg gekommen. Und dann ist er mit Yves rübergefahren. Ich weiß das noch ganz genau, wie dieser kleine Buttschen da an der Aral-Tankstelle bei unserem Studio stand. Der ist ganz ohne Furcht ins Studio gekommen und hat direkt alle mit seiner Energie angesteckt, sich seine Fußballhose angezogen und wollte was machen. (lacht) Diese Euphorie und der Tatendrang waren der Wahnsinn. Man hat gleich gemerkt, dass der das richtig will. Er war dann fast jedes Wochenende hier, hat bei mir oder im Studio gepennt. Und so haben wir uns gefunden. Auch musikalisch.

  • Was heißt das?

  • Ich habe ihm ganz viel Musik gezeigt, die mich zum Musikmachen gebracht hat. Eben Teddy oder D’Angelo. Ich hab gemerkt, dass er die gleiche Liebe für solche Musik hat, aber vieles einfach nicht kannte. Er hat dann von mir immer einen Stick mit Musik bekommen, das Zeug die nächsten Wochen durchgehört und kam dann wieder ins Studio, war richtig von diesem oder jenem Song geflasht und wollte genau so was auch machen. Und irgendwann hatte man ein blindes Verständnis füreinander.

  • Teesy meinte zu mir, er hat von euch erst gelernt, was es heißt, Musik richtig zu feiern.

  • Ja, Mann. Augen zumachen und genießen. (grinst)

  • Auf »Fernweh« warst du dann auch schon mit Produktionen vertreten, richtig?

  • Ja, genau. Das Mixtape sollte quasi den Übergang vom Teesy aus Junos-Zeiten hin zum Album darstellen. Die Songs waren alle richtig gut, aber sie haben eben eine andere Geschichte als die auf dem Album jetzt erzählt – und sie waren von den Produktionen her noch nicht so ausgereift.

  • Lass uns mal über die Beats auf »Glücksrezepte« reden. »FC Fernweh« samplet doch »Cleam« von Mr. Lies, oder nicht?

  • Wir haben es nicht gesamplet, nein! Den Song haben wir eine Zeit lang aber sehr sehr gerne gehört. (lacht) Erst nach dem wir »FC Fernweh« produziert hatten und den Beat angehört haben, dachten wir:  »Digga, das ist doch ›Cleam‹!« Das waren tatsächlich fast die gleichen Horns.

  • »Rom & Paris« war einer der ersten Songs, die ihr gemacht habt, oder? Das ist ja ein ganz anderer Sound, als auf »Der Anfang« oder »FC Fernweh«.

  • Tatsächlich waren »Der Anfang« und »FC Fernweh« zwei Songs, die wir erst ganz am Schluss produziert haben. Vielleicht deshalb. Bei »Rom & Paris« ist halt dieses The-Gap-Band-Ding drin. Aber auch ein bisschen Kanye. Der ist genau in dieser Austauschphase entstanden, von der ich eben gesprochen habe. Ungefähr auch zu der Zeit, als »Sturmgewehr« entstanden ist. Teesy war am Anfang noch sehr kritisch und ich musste ihn immer erst überzeugen und sagen: »Diggi, warte doch mal ganz kurz ab.« Und bei dem Song waren wir uns beide sehr schnell einig.

  • »Unendlichkeit« samplet den gleichen Song, den man auch bei »Life That I Know« von Rasul hören kann. War das eine Hommage?

  • Ich habe das Sample erst zu einem Beat verarbeitet und im Nachhinein den Rasul-Song gehört. Was mich selbst gewundert hat, weil Kitsune ihn ja auch gut kannte und wir wiederum eng mit Kitsune verbandelt sind. Aber Kitsune hat den Beat auch gehört und meinte: »Irgendwoher kenn ich das!« (lacht) Irgendwann war ich dann mal auf Kitsunes Kanal und habe den Song gehört. Dann habe ich ihn sofort angerufen. (lacht) Es war also keine Hommage. Ich habe einfach eine riesige Sample-Library und höre diese alten Funk-Dinger gerne.

  • Mit Teesy habe ich auch schon über diese Einwürfe und Studiosounds gesprochen, die den Tracks ein sehr lebendiges Feeling geben.

  • Wenn die Leute den Song anmachen, dann sollen die den auch so verstehen, wie wir uns zu dem Zeitpunkt gefühlt haben. Wenn wir da gelacht haben, sollen die Leute auch lachen. Das ist für mich eine gewisse Form von Ehrlichkeit.