Joey Bargeld »Die Zeit des Exzesses ist vorbei.«
Joey Bargeld war schon immer dagegen. Und folglich tanzt auch sein Debütalbum »Punk Is Dead« irgendwo zwischen Trap, Electro, Italo Disco und Ska aus der Deutschrap-Reihe. ALL GOOD-Autor Tobias Wilhelm traf den Hamburger zum Gespräch.
Während die meisten anderen im Business sicherlich sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt hätten, um nach drei EPs mit KitschKrieg auch das eigene Langspieldebüt von dem Hype-Trio der Stunde produziert zu bekommen, hat Joey Bargeld genau dies nicht getan. Stattdessen zog sich der Hamburger mit seinem langjährigen Förderer Darko Beats ins Studio zurück und nahm mit »Punk Is Dead« ein Album auf, das gleich ein ganzes Dutzend Musikstile in einem eigenwilligen Soundkosmos vereint, um am Ende doch irgendwie Rap zu bleiben. Prominente Features (immerhin ist Bargeld Trettmann-Voract, Neffe von Bonez MC, sowie langjähriger Haiyti-Sidekick) sucht man auf der Platte übrigens genauso vergebens wie einen klassischen Punksong. »Ich muss mich halt immer allem verweigern«, sagt Bargeld grinsend selbst dazu, als wir uns in einem Friedrichshainer Café zum Gespräch treffen.
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Auf deinem Album mischst du die verschiedensten musikalischen Stile. Das geht von Trap über NDW, Italo Disco bis zu Ska, um nur einige zu nennen. Trotzdem empfinde ich das Album nicht als wild zusammengeschustert, ohne klar benennen zu können warum…
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Der rote Faden ist die 808! Die ist eigentlich auf jedem Track am Start, glaube ich, egal ob Trap-Banger oder Ska. Da es ja auch textlich eine ziemliche Mischung von Themen ist, war es auf jeden Fall mega wichtig eine Sache zu haben, die sich konsequent durchzieht.
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Wie war die genaue Herangehensweise mit deinem Produzenten Darko Beats? Es war ja wahrscheinlich nicht dieses klassische »Ey, ich hab da nen Beat, willst du drauf rappen?-Ding«?
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Doch, eigentlich war es genau so. Darko hat die Beats gemacht, sie mir gezeigt und ich hab dann geschaut, ob mir was dazu einfällt. Aber manchmal hab ich auch erst ein paar Sätze auf einen Papierfetzen gekritzelt. Bei ein paar Beats war ich auch dabei, als sie entstanden sind und habe da meinen Input gegeben. Bei dem Feature mit John Known zum Beispiel. Da sind wir ziemlich spontan ins Studio und es war klar: »Wir müssen zusammen einen Trap-Banger machen.« Darko hat dann in unserer Anwesenheit den Beat gebaut. Aber auch insgesamt war es schon anders, als bei KitschKrieg, wo ich nur meine Stimme zu den Tracks beigesteuert habe. Ich hatte insgesamt mehr Einfluss, konnte zum Beispiel in der Mischung sagen: »Ne, das muss anders klingen.« Manchmal haben wir auch Sachen nochmal neu eingespielt.
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Du hast in der Vergangenheit Features mit Bonez, Trettmann und Haiyti gehabt. Auf dem Album sind mit Jace und John Known nun lediglich zwei Newcomer und mit GPC eine Untergrundlegende vertreten. Wolltest du dich bewusst von den großen Namen in deinem Umfeld abgrenzen?
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Das war eher Zufall. Mit Haiyti hatte ich eigentlich sogar einen Song fürs Album gemacht, der dann aber doch nicht draufgekommen ist und bald einzeln erscheinen wird. Jace und John feiere ich privat halt sehr krass und hatte einfach Bock mit ihnen rumzutrappen. Diese Trap-Songs waren auch sehr wichtig fürs Album, weil ich musikalisch aus dieser Ecke komme, diesen Sound schon vor sieben, acht Jahren gemacht habe.
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Wenn ich persönlich mit dir spreche, wird es eigentlich immer recht schnell politisch. Auf dem Album fallen politische Aussagen aber höchstens indirekt. Warum hältst du klare Statements aus deiner Musik raus?
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Ich mag einfach dieses Zeigefinger-Ding nicht. So dieses »Ich weiß es halt einfach besser als du, du bist dumm.« Aber auf dem Album sind trotzdem politische Songs, finde ich. »Wie teuer bist du« zum Beispiel. Aber das ist dann eben in Form eines Disstracks. »Ja, okay du hast Kohle, aber könntest du damit nicht vielleicht was Sinnvolleres machen, als dir einen Audi R8 zu kaufen und mit aufheulendem Motor durch die Stadt zu rasen?« Dieses ganze Status-Denken finde ich einfach krass hängengeblieben. Aber vielleicht erledigt sich dieses Problem auch eh bald von selbst. Ich habe so das Gefühl, dass die Kids von heute da ein viel krasseres Bewusstsein für haben, mit diesen Fridays for Future und so weiter. Die sehen, dass es so nicht weitergehen kann und wir werden mit denen noch richtig Stress kriegen. Zu Recht.
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Aber es gibt mit Sicherheit auch immer noch genauso viele Kids, die gerne mal einen mattschwarzen Mercedes fahren und mit ihm Ampelrennen machen wollen…
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Ja, klar. Das finde ich gerade allgemein so eine krasse Entwicklung. Dass einerseits Plastiktüten verboten werden, alle jetzt Bio kaufen und nachhaltige Mode tragen. Andererseits feiert aber die AfD so krasse Wahlerfolge in Brandenburg und Sachsen. Dann diese ganze Scheiße mit Boris Johnson und Trump und so weiter. Das fuckt mich schon richtig ab.
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Du gehst bald wieder mit Trettmann auf Tour, der gerade in der Kritik steht, weil er nach den Sexismus-Vorwürfen gegen Gzuz eine gemeinsame Single mit ihm releast hat. Wie stehst du zu der ganzen Sache?
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Es ist für mich natürlich schwierig darauf zu antworten, weil ich da ja auch familiär verwickelt bin. Zu Gzuz selbst habe ich aber keinen Kontakt, auch Trettmann schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Alles was ich dazu weiß, weiß ich also aus den Medien. Allgemein finde ich auf jeden Fall, dass sexistische Übergriffe und Gewalt gegen Frauen auf keinen Fall klargehen. Ich bin ja selbst ein cholerischer Typ, aber es gibt einfach Grenzen, über die man nicht gehen darf. Und ich persönlich kann mir auch gar nicht mehr diese Texte geben, in denen Frauen schlecht behandelt und dauernd gefickt werden. So Mucke würde ich auch niemals machen. 187 höre ich auch privat fast gar nicht mehr. Die Jungs haben sich einfach über die Jahre so einen krassen Gangster-Film aufgebaut, das ist auf eine Art ja auch irgendwie Kino und kommt halt krass gut an. Aber diese Definition von Männlichkeit ist einfach nicht meine. Klar, ich habe mich auch schon geschlagen, aber ich bin genauso ein sensibler, verletzlicher Typ.
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Was du auch in deine Musik einfließen lässt. Auf »Britney Spears« thematisierst du zum Beispiel Selbstmordgedanken.
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»Piece Of Me« von Britney habe ich damals krass gefühlt. Auch das Video dazu. Einfach dieses Gefühl, dass alle einen beobachten und nur darauf warten, dass man einen Fehler macht. Das passiert bei mir ja in einem viel kleineren Kosmos, aber im Prinzip ist es dasselbe nur in weniger. Deshalb will ich auch gar nicht Mainstream werden. Diesen Druck von außen würde ich gar nicht aushalten.
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Bis auf »Britney Spears« und zwei weitere Ausnahmen klingt das Album im Vergleich zu den KitschKrieg-EPs deutlich positiver, Drogen spielen eine geringere Rolle. War das geplant, oder ist es einfach so entstanden?
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Bei mir entsteht alles intuitiv. Die Zeit des Exzesses ist halt einfach vorbei. Ich versuche mich gesund zu ernähren, stehe jeden Morgen früh auf. Trotzdem stürze ich manchmal auch noch ab, aber es ist viel weniger geworden. Vielleicht hört man das dann raus, ja. Aber die Beats von Fizzle waren damals auch einfach düsterer, da gehen beim Schreiben natürlich andere Filme ab. Trotzdem sind auf dem Album auch krass persönliche Tracks, in denen ich irgendwelche Scheiße von früher verarbeite. Auf »Britney Spears« zum Beispiel die Trennung meiner Eltern. Ich bereue auch nicht, das gemacht haben. Zu dem Zeitpunkt war das schon wichtig. Aber in Zukunft will ich eigentlich unpersönlichere Musik machen.
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Da muss ich direkt an deinen Feature-Part auf dem neuen Deichkind-Album denken. Wäre es für dich ebenso vorstellbar eine Transformation zur reinen Kunstfigur zu durchlaufen?
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Ja, auf jeden Fall. Es gibt jetzt auf dem Album ja schon Lieder, in denen ich als Person gar keine Rolle mehr spiele. Auf »Dirty Dancing« und »Fast nichts an« geht es ja zum Beispiel nur ums Tanzen. Und neben dem Joey Bargeld-Ding arbeite ich gerade auch noch an einem Elektro-Projekt, das Cashy heißen wird. Da kann ich mir dann vorstellen nur mit Maske aufzutreten, oder in irgendeinem Kostüm. Das macht einen irgendwie freier.
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Bei unserem letzten Gespräch vor anderthalb Jahren hast du den Wunsch geäußert mehr in die Musikbranche reinkommen zu wollen, auch mal für andere zu schreiben. Ist das inzwischen passiert?
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Ich baue mir gerade ein Home-Studio auf, in dem ich diese Elektro-Sachen mache, aber auch Rap-Beats für andere produzieren will. Außerdem habe ich mich so ein bisschen professionalisiert, habe jetzt einen Manager und einen Promoter. Einerseits bringen die ein bisschen Ordnung und Struktur in mein Chaos. Andererseits gehen durch sie in der Industrie auch ganz andere Türen auf. Mal sehen, was noch so kommt.