Afrob »Die Weißen lieben das N-Wort einfach!«

Afrob hat ein richtig gutes Album gemacht. Es heißt »Push« und erschien letzte Woche. Natürlich wäre es nun angebracht, über die Entstehung der Platte zu sprechen und die klassischen Rap-Interviewfragen zu stellen.

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Es wäre angebracht, sich von Afrob darüber aufklären lassen, was es mit seinen stets hittigen Beats und Hooks auf sich hat, wie die Features mit Max Herre, Megaloh oder Telly Tellz zustande kamen – und so weiter und so fort. Aber Afrob ist nicht nur ein bekannter deutscher Rapper, sondern eben auch ein bekannter schwarzer Rapper. Und egal, wie traurig man das nun finden mag, dass seine Hautfarbe eine so große Rolle in der Rezeption Afrobs als Künstler spielt – es ist nun mal so.

»Frag doch einfach«, schmunzelt Afrob, als ich herausfinden will, wie sehr ihn Rassismus als Gesprächsthema nervt. »Das läuft doch seit Jahren schon so, dass es in Interviews nur um mich als Person geht – vermutlich ist das einfach interessanter als meine Musik. Und eigentlich hab ich überhaupt keine Lust mehr, darüber zu sprechen. Aber in dem Fall mach ich das auch nur, weil du es bist.« Puh, na dann mal los.

  • Als du auf deiner Facebook-Seite deinen Splash!-Auftritt angekündigt hast, kommentierte ein User: »Bleib mal lieber Zuhause du Bimbo«. Warum hast du das nicht gelöscht?

  • Weil ich wollte, dass die Leute das sehen. Viele meinen ja, ich übertreibe oder dass es so was nicht gibt. Aber das ist real, hier könnt ihr das alle sehen. Das haut mich jetzt auch nicht um oder so. Aber ich wollte das so stehen lassen, als Beweis, dass so etwas stattfindet – und das auch noch so direkt.

  • Hattest du nicht den Drang, darauf zu reagieren?

  • Ich hätte fast etwas dazu geschrieben, fast hätte ich das geliket. Aber dann hab ich das doch nicht gemacht. So sieht man: Es gibt keine Ächtung, die Kiddies können so etwas einfach sagen. Die wissen ganz genau, es gibt keine Repressalien deswegen. Weder werden die wegen rassistischer Sprüche von Facebook gebannt, noch haben sie Konsequenzen im sozialen Umfeld zu befürchten. HipHop ist ja eine urbane Szene, es ist immer noch Black Music – und das so etwas in so einem Milieu stattfinden kann … Warum ist das so? Ist das speziell in Deutschland so, weil es einfach so ein Land ist? Oder haben die einfach keine Angst, so etwas zu sagen – weil da dann eben keine afrikanische Familie mit hundert Cousins hingeht, um dem auf die Fresse zu hauen? Das wird nicht passieren. Deswegen sind wir auf die Leute angewiesen, die schreiben, die in Labels und Vertrieben arbeiten etc. Wenn zum Beispiel eine Platte, auf der solche Sprüche fallen, einfach aus den Regalen verschwinden würde, dann wäre der Künstler der Letzte, der so etwas noch mal sagen würde. Der würde sich das dann vielleicht weiterhin denken oder in seinem persönlichen Umfeld sagen, aber es fände nicht mehr öffentlich statt. Und in der Öffentlichkeit hat so etwas nichts verloren, finde ich. Und so lange diese Ächtung nicht stattfindet, sind Schreiber, Labels und Vertriebe für mich Mittäter.

  • »Es ist ein Unterschied, ob man jemanden ›Hurensohn‹ nennt oder einen Schwarzen als ›Bimbo‹ bezeichnet.«Auf Twitter teilen
  • Was hättest du dir denn von deinen Fans für eine Reaktion auf den Facebook-Kommentar gewünscht?

  • Es kam keine Reaktion auf diesen Spruch, so weit ich das mitbekommen habe. Keiner hat was dazu geschrieben. Ich erkläre mir das so: Die Leute sind es einerseits gewohnt, dass Künstler auf ihrer Facebook-Seite beleidigt werden und andererseits ist die Sensibilität für Rassismus einfach nicht da. Es ist eben ein Unterschied, ob man jemanden »Hurensohn« nennt oder einen Schwarzen als »Bimbo« bezeichnet. Excuse me? Das hat eine ganz andere Qualität und dafür fehlt hier einfach die Sensibilität. Ich will jetzt aber nicht die ganze Szene schlechtreden, aber es ist einfach zu selten ein Thema. Ich bin leider der Einzige, der das Thema aufgreift. Gäbe es so vier, fünf Afrobs, dann hätten wir auch mehr Power und das Thema wäre sichtbar. Aber so denken viele, das wäre einfach nur meine persönliche Befindlichkeit. Aber im Rap-Kontext schwarze Rapper rassistisch zu beschimpfen – wie kann man das durchgehen lassen? Das verstehe ich nicht. Von meinen Fans hätte ich mir gewünscht, dass sie was zu diesem Kommentar schreiben. Ächtung hätte ich mir gewünscht. Ich erwarte das zwar nicht, aber ich hätte mich darüber gefreut. Was ist denn so falsch an ein bisschen Anteilnahme?

  • In den Neunzigern gab es noch einen sehr starken Konsens in der HipHop-Szene, was solche Themen angeht – Rassismus ging überhaupt nicht klar. Warum ist das nicht mehr so?

  • Weil es diesen Spirit halt nicht mehr gibt. Das meinte ich auch im Interview mit Visa Vie, als sie mich nach der Szene gefragt hat. Es ist nach wie vor eine Szene, aber es herrscht kein Konsens darüber, was Rap darstellt und wie man Rap vertreten will. Und das ist auch völlig okay so, damit hab ich kein Problem. Aber subjektiv finde ich es schade, dass es nicht mehr diesen deutlichen gemeinsamen Nenner gibt. Früher gab es diese ungeschriebenen Gesetze, aber die gelten nicht mehr – dafür ist die Szene viel zu verroht mittlerweile. Aber ich verstehe einfach nicht, wie so etwas im persönlichen Umgang passieren kann. Nicht mal die härtesten Gangster, bei denen noch ganz andere Sachen passieren, würden mir so was ins Gesicht sagen. Vielleicht sagen die so was, wenn ich nicht mit am Tisch sitze, aber für diese Verrohung im persönlichen Umgang gibt es einfach keine Entschuldigung. Ich will auch nicht, dass sich da alle krass reinhängen und auf einmal für die Schwarzen im HipHop kämpfen. Aber ein grundlegendes Maß an Respekt, das ist ja wohl drin.

  • Was stört dich denn mehr an so was: der persönliche Disrespekt oder die rassistische Einstellung?

  • Natürlich die rassistische Einstellung. Wenn mich jemand nicht mag, dann kann ich damit leben. Es ist auch ganz gefährlich, das in einen Topf zu werfen. Da besteht ja ein riesiger Unterschied. Wenn jemand sagt: »Fick deine Mutter«, dann will der mich halt beleidigen. Aber wenn mich jemand »Bimbo« nennt, dann stellt er meine Hautfarbe als etwas Negatives, als Stigma dar. Und das ist das Unfaire daran. Bei anderen geht es nur um das Persönliche, aber wenn ein Schwarzer gedisst wird, geht es immer um die Hautfarbe.

  • Wie sehr hat es dich geärgert, dass der Facebook-Kommentar von einem Ausländer kam?

  • Die Ausländer, besonders die Moslems, die so etwas sagen, die sollen sich schämen. Von denen kann keiner ernsthaft in die Moschee gehen und beten. Wie kann man als Muslim so etwas sagen? Als Schwarzer hat man mittlerweile aber leider die größten Probleme mit Ausländern. Ich weiß nicht woran das liegt, vielleicht an der Erziehung, vielleicht ist das das standardmäßige Verhalten von Immigranten – die so was ja auch abkriegen und dann nach »unten« treten. Es gibt ja auch eine Hierarchie unter Ausländern: Wir sind nicht alle gleich. Wir sind vielleicht Ausländer, aber immer noch besser als Schwarze – so denken viele. Die Deutschen haben es größtenteils gerafft, da kommt seltener so was. Aber trotzdem ist es so, dass dir nicht viel passiert, wenn du so etwas sagst. Steinmeier hat Obama eine Kokosnuss genannt: außen schwarz, innen weiß. Und da ist nichts passiert, weil wir eben keine Lobby haben. Über den Nigger kannst du sagen, was du willst. Aber wenn du so etwas über Schwule sagst, dann ist deine Karriere vorbei.

    [Anm. d. Red.: soweit uns bekannt, hat sich F.-W. Steinmeier bezüglich B. Obama nicht so geäußert.]

  • »Im Rap-Kontext schwarze Rapper rassistisch zu beschimpfen – wie kann man das durchgehen lassen?«Auf Twitter teilen
  • Wie viel Energie hast du denn überhaupt noch für das Thema Rassismus? Früher bist oft sehr wütend geworden deswegen, aber heute wirkst du sehr entspannt, wenn man das so sagen kann. Hast du resigniert?

  • Ja, das muss man echt so sagen. Es funktioniert einfach nicht. Und ich hab ja so viel dafür getan. Du wirst keinen anderen schwarzen Rapper in Deutschland finden, der so viel für dieses Thema getan hat. Und das hat mir so viele Nachteile und Stress eingebracht – und wenn das nicht reicht, was soll ich denn noch machen? Die »Nigger«-Sache im Rap haben D-Flame und ich eigentlich ganz gut hinbekommen, das war nach unserer Aktion erst mal für ein paar Jahre gegessen. Und darauf bin ich auch stolz. Wir sind zu den Leuten hingegangen, D-Flame hat sich vor denen aufgebaut und ihnen erklärt, dass etwas passiert, wenn sie das noch mal sagen. Und dann war auch Stille. Don’t fuck with us!

  • Was hältst du denn von Schwarzen, die sagen, dass es sie nicht stört, wenn man sie »Nigger« nennt? So was liest man in den entsprechenden Diskussionen ja immer wieder mal: »Mich stört das nicht, wenn meine Freunde das zu mir sagen, die meinen es ja nicht böse.«

  • Ich hatte so was auch im Freundeskreis. Aber da bestand ich auch drauf, dass sie das nicht in meiner Gegenwart sagen. Natürlich gibt es Leute, die das nicht rassistisch meinen – aber warum muss man das denn überhaupt sagen? Warum gelten für mich nicht die gleichen Regeln wie für alle anderen auch? Und warum muss ich mein ganzes Leben lang diese Diskussionen führen? Seit ich sechs Jahre alt bin, hab ich dieses Thema vor der Nase, seitdem weiß ich, dass die Leute mich als anders betrachten. Aber mittlerweile ist mein privates Umfeld so, dass niemand mehr so spricht – auch wenn ich nicht dabei bin. Das sind eher Leute, die widersprechen, wenn jemand sich so äußert. Aber du kommst diesem Wort einfach nicht aus, vor allem im Rap. Und die Weißen lieben dieses Wort einfach.

  • Das ist für weiße Rap-Fans ja auch schwierig: Wie soll man denn einen Song von z.B. Waka Flocka mitrappen, ohne das N-Wort zu benutzen?

  • Ich weiß, was du meinst. I feel you, ich verstehe das. Aber bei Rap-Songs sehe ich das auch anders, das ist das irgendwie okay. (lacht) Ich weiß, das klingt jetzt kompliziert. Aber es ist gar nicht so kompliziert, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Klar ist das scheiße, wenn du das Wort in einer Konversation benutzt, aber wenn im Club »Juicy« von Biggie läuft und du mitrappst, dann ist das etwas anderes – und für mich okay. Ich weiß schon, wie das jetzt klingt! (lacht) Das wirkt irgendwie heuchlerisch, wenn ich sage: Da ist es okay, aber da nicht. Aber das zeigt ja auch, wie kompliziert die Problematik ist. Warum sollte man nicht alles mitrappen dürfen, wenn man weiß ist? Da gibt es diesen Sketch von Chris Rock, der bringt das sehr gut auf den Punkt. Aber für mich kam das auch erst in den letzten zwei Jahren, dass ich das in dem Zusammenhang so entspannt sehe. Überhaupt ist es mittlerweile auch so, dass ich nicht mehr sofort jemanden töten will deswegen – ich lass mich mittlerweile eher auf eine Diskussion ein. Und wenn du dich mit dem Thema auseinandergesetzt hast, wenn du die politische Dimension des Wortes verstanden hast, dann weißt du auch, wann und wo du das sagen kannst – und wann und wo nicht. Das Schlimmste ist ja, wenn Leute es nicht mal zur Kenntnis nehmen, dass das Wort einen politischen und historischen Kontext hat – und der war immer menschenverachtend. Und auch wenn man jetzt andere Worte verwendet, besteht dieses Problem ja noch immer. Viele Leute, die sich selbst nicht als Rassisten begreifen, denken trotzdem, dass die Afrikaner grundsätzliche nix auf die Reihe bekommen. Aber was wäre denn, wenn die Ressourcen der afrikanischen Länder den Afrikanern selbst gehören würden? Was ist denn, wenn ein afrikanischer Staat seine Ressourcen selbst nutzen will? Dann sponsert der Westen ein paar Rebellen und das Problem ist gegessen. Aber so siehst du immer die gleichen Bilder im Fernsehen: Krieg, die haben nix zu essen, kriegen nix auf die Reihe – die sind arm und nutzlos. Und dann kommen sie nach Europa und nehmen uns unsere Sachen weg. Nein! Die gehen da hin, wo ihre Sachen sind! Wenn Afrika seine Ressourcen selber nutzen könnte, dann kämen die Leute doch gar nicht hier her! Aber dann könnten wir auch keine iPhones für fast kein Geld kaufen. Und das wissen die Politiker doch auch, die sind ja nicht dumm.