Crack Ignaz & Wandl »Die Realness zeigt sich bei uns darin, dass wir die Realness nicht in die Kunst einfließen lassen.«
Das Crack-Ignaz-Debüt »Kirsch« ist noch nicht mal ein Jahr alt und schon kommt der König der Alpen mit dem Nachfolger: »Geld Leben« – komplett produziert vom Wiener Wandl. Obacht, die Freshness der beiden ist im Grunde eine Nerd-Revolution.
Deutscher Rap, da hält man sich auch 2016 aus jeder dieser piefig geführten Fukkboi-Unterhaltungen raus. Wozu auch mit angekratzten Egos diskutieren, wenn das neue Jahr gleich mit einem weiteren Highlight made in Ö startet? Crack Ignaz & Wandls »Geld Leben« ist das Göd Life, ist das gute Leben im vermeintlich falschen. Ein verschwenderisches, vom Profanen abgeschnittenes. Vor allem aber: ein behauptetes. Man darf sich nicht vertun, die Freshness dieser Anfangs-Zwanziger ist im Grunde eine Nerd-Revolution, angeführt von bleichen Nachteulen, Comic-Zeichnern, Jazz- und Klassik-Fans, die mit der selben Akribie Chicago-Drill-Blogs durchforsten, mit der sie das korrekte Mischverhältnis von Hustensaft zu Sprite berechnen. Ob sie das dann wirklich tun oder nicht – geschenkt. Nichts darstellen und alles behaupten, erzeugte immer schon eine Coolness, die funktioniert, weil sie Statussymbole und Tugenden über den Haufen wirft.
Dass die neue Entkrampfung keineswegs nur eine Phase darstellt, aus der Rap auf Deutsch bald wieder rauswächst, wird nirgendwo deutlicher als auf »Geld Leben«: Wandl und der König der Alpen haben sich weder der inhärenten Art-School-Kommentarfunktion von Kollege Yung Hurn, noch der schlafwandelnden Final-Fantasy-Ästhetik von LGoony verschrieben, wobei beides in Ansätzen vorkommt. Der Vermischung von slickem Drug- und Mädchentalk mit Austro-Kitsch, die Ignaz‘ »Kirsch« zu einem derart unbekümmerten Vergnügen machte, stellt »Geld Leben« Angeber-Mundart-Rap auf Sample-Skizzen entgegen. Das könnte langweilig klingen – tut es aber nicht. Wandl tauscht seine Flächen- und Field-Recording-Experimente zugunsten von Loops ein, die kaum einem anderen Producer als machbar aufgefallen wären. Und Ignaz kann schlichtweg sehr gut rappen, plus er hat das »Haa‘ neu so wie Vietnam«. Wer damit durchkommt, muss den Swah in Gallonen kaufen. Ein Gesprächs-Mitschnitt über Kunst, Drill, Brahms und Knedl aus dem Melting-Pot-Music-HQ, mit Gastauftritten von Juicy Gay, Dj Heroin und LGoony.
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Was geht in Wien?
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Wandl: Richtig viel. Ich war überrascht. Ich habe zuletzt richtig viele neue Leute auch aus Wien getroffen, die super sind. Salute, sagt der dir was? Der macht jetzt Sachen in England, etwas dance-lastiger. Als ich den zuerst gesehen hab, war der 17.
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Wie alt seid ihr mittlerweile?
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Wandl: Ich bin 21.
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Crack Ignaz: Bei mir ist das geheim. Ich wurde nie geboren. (lacht)
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Ach stimmt, das sagst du ja nicht.
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Crack Ignaz: Ich sage ab und zu, dass ich 700 Jahre alt bin.
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Wie steht es denn um Pretty Falco?
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Crack Ignaz: Das bin ich nach wie vor. Das ist mein Producer-Projekt-Name. Ich habe selbst sehr lang nicht mehr produziert, aber ich würde mich da gern wieder reinfinden. Vielleicht mache ich dieses Jahr wieder Sachen, aber ich glaube nicht, dass die veröffentlicht werden.
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Worauf hast du produziert?
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Crack Ignaz: Auf Ableton. Ich finde das extrem benutzerfreundlich.
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Wandl: Ich arbeite noch immer auf Reason. Seit fast zehn Jahren. Mittlerweile habe ich ein paar Plug-Ins auf Ableton. Das nutze ich in Kombo, auch wenn ich live spiele.
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Kennst Du Ignaz’ Beats?
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Wandl: Ein paar kenn’ ich, nicht so viele.
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Crack Ignaz: Aber die besseren kennt er.
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Und geht da was?
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Crack Ignaz: Ach, mich fragst Du? (lacht) Ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich damals gemacht hab, aber für heute würde das nicht mehr reichen. Aber ich hör mir die Sachen schon immer noch gern an.
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Ich habe mich gefragt, wie schnell ihr eigentlich arbeitet. Ist »Geld Leben« parallel zu »Kirsch« entstanden?
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Crack Ignaz: Nein. Wir haben nicht lang gebraucht, eigentlich. Es sind jedenfalls überhaupt keine »Kirsch«-Leftovers dabei. Das ist alles ganz frisch. Für »Geld Leben« ist alles beinahe in einem Monat entstanden.
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Wandl: Naja, ich bin dann schon länger daran gesessen.
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Hast du alles gemischt und gemastert?
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Wandl: Gemastert hat es der Clonious von Affine Records und ich bin dabei gesessen und hab meinen Senf dazu gegeben. Ich wollte bei allem dabei sein und zusehen, dass das alles nach meinen Vorstellungen ist.
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Fällt euch das schwer, diesen Teil der Arbeit abzugeben?
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Wandl: Ich vertrau’ Leuten wie Clonious da voll. Der ist ein guter Freund von mir. Shoutout an die ganze Affine-Crew, Dorian Concept.
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Crack Ignaz: Dorian – beste Live Show 2015.
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Manchmal vergisst man, was Dorian für ein Star ist. Die letzten zwei Male, als ich ihn mit Clonious und Cid Rim als Trio gesehen habe, haben Leute in Tokyo seine Beats mitgesummt wie im Stadion. Und auf dem Pop Festival in Wien war der komplette Karlsplatz brechend voll …
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Crack Ignaz: Das ist alles zurecht so. Wir haben ihn zuletzt bei der Affine Label Night gesehen.
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Wandl: Wir haben da zusammen mit ihm gespielt. Das sind schon richtig arge Leute. Ich bin immer extrem stoked, dass ich da irgendwie dabei sein kann und die mich in die Arme geschlossen haben, als ich nach Wien gezogen bin.
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Es scheint da eh wenig Berührungsängste zwischen gewissen Szenen in Wien zu geben – ist das richtig? Hast du da auch Kontakte in diese Richtung, Ignaz?
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Crack Ignaz: Ja, schon. Ich würde da den Wandl dazu zählen, natürlich. Oliver, also Dorian Concept, habe ich mittlerweile auch kennengelernt – sehr sympathisch. Der Zugang zu solchen Leuten in Wien ist, finde ich persönlich, sehr leicht.
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Wie oft bist du in Wien?
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Crack Ignaz: Das ist auch geheim. Sorry. (Gelächter)
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»Kirsch« war von den Produzenten her sehr stimmig zusammengestellt. Alle schienen an einem gemeinsamen Soundbild gearbeitet zu haben.
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Crack Ignaz: Ja, es war unterschiedlich, wie ich an die Beats gekommen bin. Aber jeden der Producer, die auf »Kirsch« gelandet sind, kenne ich relativ gut persönlich. Ich würde sagen, ich bin mit jedem befreundet. Vielleicht kommt das daher.
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Wandl: Wir kennen uns auch untereinander.
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Kann das auch ein Nachteil sein, wenn man sich nicht so richtig die Meinung geigen kann, weil man zu gut befreundet ist?
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Crack Ignaz: Ich weiß nicht. Ich habe für das, was diese Leute machen sehr viel Bewunderung. Ich freue mich richtig, wenn die mich ein bisschen herausfordern und mich mit etwas konfrontieren, mit dem ich nicht rechne. Da kann ich nur von lernen. Das mag ich eigentlich. Man muss dazu sagen, dass das Album von Nikodem Milewski gemischt worden ist – der hat auch sehr viel beigetragen zu der Ästhetik.
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Wie war der Entstehungsprozess von »Geld Leben« verglichen mit »Kirsch«?
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Crack Ignaz: »Geld Leben« ist komplett anders entstanden. Während ich geschrieben habe, hat Wandl simultan die Beats gebastelt. Wir haben das dann bei Ghettobass Records, bei MC Po – Shoutout! –, aufgenommen. Gemischt hat’s dann wieder Wandl.
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Wandl, studierst du mittlerweile eigentlich Musik?
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Wandl: Ich bin… nah, ich sag’s nicht. Egal. Ich will was mit Musik studieren und ich bereite mich auf eine Aufnahmeprüfung vor. Zum zweiten mal allerdings. Hab ich das schon mal irgendwo gesagt?
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Ja, bei uns.
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Wandl: Ach so? Okay, nah, ich hab im Februar eine Aufnahmeprüfung gehabt, und da werden pro Jahr noch zwei Leute genommen und ich war unter den letzten acht. Und das versuche ich im Februar noch mal. Wenn ich es geschafft habe, würde ich auch sagen, was es ist – sonst ist es irgendwie dumm.
- »Ich kenn’ nur Leute von der Straße.« (Crack Ignaz)Auf Twitter teilen
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Ansonsten gibt es in dieser ganzen österreichischen Musikszene ziemlich viele bildende Künstler, was ist da los?
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Crack Ignaz: Ich weiß das nicht, ich bin auf der Straße. (Gelächter) Ich kenn’ nur Leute von der Straße.
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Was machen die so?
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Crack Ignaz: Geld. (lacht)
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Ist »Knödel« eigentlich das neue »Guap«?
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Crack Ignaz: Knedl?
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Nicht Knödel?
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Crack Ignaz: Das ist eh das selbe Wort, bloß schiacher gesagt. Knedl wird nicht das neue Guap, aber es ist in jedem Fall präsent und ernst zu nehmen. Wir machen auf jeden Fall Knedl, g’scheit. Das sag ich dir jetzt. (Gelächter)
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Was ist das letzte Guwop-Mixtape, das du dir mit wirklichem Interesse gegeben hast?
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Crack Ignaz: Guwop, also Gucci Mane? »Mollyworld«. Turn Up.
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Der beste Part, den er in den letzten fünf Jahren gemacht hat, ist auf dem neuen Freddie-Gibbs-Album, mit ihm und E-40.
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Crack Ignaz: Das habe ich leider noch nicht gehört, aber die Kombination ist zu hart.
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Juicy Gay klopft von draußen an die Glastür. Er rockt einen scheinbar handgestickten »Hotline Bling«-Christmas Sweater, auf dem Drake aussieht wie DJ Khaled.
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Juicy Gay: Boah, ich muss übertrieben pissen.
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Crack Ignaz: Das wäre gut, wenn das so im Interview steht, bitte.
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Wandl: Also, zu diesem bildende-Kunst-Thema: Ich zeichne, seit ich ein kleiner Fratz bin. Aber ich zeichne nur Gesichter, so Comic-Shit – und dann hundert mal das Gleiche.
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Crack Ignaz: So weird, Alter. Ich bin ja echt oft bei ihm und ich hab noch nie eines dieser Bilder gesehen. (Gelächter) Ich sollte mal in den Kasten reinschauen, da sind wahrscheinlich Zettel von meinem Face.
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Wandl: Nein.
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Hast du denn das Cover gemacht?
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Wandl: Nein, das war Fresh Max. Ein Wiener Dude, der macht so Sachen wie… naja, wie das Cover. (lacht) Ein arger, kreativer Dude.
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Juicy Gay kommt vom Klo.
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Juicy Gay: Im Internet sah der Pulli viel geiler aus, Mann. Da sah er aus, als ob er selbstgestrickt ist. Das ist aber bloß drauf gedruckt. Aber war auch nicht teuer – 25 Dollar. (Zeigt auf »Geld Leben«) Ah, schick mir das Album mal, bitte.
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Was hat es mit dem Cover denn auf sich? Habt ihr ein Faible für japanische Styles?
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Crack Ignaz: Nicht wirklich, aber schon ein bisschen. Fresh Max durfte machen, was ihm einfällt.
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Wandl: Wir haben auf dem Album versucht, viele Bilder zu erzeugen und das Cover bringt einen ganz eigenen Twist. Das Cover funktioniert eher ergänzend zu den Bildern auf der Platte.
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Juicy Gay: Achso, ihr macht gerade Interview!
- »Ich finde Frauen schön und ich möchte auch schön sein. Ich wäre gerne schön wie eine Frau. Wenn man ehrlich ist, will das jeder Dude.« (Crack Ignaz)Auf Twitter teilen
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»I’m a pretty bitch« – dieses sich mit Frauen vergleichen, das ist schon eine Based-God-Referenz, oder?
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Crack Ignaz: Ich würde nicht sagen, dass das eine Anleihe ist. Aber Shoutout an Lil B. Thank you Based God. Es ist eher so: Ich finde Frauen schön und ich möchte auch schön sein und die Schlussfolgerung ist, ich wäre gerne schön wie eine Frau. Wenn man ehrlich ist, will das jeder Dude.
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Juicy Gay: True.
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Lasst uns mal ein paar Songs durchgehen. Was hat es mit dem Intro-Sample auf sich?
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Crack Ignaz: Uns hat gerade gestern einer gesagt …
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Wandl: … das war voll weird …
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Crack Ignaz: … dass das wohl der Satz ist, mit dem man keine Geschichte anfangen sollte. Das sei der schlechteste Anfangssatz der Welt.
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Snoopy von den Peanuts beginnt seine Romane mit »It was a dark and stormy night …«, bevor er sie wegwirft – vielleicht meinte der das?
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Crack Ignaz: Vielleicht. Der Dude hat das irgendwie recherchiert und sich da voll reingegeeked, Oida.
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Wandl: Und wir so »Fuck off!« Uns war das alles nicht bewusst.
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Crack Ignaz: Wir waren einfach nur in einem dark, stormy place. Ich fand das auch cheesy, aber eben auch ein Bild, das man nicht erwartet: Der Captain erzählt was auf hoher See… ich fand’s einfach nur funny.
- »Ich hatte schon das Bedürfnis, etwas rougher vorzugehen.« (Crack Ignaz)Auf Twitter teilen
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Das Album ist vom Gesamtbild her ja auch etwas rougher.
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Crack Ignaz: Ich hatte schon das Bedürfnis, etwas rougher vorzugehen, textlich. Nach »Kirsch« war das ein bisschen die Energie, in die es mich gedrängt hat, weil »Kirsch« doch sehr weich ist und ich im Rap eher härtere Sachen mag.
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Aber das Feedback war ja durch die Bank super. Wolltest du mit den Leuten, die das gefeiert haben, am Ende gar nichts am Hut haben?
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Crack Ignaz: Mir ist das wurscht. Ich richte mich da nicht nach dem Feedback anderer Leute. Das sind alles ganz frische Sachen, die aus einem ganz eigenen Impuls heraus entstanden sind. Zu »Kirsch«-Zeiten hätte ich so etwas nicht geschrieben.
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Wandl: Außer vielleicht »Ikarus«.
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Was ist denn in der Zeit zwischen den Alben so passiert bei dir?
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Crack Ignaz: Ich habe sau viel erlebt, das war, woah… (lacht) Das sind ehrlich gesagt sehr lose Fragmente. Ich war schon ziemlich turnt up. An den Splash!-Gig kann ich mich erinnern. Das war sehr flashig, sehr beeindruckend. Ich war vorher noch nicht dort gewesen, auch nicht als Gast. Insgesamt habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Die ganzen Leute aus der Szene mal in echt kennengelernt.
(Zu LGoony) Wir haben uns eh dort das erste mal getroffen, oder? Dürfen wir das snitchen?
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Ihr müsst gar nichts snitchen, aber die ALL GOOD-Redaktion fordert nachher mit aller Härte die Details ein.
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LGoony: Jan Wehn ist der Rapmann. Ich hatte da eine Eingebung, gesandt über Skalarwellen.
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Wie war eigentlich dein Auftritt vor Ratking?
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LGoony: Wir waren da beim Soundcheck …
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Dj Heroin: … und hatten erstmal kein Kabel.
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LGoony: (lacht) Wir hatten nicht mal unsere eigene Soundkarte mitgebracht. Dann hatten wir zehn Minuten vor dem Auftritt erst Soundcheck.
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Dj Heroin: Was Soundcheck? Eigentlich hat keiner irgendwas gemacht. Ich stand da und hab so ein bisschen rumgedreht. So müssen wir das eigentlich immer machen. Dann haben wir noch das ganze Catering aufgegessen wie richtige Asis. Ratking essen aber auch nicht so viel, die kiffen nur. Aber die waren auch voll nett.
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Was von den »Fragmenten« ist sonst noch bei dir hängengeblieben, Ignaz?
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Crack Ignaz: Welche Fragmente?
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Exakt.
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(Gelächter)
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Crack Ignaz: Boah, ich war schon gestresst – aber auf eine gute Art und Weise. Es war extrem spannend und wirklich gut für mich, alles.
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Wie kommst du mit dem Tourleben klar?
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Crack Ignaz: Ich hatte jetzt erst die erste Kostprobe mit der »Niemand hat die Absicht wieder auf Tour zu gehen«-Tour mit Gold Roger, Veedel Kaztro und Johnny Rakete, da waren wir vier Tage unterwegs. Ja, ist schon zach. (lacht) Wirklich heftig. Da muss man schon auf sich schauen. Aber mir macht das irrsinnig viel Spaß. Man sieht viel und trifft die unterschiedlichsten Leute. Wenn das Publikum mitmacht, ist es sehr geil. Wir spielen meistens so 30 Minuten, zuletzt auch mal 45.
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Wandl: Ich mache den DJ und Back-Up mit runtergepitchter Stimme. Das funktioniert auch sehr schön so.
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Welches der Alben ist wohl die bessere Live-Platte?
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Crack Ignaz: Puh, ich glaube »Kirsch« ist die bessere Club-Platte, aber »Geld Leben«… vielleicht ist das für zweierlei Publikum. »Geld Leben« ist vielleicht besser fürs Konzert, »Kirsch« eher für den Club. Was meinst Du?
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Wandl: Ich stimme zu.
- »Wir waren einfach angepisst auf die Allgemeinheit.« (Wandl) Auf Twitter teilen
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Ein paar neue Facetten gibt es ja schon – den angepissten Ignaz zum Beispiel. Was war bei »Rawness« los?
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Crack Ignaz: Ja, auf jeden Fall schlechte Laune… Du weißt das sicher noch besser, oder?
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Wandl: Ja, das war eigentlich ziemlich am Anfang, als wir uns zusammengesetzt haben, um am Album zu arbeiten. Wir hatten beide so Geschichten am Laufen in Wien, in der sogenannten Szene. Label-Shit und keine Ahnung. Es kamen sehr viel Dinge zusammen, die uns angepisst haben und wir haben viel drüber gelabert. Wir waren einfach angepisst auf die Allgemeinheit.
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Es gibt mehrere Hipster-Lines auf der Platte…
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Crack Ignaz: Ja, diverse. Ich hab ein Problem mit Wiener Hipstern.
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Wo hängen die so rum in Wien?
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Crack Ignaz: Ja, also… (lacht)
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Wandl: Nah, nah, nah!
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Crack Ignaz: Das darf man doch schon sagen!?
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Wandl: Das darfst du nicht sagen.
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Crack Ignaz: Wandl verbietet mir darauf zu antworten. Da hängt er nämlich immer rum. Bitte vermerken: Ignaz ist irritiert von Wandls Nervosität bezüglich des Themas. (lacht)
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Wandl: Nah, aber diese Leute braucht man wirklich nicht dissen.
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Heute war ja Interviewtag. Hat heute schon jemand Based-Bap gesagt?
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Crack Ignaz: Uarh, nein!
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Wandl: Gott sei Dank noch nicht.
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Oder Boom-Based?
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Crack Ignaz: Nah, ganz schlimm. Ganz schlimm. Nein, noch nicht, aber es waren schon ein paar Vögel hier.
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Wen sprichst du in »Wellen« an?
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Crack Ignaz: Das ist doch eigentlich ein Monolog, oder?
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Aber der ist ja an jemanden gerichtet: »Du hörtest AC/DC, ich J Dilla« …
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Crack Ignaz: Genau, genau. Du hast Recht. Das ist fast schon ein bisschen zu privat, aber… Es war so: Wandl hat den nächsten Beat präsentiert und für mich war der erste Impuls, so etwas machen zu wollen. Ich bin dann mit dem Beat im Ohr heimgewand(e)lt. Es ist schwer zu sagen – einerseits ist es ein Monolog, weil ich den vor mir her rede, aber es hat Elemente aus der Realität… ist mir zu abstrakt, das zu erklären. Ich habe den Text aber grob vorher aufgeschrieben.
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Wie viel schreibst du denn überhaupt auf? Hooks zum Beispiel? Oder ganz allgemein: Wann ist euch klar, dass es nur einen Satz, ein Wort, eine Silbe braucht?
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Juicy Gay: Voll unterschiedlich. Wenn man es fühlt, ist sie fertig.
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LGoony: Bei mir zum Beispiel steht und fällt der Song immer mit der Hook. Ich fange immer damit an und wenn die noch nicht sicher steht, fällt es mir auch schwerer, die Parts zu schreiben. Einfach weil die Hook den Vibe vorgibt. Ich picke auch die Beats nach den Hooks – wenn mir da was einfällt, nehme ich den Beat.
- »RIP das Rap Game!« (Crack Ignaz)Auf Twitter teilen
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Bei euch spielt Sprachmelodie ja auch eine viel größere Rolle als bei den meisten.
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Crack Ignaz: Ja. RIP das Rap Game. (Gelächter)
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Juicy Gay: Das wird dann bitte die Überschrift.
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Crack Ignaz: Also bei mir ist die Herangehensweise immer unterschiedlich. Manchmal zieht der Beat mich sofort ins Schreiben rein und dann kann es sein, dass der Text mich zu einer Hook verleitet – oder ich höre die Hook einfach sofort. Aber wie Juicy und Goony schon gesagt haben: Das mit der Hook muss man einfach spüren. Wenn man anfangen muss zu tüfteln, ist es eigentlich schon vorbei.
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Werdet ihr auf den »arte«-Beitrag oft angesprochen?
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Wandl: Seit gestern, ja.
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Juicy Gay: Stimmt. Am Ende sieht man Ignaz mit Hustensaft Jüngling. Bester Cloud Rap. (lacht)
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Das mit dem Cloud Rap verstehe ich nicht…
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LGoony: Das ist scheinbar ein Trendbegriff, der jetzt jedem vorgehalten wird.
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Juicy Gay: Was für Cloud Rap, Alter?
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Crack Ignaz: Ich glaub, Journalisten sind da Schuld.
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Dj Heroin: Und YouTube-Kommentare.
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Juicy Gay: Dat Adam ist schuld. Muss man nicht anklicken.
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Ja, aber Cloud Rap war vor ein paar Jahren ein Witz, ein Notbehelf, um so Sachen wie Issue, Main Attrakionz und Co. spaßeshalber zu umschreiben. Wie faul kann man denn sein, das für euch jetzt wieder aufzuwärmen?
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Dj Heroin: Eben – und Main Attrakionz waren ja die einzigen, die sich selbst als Cloud Rap gelabelt haben. Die haben das ja quasi für sich benutzt. Oder die Friendzone-Producer-Alben – das waren halt alles Instrumentals. Sogar A$AP Rocky wurde schon bei seinem ersten Mixtape damit betitelt.
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LGoony: Da hat es ja auch noch Sinn gemacht.
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Crack Ignaz: Es passiert einfach gerade sehr viel in der Szene und es ist halt einfach praktisch, möglichst vielen Leuten ein schönes Label zu geben und zu sagen: »Das ist jetzt der neue Shit, lest meinen Artikel.«
- »Wir haben einfach gemeinsam Geräusche gemacht.« (Crack Ignaz)Auf Twitter teilen
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Als ich vor etwa einer halben Stunde die erste Frage stellen wollte, wäre diese gewesen, wie es denn war, mit nur einem Producer zusammen zu arbeiten.
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Crack Ignaz: Ich mag das voll gerne. Dadurch, dass man nur einen Producer hat – gerade so jemanden wie Wandl, der richtig krasse Scheiße zu bieten hat – schafft der es immer wieder, einen konstant zu pushen. Ich finde das dope. Da kommt man auf einmal unbewusst irgendwo an, wo man sich im Nachhinein dann wundert. Es ist eine Reise. Was ich an dem Projekt toll fand: Wir hatten gar kein Konzept. Wir haben einfach gemeinsam Geräusche gemacht.
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Wandl: Ich mache ja eigentlich nicht so oft Kollabos. Und manchmal sitzt man da zusammen und überlegt sich genau, wer was macht. Am Anfang kann es schwer sein, in die eigentliche Arbeit reinzukommen. Wenn ich mit Ignaz Musik mache, ist es einfach das Angenehmste, was man sich vorstellen kann.
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Crack Ignaz: Wenn das deine Freundin hört.
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Wandl: Nah, aber es ist einfach cool, wenn man sich zu zweit auf eine Idee komplett einlassen kann, ohne das groß zu hinterfragen. Das ist extrem spannend. Mittlerweile kann ich das Album auch wieder hören. (lacht)
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Wie lange braucht ihr da in der Regel zwischen Musik machen, releasen und wieder hören können?
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Wandl: Schon einige Wochen. Ich habe mich teilweise ziemlich gestresst nach dem Mastering. »Fuck Oida, kann man das überhaupt raushauen?« Das ist aber auch wichtig, glaube ich, dass man etwas komplett hinterfragt, nachdem man es fertig gemacht hat. Und wenn man es dann noch mal schafft, es zu mögen, dann hat es Qualität. Den Abstand zu bekommen ist aber ganz schwer, teilweise. Ich habe auch Projekte oder Tracks rausgebracht, die ich bis heute nicht hören kann.
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Crack Ignaz: Ich bin noch nicht soweit, aber es passiert langsam. Ich hab jetzt schon die ersten paar Tracks wieder ins Herz geschlossen. Aber ich brauche noch Distanz. Wir haben uns halt recht lang in die Wandl-Dungeons begeben und er hat produziert, während ich geschrieben habe und dazwischen haben wir viele tiefgründige Gespräche geführt… dezent abgeturned, auch.
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Wandl: Für »Geld Leben« haben wir schon immer vier Tage am Stück durchgearbeitet, dann ein bisschen gechillt und uns dann wieder zusammengesetzt. Deswegen ist das auch so schnell gegangen. Wir haben jeden Tag abgehangen und haben nichts anderes gemacht.
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Crack Ignaz: (flüstert) Sehr konzentriert!
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An wie vielen Sachen arbeitest du gerade parallel, Wandl?
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Wandl: Zu der Zeit habe ich echt nur an dem Album mit Ignaz gearbeitet. Es wäre auch nicht anders gegangen. Auch nachdem »Geld Leben« fertig war, habe ich noch ziemlich viele Beats gemacht – er hängt halt etwas nach mit dem Schreiben. Eigentlich habe ich den Flow direkt verwendet und an Sachen weiterproduziert, die eindeutig Ignaz-Beats waren. Aber langsam setze ich mich wieder an Solo-Sachen, bei denen ich singe und so ein Scheiß. Das kommt dann nächstes Jahr.
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Nach deiner letzten EP hätte man ja denken können, dass da zuerst ein Solo-Album kommt.
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Wandl: Ja, ich werde da auch wieder mehr machen. Das Projekt mit Ignaz war halt irgendwie schon lang in der Luft. Ich habe ihn dann angerufen und gesagt. »Hey fuck, wir müssen ein Album machen!« Die Woche drauf haben wir uns zusammengesetzt und die ersten Tracks gemacht. Das war relativ spontan und da haben wir uns nur auf das konzentriert. Aber es wird wieder Solo-Sachen geben.
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Auf welchem Song war diese Anti-Realness-Line nochmal?
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Crack Ignaz: Ah, »Schwarze Dünen«, glaube ich, oder?
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Juicy Gay: Wenn einem nix mehr einfällt, immer irgendwelche Realkeeper dissen.
- »Realness ist überschätzt, Rawness ist viel wichtiger.« (Wandl)Auf Twitter teilen
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Realness ist doch komplett unangebracht im Pop, oder nicht? Die meisten Leute sind privat doch schwer langweilig, und dann machen die auch noch Musik.
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Juicy Gay: Curse’ Leben ist bestimmt schon spannend. Joke. Sein Leben ist nicht spannend.
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Wandl: Ich glaube wir sind… Also, wie soll ich das sagen? Sag du lieber was.
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Crack Ignaz: Die Realness zeigt sich bei uns darin, dass wir die Realness nicht in die Kunst einfließen lassen. Keine Ahnung, was das jetzt heißt. (lacht) Ab und zu sind wir auch so wie auf einer Platte. Ich hab so Phasen.
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Wandl: Der Humor spielt auch eine riesige Rolle. Gerade im Rap und speziell beim Ignaz. Realness ist überschätzt, Rawness ist viel wichtiger.
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Österreich hat auch eine bessere Humortradition. Wer sind da eure Favoriten?
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Crack Ignaz: Vom Humor her? Ja, Hader! Ein Spitzenkabarettist. Wir haben uns grad vorgestern Gunkl angeschaut, der ist sehr verkopft.
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Wandl: Der ist fast mehr Philosoph als Kabarettist.
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Crack Ignaz: Wer ist noch lustig? Jazzy Dick ist lustig.
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Wer ist das?
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Crack Ignaz: Young Krillin. (Gelächter) Aka Jazzy Dick.
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Welche Rolle nimmt der bei euch eigentlich ein? Von ihm hört man ja immer, dass er euch vieles an Musik gezeigt hat.
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Crack Ignaz: Als ich angefangen habe, Musik zu machen und diese ganze Hanuschplatzflow-Sache ins Rollen kam, da war Young Krillin die erste Person, mit der ich Musik gemacht habe. Er war immer eine wahnsinnige Inspiration für mich. Er ist undefinierbar, aber er war und ist immer noch irgendwie Mitglied vom Hanuschplatzflow.
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Der Name ist aber keine Dragonball-Referenz, oder?
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Crack Ignaz: Doch doch, ja.
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Juicy Gay: Das ist doch voll offensichtlich, oder nicht?
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Naja, der könnte ja auch im echten Leben Jan Krillen heißen oder so.
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Crack Ignaz: Nah, das ist auf jeden Fall eine Dragonball-Anspielung. Zu der Zeit, als er sich den Namen gegeben hat, hatte der auch noch eine Glatze. Kuririn ist sicherlich auch seine Lieblings-Dragonball-Figur. Aber schon ein geiler Name.
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Und was macht ihr mit der Platte jetzt? Plant ihr Wandl-&-Crack-Ignaz-Konzerte?
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Crack Ignaz: Also, charten erstmal! Fünf mal Platin. Robin Schulz soll einen Remix machen. Alle Farben auch. Aber mal schauen. Ich freue mich darauf, zu sehen, was die Leute daraus machen und was jetzt passiert. Touren wäre auf jeden Fall dope, aber mal schauen.
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Wandl: Wir gehen erstmal mit LGoony auf Tour, da werden wir schon ein paar Tracks spielen von »Geld Leben«. Das machen wir im Januar, Februar.
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Und was hört ihr so für Musik gerade?
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Crack Ignaz: Konkret ist das schwer zu sagen, ich bin allgemein auf Chicago Drill hängengeblieben. Ich habe aber auch wieder etwas Klassik gehört. Wie heißt der Typ? George Enescu! Auch etwas Brahms. Swag! Aber ich feiere Brahms überhaupt nicht, muss ich sagen. Ich find den so bobo, so bourgeois find ich den. Ich mag den überhaupt nicht. Der ist emotional so eingeengt und bricht nicht so richtig schön aus in diese klassischen Fabelwelten, die ich so feiere. Aber, ja: Klassik und Drill.
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Ich hatte das gar nicht so mitbekommen, dass Alki David, dieser schmierige Westküsten-Milliardär, Chief Keef gesignt hat…
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Crack Ignaz: Ja, der hat da doch einen Sieben-Alben-Deal mit dem gemacht. Dirty.
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Dj Heroin: Keef hat doch sogar sein eigenes Kind nach dem Label benannt. Oder nach der Internet-Seite… ernsthaft, FilmOn.com (Gelächter)
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Wandl: Zu nasty, Oida.
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Dj Heroin: Der wurde jetzt aber wieder gedroppt. Ey, ich gucke einfach zu viel DJ Akademiks und War in Chiraq. Ich schaue das nur – jedes neue Video. Jedenfalls war es wohl so, dass die Glo-Gang eine Tour gemacht hat, aber das Label Film On hatte eine individuelle Tour geplant. Das Chief-Keef-Camp hat dann seine eigene Tour, ohne das Okay des Labels gemacht.
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LGoony: War da nicht irgendwas mit Kinderschändern?
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Crack Ignaz: Ja, irgendwas war da. Da ging es um ein Feature mit nem Typen, der aber gebusted worden ist, weil sie irgendwen umgebracht haben.
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Wandl: In der Zeit von »Geld Leben« haben wir aber auch extrem viel Musik gehört. Alles eigentlich. Sehr viel Jazz – aber das läuft eh immer. Jetzt gerade höre ich Cannonball Adderley, der ist dope. Da kipp’ ich ziemlich rein. Ich bin eh konstant am Samples diggen. Wir haben von Drill bis Jazz bis Psychedelic Rock und Neunziger-Sachen alles gehört.
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Crack Ignaz: Gerade die ursprünglichen Samplequellen haben wir uns gegönnt. Aber die Musik, das ist alles die Magie des Wandl.
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Haben wir was vergessen?
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Wandl: Haare!