Gibmafuffi »Die Leute hatten einfach genug von hingerotzten Parts und Plastikbeats.«

Nach dem Fast-Instrumentaltape »Trinkhallenromantik« veröffentlicht Gibmafuffi jetzt das Fast-Instrumentalalbum »Spielschulden«. Fast, weil darauf nicht nur knisternd-rumpelnde Samplebeats, sondern mit eloQuent und Döll auch zwei extrem gute MCs zu hören sind.

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Gibmafuffi sitzt gerne an Maschinen. An solchen, die bei geschicktem Handling aus einem Euro vielleicht zwei, drei oder fuffzig machen. An solchen, die bei bestimmten Tastendruck Beats wie die auf seiner neuen LP »Spielschulden« ausspucken. Im Interview erzählt der Offenbacher, der als eine Hälfte von The Factory auch Musikvideos für Kollegah, Genetikk sowie Mädness und Döll dreht, von seinen Leidenschaften für Sampling und Spielautomaten.

  • 2010 hast du das erste Mal eine MPC in die Hand genommen, richtig?

  • Ein guter Freund namens Pawl war bei mir zu Besuch, hat mir eine MPC1000 hingestellt und mir bestimmte Arbeitsabläufe gezeigt. In der Nacht hab ich mir dann einfach eine Millie-Jackson-Platte geschnappt und direkt zwei Beats gebaut. Am nächsten Morgen habe ich sie ihm dann vorgespielt und er war erstaunt darüber, was ich da gemacht hatte. Er meinte direkt, dass ich Talent habe und weiter daran arbeiten soll. So bin ich in die ganze Sache reingestolpert.

  • Hast du davor schon mal mit dem Gedanken gespielt, Musik zu machen?

  • Ich war schon immer ein extremer Musikkonsument und habe auch schon in meiner Jugend Vinyls gesammelt. Zu der Zeit hatte ich mehrere Freunde, die Beats gebaut haben. Ich fand das immer faszinierend. Aber die Möglichkeit es selber mal auszuprobieren, kam dann doch erst recht spät.

  • »Wenn man HipHop ernsthaft hört, dann setzt man sich früher oder später mit der Samplekultur auseinander.«Auf Twitter teilen
  • Gingen deine Beats von Anfang an in die Sample-Richtung? Oder anders: Was hat dir am Samplen so gut gefallen?

  • Wenn man HipHop ernsthaft hört, dann setzt man sich früher oder später mit der Samplekultur auseinander. Mit 16 oder 17 Jahren war es für mich unglaublich spannend zu hören, wie ein Producer ein Sample genutzt hat. Das hat mich schon immer fasziniert. Auf diesem Weg habe ich dann auch meine Liebe zu Soul und Jazz entdeckt.

  • Welche Musik samplest du am liebsten? Und wo bekommst du die Sachen her?

  • Am meisten eigentlich Soul aus den 70ern und Drums aus den 60ern. Aber an sich ist das komplett offen. Vieles finde ich auf dem Flohmarkt – je skurriler die Platte, desto besser. Insgesamt halte ich es da wie Suff Daddy. Der hat mal gepostet, dass es ihm total egal ist, wo das Sample herkommt, digital oder Vinyl ist ihm nicht wichtig. Wenn ich etwas Dopes auf YouTube finde, dann wird auch das einfach mal genutzt. Ich habe da selbst keine Dogmen und finde es auch nicht sinnvoll, sich da aufgrund eines Realness-Gedankens einzuschränken.

  • Ist das im Hinblick auf die Klangqualität auch egal, ob es echte Vinyl-Platten oder YouTube-Rips sind?

  • Da gibt es sicherlich einen Unterschied. Oft nehme ich ja nur bestimmte Töne oder Frequenzen aus einem Sample und versuche diese dann auch aufzuwerten, falls mir die Qualität nicht genügt. Ich habe auch schon von VHS-Tapes Samples recordet. Für mich zählt in diesem Punkt nur das Endergebnis.

  • »Wenn ich anderen Leuten meinen Workflow erkläre, sagen die meisten, dass ich total verrückt bin.«Auf Twitter teilen
  • Wie arbeitest du dann konkret? Suchst du ein Sample – Melodie oder Drums – und legst direkt los?

  • Erst mal suche ich Drums – natürlich greife ich da manchmal auf eine Sammlung zurück, die ich im Laufe der letzten Jahre erstellt habe. Wenn ich das nicht mache, kann der Vorgang schon einige Stunden in Kauf nehmen. Danach gehe ich ans Main-Sample, das kann alles Mögliche sein. Wenn das geflippt ist, passe ich die Drums an und suche mir andere Samples für die Bassline. Wenn ich anderen Leuten meinen Workflow erkläre, sagen die meisten, dass ich total verrückt bin, weil es einfach viel zu zeitaufwändig ist.

  • Produzierst du lieber tagsüber oder nachts? Wann entstehen deine besten Beats?

  • An sich lieber nachts, da ist die Atmosphäre einfach eine andere. Ich glaube, das hört man bei diesem Album auch raus. Aufgrund meines Berufs bin ich oft einige Tage im Ausland, dort versuche ich dann gar keine Musik zu hören. Man wird heute sowieso überflutet von Massen an Spotify- und Soundcloud-Links, sodass ich froh bin, mal eine Auszeit zu haben. Wenn ich dann zurückkomme und mich ins Studio setze, entstehen tendenziell die besten Sachen.

  • Wann ist ein Beat für dich fertig?

  • HipHop ist für mich eine Momentaufnahme. Ich stehe nicht auf diese total geleckten Produktionen. Es muss rough sein und es muss Skizzencharakter haben. Ich verliere oft die Lust an Beats und hol sie dann nach ein paar Tagen raus, um sie fertig zu machen. Es gibt da keine Grundregel für mich. Aber die besten Sachen entstehen, wenn man sich nicht zu viele Gedanken macht und einfach mal sagt: »Okay, das Ding ist jetzt fertig!«

  • Wie viel Zeit investierst du nach dem eigentlichen Produzieren noch ins Mischen und Mastern?

  • Dafür geht dann doch noch mal etwas Zeit drauf, aber das hält sich bei mir alles im Rahmen. Gemischt wird alles von mir selbst, da ich ja selbst am besten weiß, wie die Sachen zu klingen haben. Gemastert hat das Album Ludwig von GKG Mastering aus München, der unter anderem die Betty-Ford-Boys-Platten gemastert hat. Ein sehr fähiger Mann, der auch privat viel Deutschrap hört. Nach meinem ersten Telefonat mit ihm habe ich gewusst, dass mein Baby in guten Händen ist. Er hat wirklich einen super Job gemacht und ich werde auch in Zukunft meine Produktionen von ihm mastern lassen.

  • Als Teil von The Factory drehst du mit deinem Bruder gemeinsam auch Musikvideos. Wie wichtig ist das Visuelle für die Produktion deiner Beats? Siehst du deine Musik beim Produzieren auch?

  • Eigentlich gar nicht – da steht dann doch die Musik im Vordergrund. Natürlich versuche ich auch mal extrem atmosphärische Sachen zu bauen wie zum Beispiel das Intro des Albums. Aber Bilder habe ich selten vor Augen, wenn ich Musik mache. Ich habe auch bis zum Schluss gar nicht gewusst, welche Tracks ich visuell umsetzen sollte für das Video. Das fällt mir komischerweise bei anderen Künstlern leichter als bei mir selbst. 

  • »Im Zuge des Vinyl-Booms der letzten Jahre ist auch BoomBap wieder größer geworden und Produzenten können Instrumentalalben releasen.«Auf Twitter teilen
  • Womit erklärst du dir die Renaissance des – sagen wir mal – BoomBap?

  • Diese Rückbesinnung auf die Wurzeln der Musik freut mich natürlich. Ich glaube, die Leute hatten einfach genug von hingerotzten Parts und Plastikbeats. Deutschrap ab 2003 hat eher dazu beigetragen, dass ich mich von der Musikrichtung entferne. Im Zuge des Vinyl-Booms der letzten Jahre ist auch BoomBap wieder größer geworden und Produzenten können Instrumentalalben releasen. In Deutschland ist so was wie eine eigene Beat-Szene herangewachsen. Vor ein paar Jahren hätte sicherlich niemand gedacht, dass das möglich wäre. Sicherlich gilt die Hi-Hat-Club-Reihe als einer der Vorreiter in dieser Entwicklung. Auch Mainstream-Künstler wie SSIO tragen ihren Teil dazu bei. Da merken die Kids, dass es doch noch etwas anderes gibt als Joshimixu-Banger – aber: no hate!

  • Das Album heißt ja »Spielschulden«. Dein Lieblingsautomat?

  • Wichtigste Frage bisher! Ich stehe auf alte Novoline-Automaten, die geben einfach am besten …

  • … was heißt: »Die geben am besten«?

  • Das bedeutet, wie viel man – prozentual gesehen zu dem, was man investiert – gewinnt. Mathematisch betrachtet geben alle Automaten natürlich gleich schlecht. Gefühlt habe ich an den alten Novoline-Automaten aber einfach am meisten gewonnen, deswegen bevorzuge ich die definitiv. Ich spiele selbst eigentlich nur Book Of Ra. Wenn es hart auf hart kommt, auch mal Triple Chance an Merkur Automaten, aber ich bin kein Fan vom Hochdrücken. Diese Typen, die auf die Taste hauen, als würde es um ihr Leben gehen – das ist nicht mein Film. Trotzdem an dieser Stelle Respekt für jeden, der das Hochdrücken beherrscht.

  • Okay, das sind für mich alles krass böhmische Dörfer. Was ist denn bitte Hochdrücken?

  • Wenn man an Merkur-Automaten eine gewisse Summe gewinnt, kann man diese bis auf 140 Euro hochdrücken. Das Ganze ist wie eine Leiter aufgebaut, auf der man quasi den Betrag durch rhythmisches Drücken entweder verdoppelt oder halbiert.

  • »Man benötigt Geduld, man sollte wissen, wann man fertig ist – und reich wird sicherlich keiner davon.«Auf Twitter teilen
  • Wie ähnlich sind sich das Spielen und das Produzieren eigentlich?

  • Für beides gilt: Man benötigt Geduld, man sollte wissen, wann man fertig ist – und reich wird sicherlich keiner davon. (lacht)

  • Geht online Zocken auch klar oder muss es fürs Feeling schon die Spielhalle sein?

  • Es gibt leider nur sehr wenige Online-Anbieter, die Rechte an Novoline-Spielen haben. Der größte Vorteil ist, dass man keine Wartezeiten bei der Einbezahlung hat. Maximaler Spielbetrag pro Spin sind in der Spielo zwei Euro, online kann man ohne Probleme 50 Euro pro Spin spielen. Online geht auf jeden Fall klar, vor allem auf einem 55-Zoll-Bildschirm. Trotzdem gehe ich lieber in die Spielo. Was das angeht, bin ich etwas altmodisch.

  • Was hältst du von Sportwetten?

  • War ich selbst nie ein Fan von, aber ich kenne Leute, die sich damit ihr Studium finanziert haben. Das ist sicherlich klüger als sein Geld am Automaten zu verschleudern. Es gibt wahnsinnig komplexe Wettsysteme, in die man sich erst mal reinlesen muss. Vielleicht werde ich irgendwann den Sprung schaffen. (lacht)

  • »Spielschulden« ist bis auf zwei Ausnahmen – Döll und eloQuent – eine Instrumentalplatte. Warum hast du die beiden dabei?

  • »In Hessen bleibt man unter sich.« – um einen der beiden Herren mal zu zitieren. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ich nicht persönlich kenne. Mit Döll bin ich jetzt seit zehn Jahren befreundet. Elo habe ich letztes Jahr kennengelernt. Beide gehören für mich unter die Top 5 in Deutschland, was MCs angeht. So war es klar, dass sie früher oder später auf meiner Platte landen. Grüße an dieser Stelle an Elo und natürlich auch an Pano aka Big P.

  • Gab es noch andere Ideen für Features? Ich weiß, dass du eigentlich durch die Bank alle Künstler und Releases aus der deutschen, aber auch internationalen Szene verfolgst. Gibt es da auch Wünsche, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht vermuten würde?

  • Loco Laca wäre geil! (lacht) Ich glaube, dem muss ich mal ein paar Sachen rumschicken. Ansonsten bin ich für vieles offen – solange man sich persönlich trifft und an Sachen arbeitet, ist das cool. Ich hätte auch mal Lust, eine ganze EP mit nur einem MC zu machen – mal sehen was die Zukunft bringt.