Olson »Die Frage war: Was erzähle ich denn jetzt?«

Es gab da mal so ein Movement im Deutschrap, das war gar keins: Als Falk Schacht Ende 2011 bei »Mixery Raw Deluxe« Rockstah, Ahzumjot, Cro, kaynBock, die beiden Jungs von eou und Olson als »Die neue Reimgeneration« vorstellte, rieb sich manch einer verwundert die Augen.

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Alle trugen sehr enge Hosen, diese Gemeinsamkeit war offensichtlich.  Aber sonst? Mittlerweile weiß man, was aus den Protagonisten dieser vermeintlichen neuen Bewegung geworden ist – mal was ganz Großes, mal nicht. Was Olson angeht, passierte zunächst einmal: gar nix. Seine neue Wahlheimat Berlin nahm ihn in puncto Nachtleben und Nichtstun sehr in Anspruch, trotzdem blieb er bei vielen Fans auf dem Schirm – wenn auch oft als der Typ, der irgendwann ein Album beim Major macht und schöne Klamotten trägt. Nun hat er es jedoch geschafft. Man trifft sich zum Interview in der Universal-Etage mit dem schönsten Ausblick der Musikindustrie, »Ballonherz« ist fertig und kann kommen. Natürlich gibt es da Erwartungen beim Publikum, nach so langer Zeit. Und Olson hat an diesem Punkt eine wichtige Wegmarke seiner Karriere erreicht – was als nächstes passiert, wird sich zeigen. Ein guter Moment, um über Erfolg und den Weg dahin zu sprechen.

  • Was bedeutet Erfolg für dich?

  • Da müsste man jetzt unterscheiden zwischen beruflichem Erfolg, musikalischem Erfolg oder persönlichem Erfolg.

  • Bei dir ist ja beruflich und musikalisch jetzt quasi dasselbe.

  • Genau, das überschneidet sich. Dann würde ich das mal als beruflichen Erfolg zusammenfassen: Den sehe ich in meiner Situation noch nicht eingetroffen. Ich hab jetzt Musik gemacht, sie Leuten gezeigt und die meinten, das wäre gut und sie wollten das rausbringen. Die haben mir Geld gegeben, damit ich die Leute bezahlen kann, mit denen ich die Musik gemacht habe. An der anderen Front werde ich den Festivals und Veranstaltern angeboten, und dann sagen die: Ja, wollen wir machen. Und in diesem großen Ding hab ich eben »nur« die Musik gemacht. Wenn das jetzt rauskommt und sich so gut verkaufen sollte, dass die Leute, die mir das ermöglicht haben, sagen: Okay, das machen wir für das nächste Album noch mal – dann hätte sich bei mir Erfolg eingestellt. Was aber hier für den Chef von Universal noch kein Erfolg wäre. Persönlicher Erfolg hingegen ist: zufrieden und mit dem, was man tut, glücklich zu sein.

  • Man hatte dich ja schon lange auf dem Schirm, aber es kam nun eine ganze Weile nichts von dir raus. Es war lang nicht klar, wie und wann das Album denn nun passieren würde. Ist es für dich ein persönlicher Erfolg, jetzt hier zu sein?

  • Ich fühle mich jetzt eher erleichtert als erfolgreich. Weil ich es endlich mal geschafft habe, ein Album fertig zu machen. Und weil ich jemanden gefunden habe, der es rausbringt. Diese Erleichterung überschattet auf jeden Fall das Erfolgserlebnis. Irgendwelche Ängste hab ich gerade nicht. Außer, dass es jetzt so sehr nach hinten losgeht, dass Universal sagt: Da ist die Tür, das nächste Album kannste alleine machen.

  • »Ich finde sozialkritische, politische Rapmusik furchtbar, weil sie meistens nicht gut umgesetzt ist.«Auf Twitter teilen
  • Warum hat es überhaupt so lang gedauert?

  • Einerseits, weil ich nicht wusste, wo es hingehen soll. Ich hab mittlerweile zur Genüge davon erzählt, wie bitter es doch ist, am Wochenende so viel zu feiern und am Montag wieder in die Uni zu müssen. Dass alles so schrecklich und mein Leben so furchtbar ist. Ich hab irgendwann gemerkt: Jetzt reicht es auch. Die Frage war: Was erzähle ich denn jetzt? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Dann hab ich angefangen, in Berlin mit Produzenten zusammenzuarbeiten, mit Songwritern. Da hatte ich die Hoffnung, dass die mir so ein bisschen den Weg ebnen. Das hat aber nicht hingehauen, weil ich mich nicht damit identifizieren konnte. Die haben eben nicht gerafft, dass man egal, wie poppig es wird, im Rap-Bereich immer noch eine gewisse Kredibilität bewahren muss. Das waren so schlageresque Dinger, die da in den ersten Sessions entstanden sind. Das ging überhaupt nicht klar. Also hab ich mir selbst beigebracht wie man Songs schreibt, indem ich mir bei iTunes alle erfolgreichen Pop-Alben der letzten Jahre gegönnt und dort gekuckt habe, wie man das macht – vom Technischen, vom Handwerklichen her. Ich hab dann angefangen, ein paar Songs zu schreiben. Ende 2012 haben wir den ersten Song aufgenommen, im März 2014 den letzten, was jetzt wirklich keine lange Entstehungszeit ist. Aber das ganze Drumherum, erst mal da hinzukommen und herauszufinden, was man überhaupt machen soll, das hat extrem lang gedauert.

  • In deinen bisherigen Veröffentlichungen findet sich zwar schon ein roter Faden, trotzdem unterscheiden sie sich auch stark voneinander. Wie findet man denn raus, was man eigentlich machen will?

  • Die Geschichten damals, die haben mir schon gut gestanden. Weil ich das aus voller Überzeugung gemacht hab und voll down mit dem war, was ich da erzähle. Hättest du mich damals gefragt, hätte ich gesagt: Das ist genau das, was ich mein Leben lang machen will. Aber dabei hab ich nicht berücksichtigt, dass ich ja mal älter werde und andere Dinge erlebe, als im Yard Bahnen zu malen und mich an Karneval mit irgendwelchen Heinos zu prügeln. Das war eben damals das, was mich bewegt hat. Für jemanden mit richtigen Problemen ist auch das Album jetzt einfach nur eine Anhäufung von Nichtigkeiten, das weiß ich. Aber das sind einfach Dinge, die mich inspirieren, die ich gerne in Songs verpacke und die ich auch gern von anderen Sängern, anderen Rappern höre.

  • Trifft dich das, wenn dir Leute vorhalten, du hättest keine richtigen Probleme?

  • Das ist mir vollkommen bewusst. Aber worüber soll ich auch reden? Ich finde sozialkritische, politische Rapmusik furchtbar, weil sie meistens nicht gut umgesetzt ist. Ich könnte das auch nicht gut. Ich finde lustigen Rap furchtbar, ich finde Horrorcore- und Splatter-Rap furchtbar (lacht), aber ich rappe einfach gerne und mach gerne Mucke. Und dann erzähle ich einfach über die Dinge, die mir so widerfahren. Und wenn da nun jemand drauf zeigt und sagt, das wären völlige Luxusprobleme, dann ist mir das bewusst! Aber vielleicht kann da irgendein anderer was rausziehen und sagt: Ja, so geht’s mir auch. Oder: Ich höre das auf der Busfahrt, weil es mir irgendwas gibt – dann ist das schon cool.

  • »Ich provoziere Menschen bis aufs Blut – nur mit meiner Erscheinung.«Auf Twitter teilen
  • Was sind denn eigentlich deine Probleme? Warum ist deine Musik nicht nur gut gelaunt?

  • Immerhin ist sie mittlerweile nicht mehr nur schlecht gelaunt. Das ist ja schon mal ein Fortschritt. Gerade hab ich eigentlich keine großen Probleme. Mir fällt nichts ein, worüber ich jetzt mein Herz ausschütten könnte. Ich kann mich nicht beschweren.

  • Bis zum Album ist viel Zeit vergangen, der Zeitgeist ändert sich, die Geschmäcker der Fans ändern sich. Wie viele Gedanken hast du dir darüber gemacht, ob du nun eventuell zu spät kommst oder gerade jetzt mit dem Album zur richtigen Zeit am richtigen Ort bist?

  • Gar nicht. Ich hab mir mehr Gedanken über die Qualität gemacht. Diese EP, die ich mal gemacht hab und die ich mittlerweile richtig furchtbar finde – die sollte ja eigentlich mal ein Album werden. Letztendlich fand ich es nicht gut genug. Aber ich hatte da 600 Euro reingebuttert, was damals für mich die Welt war. Das konnte ich nicht einfach auf meiner Festplatte versauern lassen, also gab ich das hiphop.de und die brachten das raus. Das hätte rückblickend nicht sein müssen. Also dachte ich: Den nächsten Schritt überlegst du dir jetzt gut. Bring nicht einfach was raus, um was rauszubringen. Sondern erst dann, wenn ich finde, das ist cool. Deswegen war mir der Zeitpunkt egal. Wenn das noch zwei Jahre länger gedauert hätte und Rap dann schon wieder out gewesen wäre, hätte ich halt Pech gehabt. Aber dann wäre ich trotzdem mit dem Album zufrieden gewesen.

  • Was ist anders, wenn man mit so einer großen Maschine hinter sich arbeitet, was die Kontrolle über das Projekt angeht?

  • Was das künstlerische Schaffen angeht, war ich gar nicht limitiert. Ich hab mein Demo hier abgegeben, und da hieß es nur: Weiter so! (lacht) Dann hab ich eben so weitergemacht. Später wurde schon an der ein oder anderen Stelle gesagt: Die Formulierung gefällt mir nicht so gut. Aber ich hatte immer noch das Recht zu entscheiden, ob ich so was annehme oder nicht. Ich hab ganz viel nicht angenommen. (lacht) Und dann fängt es irgendwann an mit Masterabgabe, wo man dann natürlich weiß: Zu dem Zeitpunkt muss es wirklich fertig werden. Aber ich war mit meiner Arbeit relativ zeitig fertig. Der Produzent hatte eigentlich den Stress. Ich muss am Ende schon drüberhören und kucken, ob das alles so ist, wie ich mir das vorstelle, aber ich kam eigentlich immer nur zum Absegnen vorbei.

  • Was du trägst, wie du über solche Dinge auch in der Musik sprichst, wie die Videos aussehen – da wird ja schon ein ganz bestimmtes Image kreiert. Wie viele Gedanken machst du dir über deine Außenwirkung? Viele, oder?

  • Ja. Aber nicht mehr in dem Sinne: Wie setze ich mich in Szene, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen? Sondern mittlerweile denke ich mir: Wie setze ich mich am besten in Szene, um nicht noch mehr Menschen auf die Palme zu bringen? Ich provoziere ja Menschen bis aufs Blut – nur mit meiner Erscheinung. (lacht) Das ist so krass. Ich ziehe halt in Videos an, was ich auch so normal anziehe. Und ich merke es an Reaktionen im Internet und auch auf der Straße, dass die Leute das voll abfuckt. Die werden richtig wütend! (lacht)

  • Woran liegt das?

  • Ich weiß nicht. Ich ziehe Sachen an, die anderen Menschen nicht gefallen, klischeebehaftet sind oder auch einfach nicht als besonders maskulin gelten. (lacht) Aber ich mag das halt. Ich würde die Sachen nicht anziehen, wenn sie mir nicht gefallen würden. Was meine Außenwirkung angeht, mache ich mir gerade Gedanken, wie ich mehr die Farbe Grau sein könnte, als die Farbe Pink. (lacht) Aber natürlich ohne dadurch meine modischen Vorlieben komplett zu vernachlässigen.

  • »Ich bin rumgehangen, hab gefeiert und Blödsinn gemacht. Aber Hauptsache, die Haare sitzen gut.«Auf Twitter teilen
  • Warum bist du James fuckin‘ Dean? Was bedeutet das?

  • Ich bin ja nicht James fuckin‘ Dean.

  • Der war auch schon tot, als er so alt war wie du.

  • Ja, 24. Aber er sah älter aus. Die einzige Parallele ist eigentlich, dass er aus einem kleinen Dörfchen nach Hollywood gezogen ist, um als Schauspieler berühmt zu werden. Ich bin aus meinem kleinen Dörfchen nach Berlin gezogen, um mit der Musik etwas zu erreichen. Und da hört es auch schon auf. (lacht) Die eigentliche Aussage von dem Song ist, dass ich nach Berlin gezogen bin und man mir hier alle Möglichkeiten vor die Füße gelegt hat: Hier ist ein Verlag, hier ist ein Vorschuss, hier ist ein Produzent, oh, und es gibt hier noch ein Paket von Nike. Ohne, dass ich irgendwas dafür gemacht habe. Ich dachte: Geil, ich muss überhaupt nix mehr machen, es läuft ja so schon super. Und dann hab ich eben ganz lange nix gemacht. Aber natürlich auch keine Erfolgserlebnisse gehabt in meinem Alltag. (lacht) Ich bin halt rumgehangen, hab gefeiert und Blödsinn gemacht. Aber Hauptsache, die Haare sitzen gut. Ich hab keinen Cent in den Jeans, ich krieg nix auf die Kette, aber ich geh raus und verhalte mich so, als wäre ich ein James Dean. Das will ich damit sagen.

  • Glaubst du, dass sich damit viele Leute identifizieren können? Oder kann es sein, dass du die Leute damit noch mehr abfuckst?

  • Das fuckt natürlich extrem viele ab, aber es gibt auch viele Kids, die sich damit identifizieren können. Schau mal bei Instagram, da gibt es voll viele Dudes, die mit dem Hashtag #jamesdean Selfies von sich machen. Die haben extrem schönes Haupthaar, aber bestimmt gerade ‚ne Fünf in Französisch geschrieben. Und das ist dann wahrscheinlich etwas, womit sie sich identifizieren können.

  • Deine Platte kommt sehr zeitnah zum Album von Ahzumjot. Ihr habt vermutlich dieselbe Zielgruppe, wurdet lange als Hoffnungen einer bestimmten Generation im Deutschrap wahrgenommen und bringt beide nun nach langer Produktionsphase ein Majordebüt raus. Was denkst du dazu?

  • Ich dachte ja, dass ich in Interviews jetzt andauernd darauf angesprochen werde. Aber bisher hat mich noch niemand danach gefragt. Man hätte das vielleicht so auslegen können, dass wir krasse Konkurrenten wären. Aber gar nicht. Er hatte halt dieses »Monty«-Ding und das war – bei ihm ja viel krasser als bei mir – gleich so ein Journalisten-Hype. Stephan Szillus, Falk Schacht, alle waren so: Das ist Ahzumjot, der wird der nächste King. Und dann sind langsam die Leute nachgezogen. Bevor er überhaupt Fans hatte oder Leute, die seine Musik feiern, wurde er schon direkt auf den Thron gehievt. Und das ist, glaube ich, noch mal eine schwierigere Situation als die, in der ich war. Wahrscheinlich hat er sich auch unter Druck gefühlt. Er war ja dann gleich mit Casper auf Tour, dann diese Crockstahzumjot-Nummer … Er wurde direkt nach vorne geschoben, von wegen: Hier isser, der Neue. Und deswegen hat er dann wohl auch versucht, ein Album zu machen, das dem Hype gerecht wird. Und jetzt sind wir zufällig beide gerade jetzt fertig geworden! (lacht) Aber ich finde das cool so, ich mag ihn sehr. Wir haben ja auch denselben A&R und der meinte, es geht in unterschiedliche Richtungen, er würde da schon aufpassen. Ich nehme das jedenfalls nicht als Konkurrenzkampf wahr. Und ich sehe auch nicht die Gefahr, dass einer von uns beiden untergehen könnte, wenn der andere extrem erfolgreich werden sollte.

  • Was glaubst du, was ist für dich mit dem Album und deiner Karriere insgesamt noch so drin an Erfolg?

  • Ich glaube, dass durch das Album nach und nach Hörer erreicht werden. Ich glaube nicht, dass das Album rauskommt und es macht peng, ich geh auf die Eins und krieg Gold. Ich finde, es ist ein schönes Album. Und ich glaube, es gibt Leute, die das auch schön finden und gerne hören werden. Das könnte sich vielleicht rumsprechen. Ich spiele jetzt auch eine Tour in ganz kleinen Läden und glaube auch nicht, dass die Leute da bis 100 Meter vor der Tür stehen werden. Bei mir ist alles bisher gesund gewachsen und ich glaube, es wird auch weiterhin so bleiben.

  • Was machst du dann in fünf Jahren?

  • Vermutlich immer noch schreiben. Aber vielleicht hab ich dann das Rappige verloren und mach knallharten Singer-Songwriter-Scheiß, wer weiß?

  • Kannst du schon Gitarre spielen?

  • Nee, leider nicht. Aber ich schreibe mittlerweile auch mit anderen Leuten für andere Leute. Und das ist noch ein Plan B, wenn es gar nicht funktionieren sollte.