Ta-Ku »Die Beat-Szene diktiert die Trends, die die Pop-Welt adaptiert.«

Von den einflussreichen Kreativ-Kollektiven der Welt umgarnt, eroberte der australische Produzent Ta-Ku die Cloud, füllt mittlerweile Hallen in der Heimat und gilt – neben seinen Kumpels Chet Faker und Flume – als einer der größten Popstars der Stunde in Down Under.

Ta-ku

Der selbsternannte Genre-Killer Ta-Ku ist Barbershop-Besitzer, Online-Unternehmer, Hobby-Fotograf, Instagram-Star, Red Bull Music Academy-Alumni und Asket, der den Genussmitteln der modernen Welt entsagt. Mit zukunftsweisendem Traditionalismus und verträumten Arrangements balanciert Ta-Ku wie kaum ein Bedroom-Producer seiner Generation zwischen Mainstream und Soundcloud. Wir gönnten uns ein Ferngespräch nach Down Under zu mitternächtlicher Ortszeit, wo Ta-Ku gerade Feierabend macht – oder zumindest das, was der Allround-Hustler darunter versteht.

  • Du warst gerade für einen Kamerahersteller in Japan unterwegs. Was genau hast du dort gemacht?

  • Die Firma hat eine neue Kamera gelauncht und ich war mit einem Team auf einer Reise durch das Land und in den Fabriken des Herstellers. Fotografie ist gerade neben der Musik meine zweite Leidenschaft. 

  • Zeitgleich erschien das »Beast Mode«-Projekt mit Jaden Smith. Wie war es, mit einem 15-Jährigen zusammenzuarbeiten?

  • Seine Schwester Willow hat letztes Jahr schon ein paar Beats von mir berappt. Jaden war da etwas höflicher, hat davor angefragt und mir die Tracks geschickt, bevor sie veröffentlicht wurden. Ich mag den Jungen, er ist mutig. Er findet gerade erst seine Stimme, befindet sich aber auf einem großartigen Weg. Wir haben uns jedenfalls ausgiebig unterhalten, super verstanden und alle Entscheidungen für das »Soundcloud-Projekt« gemeinsam getroffen. 

  • Wie wichtig schätzt du Soundcloud als Plattform für die heutige, weltweite Produzenten-Generation ein?

  • Ob man das nun Erfolg oder Weiterentwicklung nennen will – für das was ich mache, ist Soundcloud absolut essentiell: als Ort für meine Musik, ohne Zugangsbarriere und Kosten. Davor gab es MySpace, wo man seine sechs Beats hochladen konnte. Als Soundcloud bekannt wurde, entstand endlich ein neues Zuhause für Beat-Produzenten und Soundfrickler auf der ganzen Welt. Auch wenn es finanziell nicht lukrativ ist, führt es immerhin dazu, dass man als Produzent Shows spielen kann, von einem Label gesignt wird oder Leute das Album auf Bandcamp kaufen. 

  • Viele Soundcloud-Producer machen sich ja einen Namen durch Remixe und Edits. Bei dir war das ähnlich. Ist es nicht schwierig, vom Publikum erst als Remix-Künstler wahrgenommen zu werden?

  • Absolut. Man kann dadurch bestimmt unterschätzt werden, auch wenn das Remix-Geschäft ein hartes ist. Wenn du als eigenständiger Künstler anerkannt werden willst, sollte man sich nicht von Remix-Arbeiten abhängig machen, sondern eigenständige Produktionen veröffentlichen. Das fiel mir besonders auf, als ich an »Songs To Break Up To« arbeitete. Ich legte Wert darauf, dass ein gesamtmusikalisches Werk entsteht, das meine Experimentierphase zum Ausdruck bringt. Das ist aber nur meine Meinung und soll nicht heißen, dass jeder Produzent das befolgen muss. Fast alle Remixe, die ich gemacht habe, waren Auftragsarbeiten. Eigene Musik zu erschaffen, wirkt dagegen immer sehr befreiend.

  • Mit deinem »50 Days For Dilla«- und »25 Nights For Nujabes«-Projekt hast du zwei verstorbenen Produzenten Tribut gezollt. Gibt es schon Pläne, wem du als nächstes gedenkst?

  • Ganz klar: Madlib. Er war wichtig, für die Art, wie ich Beats höre. Und natürlich würde ich gerne ähnliche Tributes für Premo und Pete Rock machen, die den Weg für Produzenten wie mich ebneten. 

  • Die junge Generation nimmt sich immer wieder der Musik von Jay Dee an. Was denkst du, macht die Beats von ihm für alle Generationen so zugänglich?

  • Dillas Musikalität, dieses Feeling. Seine Beats waren zwingend, unwiderstehlich und soulful. Es gibt eine Art von Musik, die jeden Menschen anspricht, ob man Country, Rap, Funk oder Rock hört – sie braucht ein wiedererkennbares Element. Dilla legte seine Seele in jede Produktion. Selbst wenn er simple Drumbreaks nur mit einer Bassline und Keyboard-Licks ausschmückte, klang es großartig und eigen. Jede Spur hatte seinen eigenen Charakter. 

  • Er hat seine Beats nie überproduziert und teilweise in einer Viertelstunde fertiggestellt. Du produzierst auch wahnsinnig effektiv und beschränkst dich bei der Arbeit gerne. Bei den Projekten für Dilla und Nujabes, hast du dir immer nur einen Abend für einen Beat Zeit genommen.

  • Wenn ich im Studio herumsitze und darüber nachdenken muss, was ich mache, werde ich schnell frustriert und mache lieber etwas anderes. Wenn es klappt, muss man sich nicht anstrengen oder darüber nachdenken. Und wenn einem nichts mehr einfällt, ist der Beat womöglich schon fertig. Wenn man zu stark pusht und etwas hartnäckig probiert, hört man das der Musik meistens an und es klingt angestrengt. 

  • Hast du mal daran gedacht, in den phillipinischen Crates deiner Vorfahren zu diggen und ein Sampling-Projekt zu realisieren, wie Madlib das mit seiner »Beat Konducta«-Reihe gemacht hat?

  • Ich habe das schon versucht und ein Projekt begonnen, für das ich nur Platten von meinen Asien-Reisen samplete. Ich hab‘ die Beats noch auf meinem Laptop, aber nie veröffentlicht. Onra hatte ja die gleiche Idee mit seinen »Chinoseries«-Beattapes. 

  • Nach welchen Samples und Schallplatten suchst du momentan?

  • Ich war lange nicht mehr diggen, weil ich mit meiner gesamten Plattensammlung in ein neues Studio gezogen bin. Da liegen bestimmt 50 bis 60 unberührte Platten, die ich dieses Jahr noch durchgehen muss. Ich war immer ein großer Jazz-Fan. Gestern Nacht hab‘ ich noch Yussef Lateef gesamplet. 

  • Lässt sich das Reisen gut mit der Sample-Suche vereinbaren?

  • Total, ich hab‘ das geliebt. Ich komme nur nicht mehr dazu. Unterwegs findet man ja immer verrücktes Zeug. Nur ist es online halt deutlich leichter – und viel billiger. 

  • Du sagst auch, du tourst nicht gerne und spielst verhältnismäßig wenige Shows. Ich behaupte mal, dass du dir da ordentliche Gagen entgehen lässt.

  • Das ist ist recht kompliziert. Ich habe soviel, um das ich mich kümmern muss: ein Geschäft in Perth, ein Online-Business, natürlich meine Musik. Festivals machen Spaß und man verdient gutes Geld, auch wenn ich mich dort oft sehr alt fühle. (lacht) Zur Zeit verbringe ich lieber die Zeit im Studio und mit der Familie. Und wenn ich auftrete, will ich, dass die Show etwas ganz Spezielles ist.

  • Du hast bereits über die deutschen Labels Melting Pot und Project: Mooncircle veröffentlicht. Verfolgst du deren Arbeit schon lange?

  • Ja, voll. Ich war ein großer Fan – von MPM besonders wegen Suff Daddy. Und auf Project: Mooncircle veröffentlichen gute Freunde von mir: Mike Gao, Phillip und Submerse. Das sind Labels, die ich für ihre Arbeit bewundere und mit denen ich freundschaftlich verbunden bin. 

  • Bei Sängern wie Chet Faker kann man auch hören, dass er von diesen Künstlern beeinflusst wurde und das nun in den Mainstream trägt.

  • Chet ist ein unfassbarer Sänger und macht absolut unvergleichbare, rare Mukke. Er ist sich und seinem Geschmack treu geblieben und kann jetzt die Früchte davon tragen. Ich verfolge seinen Weg ja schon lange. 

  • Ein Projekt von Chet Faker, Flume und dir wurde immer mal wieder angekündigt. Auf YouTube gibt es eine Dokumentation mit dem Titel »Ta Chet Flu«, die aber nicht sehr offiziell aussieht.

  • (lacht) Nein, sowas gibt es nicht. Wir haben immer wieder kooperiert, uns gegenseitig geremixt und stehen in engem Austausch. Für ein gemeinsames Werk haben wir aber noch kein anständiges Outlet gefunden. Es existiert aber Material. Die beiden gehen ja gerade voll durch die Decke. Da wird es sehr schwer, gemeinsame Studiozeit zu finden.  

  • Woran arbeitest du momentan und in welche Richtung wird es gehen?

  • Ich stelle gerade »Songs To Make Up To« fertig, das Sequel zu »Songs To Break Up To«, das in den nächsten Monaten erscheinen wird. Danach konzentriere ich mich auf mein erstes richtiges Album. Bisher kamen von mir ja nur Beattapes und EPs raus. Ich habe mir einige Musiker eingeladen, die den Sound noch verfeinert haben. Das Album wird ein Mix aus allen Stilen, die man bisher von mir zu hören bekam, und sich stilistisch an »STBUT« orientieren. Sprich: Soul-Musik mit elektronischen Elementen. 

  • Dorian Concept hat mir kürzlich erzählt, dass für ihn Flying Lotus‘ Debüt »1983« der Gamechanger der Post-Dilla Producer-Generation sei. Siehst du das ähnlich?

  • Ich würde das gleiche Album nennen, was neue Hörgewohnheiten und die Herangehensweise an Produktionen betrifft. Und das Beattape »Hudson’s Heeters Vol. 1«, das Hudson Mohawke um 2006 veröffentlichte. Das war einfach ein Dutzend verrückter Beats. Als ich es zum ersten Mal hörte, wusste ich überhaupt nicht, was das sein soll. Aber ich liebte es. Sowieso alles, was nach 2000 in der elektronischen Musiksphäre passierte, fand ich faszinierend. Das klingt noch heute seiner Zeit voraus. 

  • Temporäre Club-Musik ist sehr 808-lastig und bassgetrieben. Meinst du der Hype um Trap wird ähnlich wie die Dubstep-Blase verpuffen?

  • Das 808-Revival ist erstmal großartig. Und für die elektronische Produzenten-Szene kam es genau zum richtigen Zeitpunkt. Einen energetischeren Sound erreicht man einfach nicht. Ich denke, man kann schon wieder neue Entwicklungen sehen: Sampleorientierte Beats kommen zurück. Und die Beat-Szene diktiert immer auch Trends, die die Popwelt adaptiert. 

  • Was meinst du, welches Genre als nächstes ihr Revival erfährt? Hier in Berlin kommen wieder Jungle- und Drum & Bass-Partys auf.

  • Das beobachte ich auch. Vor allem hier in Perth, wo es immer schon eine große Jungle-Szene gab. Ich denke aber, dass der Trap-Hype noch eine Weile andauern wird und die spezifischen Elemente, die Energie nie ganz verschwinden werden. Handgemachte Soul-Musik wird wieder gehört. Hör‘ dir D’Angelos Album an – was er da macht, ist unfassbar. Ich bin ein großer Neo-Soul-Fan und freue mich immer, wenn es neue Entwicklungen aus dieser Ecke gibt. Ich vermisse die Soulquarians-Ära, die Zeit von Jill Scott und Raphael Saadiq. Den Ansatz von Robert Glasper und KING fand ich wieder spannend. Und obwohl da einige Grammys gewonnen wurden, erreichte die Musikrichtung nie mehr den Impact, den sie um die Jahrtausendwende hatte. Vielleicht muss einfach ein neues Album von Frank Ocean kommen, das den Soul wieder umkrempelt.