Gold Roger »Den Schweinehund an die Borderline nehmen.«

Gold Roger veröffentlichte jüngst das Album »Räuberleiter« und ALL GOOD-Autor Daniel Köhler wollte mit ihm über ein, zwei Dinge quatschen. Es wurde ein schönes Gespräch – deswegen ist es auch in der Audio-Version zu hören.

Gold Roger

Achtung, Gossip: Gold Roger verschläft schon mal gerne Interviewtermine, schämt sich dafür und ist dann einer der angenehmsten Gesprächspartner in Dortmund. Und sonst? Das MOT-Gewächs schreibt mit »Räuberleiter« weiter an seiner Karriere als vollsympathischer Querkopf, der mit Geschichten zwischen neidischen Nazis und Pisse seinen Platz zwischen der MPC und Juicy J sucht.

ALL GOOD-Autor Daniel Köhler telefonierte mit Gold Roger, um mit ihm ein Gespräch über Beobachtungsgabe, Angebermoves, innere Zwiespalte und zu viele Silben zu führen. Das Gespräch ist in verkürzter Form nachfolgend als Fließtext zu lesen – die ganze Wahrheit gibt’s als Audiofile auf dem ALL GOOD-Soundcloud-Channel:

 

  • Ich möchte gerne mit dir über das übergeordnete Thema Ignoranz sprechen. Weil irgendwie habe ich das Gefühl, dass »Räuberleiter« auch ein sehr ignorantes Album ist. 

  • Hast du denn ein Beispiel, wo du »Räuberleiter« ignorant findest?

  • Zum Beispiel heißt es bei »MLXMLK« doch »Nimma mal die Maske runter. Hör‘ auf dich zu verstellen. Setz dich hin, rauch eine und erzähl, was dich bedrückt.« Eigentlich ist das ja komplett ignorant gegenüber Oberfläche. Du sagst einfach ganz aktiv: Nö, macht mal euren Zirkus alleine. 

  • Ja, das ist aber gar nicht so geplant gewesen. Das ist eher dem Umstand geschuldet, dass ich das nicht kann. Ich würde mir das sogar aus tiefstem Herzen wünschen, dass ich das könnte…

  • Ignorant sein?

  • Ja. Beziehungsweise nicht so ignorant gegenüber Dingen, die dem Konsens entsprechen, wie man eigentlich rappen sollte. Ich würde mir wünschen, insofern ignorant zu sein, als dass ich alles wegpacken könnte und völlig hohle, stumpfe Musik machen könnte. Weil dann würden mir ja nie die Themen ausgehen. Ich hab‘ da nie so drüber nachgedacht, aber es stimmt schon. Ich lehne schon sehr viel ab, in dem Kontext. 

  • »Ich lehne schon sehr viel ab.«Auf Twitter teilen
  • Noch mal: Die Ignoranz ist keine Überheblichkeit. Das meine ich dezidiert nicht. Du bist nicht überheblich, aber du hast schon ein sehr klares Selektionsmuster. Man merkt schon, dass du dich wahnsinnig viel mit allem auseinandersetzt, was da so medial und inhaltlich in der Welt herumschwimmt. War das schon immer so? Warst du schon immer ein Typ, der viel rausgeguckt in diese Welt?

  • Ja, klar. Weil ich auch ein Typ bin, der ziemlich viel in sich reinguckt. Jetzt kann ich vielleicht ganz gut reden, manchmal habe ich einen Redeschwall, aber manchmal habe ich einfach nichts zu sagen und dann gucke ich mir Sachen einfach nur an. Ich zerdenke dann viel. Ich zerdenke dann auch mich sehr viel. Und das ist dann der Schlag Mensch, der sich generell viel mit der Außenwelt beschäftigt. 

  • Mit welchem Song hast du denn die meiste Zerdenkung mitgemacht? Wer hat sich am meisten inhaltlich gewehrt?

  • Die Songs haben es nicht auf die Platte geschafft. (lacht) Ein Song, bei dem diese Zerdenkung thematisch zutage tritt, wäre zum Beispiel »Özge«. Der ging mir aber recht locker von der Hand, den habe ich in einer Stunde geschrieben. Andere Nummern, die vielleicht lockerer wirken wie »MLXMLK«, an denen habe ich dann relativ lange gesessen. Weil da habe ich das Thema eher offen gehalten. Wenn ich ein Thema auf den Punkt bringe oder vorher für mich schon privat zerdacht habe – wie zum Beispiel »Yunuz (Neidische Nazis)« oder »Özge« –, dann habe ich mich da sowieso schon länger mit beschäftigt, ohne dass ich einen Rap-Text darüber geschrieben habe. Dadurch habe ich ja schon ein großes Repertoire an Erfahrungen und Einsichten unterbewusst gesammelt. Und wenn ich einen Text schreiben muss, dann kommt das meistens einfach so raus. Aber wenn das Thema offen gehalten ist, dann muss ich viel nachdenken. Songs wie »Reden«, der aus acht Mini-Szenen besteht, gehen mir recht gut von der Hand, weil das Sachen sind, die mich ohnehin schon aufgeregt haben oder über die ich schon nachgedacht habe. 

  • »Wenn man sich da auch selbst limitiert, dann wird es schnell langweilig.«Auf Twitter teilen
  • Schreibst du lieber fragmentarische Songs oder lieber Songs über ein großes Thema?

  • Ich schreib beides gerne. Wenn man sich da auch selbst limitiert, dann wird es schnell langweilig. Abseits davon erzähle ich einfach sehr gerne Geschichten. Auf Dauer würde ich aber auch sagen, dass ich nicht nur Storytelling mache. Ich habe nicht wirklich Representer auf dem Album, auf denen ich groß Skills zeige – das liegt aber daran, dass ich noch ein paar Features herausbringen will und mit anderen Rappern kann ich besser diese Angeber-Nummern machen und Eier zeigen. 

  • Also ist das Angeber-Ding auch in dir – weil: auf »Räuberleiter« ist es nicht zu hören. 

  • Ja, weil es auf »Räuberleiter« auch nichts zu suchen hat. Auf der Platte geht es darum, mich vorzustellen. Natürlich wäre es konsequent, auch diese Seite von mir zu zeigen, aber deswegen kommt es halt eher zwischen den Zeilen zum Tragen. Ich sage ja auch, dass ich mit keinem aus dieser Szene zu vergleichen bin und mich deshalb auch keiner überbieten kann und dass die anderen – meiner Meinung nach – peinlich sind. Das sind ja genau diese Ansagen. Bei mir funktioniert das eher über ein »Ihr seid dumm und untalentiert.« Ich sag ja nicht: »Ich fick deine Freundin!«, sondern eher: »Ich klau deinen Job!« (lacht) Ich finde es ist viel schlimmer, wenn man jemandem sagt, dass er dumm ist, als wenn man sagt, er wäre eine Schwuchtel. Ich sage lieber einem Rapper, dass er untalentiert ist, als dass ich ihm sage, dass ich ihn verprügle, wenn er bei mir klingelt.