Albert Parisien »Das klappt nicht, wenn du es krampfhaft machst.«

Er war erst ein mal in Paris. Und auch sonst ist bei Albert Parisien nicht unbedingt alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Seine neue EP »Highway Chronicles« ist gerade erschienen – Anlass genug für einen Talk.

Albert Parisien

Illustration: PREP LIFE BOY

Albert Parisien hat angesichts seiner noch recht jungen Rap-Karriere eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Vom Dipset-Epigonen zu Teenager-Zeiten vollzog er schrittweise die Wandlung zu einem avantgardistischen Rapper mit einer Vorliebe für elektronische Sounds und Auto-Tune. Was auf den ersten Blick wie eine 180-Grad-Wende erscheint, unlogisch und irgendwie auch widersprüchlich klingt, ergibt bei genauerem Hinsehen durchaus Sinn: Das Faible für Mode ist nach wie vor vorhanden, der Realness-Begriff wird immer noch recht dehnbar interpretiert und auch den anglophonen Lehnwörtern ist Albert stets treu geblieben.

Seinen soundtechnischen Findungsprozess hat Albert Parisien mittlerweile abgeschlossen. In dieser Hinsicht ist seine neue EP »Highway Chronicles« noch einmal deutlich konsequenter als der Vorgänger »Future Lean«. Im ALL GOOD-Interview spricht Albert über seine Namensgebung, die Genre-Bezeichnung »Plastik«, die Vorzüge von Modern-Talking-Snares und die musikalische Entwicklung von Deutschrap.

  • Warst du eigentlich mal in Paris?

  • Ja, das war so um ’99 rum an Silvester. Ich weiß aber gar nicht mehr so viel davon – außer Disneyland.

  • Das überrascht mich jetzt. Die Frage hat natürlich auf deine Namensgebung abgezielt.

  • Das hat eigentlich keine tiefere Bedeutung. Es geht da um die pure Klangästhetik. Ich habe mal einen Artikel gelesen, da hat jemand kommentiert, dass die Farben der Parteien im deutschen Spektrum alle irgendeine Bedeutung haben. SPD und Linke halt Blut wegen des Klassenkampfes, die CDU mit ihrem Schwarz wegen der Talare und die Grünen nehmen Grün wegen der Umwelt, klar. Die FDP ist die einzige Partei, die Blau-Gelb aus ästhetischen Gründen genommen hat. Ich finde, Albert Parisien hat eine coole Klangästhetik. Das muss nicht mehr heißen. Aber ich habe mir schon gedacht, dass mich das mal jemand fragen wird und dann sage ich natürlich: Das wirkt dann erst mal auf Leute, die auf Deutschtümelei stehen, abschreckend, weil sie den Namen mit Frankreich assoziieren. Also ich glaube, das hält mir ein paar unangenehme Hörer vom Leib.

  • Nachdem du den Namen Al.P abgelegt hast, hast du aber zunächst andere Pseudonyme ausprobiert. Albyrd vom Campus beispielsweise.

  • Ja, ich glaube, das war so ein bisschen so ein Ding im RBA-Forum. Hieß ich auf einem Track jemals so?

  • Ich habe diverse MP3-Dateien, die so benannt sind, ja. Albert III. gab es auch.

  • Ach ja, klar! Für einen Track kann man immer mal seinen Namen ändern. Stimmt, also Albert III. war ich für einen Track. »Rap hat blaues Blut«. Albyrd vom Campus, glaube ich, auch nur für einen. Danach halt immer Albert, weil es simpel ist, und das Parisien finisht den Namen irgendwie.

  • Ich finde dieses Paris-Ding auch inhaltlich passend, da Paris ja auch als Künstler-Stadt gilt. Du hast ja auch einen Song namens »Leben der Boheme«.

  • Ah. Ja, das passt gut zusammen.

  • »Im Rap-Kosmos bin ich komplett Avantgarde.«Auf Twitter teilen
  • Hast du tatsächlich das Gefühl, einer gewissen Avantgarde anzugehören?

  • (überlegt) Ich würde sagen, momentan nicht. Früher, in meinen frühen Zwanzigern, habe ich es versucht. Aber so was klappt nicht, wenn du es krampfhaft machst. Ich wäre es früher sicherlich gern gewesen. Dieses Boheme-Ding habe ich da genommen, weil ich so einen anti-bürgerlichen oder unbürgerlichen Lebensstil hatte. Aber ich kann mich wirklich nicht zu der Avantgarde zählen, nein.

  • Trotzdem hast du ja Zeilen wie »Ich kann liefern, aber wer kann das verdauen?«

  • Ja, okay. Da muss man jetzt Kunstfigur und Reallife ein bisschen trennen. Im Rap-Kosmos bin ich komplett Avantgarde. Ich finde, ich bin mein eigenes Genre. Ich glaube auch, dass die Leute – selbst wenn noch ein paar Jahre vergehen – »Coolness« nicht peilen werden. Das ist auch nicht schlimm. Aber in der Hinsicht bin ich auf jeden Fall Avantgarde, also soundtechnisch und von der Künstlerfigur her.

  • Wo ziehst du denn die Grenze zwischen der Kunstfigur und der Privatperson?

  • Die Kunstfigur ist ein bisschen sehr ich-bezogen, sie ist feierwütig, sie ist so hedonistisch, wie eigentlich kein Mensch sein könnte. Das ist eine überzeichnete Version meines Ichs von vor ein bis zwei Jahren. Jetzt ändert sich das wieder ein bisschen. Ich bin halt nicht so ein Ego-Typ wie die Figur, die ja sehr, sehr viel auf sich hält.

  • Ich habe mir diese Frage besonders gestellt, weil du häufig Drogen thematisierst.

  • Da haben wir genau diese Trennung von Künstler und Privatperson. Ich sage es mal so: Ich würde nicht drüber rappen, wenn ich es nicht probiert hätte. Es ist nicht so extensiv wie in den Tracks, aber ich kapiere schon das Feeling, das man dann hat, wenn man die und die Droge nimmt. Sonst würde ich nicht drüber rappen, beziehungsweise könnte ich dann nicht mehr in den Spiegel gucken. Aber es ist nicht so viel wie bei den anderen Cosmos, die sind da einen Tick realer, aber dafür habe ich eine größere Bandbreite.

  • »Ich schränke mich selbst ein bisschen in dieser künstlerischen Freiheit ein.«Auf Twitter teilen
  • Empfindest du es deine Kunstfigur als Freiheit?

  • Ja, das ist eine sehr angenehme Freiheit. Wobei es ja nicht so ist, dass ich komplett aus meinem Leben ausbrechen und etwas anderes erfinden muss. Wenn du die echte Person nimmst und eine Folie darüberlegst, die die Person überzeichnet – dann ist das cool. Und in diesem Rahmen bewege ich mich auch. Wenn die Folie aber komplett divergiert mit der echten Person, dann wird es für mich komisch. Das heißt, ich schränke mich selbst ein bisschen in dieser künstlerischen Freiheit ein. Aber grundsätzlich ist es ja angenehmer. Mein Alltag ist ein bisschen Zeitgeist und Politik – das will ich auf gar keinen Fall in meiner Musik haben. Deswegen nehme ich mir eher so die schönen Sachen raus.

  • Also würde die Kunst unter dem ganz strengen Realness-Maßstab sogar leiden.

  • Sie würde einfach nicht zustande kommen, denke ich. Ich hätte dann keine Lust zu sagen: »Ich habe tausend Euro auf dem Konto und dann gucken wir mal, was heute so geht.« Wie soll ich sagen? Die Realness ist momentan so acht von zehn, aber wenn ich noch mehr erfinden würde, dann wäre ich mit mir selbst nicht so im Reinen.

  • Sind Drogen dann am Entstehungsprozess der Musik beteiligt?

  • Zu »Coolness«-Zeiten war ich ein Mega-Stoner. Ich glaube, das war 2014. Mittlerweile bin ich echt wenig begeistert von Rauschgift, deswegen tritt das kürzer. Das ist jetzt eine andere Phase, so wie Picasso halt eine blaue Phase hatte und so weiter. »Coolness« war eine grüne Phase und »Highway Chronicles« ist jetzt eine weiße Phase. Aber ich bin da sehr verantwortungsbewusst. Alles für die Musik.

  • Musikalisch habe ich gar nicht den Eindruck, dass das einzelne Phasen sind. Vielmehr klang es nach »Absolutely Salutely« zunächst, als müsstest du noch deinen neuen Sound finden. Mittlerweile hast du ihn gefunden.

  • Ach so. Da muss ich jetzt mal zurückdenken. Ich glaube, alles vor »Tasted Wasted« war Teenager-Quatsch. Das macht man aus Spaß, aber das ist keine Kunst, nicht mal Kleinkunst. Das würde ich eigentlich auch gerne von Albert Parisien trennen.

  • Wobei du schon Dinge von damals beibehalten hast.

  • Ja?

  • Das Thematisieren von Mode beispielsweise. Oder der hohe Anglizismen-Gebrauch.

  • Ja, Anglizismen habe ich. Das ist ja auch teilweise Code-Switching. Ich habe schon immer ein bisschen so gesprochen. Kommt natürlich auch darauf an, mit wem. Da nehme ich natürlich auch ein paar englische Wörter mit rein, die ich zuletzt gehört habe. Oder weil es dann smoother klingt, so aus einer Intuition heraus. Das ist auf jeden Fall geblieben, weil ich auch weiter so gesprochen habe. Und was noch? Ach so, das mit der Mode. Das stimmt, das zieht sich durch. Wobei du jetzt merkst, bei »Highway Chronicles« ist das nur noch sehr gering vorhanden, weil ich mich irgendwie nicht mehr so krass dafür interessiere. Ich glaube, wenn du nicht noch irgendwie Kunst machst oder schreibst oder irgendetwas machst, in dem du gut und sicher bist, dann benutzt du Mode, um deine Unsicherheit zu überspielen. Vielleicht war das früher auch bei mir so, ich weiß nicht. Mittlerweile ist das Mode-Ding vielleicht noch ein kleines Überbleibsel, aber es spielt wirklich keine Rolle in meinem Leben.

  • »Die deutsche Sprache ist schon ziemlich cool.«Auf Twitter teilen
  • Noch einmal zu den Anglizismen: Du hast eben gesagt, dass es dadurch manchmal smoother klingt. Ist die deutsche Sprache nicht cool genug?

  • Die deutsche Sprache ist schon ziemlich cool, weil sie wie keine andere in der Lage ist, diese Wortneuschöpfungen zu machen. Ich stehe da aber irgendwie nicht drauf. Ich glaube, eine Wortneuschöpfung ist von den Silben her schon größer als meine Silbenzahl in einem ganzen Takt. Und die englische Sprache klingt schon noch smoother, ja. Da gebe ich dir Recht. Die ist schon in vielerlei Hinsicht cooler. Ich glaube, sie hat auch ein größeres, abwechslungsreicheres Vokabular. Bestimmte Sachen kann man auf Deutsch bestimmt nicht so cool ausdrücken wie auf »That’s the spirit« zum Beispiel oder »This goes without saying«. Supercool, aber das kannst du nicht so cool übersetzen.

  • Englisch hat auch immer etwas Modernes und Futuristisches, da besonders technische Neuerungen immer unter ihrem englischen Namen hierher kommen und nur selten nachträglich deutsch benannt werden.

  • Ja, besonders in der IT-Branche und im Web. Ich meine, wir skypen ja auch gerade, ne? (lacht) Kannst du die Frage noch mal wiederholen? Ich wollte noch irgendetwas dazu sagen.

  • Es ging darum, ob die deutsche Sprache uncool klingt.

  • Ich glaube, man kann wirklich nicht sagen, dass Deutsch uncool ist. Deutsch ist eine echt coole Sprache, die sich auch sehr gut zum Rappen eignet. Meine Vermischung ist ja auch nicht kalkuliert, die ist einfach Realness-basiert. Vielleicht dient das auch ein bisschen zur Abgrenzung von anderen, die wirklich sehr säuberlich mit ihrer Sprache umgehen und nur deutsche Wörter verwenden. Vielleicht ist das also ein kleines Alleinstellungsmerkmal. Ich bestehe da auch wirklich drauf: Das sind nicht nur Anglizismen, das ist manchmal auch einfach nur Code-Switching. Ich würde auch niemals so etwas wie Handy sagen. Das ist doch unangenehm.

  • Was sagst du denn?

  • (lacht) Ja, cell phone.

  • Du hast vorhin gesagt, dass du dein eigenes Genre bist. Auf Twitter hast du dieses Genre mal als »Plastik« bezeichnet.

  • (lacht) Ja, ich glaube, viele, die jetzt »Highway Chronicles« hören, werden es als Plastik rezipieren. Weil sie merken werden: Das ist mit Plugins gemacht, die auf irgendwelche Yamaha-DX-7 oder irgendwelche Roland-Drumkits referenzieren. Die werden dann mit der Musik der 80er in Verbindung gebracht – sehr synthetisch, weg vom Analogen. Und viele Menschen setzen dann 80er-Sound mit Plastik gleich. Das wollte ich einfach mal so plakativ ausdrücken. Ist ja nur ein Tweet. Aber ich habe mal überlegt: Wenn ich jemals wieder eine Band gründen sollte, werde ich die auf jeden Fall Plastik nennen. Ich find’s cool und plakativ. Das ist ein Statement. Ich bin halt mein eigenes Genre und meinetwegen heißt das dann auch Plastik.

  • »Für mich ist eine Modern-Talking-Snare erfüllender als ein Stück von Bach.«Auf Twitter teilen
  • Normalerweise ist diese Bezeichnung ja eher negativ gemeint.

  • Ja, weil die Leute gar nicht kapieren, was hinter dieser ganzen Plastik-Musik steckt! Für mich ist eine Modern-Talking-Snare erfüllender als ein Stück von Bach. Es ist so ein Laienverständnis von Musik, dass sie mit akustischen Instrumenten und sehr virtuos komponiert sein muss, um den Anspruch erheben zu können, Hochkultur zu sein. Viele Menschen verstehen nicht, dass Sounddesign quasi die neue Virtuosität in der Musik ist. Es wurde so ziemlich alles schon einmal komponiert und gespielt. Heute geht es darum, mit Software und Hardware – Mensch und Maschine arbeiten zusammen – eine Synthese zu schaffen, wie man sie in der Form noch nicht gehört hat. Es geht heutzutage nicht mehr um Komposition, sondern um Struktur und Sounds. Das ist die Gegenwart und die Zukunft progressiver Musik. Könnte man auch Plastik nennen – wenn man es nicht besser weiß.

  • In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die altbekannte Auto-Tune-Diskussion.

  • Ja. Ich will dich mal kurz dran erinnern: In dem Interview, in dem ich zuletzt über Auto-Tune gesprochen habe, hat mein Interviewpartner die Prognose gegeben, dass sich das nicht durchsetzen wird. Das war 2014, da habe ich »Future Lean« gedroppt. Das war schon so einer der konsequentesten Auto-Tune-Songs in Deutschland. Jetzt haben wir 2016: Geh mal auf Twitter in deine Timeline und such mir mal einen Track ohne Auto-Tune raus! (lacht)

  • Denkst du, du hast einen Anteil daran, dass es auch im Deutschrap mittlerweile so populär ist?

  • Ich habe auf gar keinen Fall einen Anteil daran. Meine Reichweite ist niedrig. Vielleicht war ich in der Hinsicht ein Early Adopter, der einfach früher als alle anderen da war. Ich habe es aber auch anders umgesetzt als die anderen. Mein Auto-Tune klingt ja anders als dieser, ich sage mal, Untergrund-Mainstream. Momentan ist das ja schon sehr an Yung Lean angelehnt und viele schaffen es auch, ein bisschen Future reinzubringen, ohne es vielleicht zu beabsichtigen. Aber mein Auto-Tune klang schon immer anders, weil ich da eine heftige Effekt-Kette drauf habe. Ich glaube, viele nutzen Auto-Tune, um das Nicht-Singen-Können zu korrigieren. Bei mir steckt da etwas anderes dahinter. Aber ich habe wirklich keinen Anspruch darauf, dass das jetzt populär ist.

  • »Es freut mich schon, dass Leute mehr ausprobieren.«Auf Twitter teilen
  • Aber eine Genugtuung ist es schon, oder?

  • Eine Genugtuung wäre es ja nur, wenn ich irgendwie dazu beigetragen hätte, aber habe ich ja nicht. Es wäre schon schön, wenn dabei Tracks entstehen würden, die ich gerne höre. Dann bräuchte ich das ja selbst nicht zu machen, dann könnten mich andere mit der Musik versorgen. Das kann ja in der Form keiner. Aber es freut mich schon, dass Leute mehr ausprobieren. Also Tua ist ja auch so ein Genre für sich, das finde ich super. Crack Ignaz ist super experimentell. Das sind wirklich coole Sachen, die da passieren. Aber mir gefällt nicht, wie Auto-Tune momentan überstrapaziert wird, und das auch noch sehr dilettantisch. Ich glaube, wenn es eine Möglichkeit gab, das Image von Auto-Tune ein bisschen besser zu machen, dann wird sie gerade wieder zunichtegemacht, nachdem Morten das ja ganz gut gemacht hatte.

  • Ist der nasale Stimmeinsatz eigentlich einem Effekt geschuldet oder rappst du anders?

  • Ne, das ist keinem Effekt geschuldet. Das kommt einfach intuitiv so raus. Ich muss auch sagen, wenn ich andere so nasal performen höre wie, keine Ahnung, Jan Delay, dann finde ich das nicht so überzeugend. Ich habe das auch schon ein bisschen zurückgeschraubt auf ein Maß, das mir gefällt und für die Hörer bekömmlich ist. Da steckt kein großer Gedanke dahinter.

  • Wie wichtig ist US-Rap noch für deine Musik?

  • Ich höre es gerne und viel. Das sind so 50 Prozent von dem, was ich höre. Für »Future Lean« war das ein bisschen wichtiger. Ich habe jetzt nichts kopiert, aber ich habe mich inspirieren lassen, was man alles so mit Auto-Tune machen kann an Technik-Spielereien. Aber aktuell hat US-Rap null Impact auf meinen Sound, obwohl ich ihn sehr gerne höre und auch feier.

  • »Wenn ich Referenzen aufführen müsste, dann ist das Italo-Disco.«Auf Twitter teilen
  • Was beeinflusst dich stattdessen aktuell?

  • Wenn ich Referenzen aufführen müsste, dann ist das Italo-Disco. Das ist so ein kleiner Nischensound aus den 80ern, aus dem später, glaube ich, auch House entstanden ist. Es gibt da halt so eine Reihe von Künstlern, die in Italien und Deutschland besonders groß waren. Der andere Impact ist auf jeden Fall Outrun und Synthwave. Das sind so zwei Genres, die von Kavinsky, Electric Youth, Mitch Murder, Miami Nights 1984 und so was geprägt wurden. Das prägt dann halt auch die Produzenten, die das für mich machen. Das, was ich dann daraus mache, das gab es ja so noch nicht. Synthwave und Outrun und Rap haben sich noch nicht in der Form getroffen.

  • Wie kommst du eigentlich zu Musik aus den 80ern? Ich würde dir ja unterstellen, dass du 90er-Jahrgang bist.

  • Ich bin noch knapp vor 1990 geboren, aber ja. Mit den 90ern verbinde ich einen relativ unausgereiften, brachialen Techno und Grunge. Damit bin ich eigentlich nicht so sozialisiert worden. Als ich angefangen habe Musik zu hören, war das eher HipHop. Wenn du dann deinen Horizont so ein bisschen erweiterst, hörst du ja alles Mögliche. Dann war ich irgendwann bei elektronischer Musik und habe halt geguckt, wo Chicago House oder, was ich sonst gerne mag, seine Wurzeln hat. Da findest du doch immer wieder zu Disco zurück. Ich mag einfach den Sound, ich mag die Catchyness. Ich mag einfach dieses positive Gefühl. Das wirkt einfach wie ein Espresso per Musik.

  • Haben deine russischen Wurzeln eigentlich ihre Spuren bei deiner musikalischen Sozialisation hinterlassen? Mal abgesehen davon, dass Modern Talking da drüben ein Riesending sind.

  • Zu Hause hatten wir leider nie Modern Talking. Als ich aufgewachsen bin, waren die auch verschrien, auch bei ihrem Comeback. Das war ja eh komisch. Meine russischen Wurzeln… (überlegt) Du, mir ist so was nie aufgefallen, weil ich zu Hause kaum russische Musik gehört habe. Aber es gibt ja einen Tua, der auch russischer Abstammung ist, und es gibt einen Olson, der auch russischer Abstammung ist. Irgendwie haben die beiden ja auch ein Faible für eingängige, teilweise kitschige Hooks. Aber ich kann nicht genau begründen, wie das kommt, das ich das mit denen teile. Ich war kürzlich in Charlottenburg, da ist ja dieser riesige russische Supermarkt, der rund um die Uhr offen hat. Da hatten wir ein Bier getrunken und es lief eine Sendung – das war komplett wie in den Achtzigern stehengeblieben! Vielleicht habe ich also eine Neigung dazu, ohne bemerkt zu haben, woher die kommt. (lacht)

  • Dann ist meine letzte Frage: Was hat es eigentlich mit diesen Faustregeln in deinen Texten auf sich?

  • (lacht) Es gab doch mal diesen Song von Freunde der Sonne, wo Savas so eine Zählung gemacht und auf alles außer »fünf« gereimt hat. Ich weiß nicht, ob ich das daher habe. Das sind einfach so Faustregeln. Die kann man immer gerne anwenden, damit liegt man nie falsch. Das ist ja auch so eine Konstante von mir, die gibt es ja schon seit zwei Jahre immer wieder in Tracks. Die Leute fragen dann auch: »Wann gibt es denn eine Liste?« Ich finde es ganz nett, das kann man immer mal machen, da freuen sich die Leute drüber.

  • Und wann gibt es die Liste?

  • (lacht) Wenn sie fertig ist.