Frauenarzt »Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber so sind Kings entstanden.« — Teil 1/2
Auf wenige trifft der Begriff der Legende so zu wie auf Frauenarzt aus Berlin-Tempelhof. Jan Wehn traf den Rapper anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Albums »Mutterficker« zu einer Zeitreise durch seine mittlerweile 25 Jahre andauernde Karriere.

Von Berlin auf den Ballermann und wieder zurück – ganz ohne Kredibilitätsverlust. Das kann nur Frauenarzt. Mit »Mutterficker« veröffentlicht Vincente de Teba sein erstes Album nach seinem Atzen-Ausflug als pogender Party-Act. Das Album klingt so, wie man es sich erhofft hat: hart, kompromisslos und ein bisschen wie damals, als Frauenarzt gemeinsam mit BC und Bassboxxx HipHop-Deutschland von der Hauptstadt aus gehörig Angst einjagte.
Im ersten Teil des zweiteiligen ALL GOOD-Interviews mit Frauenarzt erinnert er sich an Plattenbörsenbesuche mit seinem Vater und seine erste HipHop-Crew Overtax, mit der er schon 1992 einen Plattenvertrag bei De De Records, dem Label von Islamic Force, hatte. Außerdem plaudert Frauenarzt über die Zeit bei CNF und BC, erzählt von seinem ersten Tape-Label Wet Pussy Digital mit Manny Marc, Namensfindungsschwierigkeiten bei der Gründung von Bassboxxx und dem Kopieren der ersten Kassetten.
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Wenn man sich die Foto-Fundstücke, die du manchmal bei Instagram postest, ansieht, dann bekommt man schon den Eindruck, dass du wirklich ein sehr akribischer Archivar bist. Stimmt das?
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Ich habe kein richtiges Archiv. Aber ich habe immer probiert, viel zu digitalisieren. Ich habe zum Beispiel noch zwei Kisten mit alten DV-Bändern, die wir damals aufgenommen haben. Aber mir fehlt auch unheimlich viel und ich ärgere mich, dass ich das nicht alles aufbewahrt oder gesichert habe. Was ich aber habe, sind sehr viele CDs mit den alten Photoshop-Dateien der Cover und auch Sounds – deshalb tauchen über die Jahre hinweg auch immer wieder Sounds auf meinen Songs auf, die ich früher schon verwendet habe.
- »Ich habe gesehen, dass man mit den Platten scratchen kann, also wollte ich einen Plattenspieler, mit dem man scratchen kann.«Auf Twitter teilen
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Unter anderem habe ich ein Bild von 1990 gefunden, wo ihr zu viert in irgendeinem Kinderzimmer um ein Mikrofon herumsteht.
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Ja. Mich würde interessieren, wer das Bild damals geschossen hat. Das weiß ich nämlich nicht und da muss noch jemand anderes dabei gewesen sein. Zu der Zeit haben wir immer in meinem Kinderzimmer rumgehangen und Musik gemacht. Da waren wir so zwölf Jahre alt und hatten gerade Public Enemy und Ice-T für uns entdeckt, deren Musik aus den USA herübergeschwappt war. Es gab damals auch Rap-Sampler auf Kassette, auf denen Songs von MC Hammer und Vanilla Ice, aber auch A Tribe Called Quest und so waren. Dazu kam, dass mein Vater damals extrem viel Musik gesammelt hat. Er hatte sehr viele Schallplatten und Kassetten. Der hat als Therapeut in einem Drogentherapiezentrum gearbeitet, das von WOM damals immer die aussortierten Scheiben bekommen hat, die vielleicht einen Knick im Cover hatten – und wenn irgendwas in Sachen HipHop dabei war, hat er mir das gegeben. Ich war ja noch ein junger Stups, aber habe angefangen, mich damit zu beschäftigen. Ich habe gesehen, dass man mit den Platten scratchen kann, also wollte ich einen Plattenspieler, mit dem man scratchen kann. Also habe ich mein Taschengeld zusammengespart und mir den billigsten Plattenspieler gekauft, mit dem das ging.
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Soweit ich weiß, hast du deine Platten damals immer bei Pinky Records gekauft.
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Pinky war der geilste Laden. (grinst) Dadurch, dass mein Papa so viel gesammelt hat, war ich von klein auf bei Plattenbörsen mit ihm am Start. Als es dann anfing, dass ich mich für HipHop interessierte, hat er mich mit zu Pinky genommen. Ich war sofort angetan von den ganzen Covern. Die erste Platte, die ich mir von meinem eigenen Geld geholt habe, war »Eazy-Duz-It« von Eazy-E. Cool war, dass der Bus von meiner Haustür in Tempelhof direkt nach Steglitz gefahren ist. Da durfte ich dann auch hin und habe da nicht zu wenig Taschengeld gegen Platten eingetauscht.
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Wie bist du denn überhaupt von Eazy-E zu Miami Bass gekommen?
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(überlegt) Frag mich nicht. Eine der ersten Scheiben, die ich damals von meinem Vater bekommen habe, war »Cold as Ever« von Ice-T. Das war ja ein ziemliches Electro-Brett. Kurz danach kam dann »Making Trouble« von den Geto Boys, was auch sehr Drumachine-lastig war. Wobei, nein, das stimmt gar nicht. In der 5. oder 6. Klasse hatte ich einen Mitschüler, dessen Bruder ihm immer Tapes gemacht hat, und auf diesen Tapes waren Songs von 2 Live Crew, MC Shy D und Ice-T. Als ich dann im Plattenladen war, habe ich mir die Sachen dann gekauft. So war’s! Was du hier wissen willst, war ja auch nicht gestern, da muss ich echt kramen.
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Und wie bist du von dort dann zu Three 6 Mafia, 8Ball & MJG und dergleichen gekommen?
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Durch Orgi. Der hat sich 1998 das Album »Mystic Stylez« von der Three 6 Mafia gekauft. Eigentlich war er voll auf dem Mobb-Deep-Sound und hat Rap aus New York gehört. Er dachte wegen dem Cover, dass das so ähnlich klingen könnte. Irgendwann kam er dann aber zu mir und meinte: »Willst du die haben? Das ist übelst Schrott!« Ich habe mir die dann reingezogen und wusste sofort: »Das ist der Sound!«
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Zurück ins Jahr 1992. Da warst du Teil der HipHop-Crew Overtax.
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Genau. Ich war MC Vicente und Mr. Long war MC Bles. Es gab auch noch Balon, der aber erst später und nur ganz kurz dabei war. Davor gab es aber noch die Gruppe Fu*kin – das ging damals schon los mit dem Expliziten! (lacht) Das war zu der Zeit als das Foto, über das wir eben gesprochen haben, entstanden ist. Fu*kin waren mein Kumpel Oliver und ich. Oliver kam aus England, ist mit mir in Berlin aufgewachsen, war mein bester Freund und ist dann nach Florida gezogen. Wir haben immer noch engen Kontakt, aber mit Musik hat er nichts mehr zu tun. Aus Fu*kin ist dann Overtax entstanden und als er dann weggegangen ist, waren es nur noch Mr. Long und ich – bis auf die kurze Zwischenphase mit Balon.
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Stimmt es, dass ihr damals schon einen Plattenvertrag hattet?
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Ja, das stimmt. Es war tatsächlich so, dass wir zu der Zeit schon viel durch Deutschland gereist sind. Damals sind die Rapper überall zum Rappen hingefahren, die Breaker haben gebreaked und die Sprüher haben gesprüht. Wir sind dann immer mit einer Truppe auf die Jams gefahren. Das war die Zeit, als wir uns mit CNF – eine der ältesten HipHop-Crews aus Berlin, die immer noch existieren – zusammengetan haben. Es gab damals auch Collabo-Hoodies von CNF und Overtax, auf denen hinten beide Namen so Graffiti-mäßig draufstanden. Während dieser Zeit haben wir jemanden kennengelernt, den ich wahnsinnig gerne mal wieder treffen würde. Der hat das Label De De Records für Islamic Force gemacht. Das war die Zeit nach »My Melody«, in der die Crew aus Boe B, DJ Derezon, Killa Hakan und einer Sängerin bestand. Wir hatten auch einen Vertrag bei De De Records. Mit Snyder von CPS, der auch Islamic Force aufgenommen hat, haben wir ein ganzes Album aufgenommen. Wir kamen dann immer vor oder nach denen ins Studio. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie krass ich die Songs damals fand und wie groß die Ehrfurcht vor den Jungs war. Das Album ist dann nie rausgekommen und ich habe das leider auch nicht mehr.
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Hast du dich eine Zeit lang auch mal Rout genannt?
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Ja. Als Sprüher hieß ich seit 1991 Space. Irgendwann wurde der Name aber fast zu meinem bürgerlichen Namen. Die Polizisten auf der Straße haben mich auch so genannt. Zu der Zeit, als man dann ein ganz krasses Auge auf mich hatte, habe ich mich Ruthless genannt. Ich fand den Namen geil, weil jemand von LTX zu der Zeit den Tagnamen Ruffneck hatte. Normalerweise waren die Tag-Namen ja kurz und kompakt, aber ich wollte auch so ein langes, krasses Wort haben und habe mich dementsprechend Ruthless genannt. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass es doch etwas zu lang war, um mal eben schnell ein Tag zu machen. Also habe ich nur noch die Abkürzung Ruth getagged – daraus ist dann Rout geworden und ich habe in Anlehnung an die Route 66 oft noch die beiden Ziffern hinten drangehangen.
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Deshalb nennt dich Marcus Staiger in dem Song »Fick Neid« auch so?
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Genau, ja. Irgendwann habe ich dann auch das »e« weggelassen und das Rout irgendwann auch in Tour umgedreht. Damit habe ich mich aber schwergetan, weil es Ende der 80er Jahre schon mal einen sehr verhassten Sprayer in Berlin gab, der sich Tuor genannt hat.
- »Wir haben an den Farbflecken auf unseren Klamotten gemerkt, dass wir Gleichgesinnte sind.«Auf Twitter teilen
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Zurück zu CNF. Wie hast du überhaupt Marc kennengelernt und wie seid ihr dann Teil von CNF geworden?
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Ganz klassisch in der Schule. Wir haben an den Farbflecken auf unseren Klamotten gemerkt, dass wir Gleichgesinnte sind und dann war’s klar. Aber er war immer eine oder zwei Generationen unter mir. Wie wir genau mit denen zusammengekommen sind, weiß ich gar nicht mehr.
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Wofür stand CNF denn? Cool n Fresh, Cool No Fool…?
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…Crazy New Feeling. Calte Nasse Füße war dann die Rap-Crew mit S-Rock und MC Lucky. Dazu kamen dann noch Sprüher und Breaker und DJs – das war schon eine krasse Truppe.
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Es gab doch auch ein paar Folgen von CNF TV. Im Grunde eine Vorstufe von heutigen YouTube-Blogs.
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Zu der Zeit hat niemand so etwas gemacht. Aber wir hatten Kameras und ein Schneideprogramm und wussten selber nicht so genau, was wir da gemacht haben.
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CNF hat sich dann mit VPS und ASP zusammengetan und daraus wurden dann BC.
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Genau. VPS haben wir beim Sprayen kennengelernt. Damals gab es noch einzelne S-Bahn-Waggons und dazwischen waren Fenster durch die man in die anderen Wagen gucken konnte. Ich habe ein Tag gemacht und auf einmal hat jemand aus dem anderen Waggon durch die Scheibe rübergeschaut. Ich habe mich mega erschrocken und dachte, ich wäre erwischt worden. Aber dann hat er mit einem Edding gewunken und auf die Scheibe getagged. Das war damals MAR von VPS, der mit Jope unterwegs war. In der Nacht sind wir dann noch zusammen weitergezogen und haben ein paar Bombings gemacht. Durch VPS haben wir dann auch DJ Korx kennengelernt. Er war zwar kein Mitglied, weil er nie Teil einer Crew sein wollte, aber war immer mit dabei.
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Und wie kam die Connection zu Boss Aro und FROST von ASP im Wedding zustande?
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Wie kam das zustande? Da fragst du mich was. ASP waren ja noch ein paar mehr Leute. Aber ich weiß nicht mehr, wie das genau abgelaufen ist. (überlegt) Ich hab keine Ahnung. FROST hieß übrigens FROST 187. Jetzt gibt es im Umfeld der 187 Straßenbande auch einen Typen, der sich FROST 187 nennt – und die Pieces sehen genau so aus, wie von dem Typen damals. Ich würde niemals unterstellen, dass der neue das von dem alten bitet, aber das ist einfach eine komische Parallele. Jayo von Distributionz meinte immer zu mir, dass die 187-Jungs uns und unserer Attitüde sehr ähnlich sind – und dann hat er mir auch von dem Sprüher erzählt. Total abgefahren.
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Jedenfalls wart ihr dann BC. Parallel dazu haben Manny Marc und du dann Wet Pussy Digital gegründet, richtig?
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Richtig, das war das Tape-Label von Manny Marc und mir. Wir wollten unter irgendeinem Namen Kassetten veröffentlichen.
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Die erste geplante Veröffentlichung war ein Tape mit dem Namen »Nuttenjagd«, das meines Wissen nie erschienen ist.
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Doch, das ist erschienen – allerdings in einer ganz kleinen Auflage. Das wurde nur unter Freunden verteilt.
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Ich habe auch von einem geplanten BC-Album gelesen. War das geplant?
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Nein, das stimmt nicht. Zu der Zeit hat bei uns in der Gruppe eigentlich kaum jemand gerappt. Mr. Long und ich waren eigentlich die einzigen. Wobei Mr. Long noch eng mit De De Records verbunden war und dort an Solosongs gearbeitet hat. Ich habe mich da ein bisschen rausgeschlichen, weil ich noch was anderes machen wollte. Ich hatte auf meinem Emax-Sampler jede Menge Beats und wollte BC representen. Mein Fokus lag damals ganz krass auf Berlin Crime und es war klar, dass das Tape, an dem ich dann gearbeitet habe, ein BC-Representer wird – es ist dann allerdings ein Solotape geworden.
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Warum warst du auf dem Cover vermummt?
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Ich hatte zu der Zeit ja noch den Vertrag mit De De Records, keinen Einblick in die geschäftlichen Strukturen und war mir nicht sicher, ob ich als Solokünstler überhaupt etwas anderes aufnehmen durfte.
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In der ersten Auflage gab es auf noch ein richtiges Porno-Booklet zu dem Tape, oder?
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Ja, da waren ein paar Mädels drin, die Sprechblasen vor dem Mund hatten. Das haben wir uns damals aus dem Internet gezogen.
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Aufgenommen hast du das Tape bei Mach One.
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Genau, den habe ich durch Jope kennengelernt. Aber Jope meinte dann zu mir, dass es da einen Typen in Kreuzberg geben würde, der einen 8-Spur-Recorder hat, bei dem sie manchmal Sessions machen würde. Ich bin dann mal hin und dort war dann neben Jope und Mach One auch Akte. Mach hatte irgend so ein Gerät, auf dem er Beats gemacht hat, was ich aber nicht so geil fand. Parallel zu meinem Album habe ich dann den Vier-Spur-Rekorder von B-Tight geschenkt bekommen, weil der aus seiner Sicht kaputt war. Ich dachte, dass ich den sicher repariert bekomme. Dann habe ich mit dem Lötkolben da drin rumgefummelt und ihn tatsächlich wieder zum Laufen gekriegt. Mit dem Ding habe ich einen Großteil vom MC-Basstard-Album aufgenommen, der Rest wurde bei Mach gemacht. Das »Sexkönig«-Album von Orgi wurde wiederum größtenteils bei mir produziert, aber bei Mach aufgenommen. Für das »Tanga, Tanga«-Tape habe ich mir dann sieben Tage lang eine digitale 8-Spur von Taktlo$$ geliehen und in einer Woche das Tape aufgenommen.
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Zu der Zeit habt ihr zeitweise auch die Leitung vom Royal Bunker, der damals ja noch ein Rap- und Freestyle-Café war, übernommen. Wie kam das?
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Ja, Basstard, Bogy, Manny Marc und ich haben das gemacht. Irgendjemand meinte, dass dort immer Rap-Session sei und dann sind wir rübergekommen. Wir haben dort dann B-Tight und Sido von der Sekte, aber auch Vokalmatador, Rhymin Simon und auch die ganzen MOR-Leute wie Fumanschu, Justus oder Savas und Taktlo$$ kennengelernt. Die eigentliche Leitung hatte immer Marcus Staiger. Aber als er mal die Schnauze voll hatte, da es auch jedes Mal ein Struggle war von allen genug Kleingeld in die Kasse zu bekommen, um den Besitzer des Schuppen etwas Kohle als eine Art Miete abzudrücken, haben wir das kurzfristig übernommen. Fuat von MOR hat das auch mal kurz geleitet. Aber dann irgendwann wieder Staiger. Das war sein Baby!
- »Dann hat man den Text rausgeholt, aufgeklappt und vorgerappt.«Auf Twitter teilen
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Was herrschte da für eine Stimmung? Immerhin kamen ja Rapper aus ganz Berlin zusammen, die ganz unterschiedliche Styles hatten.
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Du musst dir vorstellen, dass da immer nur zehn oder 20 Leute waren – und dann war es schon voll. Manchmal kamen auch ein paar Mädels mit. Beccy, die man von Taktlo$$’ Auftritt bei VIVA Zwei kannte. Die Stimmung war immer gut. Man hatte zwar die Camps und es war klar, wer zu wem gehörte. Staiger hat das aber alles sehr gut zusammengebracht und moderiert. Ab und zu stand er auch mal auf der Bühne. Ich denke, er wäre damals auch gerne Rapper gewesen – aber hat es nicht so drauf gehabt. Das war bei vielen so, aber manche haben sich eben mehr reingehangen. Wir haben dort auch nicht nur gefreestyled, manche haben auch ihre Texte mitgebracht. Da hieß es dann: »Ich habe gestern einen neuen Text geschrieben, kann den aber noch nicht so gut, nehmt mir das nicht übel!« Dann hat man den rausgeholt, aufgeklappt und vorgerappt. Dann gab es entweder Applaus oder Kritik und man hat vielleicht noch darüber diskutiert. Vielleicht fand jemand eine Zeile wack, aber das wurde dann auch begründet und man hat den Text noch mal überarbeitet. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen – aber so sind Kings entstanden. (lacht)
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Nach Wet Pussy Digital haben Manny Marc und du dann Bassboxxx gegründet. Soweit ich weiß, sollte das Label ursprünglich Basssonic heißen. Warum?
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In dem Namen des Labels sollte unbedingt das Wort Bass vorkommen – außerdem gefielen mir die drei aufeinanderfolgenden »s« sehr gut. Das Wort Sonic war zu der Zeit in dem ganzen Electro- und Bass-Dingen auch sehr angesagt. Marc meinte dann aber, dass das total bescheuert wäre, und kam mit der Idee, das Label Bassbox – mit einem x – zu nennen. Davon war ich dann erst mal nicht so begeistert. Ich war damals schon großer Blowfly-Fan und mochte seine »X-Rated«-Sachen sehr. Er hat da ja auch oft drei »X« verwendet, um explizite Begriffe zu verschlüsseln. Also wurde aus einem »x« in Bassboxxx drei – und so ist der Name entstanden. Wir hatten ja damals keine großen grafischen Kenntnisse und deswegen ist das Logo so richtig toy – die Schallwellen waren einfach nur Klammern und der Punkt aus dieser Schriftart, die wir dann in das »O« und nach oben und unten gesetzt haben, um eine Bassbox zu simulieren. Erst später gab es dann ein Logo mit einer Frau im Hintergrund und rotgefärbten »xxx«. Aber das ist alles Bullshit – das Originallogo ist schon das geilste. (grinst)
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Sehr faszinierend war, dass die Berliner immer schon ihre eigenen Homepages hatten. Egal ob Bushido und Vader mit ihrer Crew Search & Defeat oder ihr.
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Ja, an Bushido muss ich jetzt auch sofort denken. Der war auch der erste, der damals ein Forum hatte – der zieht die Leute ja von damals bis heute mit. Das war einer der schlausten Moves, die die je gemacht haben. Halil von Downstairs kam damals, als sie Aggro gegründet haben, auch zu mir und meinte: »Wir haben jetzt hier ein Forum und das ist das allerwichtigste! Das braucht ihr auch!« Wir haben das aber nie gebacken bekommen und der Gedanke daran war schon krass anstrengend. (lacht) Die Bassboxxx-Page war meiner Meinung nach von FROST und meine Homepage habe ich zusammen mit DJ Korx gemacht.
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Auf der ersten Bassboxxx-Homepage musste man sich erst mal durch diverse Fotos von weiblichen Hintern klicken, bis man auf der eigentlichen Seite gelandet ist.
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Dann war die doch von mir und Korx. (lacht) Stimmt, du hast recht!
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1999 ist das »Demotape« von Bushido erschienen. Auf dem gab es auch den Song »Proletik Poetik« von Bushido, King Orgasmus One, Tanga Lilly und dir. Der gleiche Song hieß damals aber auch »SüdRapStarz« und war auf dem Album »Sexkönig« von Orgi.
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Genau. Das ist der erste Song, in dem ich »Proletik Poetik« sage. Bushido hat damals noch meine Backups und ich seine gemacht. (grinst) Der Song war sehr lustig. Dass ich so in den Song reinkomme, war eigentlich aber auch nur eine Anspielung auf das geplante Tape von MC Bogy, das nie erschienen ist, und eigentlich »Proletik Poetik« heißen sollte.
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Warum Wörter wie »Proletik« und »Poetik« und nicht »Proll« oder »Poet«?
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Keine Ahnung. Da haben wir nicht viel drüber nachgedacht. (lacht) Aber fast 20 Jahre später mache ich ein Label, das so heißt – das soll auch ein bisschen den Kreis schließen.
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Du hast eben schon »Sexkönig« von Orgi angesprochen. Du warst nicht nur als Frauenarzt auf dem Tape vertreten, sondern laut Discogs auch als Der Heiße.
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Ne, das war ich nicht. Das war ein junger Typ von TMR.
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Wenn wir schon dabei sind: Du hast auch noch andere AKAs – unter anderem Räuber Rob. Das bist doch du mit verstellter Stimme, oder?
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War ich das? Da weiß ich nichts von. (grinst)
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Wie kam es denn überhaupt zu den »Wixtapes«, die du als DJ Kologe gemacht hast?
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DJ Kologe habe ich mich vorher ja schon genannt. Ich bin ja auch eher durchs Plattensammeln und Auflegen zum Rappen gekommen. Marc und ich hatten einfach wieder Lust, ein Mixtape zu machen. »Nuttenjagd« war ja auch ein Tape mit Raps, aber auch eher aus so einer DJ-Laune heraus entstanden und hatte Mixtape-Charakter. Das erste »Wixtape« ist übrigens auch sehr selten, weil wir das nur für uns selbst gemacht und nicht verkauft haben. Den Verkauf haben wir dann erst mit »Wixtape 2« gestartet.
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Wie habt ihr die Tapes denn kopiert? Zuhause oder im Kopierwerk?
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Das haben wir von Anfang an in einem Laden gemacht, der »Cassetten Copier Service« hieß. Die haben fast alle Tapes in Berlin gemacht. Royal Bunker hatte ein anderes Kopierwerk – das war etwas, ich sage mal, spießiger als unseres. (lacht) Unseres hatte eine richtig geile Atmosphäre. Du bist reingekommen und selbst nach fünf Jahren hat der Typ dich da noch gesiezt – und das, obwohl das gar keine Atmosphäre zum Siezen war. Die Aufkleber und Inlays haben wir aber selber gemacht. Teilweise hatten wir Leute bei uns in der Bude, die sich nur darum gekümmert haben, die Kassetten zu bekleben und die Hüllen mit den Covern zu bestücken. Währenddessen haben wir dann an neuen Beats gebastelt – das war eine echt krasse Zeit.
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Wie lief das mit dem Kopieren der Kassetten denn genau ab?
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In dem Laden gab es mehrere Kassettenrekorder auf einmal, die das Original dann in Highspeed überspielen konnten. Ich habe zu Hause auch eine Maschine, mit der man acht Tapes auf einmal kopieren kann. Wir haben damals ja schon unser Master auf CD dort abgegeben. Wir hatten einen Atari, einen Emax und ein Vier-Spur-Gerät. Wir haben dann das Master vom Vier-Spur-Gerät laufen lassen und die einzelnen Spuren in Echtzeit auf einem externen CD-Rekorder aufgenommen und währenddessen noch gemischt. Deswegen gibt es auf »BRP 4 Life« von Taktlo$$ auch einen Song, auf dem man nichts hört – da ist was schiefgelaufen und er hatte keinen Bock, eine neue CD reinzumachen. (lacht) Danach haben wir die Cover dann im Copyshop am Hermannplatz vervielfältigt. Das war eine richtig geile Zeit, weil man sich total darauf gefreut hat, wenn die erste Kassette fertig war.
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Mit welchem Programm hast du die Cover eigentlich gemacht?
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Ich habe nicht alle gemacht. Aber wir haben damals schon mit Photoshop gearbeitet. Das Cover zum »B.C.«-Tape ist zum Beispiel tatsächlich von mir. Das Bild war aus einem Artikel über BC in der »BZ«. Da haben sie uns damals am Görlitzer Park fotografiert. Den Rest der grafischen Elemente habe ich dann aus dem Internet gezogen. Das Cover zu »Sexkönig«, wo Orgi eine nackte Frau auf seinen Armen hält, habe ich auch gemacht. Bei der Erstauflage, die es nur 50 Mal gab, hat man seine Augen gesehen, bei der zweiten Auflage hatte er einen Balken über seinen Augen. Ich meine, dass die Zweitauflage an manchen Stellen auch durch ein paar Pieptöne zensiert wurde. Manny Marc hat sein Cover, meine ich, selber gemacht und die Cover zu »Tanga, Tanga« und »Es gibt kein Battle« stammen von FOK, der damals ein sehr bekannter Writer in Berlin war.
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Im zweiten Teil des Interviews, das in Kürze erscheint, geht es weiter mit der Entstehung von Rap Haus Records, dem legendären Album »Untergrund Solo Vol. 2«, Frauenarzt‘ Definition von Trap und der Frage, was an Bass eigentlich genau so geil ist.