Nikolai Potthof »Das ist wie eine Liebesbeziehung auf Zeit.«
Nikolai Potthoff hat für Enfold und Tomte Gitarre gespielt sowie für Muff Potter, Leslie Clio und Ahzumjot produziert. Mit ALL GOOD sprach er über die Arbeit an Ahzumjots Major-Debüt »Nix mehr egal«.
Spätestens seit »XOXO« von Casper wissen wir: Wer nicht einfach nur auf ein paar zusammengesuchte Beats abflexen, sondern Eindruck hinterlassen und den richtig großen Wurf landen will, braucht die richtigen Produzenten im Hintergrund. Leute, die die Fäden ziehen, die roten. Für Ahzumjot, dessen Album »Nix mehr egal« diesen Freitag erscheint, war das zu großen Teilen Nikolai Potthoff. Er spielte Gitarre bei Enfold, zupfte für Tomte den Bass und nach dem Ende der legendären Indie-Formation die Rhythmusgitarre in der Band von Thees Uhlmann. Nebenbei ging und geht der gebürtige Bielefelder noch einem Job als Produzent nach – für Muff Potter, Leslie Clio und seit »Nix mehr egal« eben auch Ahzumjot. Ein Gespräch über die intensiven Arbeiten am Album, die nötige Prise Pathos und das gemeinsam Musikmachen, das sich manchmal gar nicht so sehr von einer Liebesbeziehung unterscheidet.
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Wie hast du Ahzumjot eigentlich kennengelernt?
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Alans Manager hat mich kontaktiert und meinte, er hätte einen Künstler, den er mir gerne mal zeigen würde. Mich hat es eh schon lange gereizt, mal ein HipHop-Album zu machen. Und gerade für jemanden wie mich, der ja aus dem Indie-Bereich kommt und keinerlei Referenzen vorzuweisen hat, war das eher schwierig. Deswegen war ich sehr gespannt. Und dann haben wir uns Dezember 2012 das erste Mal getroffen. Er hat mir ein paar Songs von sich vorgespielt: »Sepia zu Gold« und noch ein paar andere Sachen von »Monty«. Ich kannte ihn bis dato ja nicht.
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Hattest du denn überhaupt Interesse an deutschem Rap?
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Mich hat das schon immer begleitet, aber das Interesse war nie so groß, als dass ich Ahzumjot mitbekommen hätte. Aber ich fand seine Sachen sehr erfrischend. Weil man gemerkt hat, dass er sich keine Gedanken über die Strukturen und Muster der Musikbranche und Prinzipien des Songwriting gemacht hat. Er war von der Seite her nicht versaut. (grinst) Auf der einen Seite war das sehr ungeordnet, weshalb da auch der Wunsch von Management war, dass da etwas mehr Linie rein muss, aber gleichzeitig eben auch sehr unbedarft. Das fand ich sehr angenehm.
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Umgedreht kannte Ahzumjot auch deinen Background gar nicht, richtig?
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Ja, wir sind halt echt bei Null gestartet. Und ich habe dann vorgeschlagen, dass wir uns doch einfach mal treffen können. Gerade wenn es ums Musikmachen geht, finde ich es immer gut, wenn man nicht nur miteinander redet, sondern sich gegenseitig ein paar Lieblingsplatten und bisherige Produktionen zeigt. Aus dem ersten Treffen sind wir beide, glaube ich, mit einem guten Gefühl herausgegangen. Ich dachte mir da schon: »Geil, mit dem könnte ich mir vorstellen, viel Zeit im Studio zu verbringen.«
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Mitunter ja sogar sehr viel Zeit, oder? Da kommt man doch auch an Punkte, wo man sich richtig auf den Sack geht.
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Definitiv. Es ist ja ein bisschen wie eine Liebesbeziehung auf Zeit. Mit allen Höhen und Tiefen, mit allen Streits und Diskussionen. Gerade, wenn es um Musik geht, wird es wahnsinnig schnell sehr emotional. Der eine verwirft Dinge, die für den anderen kleine Babys sind, und dann kocht die Stimmung hoch. Und wenn es dann noch Diskussionen über Texte, also persönliche Wörter, gibt, geht’s richtig ab. Das ist alles sehr tief. Ich weiß nicht, ob das normal ist. Aber bei mir ist das definitiv so, weil ich mich gerne einmische. Und dann hat man eben viel zu reden – und auch viel zu diskutieren. Es gibt aber auch Tage, wo man Hand in Hand da durchgeht und dauernd einer Meinung ist.
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Ihr habt direkt beim zweiten Treffen angefangen an einer Skizze herumzuproduzieren, oder?
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Genau. Es gibt Tracks, die sind von Null an entstanden und es gibt welche, die anhand von Skizzen zu Ende gebracht wurden. Bei zwei Songs haben wir den Beat auch nur noch mal hier in geil nachproduziert.
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Habt eigentlich nur ihr drei an »Nix mehr egal« gearbeitet oder gab’s noch andere Mitwirkende?
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Die Cello-Parts wurden von Philipp Timm von ABBY eingespielt. Ein wahnsinnig begabter Musiker. Cellist und Pianist – ich glaube, der kann alles spielen. Ansonsten hat Lev die meisten Sachen am Klavier eingespielt.
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Wie hast du Levon Supreme kennengelernt?
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Lev wurde mir als eine Art Co-Produzent vorgestellt. Ich habe die beiden auch fast als eine Art Band verstanden. Und so ist es ja auch live. Lev ist von den beiden auf jeden Fall der musikalischere. Er kann Instrumente spielen, hat Ideen für Melodien und sitzt sofort am Klavier, während Alan rhythmisch sofort eine ganz klare Vorstellung davon hat, wo es hingehen soll.
- »In meinem Ahzumjot-Ordner sind noch 25 bis 30 Projektanfänge, aus denen nichts geworden ist.«Auf Twitter teilen
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Was hast du über die Skizzen gedacht, die du von den beiden gehört hast?
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Es gab Sachen, die mich sehr inspiriert haben. Als ich »Für Immer« das erste Mal gehört habe, sind in meinem Kopf sofort Melodien losgegangen. Aber es gab natürlich auch welche, die mich ziemlich kalt gelassen haben. Wir haben auch Beats angefangen, die nie weiter verfolgt wurde. In meinem Ahzumjot-Ordner sind noch 25 bis 30 Projektanfänge, aus denen nichts geworden ist.
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Levon Surpreme hat mir erzählt, dass es zum Ende der Albumarbeiten schwieriger wurde. Weil man eben ein Konzept hatte, an das man sich halten musste und gewisse Sachen auch einfach schon gemacht wurden und ihr euch aber auch nicht wiederholen wolltet.
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Absolut. Aber das hat auch noch Spaß gemacht. Meine Lieblingssongs sind eher die letzten auf dem Album. Man findet ja immer das, was man gerade erst gemacht hat, am geilsten. Die Sachen, die wir ganz am Anfang dieses doch recht langen Produktionsprozesses gemacht haben, würde ich heute anders machen. Aber irgendwann muss man auch damit abschließen, weil man sonst für immer dransitzt. Deswegen freue ich mich aber auch schon auf ein – hoffentlich – zweites Album mit ihm. Weil man gemeinsam soviel gelernt und erreicht hat und noch soviel machen will, dass ein zweites Album mit einem ganz anderen Ansatz und einer anderen Energie vonstatten geht.
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Welche sind denn deine Lieblingssongs?
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»Der coolste Motherfxcker«. Ich finde es super, wie Alan rumläuft. Nur hat er eben immer eine Kette oder ein Accessoire zu viel an. (grinst) Aber er trägt das ja auch mit sehr viel Selbstironie, andererseits denkt man sich dann auch: »Ist es überhaupt Ironie?« Das mag ich an ihm. Und ich mag den Beat sehr, weil er doch schon sehr nach HipHop klingt. Und »8701« mag ich auch sehr. Aufgrund meiner Vorgeschichte haben wir, finde ich, sehr musikalisch gearbeitet. Und ich bin halt mehr Songschreiber als Beatmacher. Und bei »8701« kannst du die Vocals rausnehmen und es könnte jemand super drüber singen. Ich mag den von der Instrumentierung und dem organischen Sound her mit am liebsten. Der hat eine schöne Wärme und ist textlich super. Das ist ein Liebeslied, das nicht die falschen Worte benutzt.
- »Ich mag den Moment, in dem du freihändig mit dem Fahrrad den Berg herunterfährst und ›Ja, Mann!‹ denkst.«Auf Twitter teilen
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Gut, dass du das sagst: Ahzumjot hat mir erzählt, dass du ein großer Fan von Pathos bist.
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Ich mag schon wirklich gerne, wenn ein Refrain ein Refrain ist. Das muss nicht sofort im Stadion passieren und von Coldplay kommen. Aber ich mag den Moment, in dem du freihändig mit dem Fahrrad den Berg runterfährst und »Ja, Mann!« denkst. (lacht) Wenn man das finden kann, dann bitte auch rein damit. Und Ahzumjot ist ein Künstler, der das darf und kann. Der ist ja kein graues Mäuschen, das vom Refrain überrollt wird.