Run The Jewels »Das ist eine völlig neue Herangehensweise ans Musikgeschäft.«

Als ein gemeinsamer Freund und Mitarbeiter beim Kabelsender Adult Swim vor knapp drei Jahren El-P mit Killer Mike bekannt machte, entstand eine einzigartige Freundschaft zwischen dem New Yorker Def-Jux-Gründer und dem Grammy-prämierten Friseurladenbesitzer aus Atlanta — und eine der produktivsten und spannendsten Zusammenkünfte der jüngeren Rap-Geschichte.

Run The Jewels / El-P / Killer Mike

Das ungleiche Duo hat seitdem drei Langspieler aufgenommen, die zu den meistgelobten Veröffentlichungen ihres Jahrgangs gehörten: »R.A.P. Music«, das explizit politische, weltverschwörerische Soloalbum von Killer Mike, den zynisch-schaurigen ersten »Run The Jewels«-Teil als Duo und jetzt, nur ein Jahr später: »Run The Jewels 2«, auf dem wohl wieder unter Einfluss von Halluzinogenen Drohnenangriffe auf Brooklyn prophezeit werden. Es klingt nicht nur so, als wäre ein Def-Jux-Jünger in den Dungeon der ATLien-Famile eingedrungen und hätte die Bässe übersteuert, es fühlt sich verdammt nochmal auch an wie eine Apokalypse. Und wenn sich das alles ein wenig zu krass anhört, können die beiden das Album ja auch einfach noch mal neu aufnehmen. Mit Katzengeräuschen.

  • Was sind die wichtigsten Substanzen, wenn ihr gemeinsam im Studio seid?

  • El-P: Marihuana. Wir müssen unserem Hänger-Image ja treu bleiben. Und natürlich Mushrooms.  

  • Killer Mike: Thunfisch.

  • El-P: Sehr wichtig: Thunfisch-Sandwiches. Wir verfolgen da zwar ganz unterschiedliche Philosophien, was den Belag angeht, aber wir funktionieren beide nicht ohne. Ein Run-The-Jewels-Album besteht im Grunde aus tonnenweise Weed, Mushrooms, Alkohol und Thunfisch. 

  • »Wir sind so gutgläubig, dass wir den Menschen vertrauen.« Auf Twitter teilen
  • »Run The Jewels 2« erscheint über Mass Appeal Records und wird gleichzeitig wieder im Internet kostenlos verfügbar sein. Eine ähnliche Strategie habt ihr letztes Jahr mit Fool’s Gold verfolgt. War das eine Bedingung, die für den Label-Deal ausschlaggebend war?

  • El-P: Ja, das war uns ganz wichtig. Das Album muss für jedermann frei zugänglich sein. Wir stellen es natürlich auch auf iTunes, verkaufen es als CD, Vinyl und in aufwändigen Sammler-Editionen. Das ist unsere Philosophie: Wer die Musik zu schätzen weiß, wird uns unterstützen. Wir sind so gutgläubig, dass wir den Menschen vertrauen. Wir glauben an das Album und dass es nur so funktionieren kann. 

  • Thom Yorke hat gerade sein Soloalbum über die Filesharing-Seite BitTorrent veröffentlicht und dabei wohl mehr Geld verdient als über einen herkömmlichen Vertrieb. Machen die neuen Vertriebswege Künstler wie euch finanziell unabhängiger?

  • El-P: Wir müssen heutzutage einfach viel realistischer an die Sache herangehen. Die Musikindustrie, wie wir sie kannten, existiert nicht mehr. Heute musst du als Künstler in ganz anderer Beziehung zu deinen Fans stehen. Es gibt mehr Möglichkeiten und Chancen, unabhängig Erfolg zu haben und die neuen Gegebenheiten des Musikmarktes sinnvoll zu nutzen. Natürlich ist nicht jeder so bekannt wie Thom Yorke oder wir und das Modell wird nicht für jeden funktionieren. Für uns aber ist es eine komfortable Situation, da wir noch Platten verkaufen, cooles Merchandise haben und Menschen auf der ganzen Welt zu unseren Shows kommen. Wenn du den Kids die Option lässt, dafür zu bezahlen, wissen sie das zu schätzen. Uns geht es wirklich nur noch darum, den Menschen unsere Musik zu zeigen.  

  • »Wir setzten uns direkt mit unseren Fans in Verbindung. Das ist direkte Kommunikation. Eine Barriere existiert nicht mehr.«  Auf Twitter teilen
  • Man braucht also einen Vertrauensvorschuss. Verläuft eure Zusammenarbeit nach dem Kickstarter-Modell?

  • Killer Mike: Es ist ein Vertrauensbund, den wir mit den Fans eingehen, vergleichbar mit dem Crowdfunding-Konzept. Leute twittern uns, dass sie uns die 20 Dollar am liebsten direkt überweisen würden. Oder posten das Shirt, dass sie bestellt haben, was wiederum einen doppelten Promoeffekt für unser Album hat. Das schafft ein viel intimeres Verhältnis zwischen Künstler und Konsument und macht ihn zu einer Art Partner. Schau dir den Wu-Tang Clan an – für mich war das nie nur eine Band. Ich sah mich nicht als Fan, sondern als Teil der Organisation, der sich schwor: Wu-Tang bis zum Tod. Diese neuen Business-Modelle geben uns auch die Chance, bestimmte Dinge nicht mehr tun zu müssen, zum Beispiel mit Anzugträgern zu verhandeln. Wir setzten uns direkt mit unseren Fans in Verbindung. Das ist direkte Kommunikation. Eine Barriere existiert nicht mehr.  

  • Ein gehyptes Duo wie ihr zieht doch aber bestimmt das Interesse von Firmen und Brands auf sich. 

  • Killer Mike: Unsere schlimmste Show dieses Jahr war für irgendwelche Büroangestellten, die dafür bezahlten, die »Band der Stunde« bei sich zu haben. Manchen hat es gefallen, aber die meisten schauten uns nur völlig bescheuert an. Ich will nie wieder für irgendeine Firma arbeiten und Dinge tun, hinter denen ich nicht stehen kann. 

  • El-P: Run The Jewels ist wirklich ein Phänomen, das durch die Fans entstand. Während unseren letzten Soloalben »Cancer 4 Cure« und »R.A.P. Music« waren wir gemeinsam auf Tour. Und die Reaktionen waren so überwältigend, dass der erste RTJ-Teil quasi ein Geschenk dafür war. Es gab wirklich nur einen Hintergedanken: Wie schnell können wir unseren Fans etwas Neues zum Hören geben? Uns ging es einfach hervorragend und wir mussten das kanalisieren. Was unsere Fans dann aus einem Album, das fast nicht promotet wurde und ohne Label-Struktur erschien, gemacht haben, ist unglaublich und deren Verdienst. Run The Jewels existiert nur in Verbindung mit unserer bedingungslosen, aufopfernden Anhängerschaft an Supportern, die nebenbei alle passionierte Musikliebhaber sind. Das ist eine völlig neue Herangehensweise ans Musikgeschäft.      

  • »Run The Jeweils existiert nur in Verbindung mit unserer bedingungslosen, aufopfernden Anhängerschaft an Supportern.«Auf Twitter teilen
  • Der Song »Close Your Eyes« entstand mit Zack de la Rocha von Rage Against The Machine – eine Band, die euch persönlich, aber auch die gesamte HipHop-Kultur in den frühen Neunzigern geprägt hat. 

  • El-P: Der Einfluss von Rage Against The Machine auf die Rap-Szene der Neunziger ist nicht zu unterschätzen. Alle HipHopper hörten das. Als ich Zack zum ersten Mal »Pocket full of shells«, auf »Bulls On Parade« brüllen hörte, fühlte ich mich an die Energie von Chuck D erinnert. Als Rage auftauchten, war die Szene verweichlicht, unpolitisch und bewegte sich in eine komische Richtung. Für HipHop-Kids war es nicht gerade normal, auch auf eine Anthrax-Show zu gehen, oder andere Genres überhaupt zu registrieren. Bands wie Run DMC spielten längst auf kommerzialisierten Budweiser-Veranstaltungen. Für mich war Rage wie die Rückkehr von echtem Rap.  

  • Mike, André 3000 hat kürzlich in einem Interview erzählt, dass du ursprünglich auf dem Welthit »Hey Ya« gefeaturet sein solltest.  

  • Killer Mike: (lacht) Da ist was dran. Als er mir und Big Boi den Song das erste Mal im Auto vorspielte, sind wir ausgerastet und sprachen davon, dass ich was dazu aufnehmen sollte. Natürlich wäre ich gerne auf dem Track gewesen, dann hätte ich jetzt ein größeres Haus und einen dicken Pool. (Gelächter) Ich glaube, das war nur ein Hirngespinst. Ich war geschmeichelt, dass er das jetzt noch mal erwähnte. Das ist wie ein Kompliment von deinem großen Bruder. Aber jetzt bin ich eben die bessere Hälfte von Run The Jewels. Es ist also alles gut geworden.  

  • Noch was: Ist »Do Dope, Fuck Hope« das neue YOLO?

  • El-P: Ich hoffe doch nicht. Denn wenn dem so ist, stecken wir in echten Schwierigkeiten.