Drama Kuba »Das Album bin ich.«

Mitte März ist mit »Krach« das Solo-Debut von Drama Kuba erschienen. Seite an Seite mit Größen wie K.I.Z oder Legende Project Pat lässt der Nordberliner Köpfe rollen und Leichen verschwinden, zeichnet aber genauso das Bild eines unverstandenen, auf sich alleine gestellten Aliens. Liam Tanzen hat mit Drama Kuba über Akte X, Black Metal und den Teufel, vor allem aber über dessen Solo-Debüt »Krach« gesprochen. 

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Kubas Rap-Vergangenheit fällt in eine Lücke der gängigen Deutschrap-Geschichtserzählung. Nord Nord Muzikk landen bereits 2008 mit »Wo die Killer hängen« einen Memphis Rap-Untergrund-Hit. Elf Jahre später (!) veröffentlichen die Horror Rap-Veteranen dann eines der handwerklich besten und stilsichersten Alben ihres Genres.

 Während die Songs auf »Hexeh« noch sehr im klassischen Themen-Kanon des Dirty South verhaftet sind, vollzieht die Gruppe auf späteren Singles einen Perspektivwechsel: Erst werden Spießbürger zu Mord-Opfern, dann sind es die Rapper selbst.

Auf dem »Hexeh«-Nachfolger »ICD-10« finden sie den Horror in sich. Es geht um Sucht, die Angst vor dem Tod und Psychiatrie-Aufenthalte – nach wie vor verpackt in düsteren Memphis-Sound. Jetzt ist das Solo-Debut von Drama Kuba erschienen. »Krach« setzt die schonungslose Introspektive fort, mischt sie aber mit klassischen Memphis-Junts und Ausflügen in Post Punk- und Wave-Gefilde.

Das Interview erscheint bald in voller Länge in der vierten Ausgabe vom AUSRUF Fanzine über deutschen Memphis Rap. Einen exklusiven Auszug gibt es vorab bei ALL GOOD.

  • Wie siehst du die Sachen, die auf »Hexeh« gerappt werden, aus heutiger Perspektive? Würdest du das noch so machen?

  • Ich mag die Energie immer noch sehr. Ich mag wütende und aggressive Musik. Aber ich weiß nicht, ob ich »Schwarzes Plastik« so nochmal machen würde. Die Hook ist super, aber in den Parts sind schon doofe Klischees drin. 

  • Nach dem Album kamen so vier, fünf Singles raus. Zwei davon sind »Chaos regiert« und »Roter Lippenstift«. Ich fand es bei beiden bemerkenswert, dass da eine andere Perspektive gewählt wurde.

  • Ja, das war das logische Weiterdenken. Wenn man schon diese abgefuckte Musik macht, kann man seine Energie auch in die Richtung lenken, die einen wirklich abfuckt. »Roter Lippenstift« war auch einfach der zweite Teil von »Schwarzes Plastik«. Die Inspiration ist »Molten Light« von Chad VanGaalen. Da singt er darüber, wie eine Frau umgebracht wird und dann als Geist wiederkommt, um sich zu rächen. 

  • Auf »ICD-10« rappen nur noch du und Kannibal Rob. Wie kam eure Entscheidung, den Horror nach innen zu richten?

  • Das kam dadurch, dass ich, während das Album entstanden ist, in der Psychiatrie gelandet bin. Da war ich dann auch erstmal ein halbes Jahr. Seitdem ich ungefähr 14 bin, leide ich unter Zwangsgedanken und Zwangsimpulsen mit aggressiven Inhalten. Ich hatte mega Angst, schizophren zu werden oder eine Psychose zu bekommen, weil ganz viele Leute um mich rum klatschen geblieben sind. Als ich so 16 Jahre alt war, habe ich mich jede Nacht in meinem Zimmer eingesperrt und den Schlüssel vor mir selbst versteckt. Aus Angst davor, nachts aufzuwachen und jemanden im Wahn zu töten. Mit dieser Angst habe ich jeden Tag gelebt. Es hat sich so zugespitzt, dass ich am Ende im Arsch war und in die Psychiatrie gegangen bin. Da habe ich das, was ich dir gerade erzähle, zum ersten Mal überhaupt irgendjemandem erzählt. Ich habe jetzt die Diagnosen: Zwangsstörung, Suchterkrankung, Depression, ADHS. Es erklärt so vieles. Und dann ging der ganze Spaß los: Medikamente, Therapie, Krankheit annehmen, Umgang damit finden … In dieser Zeit ist »ICD-10« entstanden.

  • Mir ist gar nicht so wichtig, warum etwas ist, wie es ist. Sondern vielmehr: Wie gehe ich damit um? Auf Twitter teilen
  • Hilft dir das, diese Diagnosen zu haben?

  • Ja, safe. Mir ist gar nicht so wichtig, warum etwas ist, wie es ist. Sondern vielmehr: Wie gehe ich damit um? Aus dem Grund hilft es mir. Du kannst gewisse Sachen nicht ändern. Die Vergangenheit sowieso schon mal gar nicht. Aber was du ändern kannst, ist der Umgang damit. Du kannst deine Lebensstrukturen und Grundannahmen verändern. Nachsichtiger sein. Wertschätzen, was man kann. Das hilft mir enorm. 

  • Bist du an einen Punkt gekommen, wo dieses klassische Horror-Thema ausgereizt war, oder war es dir einfach wichtiger, andere Sachen zu thematisieren?

  • Also, es gab auch früher schon Songs, die persönliche Elemente enthalten haben. Auch von Nord Nord. Und nur reines Horror-Zeug zu machen, ist mir einfach zu langweilig. Trotzdem: Ich mag diese Musik nach wie vor. Ich mag die Stumpfheit dieser Musik. Ich mag das Aggressive daran. Ich mag das Schnelle daran. Ich ziehe da so viel Kraft draus und ich sehe da so viel drin. Auch künstlerisch!

  • Auf »ICD-10« geht es viel um den Teufel. Was bedeutet der für dich?

  • Der Teufel ist das allgegenwärtige Böse, was so oder so stattfindet und in jedem von uns steckt. Als meine Mutter mit mir schwanger war, hat sie »Rosemary’s Baby« gesehen. Sie hat mir als Kind erzählt: »Da wurde der Teufel geboren. Als ich diesen Film gesehen habe, hatte ich Angst, dass du der Teufel bist.« Bei mir kam oft der Verdacht auf, ein sehr schlechter Mensch zu sein. Dieses Bild habe ich angenommen. 

  • Wie war das Gefühl, ein Solo-Album zu machen und tatsächlich alleine für alles verantwortlich zu sein?

  • Das war überhaupt kein Problem. Weil: Bei Nord Nord war ich auch für alles verantwortlich. Was für mich neu war: Ich hatte vorher noch nie Solo-Songs geschrieben. »Nekrophil« war der erste Solo-Song, den ich je gemacht habe. Mittlerweile klappt das ganz gut. Also würde ich jetzt mal so behaupten. 

  • Es öffnet sich ja eine ganz andere Ebene, wenn du anfängst, persönlich zu werden.Auf Twitter teilen
  • Was war anders? Hat dir der Austausch gefehlt?

  • Nee, das gar nicht. Es öffnet sich ja eine ganz andere Ebene, wenn du anfängst, persönlich zu werden. Es ist schwierig, wirklich persönliche Songs mit anderen zusammen zu machen. Und so einen Song wie »Witch« kannst du mit drei Männern eh nicht bringen. Ich konnte einfach meinen eigenen Film fahren. Das ist viel, viel freier. 

  • Wer ist denn trotzdem im Team um dich rum gewesen?

  • Bis auf drei Songs habe ich alle bei Nico (K.I.Z, Anm.) aufgenommen. Er hat recorded und Executive gemacht. Die anderen sind mit Hach Ziupa entstanden. Also »Witch«, »Chaos« und »Fehler im System«. Natürlich noch Danzo. Mit dem habe ich angefangen, Musik zu machen. Und Traya kam dann dazu, hat »Bad Place« produziert und ist bei ganz, ganz vielen Songs mit eingestiegen. Er hat noch enorm Input fürs ganze Album gegeben. Für mich ging dieses Connecten zum ersten Mal los und ich habe gemerkt, wie cool das eigentlich ist und dass es vor allem Spaß macht, Gleichgesinnte zu treffen. Hach zum Beispiel ist mittlerweile ein sehr, sehr guter Freund von mir. Kommt überhaupt nicht aus dem HipHop. Der weiß ganz genau, wie es richtig gemacht wird und will es kaputt machen, damit es geil klingt. Selten jemanden getroffen, der so ein Empfinden für Ästhetik hat. Das Cover hat Sebastian Glowinski gemacht. Mit dem mache ich alles. »Hexeh«, »ICD-10« und jetzt auch das. Da steht die Maske (zeigt auf einen riesigen Alien-Kopf im Regal). Basti kenne ich schon, seit wir so 13 sind. Nico kenne ich auch, seit wir 15 sind – das ist alles immer noch sehr eng. Mit Bobby (Boris Saposchnikow, Anm.) mache ich alle Videos. Er hat ne kleine Produktionsfirma und ist für jeden Kram zu haben. Der ist eine riesen Inspiration. Diese Jungs ermöglichen mir das eigentlich alles.  

  • Ich weiß noch, wie ich die allererste Single mit K.I.Z gehört habe und dachte: Das fühlt sich gerade so viel befreiter an als alles davor.

  • Das freut mich sehr, weil: Es ist absolute Befreiung und absolute Selbstverwirklichung. Das ist mein Mehrwert aus diesem Ganzen. Es ist auf so vielen Ebenen einfach krass wichtig für mich. Und gerade bei dem Album sind diese ganzen Altlasten abgefallen. 

  • War das auch konzeptionell ein Vorhaben? Also: Wolltest du auch, dass das Album entspannter klingt?

  • »ICD-10« ist schon sehr artsy und verkopft. Mir war diesmal wichtig: Das Album bin ich. Das ist meine Geschichte, mein Charakter, mein Geschmack und meine Ansichten. Mein Film einfach. Am Anfang habe ich mich gefragt: Werden die Leute sich daran stören, dass es persönliche Songs gibt und im nächsten Moment geht es wieder um Köpfe abhacken? Aber: Ich finde es genau gut, dass es so ist. Die Songs haben ja trotzdem eine Haltung, aber man muss nicht immer alles direkt benennen. 

  • Ich habe dein Gefühl, irgendwie anders zu sein, als zentrales Motiv des Albums begriffen …

  • Ich habe vorhin gesagt: Ich will mit dem Album zeigen, wer ich bin. Das stimmt, aber ich will es nicht den Leuten zeigen. Ich mache das für mich. Um mich selbst zu verwirklichen, mich selbst zu begreifen. Und um es aufzuschreiben, vor mir zu sehen und es in das Medium zu packen, was mir am liebsten ist. Es ist Quatsch, zu denken, dass man Musik macht, um Leuten zu helfen. Wenn es Leuten hilft, saugeil. Aber diesen Anspruch hatte ich gar nicht. Songs wie »Bulletproof« sind mir selbst gewidmet.

  • Bei »Bulletproof« habe ich am krassesten gemerkt, wie du diese Themen auf dem Album so verhandelst, dass du daraus Kraft ziehst.

  • Ich kann aus negativer Musik sowieso Kraft schöpfen. Schon bei Nord Nord: Das ist Musik, die mich antreibt, die für mich eine positive Wirkung hat. Es ist ja Unsinn zu glauben, dass einen nur schöne Sachen aufbauen. Im Gegenteil: Es ist doch viel befreiender, sich mal auszukotzen und sauer zu sein, als sich die ganze Zeit zu sagen: Kopf hoch, es wird alles gut. Nee, wird es nicht. Und es ist auch okay, dass es nicht wird. 

  • Erzähl mal gerne, wie es zu dem Alien-Motiv kommt.

  • Ich bin ein super verseuchtes Fernsehkind. Ich bin ein großer Akte X-Fan und hatte früher riesen Schiss vor Ufos und Aliens. Nicht als Monster, sondern auf: Es könnte ja sein. Niemand weiß, was da oben ist. Ich habe als Kind jeglichen Shit geguckt oder gelesen, den ich dazu finden konnte, und habe mich mega davor gegruselt. Natürlich geht es auch um das Bild des Aliens als absoluten Außenseiter der Gesellschaft. Was ich ja auch nicht als Erster benutze.

  • Das Motiv rahmt das Album. Es startet mit deiner Geburt »… in der Mitte eines Kornkreises« und zelebriert das Thema auf »Out of Space«, dem vorletzten Song, nochmal richtig.

  • »Out of Space« hat viel damit zu tun, wie ich mit meinen Emotionen umgehe. Ich konnte das lange nicht so gut und hab sehr darunter gelitten. Wenn du abhängig bist, abgewichst bist und mit kaputten Leuten zu tun hast, kannst du dir ja vorstellen, zu was das alles führen kann. Immer mit dem Gedanken: Ich dreh sowieso jeden Moment durch und werde verrückt. Es gibt sowieso keine Zukunft für mich. Das ist mittlerweile nicht mehr so. Zum Glück. Das Album ist ein bisschen wie eine Reise. Es gibt die Geburt, die Kindheit. Und dann gibt es eine Diagonale durch mein Leben, anhand von wirklich persönlichen Liedern, die auch eine gewisse Haltung vermitteln. Es mündet darin, wie ich mit mir selbst umgehe bzw. was mir passiert – nämlich, dass ich in die Klinik komme. Für mich ist »Ratte« die logische Konsequenz aus »Out of Space«. Es ist ganz wichtig, dass die beiden Songs hintereinander kommen.

  • Es gibt auf »Krach« wieder mehr klassische Horror- und Splatter-Motive. Du schaust generell nicht mehr nur nach innen, sondern hast einen Abgleich nach außen und klar benannte Feindbilder. Musstest du erstmal mit dir selber ins Gericht gehen, damit du das jetzt wieder mit anderen kannst?

  • Auf »ICD-10« war ich selbst das Feindbild. Vielleicht musste ich das wirklich machen, um jetzt so rappen zu können. Wenn du dich fehl am Platz fühlst, dein Leben lang … Es sind ja oft Sachen von außen, die dich so fühlen lassen. 

  • Es gibt auf dem Album zwei Lieder, die ich mal als Lovesongs kategorisieren würde: »Chaos« und »Witch«. Ich finde, die sind musikalisch anders und auch textlich offener gestaltet. Wie war da dein Ansatz?

  • Ich bin ein riesen Fan von Wave- und Punk-Musik. Der 80er sowieso. Vor allem The Cure. Und ich mag auch diese kitschige Art und Weise, eine Frau zu besingen. Kennst du »Black No. 1« von Type O Negative? Von diesen Songs gibt es ja unendlich viele. Komischerweise nicht einen einzigen von einer Frau über einen Mann. Zu Recht. 

  • Die Hexe ist mein Lieblingsmotiv. Auf Twitter teilen
  • Ich finde, »Witch« hat etwas Märchenhaftes.

  • Die Hexe ist mein Lieblingsmotiv. Mein erstes Kinderbuch war ein Pop-Up-Buch über eine Hexe. Dieses Thema: Hexerei, Kinder, die gegessen werden – das finde ich bis heute sehr unheimlich. 

  • Auf »Witch« ist, nicht zum ersten Mal in deiner Diskographie, so eine Art angedeutetes Black Metal-Outro.

  • Ich fand es lustig, bei dem Song so aufzuhören. Weil es in dem Moment wirklich um den Teufel geht. Es gibt keine Musik, die mehr Teufel ist als Black Metal. Ich glaube, wenn ich das im richtigen Kontext benutze, ist es cool. Solange ich das nicht als mein neues Alter Ego annehme. Ich sehe das als Zitat. Die Bewegung finde ich allgemein ultra interessant, weil sie komplett aus dem Nichts entstanden ist. In einer Zeit, wo es kein Internet gab. Und Leute sich international, über schwarz-weiße Fanzines, irgendwie connected haben. Mit dieser absolut nicht gesellschaftstauglichen Musik. Und trotzdem ist es lächerlich auf eine gewisse Art und Weise. Aber es ist krass und das feiere ich hart.

  • Wie zum Teufel ist das Project Pat-Feature zustande gekommen?

  • Über Joey von Smoke On Records. Den kenne ich seit 16 Jahren übers Internet, aber wir haben uns noch nie gesehen. Nicht mal ein Foto. Er kennt die ganzen Memphis-Leute, hat Familie in den USA und war auch schon drüben. Joey hat Evil Pimp unter Vertrag gehabt und hatte mit dem Mal ein Album mit Features von zigtausend Leuten geplant. Für den deutschen Markt war so ein Posse-Song mit uns, Project Pat und K.I.Z angedacht. Zu diesem Song kam es aber nie. Dann hatte ich diesen Part die ganze Zeit und meinte jetzt: Joey, kann ich den haben? Wir hatten Pat damals extra gebeten: Rap mal bitte so wie früher. Diese ganz alten Flows. Hat er alles gemacht. Das ist auch meine absolute Nummer Eins, wenn es darum geht: Wer gibt mir die meiste Genugtuung, wenn ich ihm zuhöre.  

  • Vielleicht der coolste Rapper jemals.

  • Das trifft es ganz gut. Die Größten der Größten ziehen den Hut vor Project Pat. Der eigentlich so underrated war sein Leben lang. Das ist supergeil, den auf dem Album zu haben.