Juse Ju »Battlen ist ein Kampfsport, den du fernab davon machen kannst, wie groß deine Muskeln sind.«

Kürzlich feierte das Battle-Rap-Format »Don’t Let The Label Label You« Zweijähriges. Wir sprachen mit Ex-Freestyler, Rapper und DLTLLY-Moderator Juse Ju, der nicht nur sein neues Album »Angst & Amor«, sondern auch eine Menge eigene Battle-Erfahrung im Backpack hat.

Juse Ju

Battle-Rap hat sich hierzulande seit den ersten klassischen Freestyle-Jams mit »Feuer über Deutschland« und Written- sowie Video-Battle-Formaten wie der RBA oder dem VBT bis hin zu den wieder erstarkenden Live-Battle-Turnieren à la »Rap am Mittwoch« und »Don’t Let The Label Label You« kontinuierlich verändert. Letzteres – von Jamie aka JollyJay und seinem Partner Hanno aka H-to-O nach Vorbild der britischen »Don’t flop«- und der amerikanischen Written-Battles ins Leben gerufen – feierte kürzlich zweijähriges Jubiläum in München. Von Anfang an dabei war auch Rapper und Interview-Host Juse Ju, der nicht nur eine beachtliche Freestyle-Battle-Karriere auf dem Buckel hat, sondern mit seinem dritten Album »Angst & Amor« auch wieder ein Stück Battle-Rap auf die bosstransformierte Welt und sich selbst loslässt.

Wir sprachen mit ihm über Motivation und die Entwicklung der Live-Jams, über Minderwertigkeitskomplexe und Aggression, den schmalen Grat zwischen Entertainment und Ernsthaftigkeit sowie über die Selbstregulierung von Rap und Geschichten von einzelnen Eiern.

  • Als Interview-Host von »Don’t Let The Label Label You« bist du in Battle-Kreisen ja quasi ein bunter Hund. Was viele Leute aber nicht wissen, ist, dass du von Beginn bis Mitte der Nullerjahren selbst als Freestyle- und Battle-MC unterwegs warst und da auch gut abgeräumt hast.

  • Ja, ich hab durch Battlen bzw. Freestyle-Battles angefangen mit dem Rappen. Freestylen ist heutzutage ja ein bisschen verpönt und bekommt schnell diesen Backpack-Stempel. Wir hatten früher aber einfach Spaß dabei, zu freestylen und uns zu battlen. Das war damals auch sehr wichtig. Man konnte ja noch nicht im Internet rappen, es gab kein YouTube oder Soundcloud, bei dem du dein Zeug hochladen konntest. Daher musstest du zu den Bühnen gehen und da rappen. Niemand hat damals gesagt: »Ey, du bist ja Rapper, tritt doch mal hier im Jugendhaus Stuttgart Mitte auf.« Du hattest nur eine Wahl ans Mic zu gehen und das war, wenn du gebattlet oder gefreestylt hast. Und meistens musstest du battlen. So hab auch ich damit angefangen. Das war so um die Jahrtausendwende, 2001, 2002. Meine beste Phase war dann 2003 bis 2005, in der ich richtig viele Battles gewonnen habe, wie das Ready to Rumble in Erlangen oder 2003 das Royal Rumble in Stuttgart. Das waren alles klassische Freestyle-Battles mit extrem vielen Teilnehmern im Süden. 2005 kam ja damals dann meine erste Solo-EP »Der Ego«. Danach habe ich mich mehr darauf konzentriert, Mucke zu machen und irgendwann auch aufgehört mit den Freestyle-Battles, weil es mir einfach keinen Spaß mehr gemacht hat.

  • Gab es einen Grund, warum du den Spaß daran verloren hast?

  • Weil sich Freestyle-Battles ja schon sehr verändert haben. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war dann alles sehr gemacht. Battle generell hat sich ja erst mit Formaten wie »Rap am Mittwoch« und den Written-Battles oder auch »Don’t Let The Label Label You« wieder neu entwickelt. Wobei man dazu sagen muss, dass die ersten Written-Battles ja »Feuer über Deutschland« waren. Das Lustige ist ja, dass die Leute immer meinen, ich hätte mein erstes Battle 2011 gegen Tierstar bei »Rap am Mittwoch« gehabt. Aber das war ja mein letztes Battle, mein ungefähr 100. Die Leute waren da ja sehr überrascht, dass ich da nur gefreestylt habe, was aber einfach daran lag, dass ich ein klassischer Freestyle-MC war.

  • Wie haben sich denn die Jams verändert, seit du damals angefangen hast, also in den letzten zehn bis 15 Jahren? Das hat sich ja doch deutlich vom Freestyle weg entwickelt, oder?

  • Dass das vom Freestyle- hin zum Written-Battle gegangen ist, war eine ganz normale Entwicklung. Da setzt sich einfach das durch, was interessanter ist. Das Freestyle-Battle ist ja auch nicht komplett weg. Bei »Rap am Mittwoch« gibt es ja zum Beispiel noch Freestyle in der BMCL und in der Cypher. Und man kann auch sonst noch so einige finden, wenn man das will. Dass die Leute denken, es gäbe gar kein Freestyle-Battle mehr, weil alle Written-Battles kucken, ist halt auch so ein typisches Internetphänomen. Written-Battles sind, wenn es um das Niveau der Lines geht, aber natürlich immer krasser, also kuckt man sich die an.

    Freestyle-Battles leben hingegen einfach von der Crowd. Es geht um Spontaneität, um Konter, um Re-Battle. Es geht einfach um die Situation. Und vor allem auch viel mehr darum, dass du auf den Beat rappst. Aber du kannst natürlich in der Written-Battle Sachen viel krasser auf den Punkt bringen und Schemes machen, die kein Freestyler bringen kann. Die fallen dir nicht in zwei Sekunden ein. Die Typen arbeiten ja Wochen an ihren Parts! Du musst im Written-Battle nicht auf den Beat sein und musst das nicht spontan machen. Aber natürlich ist das Niveau dieser Written-Battles wahnsinnig hoch, was den Inhalt angeht. Das ist auch sehr cool, aber halt nicht mein Genre. Mir geht es um Rap. Ich will auf dem Beat rappen.

    Außerdem wirst du, wenn du nur Written-Battles machst, in Sachen Rap wenig dazulernen. Du wirst unmusikalischer. Daher kann ich jedem empfehlen: Freestylt weiter! Ich habe aber tatsächlich festgestellt, dass Leute das inzwischen so belächeln – Freestyle-Battles, aber auch Freestylen an sich. »Das machen doch diese stinkenden Backpacker!« Naja, wenn man aus Image-Gründen nicht freestylt, weil man denkt, das wäre hängengeblieben, sollte man sich vielleicht bewusst machen, dass die meisten Rapper, die bekannt sind, damit angefangen haben. Wer das nicht möchte, soll es sein lassen, aber freestylen macht Spaß! Ich bin da nicht ideologisch, aber ich denke, es hilft dir als Rapper, wenn du das machst. Ein Freestyle-Battle ist einfach nur ein anderes Genre. Das abzulehnen ist genauso dumm, wie zu sagen: »BoomBap sollte tot sein, denn es gibt ja jetzt Trap.« Das ist Quatsch. Ist doch gut, dass es beides gibt.

  • »Ich wüsste – außer vielleicht Schach – keine andere Sportart, wo Kreativität und Aggression zur gleichen Zeit so wichtig sind.«Auf Twitter teilen
  • Welche Motivation hat man denn, in diese Situation zu gehen, sprich sich freiwillig da hinzustellen und beleidigen zu lassen?

  • Battlen ist ein Kampfsport, den du fernab davon machen kannst, wie groß deine Muskeln sind. Ich bin ja jetzt eher so ein Lauch. (lacht) Ich war nie der Typ, der sich allein dadurch verteidigen konnte, dass er einfach größer und stärker war. Ich musste mir meinen Respekt schon holen. Frust und Aggression konnte ich nur verbal rauslassen und da war Battle für mich genau das Richtige. Da konnte ich auf die Bühne gehen und mir sagen: »Okay, dieser Typ ist größer, stärker und gefährlicher, aber das zählt hier alles nicht.« Hier zählt nur, ob ich ihn so hart beleidigen kann, dass er von der Bühne geht und sich denkt: »Fuck, was ist da passiert? Warum hasst das Publikum mich und liebt diesen anderen Typen?« Ich wüsste – außer vielleicht Schach – keine andere Sportart, wo Kreativität und Aggression zur gleichen Zeit so wichtig sind. Diese Kombination hat mich einfach gereizt. Diese ganzen Menschen, die ich im echten Leben nicht beleidigen oder unterkriegen konnte, konnte ich auf der Bühne fertig machen. Du stehst denen gegenüber und die können nichts machen. Du rappst besser, du bringst Punches – und die Typen klappen ein. Dafür machst du das. Du machst das ja nicht, um zu verlieren. Wenn du verlierst, ist es furchtbar! Ich hab auch Battles verloren und dann stehst du da und merkst, wie das Publikum gegen dich kippt – furchtbare Situation.

  • Ja eben, sich der Möglichkeit, dass sich das so entwickelt bewusst auszuliefern, ist schon eine Nummer.

  • Ja, aber für mich war das ganz wichtig. Das ist einfach ein Minderwertigkeitskomplex. (lacht)

  • Meinst du, das kann man auf alle Battle-Rapper umlegen?

  • Vielleicht nicht auf alle, aber ich glaube schon, dass man das sehr stark für den Respekt macht. Aber auch für den Kick! Jeder, der schon mal gebattlet hat, weiß: Das ist ja nicht, wie einen Auftritt spielen. Durch einen Auftritt wirst du choreografiert. Du weißt ja, was du rappen wirst und was passieren wird. Das Publikum mag dich oder nicht, aber du kannst dich an was festhalten. Bei einer Battle weißt du aber ja einfach nicht, was der Andere machen wird. Die greifen dich ja an! Du hast heutzutage bei uns ja keine wirklichen Gefahrensituationen mehr, daher hast du diesen Adrenalin-Kick normalerweise nicht – es sei denn, du gehst Fallschirmspringen oder eben in eine solche Situation und stellst dich einem Typen gegenüber, der dasselbe Ziel hat wie du: Der will dich auch ficken. Und weil du angespannt bist, ist der Kick noch umso größer, wenn du das Ding dann gewinnst.

    Wenn du gegen die A-Liga-Battle-MCs in Deutschland ankommen willst, musst du da echt was mitbringen und dir genau überlegen, was du da machen willst. Jemand wie Brian Damage legt da momentan natürlich die Latte hoch. Oder auch Migthy Mo oder Fresh Polakke in Sachen Humorstyles. Die sind nicht leicht zu schlagen. Ich hätte im Moment keinen Bock gegen einen der eben genannten zu battlen, denn die sind alle sehr gut in dem, was sie tun.

  • Inwiefern hat deine Battle-Vergangenheit noch heute Auswirkungen auf deinen Schreibstil? Deine Musik ist ja schon eher Punch-lastig.

  • Ja, bei mir ist ja alles Battle. Es geht um Sprüche, die geil sind und für sich funktionieren. Ich komme ja aus dem Vierzeiler-Bereich, wo du vier Zeilen gebattlet hast – das hat mich schon ganz extrem beeinflusst. Wenn du battlest, muss ja jede Line für sich das Publikum holen. Es gibt ein paar Battle-Rapper, die schreiben so fahriges Zeug, bei dem man denkt: »Was willst du mir eigentlich damit sagen? Da ist doch überhaupt kein Witz drin.« Du musst im Text immer wieder einen Punkt machen, mit dem du sagst: Diese Aussage allein könnte man so auch schon in den Raum stellen. Das finde ich wichtig bei Rap. Bei Rap hast du ja so wahnsinnig viel Platz für Text. Es ist ja nicht so, dass man da so John-Lennon-mäßig sagen kann: »Let it be« – eine Line reicht und dann ist gut. Mir ist schon wichtig, dass die Leute bei mir bleiben in den Texten. Dazu muss man ihnen halt ab und zu ein Ding hinwerfen, wo man sagen kann: »Okay, krasse Aussage. Und die steht für sich.« Battle-Rap hat mich da auf jeden Fall krass beeinflusst – nicht nur in meiner Art zu schreiben, sondern auch insofern, dass gerade auf dem neuen Album viele Songs, wie etwa »Lalala« oder »Scheitern als Chance« einfach Battle-Songs sind. Ich battle mich halt auch oft selber. Es ist ja nicht einfach, Rapper zu sein. Allein schon, sich das zu geben, ist ja schon ein Diss an einen selber. (lacht)

  • »Wenn man dem anderen seine Dummheit oder Verlogenheit vorhält, kann und darf man auch sehr gut ernst werden im Battle.« Auf Twitter teilen
  • Du disst dich ja tatsächlich gerne selbst in deinen Texten. Ist diese Selbst-Demontage ein Stück weit auch dafür da, den Gegner so 8-Mile-mäßig zu entwaffnen?

  • Das ist ein Nebeneffekt. Ich bin nicht in Wirklichkeit ein Kollegah, der glaubt, er sei der Boss. Ich bin jemand, der oft denkt: »Oh Gott, was bist du wieder für ein Spasti! Was war das für eine Scheißaktion?« Das bin schon auch wirklich ich. Ich finde mich nicht immer scheiße, aber ich hab schon oft solche Momente. Aber man muss eben damit leben, dass man unfähig ist – wie alle anderen Menschen auch. Der Unterschied ist ja einfach nur: Diese sehr von sich überzeugten Rapper machen peinliche Dinge und sagen: »Das ist voll gut.« Ich mache oft peinliche Dinge und denke mir danach: »Oh nein, das war jetzt peinlich.« Wahrscheinlich sind die glücklicher. Aber ich weiß nicht, ob es nicht trotzdem besser ist, das auch mal einzusehen. Der Mensch an sich ist einfach ein relativ armseliges, lächerliches Geschöpf, was dauernd dumme Dinge tut. (lacht) Und das schlägt sich so eben auch in meinen Texten nieder.

  • Dieses Selbst-Battlen hast du ja schon für dich perfektioniert.

  • Ich finde es an sich interessanter, über seine eigenen Fehler zu reden, als über die Fehler der anderen. Über die rede ich auch sehr viel, wenn nicht sogar noch mehr – so ist es ja nicht. Aber es ist doch verlogen und bescheuert, nur über die anderen herzuziehen. Man muss dann ja auch mal fair sein und sagen: »Hier sind eure Fehler und hier sind meine.« Es ist nicht so, dass ich keine Fehler hätte, ich bin auch ein Spast, aber ihr seid noch viel krassere Spasten. (lacht) Manche Leute sind auch weniger scheiße als ich, gerade im normalen Leben. Aber im Rap-Geschäft sind es definitiv mehr als ich. Da sammelt sich die Scheiße wie in einer Dixi-Toilette.

  • Wie wichtig sind denn Ironie und auch Selbstironie im Battle-Rap?

  • Es ist nicht so, dass ein Battle immer selbstironisch oder ironisch sein muss und du alles immer nur mit einem Augenzwinkern machen kannst. Du kannst auch einen Part machen, der das ernst meint. Laas Unltd. hat das ja gezeigt. Der hat eine Strophe gemacht, in der er sich darüber auskotzt, wie die ganzen Sachen laufen – wo er sich selbst aber ja nicht ausgenommen hat. Ich glaube, das war eine Stärke. Als Rapper interessiert er mich eigentlich nicht. Aber dieses Battle … das hatte schon einen Grund, warum das so Wellen geschlagen hat. Er hat es tatsächlich mal geschafft, den Grad zwischen Albern- und Nichtalbernsein zu erreichen und trotzdem die Sache auf den Punkt zu bringen. Das geht schon. Das unterhaltsam hinzukriegen, ist hingegen schon schwieriger. Einer meiner Lieblings-Battle-MCs – ich muss mich jetzt doch mal outen – ist ja Mighty Mo. Bei ihm finde ich so krass, dass man einfach nie so ganz sicher sei kann, was gerade der Fall ist. Er macht ja dieses Streetding, und das macht er, wie ich finde, von den Punchlines her auch unfassbar gut. Dabei disst er den Gegner so hart, dass man manchmal denkt: »Jetzt ist aber auch mal wieder gut.« Aber genau dann, wenn das auf der Kippe steht, bringt er so ein selbstironisches, aber trotzdem noch Street-gebliebenes Ding rein, das die ganze Sache wieder bricht. Das finde ich sehr interessant: Eine Street-Credibility ernst rüber zu bringen, aber es gleichzeitig hinzukriegen, dass sie nicht scheiße wird. Was ich auch sehr gut finde, ist, wenn Leute ernst werden, wenn sie dem anderen seine Dummheit vorhalten – oder seine Verlogenheit. Ich finde, da kann und darf man auch sehr gut ernst werden im Battle. Da muss es nicht immer »Haha« sein, sondern da kann man sagen: »Hör mal zu, ein Typ wie du ist einfach nur ein Frauen-hassender Antisemit.« Wenn du das gut begründest.

  • Aber wie weit geht es denn tatsächlich um den Gegner, der vor dir steht? Oft sind das ja Typen, die ähnlich ticken wie man selbst, oder? Meistens geht es doch gar nicht darum, dem ernsthaft zu sagen, wie scheiße er tatsächlich ist.

  • Ja, mittlerweile ist das tatsächlich oft schon so eine Art Family. Man kennt sich ja auch untereinander alle. Das war früher zu meinen Battle-Zeiten auch schon so. Aber ich habe schon auch viele Battles gemacht, in denen ich den Gegner richtig demütigen und kaputtmachen wollte. Definitiv. Dafür ist ja Battle da. Im echten Leben will ich niemanden kaputtmachen. Oder: Wenn ich das will, mache ich es nicht. Aber im Battle darfst du das. Ich hatte zum Beispiel beim Ready to Rumble 2004 so eine Situation: Da waren 64 Teilnehmer, also ein riesiges Feld. Ich musste im Viertelfinale gegen einen Typen antreten, der seine Crew mit dabei hatte. Die sind vorher zu meiner Crew gegangen und meinten: »Naja, mit eurem Jungen da ist in der nächsten Runde dann mal Schluss. Da bekommt er nämlich einen richtigen Gegner.« Das haben die wirklich gemacht. Wie in so einem 80er-Jahre-Karate-Kid-Film: »Jetzt ist Schluss mit euch. Ihr seid wack.« Und da war ich an einem Punkt, wo ich dachte: »Boah, den mach ich jetzt richtig kaputt.« Da war ich doppelt motiviert und den hab ich dann auch richtig zerlegt. Da haben am Ende 800 Leute »Juse Ju« geschrien und der Typ ist mit gesenktem Kopf von der Bühne. Das war die Battle, die mir am meisten Befriedigung bereitet hat in meinem ganzen Leben. Lustigerweise hab ich den dann später kennengelernt und der war gar nicht so ein Arschloch. Aber seine Crew war halt eins.

  • »Und da muss Rap – und ich hoffe, dass er das noch ist – selbstregulierend sein.«Auf Twitter teilen
  • Wie ist das denn bei DLTLLY? Kommt das oft vor, dass die Leute da echte Antipathien dem Gegner gegenüber hegen?

  • Das macht eine Battle natürlich total interessant, wenn da wirklich keine Sympathie für den anderen da ist. Aber meistens ist das ja doch auf einem sportlichen Level, wo die Leute sagen: »Ich kann den Style des anderen überhaupt nicht leiden und möchte jetzt auch allen zeigen, wie kacke der ist.« Dass jetzt aber wirklich persönliche Konflikte ausgefochten werden, passiert selten. Aber hatte man ja auch schon: Iron Basic gegen Gregpipe – die vielleicht größte Fehde, die der deutsche Written-Battle je gesehen hat und die sich dann ja in Wohlgefallen aufgelöst hat.

  • Mit diesem Battle, in dem sie im Team gegen Battleboi Basti und Besser angetreten sind?

  • Ja, zehn Jahre, nachdem das passiert ist. Starker Move von den beiden, dass sie sich wieder vertragen haben. Super starkes Battle – haben sie ja auch gewonnen. Es hat schon was, wenn das auf so eine persönliche Ebene geht. Da ist dann schon mehr Pfeffer drin und die Leute bemühen sich oft auch mehr. Aber es gibt auch super Battles, die einfach nur auf einer Ebene stattfinden, auf der man sich beweisen will, dass man mehr Humor hat als der andere. »Ich finde dich zwar auch geil, aber lass uns doch einfach mal battlen, nur um zu kucken, wer die dümmeren Sprüche hat.« Da bin ich sehr gespannt auf das Bad-Bars-Battle zwischen Brain Damage und Bong Teggy. (lacht) Das wird auf jeden Fall eine schöne Sache.

  • Wie bewertest du denn die Entwicklung, dass heute immer mehr auch der persönliche Background und die Biographien da breitgetreten werden? Früher hatte man kein Internet, da konnte man im Vorfeld ja gar nicht viel rausfinden über den Gegner, außer man hat im Jugendhaus Leute befragt.

  • Das geht oft in eine vollkommen bescheuerte Richtung. Ich hab selten gesehen, dass irgendwas Biographisches sinnvoll eingesetzt wurde. Aber ich bin allgemein überhaupt nicht für Grenzen in diesen ganzen Sachen. Bei ganz vielen MCs gibt es übrigens vorher auch Absprachen, dass zum Beispiel nicht über die Freundin oder das Privatleben gesprochen wird. Wenn sich jemand nicht an eine solche Absprache hält, ist das wie mit allen Dingen, auf die man sich geeinigt hat: Ein Mann, der sein Wort nicht hält, ist ein Kackvogel. Eines der größten Probleme in diesem Biographien-Ding ist, dass diese Leute oft keine Ahnung davon haben, wie man Informationen sammelt. Die haben keinen journalistischen Anspruch – so dumm das klingt, denn natürlich haben die den in den Battles nicht. Aber wenn du über irgendwen in der Öffentlichkeit vor 30.000 Leuten, die das dann kucken, etwas als Realtalk verkaufst, obwohl es einfach nur erfunden und erlogen ist, und sich eine solche Lüge dann durchsetzt, ist das halt mies.

    Wir erinnern uns alle an Separate, der den Stempel bekommen hat, er hätte nur ein Ei – was nicht stimmt. (lacht) Nur weil Kollegah das mal gerappt hat und die Leute das dann glauben. Wobei man da natürlich sagen muss: »Leute, glaubt doch bitte nicht, was in einem Battle oder Battletrack gesagt wird!« Grundsätzlich nicht. Es stimmt nie. Und zweitens: »Leute, informiert euch doch bitte richtig!« Wenn du mir was vorwirfst, was Substanz haben soll oder auf die Realtalk-Schiene kommst, dann musst du auch richtig informiert sein – und das sind diese Battle-MCs fast nie. Dann sollte man das einfach lassen. Denn damit geht man tief in das Privatleben rein und das hat nichts mehr mit Rap zu tun. Wenn du allerdings wirkliche Informationen hast und feststellst, was wir auch schon in Battles hatten, dass jemand richtig rechtsradikal homophobe Scheiße auf seinem Facebook-Account schreibt, und du wirfst ihm das im Battle vor, dann finde ich das absolut in Ordnung. Oder wenn ein Typ eine krasse Gangster-Persona aufbaut und du stellst fest, der Typ ist eigentlich so Rick-Ross-mäßig im Gefängnis als Wärter angestellt, dann musst du da natürlich draufgehen. Wenn jemand zu mir käme und sagen würde: »Juse Ju, ich weiß zufällig, dass du noch nie Drogen verkauft, sondern in München studiert hast.«, dann hat er alles Recht, das über mich zu sagen. Ja, ich habe in München studiert. You can hate me now. (lacht)

  • »Am besten battlet man einen anderen, indem man sein Selbstbild dekonstruiert, denn das ist meistens falsch.« Auf Twitter teilen
  • Alte Freestyler wie David P zum Beispiel sind ja der Meinung, Background oder Bio habe generell nichts mehr mit dem Grundgedanken von HipHop zu tun.

  • Ja, ich verstehe den Ansatz. Es wäre ja auch schäbig, jemanden etwa dafür zu battlen, dass er arm ist. Aber das macht so auch echt niemand. Brian Damage hat einmal eine Strophe gegen Mighty P gerappt, in der es um dessen toten Vater ging. Dafür hat er die Quittung bekommen. Er hat das Battle zwar gewonnen, weil er die ersten zwei Runden für sich entschieden hat, aber für die dritte Runde hat er nur Kritik eingesteckt. Und da muss Rap – und ich hoffe, dass er das noch ist – selbstregulierend sein. Ich finde es dann richtig und wichtig, etwas zum Background zu bringen, wenn jemand versucht, etwas darzustellen, was er nicht ist. Dann kannst du schon mal in die Biographie gehen. Aber auf den Schwächen vom Gegner herumzutrampeln, ist nur arm. Was soll das? Du musst auf die Stärken vom anderen treten, nicht auf die Schwächen. Beziehungsweise auf seine Selbstverliebtheit. Am besten battlet man einen anderen, indem man sein Selbstbild dekonstruiert, denn das ist meistens falsch.

  • Du bist ja einen Großteil deiner Kindheit in Japan aufgewachsen und warst nach deinem Studium in München 2010 nochmal für ein Jahr dort. Außerdem hast du mit 17 ein Jahr in El Paso gelebt, wo du dann mit den mexikanischstämmigen Jungs im Schoolyard das erste mal vor Publikum gerappt hast. Hast du denn Erfahrungen gesammelt, wie die Battlerap-Szene dort aussieht?

  • In El Paso hab ich wirklich nur diese Schoolyard-Battles mitbekommen. Die waren eigentlich so wie bei uns oder wie man sie aus den USA auch kennt – »8 Mile« hat das tatsächlich relativ realistisch dargestellt. Aber in Japan habe ich trotz Suche keine Battle-Szene gefunden. Überhaupt ist die HipHop-Szene in Japan ein sehr stranges Konstrukt. So wie ich es verstanden habe, gibt es schon so eine Art BoomBap-Backpacker-Szene, aber japanischer HipHop spielt in der Gesellschaft beziehungsweise bei jungen Leuten eine viel kleinere Rolle als bei uns. Andere Musikrichtungen sind dort einfach viel größer. Bei uns ist ja HipHop inzwischen wie in Amerika die bestimmende Jugendkultur. In Japan ist HipHop eine Subkultur. Die sind da auch so geil Dipsetmäßig unterwegs und tragen alle Jerseys. Es gibt da gar nicht die Alternative, dass du auch normal aussehen kannst, sondern du musst entweder aussehen, wie irgendwelche Typen aus L.A. oder bist halt nicht HipHop. Allerdings habe ich die japanische HipHop-Szene auch noch nicht so ganz durchschaut, muss ich sagen, und kannte da auch niemanden. Einmal war ich bei einem Konzert von einem halbwegs bekannten japanischen Rapper, aber ich mag japanischen Rap einfach nicht. Die japanische Sprache ist wunderschön, solange sie nicht anfangen zu rappen. Dann betonen sie die Sachen so komisch. Es ging ja gerade dieser Trap-Song aus Japan und Korea durch die Decke. Das ist eigentlich ein Koreaner, aber der featured Japaner, die auch japanisch rappen. Das feier ich schon. Trap auf Japanisch ist geil. Das funktioniert und passt auch sehr gut zu Tokio. So klassischer, warmer, jazziger Plattenknister-HipHop hat da aber nichts verloren.