Antilopen Gang »Es gibt im HipHop ein neues Grüppchen, das mit uns zusammen nicht so richtig dazugehört.«
Die Jungs von der Antilopen Gang sind keine Grünschnäbel, schon seit Jahren veröffentlichen sie im DIY-Verfahren ihre Musik. Doch die Aufmerksamkeit, die sie verdienen, bekommen sie erst seit dem tragischen Tod von Bandmitglied NMZS. Inzwischen sind sie bei JKP, dem Label der Toten Hosen, unter Vertrag und veröffentlichen dieser Tage ihr Album »Aversion«. Philipp Killmann hat mit Danger Dan, Koljah und Panik Panzer telefoniert und sprach mit ihnen über Punk-Einflüsse, Neonazi-Attacken und selbstgewähltes Außenseitertum.
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Vereinfacht könnte man sagen: Kaum seid ihr bei einem Label unter Vertrag, klingt ihr poppiger und, weil es das Label der Toten Hosen ist, auch punkiger. Ist es wirklich so einfach?
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Koljah: Ich bin überrascht, dass du findest, dass wir poppiger klingen. Ich nehme uns eigentlich so wahr, dass wir schon immer nicht sehr unpoppig waren. Zumindest wenn Danger Dan dabei war, gab es schon immer gesungene schöne Melodien. Soweit zum Poppigen. Was den Sound angeht, können ja die beiden Sound-Frickler was sagen.
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Danger Dan: Wir haben uns tatsächlich vor dem Album ein paar Gedanken darüber gemacht, was wir machen wollten. Die Antilopen hatten immer einen eigenen Humor, eigene Inhalte und eine eigene Ästhetik. Aber soundmäßig gab es immer Riesenunterschiede, zum Beispiel zwischen »Der Ekelhafte« und »Dinkelbrot & Ölsardinen«. Das eine ist mega Synthie-Geballer – da ist alles aus Plastik. Das andere ist überwiegend samplebasiert und super analog. Für »Aversion« wollten wir einen Sound finden, der für uns prägnant sein könnte. Das war nicht ganz leicht. Wir wussten nur ziemlich genau, was wir nicht wollten: keinen Trap, keinen BoomBap und keine Live-Instrumente einspielen. Aber wir haben es nicht geschafft. Es sind Trap- und BoomBap-Elemente und live eingespielte Instrumente auf dem Album. Was dabei herausgekommen ist, sollte der neue Antilopen-Sound werden. Dass das Album poppiger wirkt, kann auch daran liegen, dass es weicher klingt, weil es analog gemixt wurde. Roe Beardie hat das Album gemixt und durch so 70er-Jahre-Kompressoren gejagt. Deshalb klingt alles so schön warm, nicht so matschig wie das, was wir sonst gemacht haben.
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Koljah: Ich glaub aber nicht, dass wir jetzt, weil wir bei den Toten Hosen sind, auf einmal punkiger klingen. Ich glaube, dass die Punk-Anleihen vor allem textlich sind und weniger musikalisch. Die Form der Gitarren auf dem Album ist eher sehr unpunkig, abgesehen von dem Lied »Anti-Alles-Aktion«. Ich glaub, es hat eher mit unseren Punk-Einflüssen zu tun. Wir haben alles verwurstet und in einen Topf geworfen, darum ist auch immer wieder Punk dabei.
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Von dir, Koljah, ist ja bekannt, dass du Punk-Fan bist. Dass auch Panik und Danger Punk-Einflüsse haben, ist mir neu.
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Danger Dan: Im Gegensatz zum Koljah hatten sowohl Tobi (Panik Panzer) als auch ich schon eine Punk-Band.
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Koljah: Ja, aber ich hab doch auch eine: die Karl-Theodors.
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Danger Dan: Aber wir hatten beide vorher eine. Das wäre jetzt der Moment, wo Tobi übernehmen könnte.
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Koljah: Also ich hatte schon in der Grundschule eine Punk-Band, das lasse ich nicht auf mir sitzen.
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Danger Dan: Tobi, erzähl von deiner Punk-Band!
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Panik Panzer: Nee, keine Lust. Ich hatte mal eine Punk-Band, die hieß Bierschiss. Deswegen hab ich auch Punk-Wurzeln.
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Koljah: Es geht ja um die Einflüsse.
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Panik Panzer: Punk hat in meinem musikalischen Werdegang auf jeden Fall immer eine kleine Rolle gespielt, insofern ist das auch legitim, dass das jetzt auch auf dem Album hörbar ist. So Feuer und Flamme wie Koljah war ich zwar nie, aber ich war immer offen und interessiert. Das waren für mich mehr so Phasen, mal hab ich mehr Punk, mal mehr Rap gehört. Meistens mehr Rap.
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Koljah: Wir haben halt eine Haltung und finden viele Sachen scheiße. Dagegen schießen wir, und das passiert vielleicht öfter in Punk-Musik als in typischer Rap-Musik. Deswegen erinnert das Album vielleicht an Punk, das hat auch einfach mit der Attitüde zu tun.
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Koljah, du bist bekanntermaßen großer Toten-Hosen-Fan. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass sich deine und Campinos Wege schon lange vor dem Vertragsabschluss bei JKP schon einmal gekreuzt haben.
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Koljah: Du spielst auf diese Postkarte an, oder? Ja, es ist tatsächlich so, dass ich eine Postkarte mit einem Poststempel von 1990 besitze, die mir Campino damals geschrieben hat. Auf der steht: »Hallo Koljah, ich hab letztens ein Bild gesehen, das du von uns – also den Toten Hosen – gemalt hast, sah voll gut aus. Bis bald, Campino.« Ich war schon als kleines Kind Tote-Hosen-Fan und habe ernsthaft immer Tote Hosen gemalt und Tote Hosen gespielt. Ich hatte nicht so viele andere Interessen. Und ich bin Düsseldorfer, und in Düsseldorf gibt es immer irgendjemand, der irgendjemand kennt, der die Hosen kennt. Auf diesem Wege hat das Bild dann jemand Campino zukommen lassen. Der hat dann diese Karte geschrieben, und die lag dann bei mir im Briefkasten, als ich vier war.
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Und zwei Jahre später hast du die Karte dann auch lesen können.
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Koljah: Na ja. Ich war wirklich ein ziemlich dummes Kind, also dumm im Sinne von scheiße. Ich konnte auch schon früh lesen. (lacht) Also konnte ich die Karte schon lesen. Wobei. nee, hätte ich theoretisch gekonnt, wenn sie gedruckt gewesen wäre, aber Campino hat voll die Sauklaue, deswegen musste mir die Karte wahrscheinlich doch vorgelesen werden.
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Auf »Aversion« sind mehr Gitarren als sonst zu hören. Klingt da ein bisschen dein »Daniel raus«-Projekt nach, Danger?
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Danger Dan: (lacht)
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Panik Panzer: Es ist auf jeden Fall Daniels (Danger Dan) Einfluss. Dem Musikus der Band war es natürlich sehr wichtig, diese Live-Instrumente mit einzubringen. Da hat er sehr für gekämpft. Deswegen haben wir auf fast allen Songs jemanden Gitarre einspielen lassen. Von daher kann man schon sagen, dass das auch ein bisschen »Daniel raus«-Einfluss ist.
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Koljah: Übrigens sind nicht nur die Gitarren, sondern auch die Bässe live eingespielt.
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Von Danger?
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Danger Dan: Nein. Ich bin zwar stolzer Besitzer von acht Gitarren, muss aber direkt zugeben, dass alle Gitarren, die ich eingespielt habe, am Ende nochmal von befreundeten Kollegen neu eingespielt wurden: die Bässe von Helmuth Fass, der ein sehr bekannter Jazz-Bassist ist, und die Gitarren von Philip Breidenbach. Ich besitze viele Instrumente, kann sie aber nicht so gut spielen. Ich bin nämlich Autodidakt und nie mit dem zufrieden, was ich spiele.
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Und was ist aus »Daniel raus« geworden?
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Danger Dan: »Daniel Raus« ist auf Eis gelegt, und irgendwie war das 2011 auch wirklich geilere Musik als nun 2014. Eventuell werde ich die Songs nochmal auftauen, aber das Projekt wahrscheinlich nicht.
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Wie kam der Kontakt mit Roe Beardie zustande?
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Danger Dan: Wir hatten die Platte schon produziert, saßen in Düsseldorf bei JKP im Büro und überlegten: Wie kriegen wir das hin, dass das jetzt auch geil klingt? Da kamen dann mehrere Namen ins Spiel, die wir alle abklappern wollten. Unser erster Termin war bei Roman (Roe Beardie, Anm. d. Verf.). Wir haben uns sofort gut verstanden, sprachen über irgendeine Band und da haben wir gesagt: Nee, so wollen wir nicht klingen, und da meinte Roman: Ja, nee, so sehe ich euch auch gar nicht: Ihr seid für mich so was wie Störkraft. (Gelächter) Und da war uns allen klar: Mit dem wollen wir arbeiten!
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Und durch DJ Adlib habt Ihr zum ersten Mal seit »L’avantgarde« auch wieder Scratches am Start.
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Koljah: Ja, nee, wir hatten auf einem Track auf dem »Motto-Mobbing«-Album – das darf an dieser Stelle auch mal verraten werden – DJ Rafik, allerdings unter falschem Namen. DJ Don Huan hat er sich da genannt.
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Panik Panzer: Es war so: Als wir uns das fertige Album angehört haben, dachten wir so: Scheiße, wo ist denn der HipHop? Lass mal paar Cuts machen! Und das hat bestens funktioniert. Jetzt ist es doch wieder ein HipHop-Album. Ohne die Cuts wäre es ein Ambient-Pop-Polit-Album. Aber das haben wir erfolgreich durch Cuts kaschiert.
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Koljah: Ja, und die Cuts von DJ Adlib waren auch wieder Roe Beardie zu verdanken. Weil DJ Adlib zufällig in dem Büro arbeitet, das über dem Studio ist, und wir ihn dadurch kennenlernten.
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»Aversion« fällt ernsthafter aus als eure vorherigen Projekte. Gleich in dem Eröffnungstrack »Die neue Antilopen Gang«, der noch etwas aus der Reihe tanzt, nehmt ihr diese Haltung aber auf die Schippe. Habt ihr das Gefühl, euch für eure – wie es im Pressetext heißt – »neue Ernsthaftigkeit«, rechtfertigen zu müssen oder wolltet ihr einfach nochmal Sprüche klopfen?
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Koljah: Der Eröffnungstrack war tatsächlich das Lied, das wir als letztes für die Platte gemacht haben. Ich glaube, wir müssen uns nicht rechtfertigen, aber wir haben uns auch selbst überrascht damit, dass die Platte dann doch relativ eindeutig, relativ ernsthaft und politisch geworden ist im Vergleich zu manchen anderen Sachen. Aber wir fühlen uns alle – zumindest Teile von uns – ganz wohl damit eigentlich.
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Teile von euch?
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Panik Panzer: Ich fühle mich mit Sprücheklopfen wohler, und das sind auch die Parts, die mir beim Schreiben leichter gefallen sind. Ich finde das Album aber trotzdem nicht falsch. So wie es ist, passt alles und macht es Sinn. Doch tatsächlich bin ich wahrscheinlich derjenige, der am ehesten nur Sprüche klopfen würde, während die anderen beiden eher was Ernstes machen würden.
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Koljah: Deshalb sind wir froh darüber, an einem Punkt zu sein, an dem wir einfach machen können, was wir wollen und uns nicht mehr abgrenzen müssen um des Abgrenzens Willen. Wenn wir was Politisches machen wollen, dann machen wir das halt, und wenn nicht, dann nicht. Ich finde, wir sind recht frei gerade. Vorher hat ja auch eine Rolle gespielt, dass wir bewusst nicht in die Polit-Rap-Ecke wollten. Jetzt stehen wir über den Dingen.
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War NMZS eigentlich noch mit einbezogen in die Planung von »Aversion«?
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Koljah: Nee. Das Album war eine Konsequenz aus Jakobs (NMZS) Tod: Dass wir so viel miteinander zu tun hatten und gesagt haben: Antilopen Gang gibt’s nur noch zu dritt, wir sind eine Band und möchten jetzt ein Album machen. Es gab zwar auch, als Jakob gelebt hat, den Plan, ein Antilopen-Album zu machen. Aber das war nicht »Aversion«. Jakob ist insofern dabei, dass es viele Referenzen an ihn in den Texten gibt. Er wird zitiert, er wird auch gecuttet, und das Lied »Enkeltrick« ist sogar eine Textidee von ihm. Die Strophe, die Tobi und ich rappen, die hat Jakob geschrieben. Aber die Idee zu diesem Album und 90 Prozent der Songs sind erst nach Jakobs Tod entstanden. Ich glaub, das ist auch ein Grund, dass das Album etwas ernsthafter und bedeutungsschwangerer geworden ist als andere Sachen von uns. Weil wir auch einfach in so einer Stimmung waren, in der wir jetzt nicht unbedingt ein Album wie »L’avantgarde« hätten machen können oder wollen.
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Koljah, nach dem Release von »Spastik Desaster« sagtest du mal, dass es so einen persönlichen Song wie »Fünfzehn« wohl kein zweites Mal von Euch geben würde. Jetzt ist mit »Aversion« sogar ein recht persönliches Album entstanden. Was hat diesen Sinneswandel bewirkt?
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Koljah: Ich erinnere mich gar nicht daran, das gesagt zu haben. Aber ich war damals tatsächlich auf so einem Film, dass ich sowohl politische als auch persönliche Sachen nervig fand. Mich nervte auch dieses Konzept, als Künstler aus dieser Ich-Perspektive über seine Probleme zu reden und sein Herz auszuschütten. Mir war das irgendwie alles zu flach. Ich hatte nur noch Lust, Bullshit zu labern und Sprüche zu klopfen. Ich habe mit Jakob damals auch immer gesagt: Wir machen Ruinen-Rap, was dann wirklich nur noch so dadaistisch angehauchtes, blödsinniges Aneinanderreihen von seltsamen Wortspielen war. (lacht) Aber irgendwie habe ich darauf irgendwann auch keinen Bock mehr gehabt.
Vor allem nutzt es sich mit der Zeit auch ab, über Rap zu rappen. Auf »Aversion« rappen wir ja überhaupt nicht über Rap. Dabei habe ich auch schon Alben gemacht, auf denen ich in jedem Lied nur über Rap gerappt habe. Das ist irgendwie etwas, das in dem Moment cool ist, was auf Dauer aber nicht so eine Relevanz hat. »Fünfzehn« ist im Endeffekt einer der wenigen Songs von »Spastik Desaster«, die wir bis heute live spielen. Auf dem neuen Album sehe ich »Outlaws« ein bisschen in dieser Tradition, wie eine Fortführung von »Fünfzehn«. Auf »Outlaws« sind ja auch Vocal-Cuts, die aus »Fünfzehn« sind. Aber außer »Outlaws« sehe ich gar nicht so viele persönliche Tracks auf dem Album. »Trümmermänner« vielleicht noch …
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Danger Dan: Nein, das ist Quatsch. Also ich finde, das Album ist insgesamt sehr persönlich. Man kann nicht nur einzelne Leider angucken oder einzelne Textpassagen, sondern muss das Gesamtprodukt sehen, und das ist schon eine krasse persönliche Offenbarung.
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Koljah: Ja, das stimmt. Wir selbst spielen auch nicht so krass eine Rolle, außer vielleicht auf »Outlaws«. (lacht)
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Danger Dan: Nee, vom ersten bis zum letzten Lied. Ich wüsste jetzt nicht, welches Lied unpersönlich wäre, vielleicht »Enkeltrick«. Da hört’s auf.
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Koljah: Na ja, persönlich im Sinne, dass man jetzt wirklich aus seinem Leben erzählt, also so klassisch wie in »Fünfzehn«. Vielleicht kannst du ja mal was dazu sagen.
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Zum Beispiel gibt es von Panik auf »Beate Zschäpe hört U2« diese Geschichte, wie seine Wohnung von Neonazis überfallen wird. Das kann ausgedacht sein, kann aber auch wirklich so passiert sein.
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Panik Panzer: Nee, das ist eine Geschichte, die 1:1 so passiert ist. Ein schlimmes traumatisches Erlebnis, das ich in diesem Track verarbeite. Nee, Quatsch, das nehm ich zurück, weil ich verarbeite nie etwas in Texten. Aber das war für mich eine gute Form, ein politisches Thema anzugehen, weil ich nicht so gerne konkret Dinge benenne. Dafür dann eher aus meiner persönlichen Sicht eine Anekdote zu erzählen, schien mir eine gute Lösung für diesen Song. Die Geschichte stimmt.
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Du sagst zwar gleich zu Beginn der Strophe, dass es sowas in jeder deutschen Stadt gibt, aber normalerweise vermutet man sowas doch eher im Osten anstatt in Aachen, das ja im tiefsten Westen liegt.
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Panik Panzer: Ich glaub, man bekommt solche Dinge auch nicht unbedingt mit. Das ist zwar für mich persönlich ein recht dramatisches Erlebnis gewesen, aber es ist jetzt auch nichts, was in der Zeitung stand oder mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Aber ich gehe schon davon aus, dass solche Dinge alltäglich sind, und dass es nichts ist, was es nur im Osten gibt. Ich glaube, das passiert überall. Und in der Zeit, in der mir das passiert ist, war Aachen auf jeden Fall eine absolute Nazi-Hochburg. Ich glaube, im Moment gerade hat sich das ein bisschen beruhigt. Aber da ist ganz schön viel Scheiße passiert in der Zeit.
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Danger Dan: Die Aachener Lokalzeitung zum Beispiel hat sehr lange bloß von rivalisierenden Jugendlichen gesprochen, obwohl es jedes Wochenende immer irgendwo geknallt hat und eigentlich immer einen politischen Hintergrund hatte. Es waren erst überregionale Medien, die das Naziproblem von Aachen aufgegriffen haben. Und es war auch nicht die Staatsanwaltschaft Aachen, die als erstes durchgegriffen hat. Es war die Staatsanwaltschaft Berlin, die die Aachener Neonazis hat auffliegen lassen. Die hatten Sprengkörper gebaut und sind mit so einer Bombe in einer Vorkontrolle zu einer Demo damit erwischt worden.
Und es war die Berliner Staatsanwaltschaft, die in Aachen die ersten Hausdurchsuchungswellen gestartet hat und Druck ausübte, sodass in Aachen auch Kameradschaften verboten wurden. Die Stadt Aachen hat sehr schlecht bis gar nicht reagiert. Dabei kenne ich in Aachen mehr Leute, die mal von einem Nazi angegriffen, verprügelt wurden oder sich bedroht fühlten als Leute, denen das nicht passiert ist. Am Ende war es aber nicht die Stadt Aachen, die versucht hat, das Naziproblem in den Griff zu kriegen, sondern das waren die autonome Szene und die Antifa.
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Ein anderer Track, der scheinbar sehr persönlich ist, ist »Dejavue«.
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Koljah: An dem Track scheiden sich die Geister. Meine Strophe ist durchaus persönlich, wenn auch etwas zugespitzt auf eine bestimmte Phase in meinem Leben. Aber das Lied ist natürlich ein bisschen theatralisch mit dem Refrain. Und Daniel mag das Lied überhaupt nicht. Ich verstehe auch, dass das Lied nicht unbedingt das innovativste der Welt ist, weil es so ein schwermütiger depressiver Song ist, wie es ihn vielleicht schon paar Mal gab. Aber ich mag die Atmosphäre und auch den Beat sehr gerne, und ich fand dieses Beschreiben eines tristen Tages auch sehr gelungen. Das ist sogar Daniel gelungen, obwohl er das Lied nicht so mag.
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Danger Dan: Dieselbe Strophe hab ich ja schon beim Aschenbecher-Album zwei-, dreimal geschrieben. Aber ich mag das Lied eher nicht, weil ich das Gefühl hab, die Chöre, die ich da singe, sind total schief.
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Koljah: Das sagst du im Nachhinein, aber bevor du sie gesungen hast, musste man dich überreden, sie überhaupt zu singen.
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Danger Dan: Ja. Es gibt da ja dieses Rio-Reiser-Zitat »Mama, warum hast du mich geboren«, was ich erstmal als solches gar nicht erkannte. »Mama« – das fand ich irgendwie schon so komisch. (lacht) (Verstellt die Stimme) Mama, warum tust du dies, warum tust du das?! Das fand ich merkwürdig. Aber ach, ich kann mich auch mit dem Lied anfreunden.
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Die Antilopen Gang zählt zu den wenigen Rappern, die sich in ihrer Musik gegen Antisemitismus, Sexismus und Homophobie positionieren. Warum ist das im deutschen HipHop immer noch etwas Besonderes?
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Koljah: Ich weiß nicht, ob das im deutschen HipHop speziell was Besonderes ist. Es ist halt ein gesellschaftliches Problem, das demnach auch in der HipHop-Szene stattfindet, weil die HipHop-Szene Teil der Gesellschaft ist. Und wenn uns solche Dinge stören, dann sprechen wir das auch an. Vielleicht ist der Unterschied, dass wir für gewisse Sachen sensibilisiert sind, für die andere Leute nicht so sensibilisiert sind. Und dass uns Sachen nerven oder stören, die anderen Leuten egal sind, und das kann so was sein wie Antisemitismus, Sexismus oder Homophobie.
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Auf »Aversion« macht ihr sehr deutlich, wie suspekt euch die Masse ist, die in dieser Gesellschaft immer ausgrenzt und nach unten tritt. Eine Erkenntnis, zu der ihr laut »Outlaws« durch Erfahrung am eigenen Leib gekommen seid. Rührt daher vielleicht auch euer Gespür für Phänomene wie Antisemitismus?
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Danger Dan: Die Sensibilisierung explizit für Antisemitismus ist eher dadurch entstanden, dass man mal in so komischen linken Kreisen verkehrte, die tendenziell auch antisemitisch waren.
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Koljah: Gerade in der linken Szene ist Antisemitismus ja ein Riesenthema gewesen, wo sich viel drüber gestritten wurde, wo dann wiederum andere Gruppen den linken Antisemitismus kritisiert haben. Dadurch bin ich vor allem auf das Thema gestoßen. Ich glaube, dass diese persönlichen Erfahrungen, die in Liedern wie »Outlaws« beschrieben werden, sich vielleicht in eine bestimmte Sicht auf die Welt einfügen. Aber die konkrete Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Phänomenen wie zum Beispiel Antisemitismus kommt durch Gespräche oder durch die Beschäftigung mit solchen Themen, indem man etwas darüber liest.
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Danger Dan: Fast alle, die »Outlaws« hören, erkennen sich darin ein stückweit wieder. Ich musste gerade nach mehreren Interviews sehr über dieses Lied nachdenken und kam zu der Erkenntnis, dass ich mich aus beiden Perspektiven kenne. Ich kenne mich als Ausgegrenzten, aber ich kenne mich auch als Ausgrenzer. Ich glaube, dass wir alle in diesen Rollen switchen. Das ist Deutschland 2014.
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Es gibt halt nicht nur Schwarz und Weiß.
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Danger Dan: Ja, man kann das nicht nur in Schwarz und Weiß sehen. Interessanterweise spielen wir jetzt bei den Live-Konzerten immer »Motto Mobbing« und genau danach »Outlaws«. Und das ist halt exakt das gleiche Lied, nur das wir eben jeweils die andere Rolle einnehmen. Und uns wahrscheinlich auch in beiden Rollen kennen und wohlfühlen.
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Koljah: Wohlfühlen?! (Gelächter)
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Danger Dan: Wohl und unwohl. (Gelächter)
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Koljah: Also man kann nicht verleugnen, dass es manchmal Spaß macht, Leute, die durchaus fehlerhaft und schwach sind, zu ärgern.
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Danger Dan: Und umgekehrt. Man kann auch nicht leugnen, dass wenn die richtigen Leute einen hassen, dann hat man ja auch einiges richtig gemacht. Manchmal ist es völlig okay und gut, der Außenseiter zu sein. Das fühlt sich dann auch gut an.
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Koljah: Und bei »Outlaws« geht es ja um eine selbstgewählte Außenseiterrolle. Es geht nicht darum, dass wir einen angeborenen Gehfehler oder eine Hasenscharte haben und deswegen von den Idioten in der Klasse immer fertiggemacht worden wären. Wir fanden eher einfach alles scheiße und weil wir das alles nicht verstanden haben, haben wir uns in der Konsequenz zum Außenseiter gemacht und standen lieber alleine in der Ecke rum. Das würde ich nicht unbedingt vergleichen wollen mit Außenseitern, die das nicht frei wählen, sondern die, obwohl sie es nicht wollen, von anderen dazu gemacht werden.
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Ihr habt in diesem Jahr zum ersten Mal auf dem Splash! gespielt. Eurer Facebookseite zufolge war es euch zwar ein Fest, das ihr allerdings auch fluchtartig wieder verlassen habt. Wieso?
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Panik Panzer: Also ich muss jetzt ganz schnell intervenieren, bevor Daniel wieder seinen HipHop-Hass auspackt, den er so gerne in letzter Zeit offen präsentiert. Ich wäre gerne auch noch einen Tag länger geblieben, das war schon ganz cool. War schön, da zu sein.
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Koljah: Ich wäre auch gerne einen Tag länger geblieben, wir waren ja nur einen Abend da. Zwei Abende hätte ich auch gut gefunden, aber von Donnerstag bis Sonntag, das wäre mir auch zu viel gewesen. Wenn wir bei solchen Spektakeln und riesigen Menschenmengen sind, die auch noch aus HipHop-Menschen bestehen, und wir nicht mal einen eigenen Backstage-Raum haben, wie es aber sonst jeder Depp da hat, dann kann das dazu führen, dass manche von uns das dann fluchtartig verlassen und andere dann wiederum gezwungen sind, diese Flucht mit anzutreten. Das hatte auch damit zu tun, dass unsere Übernachtungsmöglichkeit an einem anderen Ort war.
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Danger Dan: Wir haben ja schon in dem Prinz-Pi-Track gesagt, dass die uns kein Hotel zahlen wollten. Und mit den Anreisekosten, die wir hatten, war unser Budget schon fast aufgebraucht, weil wir alle drei aus verschiedenen Städten kommen. Es hatte auch monetäre Gründe, warum wir nicht noch länger bleiben konnten. Allerdings waren wir auch in einem Fünf-Sterne-Hotel, das muss man dazu sagen. Aber ich fand das jetzt gar nicht so schlimm. Was ich schön fand, war, dass es da Dinge umsonst gibt. Im Backstage-Bereich gibt es Schuhe, Mützen und Tätowierungen.
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Panik Panzer: Wir waren einmal im Backstage an dem Stand von einer Kleidermarke und wollten dort wie an allen anderen Städten Dinge abstauben, aber die dann so (verstellt Stimme): Ey, orh, nee, ey, Jungs, ey, wir ham jetzt gerad nur noch so wenig…
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Koljah: Die haben uns erst überhaupt nicht geglaubt, dass wir Künstler sind. (lacht) Weil wir halt die letzten Ottos sind. Die dachten, wir sind irgendwelche Schnorrer. Was ja auch stimmt. (lacht)
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Ich habe euch nie so richtig als Teil der »Szene« wahrgenommen. Wie war das für euch auf dem Splash!, plötzlich unter all den Heads zu sein?
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Koljah: Im Endeffekt war es so, dass wir auf dem Splash! mit Zugezogen Maskulin und Fatoni rumgehangen haben und uns dann mit denen zusammen nicht so richtig zugehörig gefühlt haben. Aber es läuft auf dem Splash! auch nicht so, dass jetzt irgendwie Samy Deluxe, Haftbefehl und Curse zusammen am Teich sitzen, und dann kommt man als Antilopen Gang dazu, und dann sagen die: Hi Jungs, Ihr seid jetzt auch dabei! (lacht) Das ist eher so Grüppchenbildung.
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Danger Dan: Es gibt im HipHop ein neues Grüppchen, das mit uns zusammen nicht so richtig dazugehört. Und mit dem Grüppchen saßen wir dann da.
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Koljah: Wir sind die deutschen Odd Future. Behauptet Fatoni jedenfalls, ich find Odd Future gar nicht so geil.
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Danger Dan: Wir sind die deutschen Odd Future mit Fatoni, Juseju und Zugezogen Maskulin. Und da ich in Berlin wohne, kenne ich auch ein, zwei Rappers und Journalisten, denen ich auch mal »Hallo« sagen konnte.
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In »Outlaws« ist in Bezug auf die HipHop-Szene von einem Déjà-vu die Rede, das euch an Zeiten erinnert, in denen ihr ausgegrenzt wurdet.
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Danger Dan: Das ist etwas, was sich wie ein roter Faden durch unsere Band-Historie zieht. Früher standen wir in einem besetzten Haus und die ganzen Punker wussten überhaupt nicht, was sie mit uns in den Baggy-Pants anfangen sollen und fanden uns ein bisschen komisch. Das hat sich jetzt umgekehrt. Jetzt stehen wir auf dem Splash!, und die Leute denken, was machen diese Punker hier. Wir haben uns aber auch angenähert. Ein ganz so schlimmes Déjà-vu ist es nicht. Aber ich lege immer noch viel Wert darauf, von bestimmten Menschen nicht gemocht zu werden. Und mir ist es sehr wichtig, dass bestimmte Leute, das was ich mache und meine Musik nicht mögen. Das ist mir sogar wichtiger als dass möglichst viele meine Musik mögen.
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Und was sind das für Menschen?
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Panik Panzer: Daniel, sag nicht welche Menschen!
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Danger Dan: Nein, nein, ich nenn jetzt keine Namen.
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Panik Panzer: Also ich würde mich freuen, wenn ich mit allen down wäre. Ich bin eigentlich sehr harmoniebedürftig und fände es ganz geil, wenn uns die ganze HipHop-Szene geil fände, und wir mit allen befreundet wären. Aber ich bin leider seit fünf Jahren Gefangener der Antilopen Gang und unglücklicherweise muss ich mich deswegen immer abgrenzen und diese Outlaw-Rolle einnehmen.
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Koljah: Ja, im Endeffekt ist das ja auch ein bisschen Koketterie. Wir sind ja auch längst Teil der HipHop-Szene. Es gibt auch Leute in der HipHop-Szene, die uns mögen und die cool sind. Und es gibt auch viele Idioten da und die sind halt gemeint, wenn wir uns davon abgrenzen. Aber das muss man auch gar nicht alles so verbissen sehen.
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Danger Dan: Na ja, ich find das schon bezeichnend, dass man so als Rap-Crew in der Intro-Redaktion wahrscheinlich viel mehr Fans hat als in der Juice-Redaktion. Also wir finden überall statt. Das ist schon mal gut. Aber das ist jetzt positiv formuliert.
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Was ist eigentlich aus eurem Prinz-Pi-Diss geworden?
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Danger Dan: Prinz Pi hat das Battle gewonnen und wir geben auf.
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Euer Diss ist einfach verpufft?
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Danger Dan: Ja, der ist an seinem Schutzschild abgeprallt. (lacht) Und mit hundertfacher Geschwindigkeit auf uns zurückgeschossen. Und wir erholen uns bis heute nicht davon. Jeden Morgen tut mein kleiner Zeh weh.
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Koljah: Auf jeden Fall. Ich hab auch gehört, dass Prinz Pi sich wieder Prinz Porno nennt und jetzt ein Album wie in alten Zeiten macht. Ich denke, er wird jetzt mit diesem Album einfach nochmal klarstellen, dass er immer noch der King ist.
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Danger Dan: Dass er dieses Album macht, ist ja auch der Effekt unseres Liedes. Damit haben wir ja schon geschafft, was wir wollten.
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Koljah: Das wollte ich suggerieren, ich bin mehr so der subtile Dude.
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Danger Dan: Ich mehr so der plumpe.
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Koljah: Du bist sehr plump. (lacht)
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Habt ihr nicht sogar verkündet, der »Beef« sei beendet? Das klang jedenfalls sehr harmonisch.
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Panik Panzer: Das war ein kleiner Gag.
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Koljah: Also das ist ein sehr einseitiger Beef. Wir haben diesen Beef angefangen, wir haben ihn ausgetragen und wir haben ihn beendet. Prinz Pi hat dafür jetzt nicht so viel getan. (lacht)
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Danger Dan: Er war wahrscheinlich in der Zwischenzeit in der Thai-Massage, hat die Füße hochgelegt, Cocktails geschlürft und sich in sein Porno-Fäustchen gelacht. Und wir hatten halt in der Zeit harten Beef. Wir hatten keine leichte Zeit.