Tufu »Am Ende machen wir immer noch Musik, wir schreiben keine Gedichte.«

Tufu hat sein sechstes Soloalbum »Moorloch« komplett analog produziert. Es ist jetzt überall zum Streamen erhältlich. ALL GOOD-Autor Till Wilhelm sprach mit ihm zur VÖ.

Tufu

Tut-Tut. »Hallo?« Es fließt Sekt und Bier, Katzenschreie ertönen von beiden Seiten, die Verbindung bricht regelmäßig ab. Der Rapper Tufu, Mitbegründer des Labels Sichtexot, hat ein neues Album veröffentlicht. Es heißt »Moorloch« und ist das erste Solo-Album seit sechs Jahren. Er kommt ursprünglich aus Neuwied (Rheinland-Pfalz, ca. 65.000 Einwohner), lebte dann in Köln und jetzt in Bonn mit seiner Tochter. Gerade ist er zu Besuch bei seiner Freundin in Kassel, sitzt dort im Arbeitszimmer, raucht und die Katzen schreien. Mit der »Symbolik des Mastschweins« ging alles bei ihm so richtig los, mit der »Seelenquantisierung« kam am 1. Januar 2011 das erste Album über das eigene Label, Sichtexot. Jetzt, acht Jahre später, das sechste Soloalbum, »Moorloch«. Ein Abenteuer auf vier Spuren, komplett analog produziert, jetzt überall zum Streamen erhältlich. Zum Anlass dessen hat ALL GOOD-Autor Till Wilhelm den Rapper über FaceTime zwei Stunden lang ausgefragt, herausgekommen ist dabei dieses Interview über Hardware-Fetisch, Battlerap und die Handwerksarbeit, die Musikproduktion am Ende immer noch ist.

  • Ich glaube, meine Frontkamera ist voll im Arsch. Kannst du überhaupt was erkennen?

  • Klar, ist nur ein bisschen neblig. Im Vorgespräch haben wir gerade über deine früheren Alben und den ganzen DIY-Geist dieser Zeit gesprochen. Hat sich deine Herangehensweise mittlerweile stark verändert?

  • Die Herangehensweise ist eigentlich noch die gleiche, das ist von damals bis heute eigentlich gleich unprofessionell geblieben. Einfach noch irgendwie ein Video schnell abdrehen. Damals Kunstblut und Ketchup in meinem Keller zusammengemischt, heute ist das nicht viel anders. Es macht einfach mega Bock, da mit den gleichen Jungs immer wieder einfach spontan was zu schaffen. Man wird natürlich mit der Zeit ein bisschen strukturierter, aber irgendwie auch nicht.

  • Ich habe mir die ganzen Videos zu »Moorloch« heute auch nochmal angeschaut. Das geht ja eigentlich voll in Richtung Konzeptalbum.

  • Ja, das ist es ja auch voll und ganz. Ich habe mir halt irgendwann auch in der Kölner Zeit meinen ersten Vierspurrekorder gekauft, weil ich damit mal bisschen rumspielen wollte. Es war auch so, dass ich nach dem »Abdoom & Unraum«-Album nicht mehr so genau wusste, wie’s weitergehen soll. Ich habe immer mal angefangen, Tracks zu machen, aber…

  • Es war wahrscheinlich erstmal ausgespielt, dann fehlt auch einfach der Drive.

  • Genau, ich hatte auch keine Lust, das gleiche Album noch fünfmal zu machen. Ich habe dann auch ziemlich schnell angefangen, so einen Hardware-Spleen zu entwickeln. Auch über einen Kumpel aus Köln, The Beep, der konnte immer stundenlang über irgendwelche MIDI-Schleifen erzählen, die er sich zusammengebastelt hat. Da bin ich immer nach Hause gegangen danach und hab das belächelt, dass er mir fünf Stunden lang sein Set-Up erklärt, aber mir keinen einzigen Beat gezeigt hat. Dann saß ich zuhause vor meinem FruityLoops und dachte mir so: »Kann er ja machen.«

  • »Ich musste halt lernen, das zu bedienen. Das hat mich so krass gehypet!«Auf Twitter teilen
  • Aber die Saat war gelegt? Es hat dich langsam von innen aufgefressen?

  • Ja, irgendwie war das dann auch schon alles in meinem Kopf. Und irgendwann hatte der Beep so einen EPS-16, einen Keyboard-Sampler. Da gibt’s auch so alte Videos von Kanye und Timbaland und anderen, die an diesen Dingern komplett abgehen. Dieses Ding wiegt bestimmt die Hälfte von mir. The Beep hatte sich einen neuen gekauft, also habe ich mir den alten abgeholt und den nach Hause geschleppt. Dann war ich das erste Mal damit konfrontiert, so ein altes Gerät vor mir stehen zu haben und mich da reinarbeiten zu müssen. Ich musste halt lernen, das zu bedienen. Das hat mich so krass gehypet! Dann habe ich mir noch die Roland 303 geholt und das hat sich immer weiter entwickelt und ich konnte Sounds kreieren, die für mich ganz neu waren. Mit den beiden Geräten habe ich dann die »Sichtexotica II« gemacht, also erstmal eine Instrumentalplatte.

  • War das dann auch ein bisschen der Testdrive für das Album?

  • Nicht unbedingt der Testlauf, aber in der Zeit ist in mir eine Faszination für Vintage-Hardware gewachsen, die ich nicht mehr abgeben wollte. Das hat mich so begeistert. Ich wollte das dann auch eben auf die Rap-Sachen übertragen. Das war dann nur konsequent, das ganze Album auf Tape aufzunehmen. Allein dieses Kabelstecken hat mich so angefixt, dass ich einen ganz neuen Zugang zum Musikmachen gefunden habe. Dann habe ich mir in Köln in einem Second-Hand-Laden diesen Vierspurrekorder für 120,- Euro gekauft, ohne überhaupt zu wissen, ob der funktioniert. Ich wollte mich auch mit dem Verkäufer gar nicht mehr über den Preis unterhalten, ich wollte nur mit dem Teil nach Hause und damit rumspielen. Da hat dann auch erstmal nur die Hälfte funktioniert, dann musste ich das ganze Teil auseinanderbauen und wieder zusammenbauen. Das Ding knistert bis heute wie sonst was. Aber das macht nichts. Das hat trotzdem so Spaß gemacht. Du musst dann da ja auch alles One Take durchrappen und wenn dann am Ende was rauscht, gehört es halt dazu. Die ganze Vorarbeit ist auch so wichtig, ich habe mich total in so Steckfelder reingearbeitet, das hat Stunden und Tage in Anspruch genommen, bis ich überhaupt mal angefangen habe, Musik zu machen. Das hat etwas total Rituelles.

  • »Da machst du dir überhaupt keinen Computer mehr an, weil diese Hardware dir so viel Spaß macht.« Auf Twitter teilen
  • Hast du das gebraucht, um überhaupt wieder Lust am Rappen zu finden?

  • Überhaupt am Musik Machen. Ich bin ein Kandidat, wenn irgendwo ein Bildschirm läuft, bin ich total versucht, da einfach nur reinzustarren und nichts mehr zu machen. Das ist aber in dem Moment obsolet, wenn du dir das selbst alles zusammenbauen musst. Da machst du dir überhaupt keinen Computer mehr an, weil diese Hardware dir so viel Spaß macht. Wenn du dann Stunden später die ersten zwei Takes gerappt hat, musst du das auch erstmal von Kassette digitalisieren, um das überhaupt jemanden zu zeigen. Da schickst du keine Skizzen mehr per MP3 rum. Das wird erst teilbar, wenn es quasi schon fertig ist. Das kommt erst wieder in ein digitales Medium an einem Punkt, an dem alles schon passiert ist. Da bist du dann eigentlich schon zufrieden. Ich habe da einerseits eine gewisse Distanz entwickelt zum Endprodukt, weil du an den analogen Geräten ganz viel rumschrauben kannst, bis das gar nicht mehr eins zu eins das ist, was du eingerappt hast. Andererseits ergibt sich eine Nähe durch deine Gebundenheit an deine eigene Performance und durch das Handwerkliche. Distanz durch Sound, Pitch und Geschwindigkeit, Nähe durch den ganzen Prozess vom Umstöpseln bis zur Performance.

  • Die Musikvideos zum Album sind ja auch alle auf Super8 gedreht, oder? Das ist dann ja auch nur konsequent.

  • Ja, ich habe mir immer ganz viel Equipment zusammengesucht, bei Wohnungsauflösungen oder auf eBay, da waren dann auch Super8-Kameras dabei und das war immer das Gleiche: 30 Jahre nicht benutzt, unbelichteter Film drin und sogar die Batterien liefen noch. Man muss die Filme dann ja auch entwickeln lassen und das ist super teuer und kompliziert, aber ich hab da Blut geleckt. Da kann ja auch so viel schiefgehen. Alleine diese 15 Meter-Filmrolle irgendwo zum Trocknen aufzuhängen, wo kein Staub dran kommt, das ist schon fast unmöglich. Aber ich würde es irgendwann eigentlich mal gerne selbst machen. Als das Album schon fast fertig war, kam so eine Kamera mir das erste Mal in die Hand geflogen und ich hab mich sofort darin verliebt. Die Pistolenoptik, das Geräusch, wenn du abdrückst, »DRRRRRRRRRRRRR«. Und das ist ja auch wie beim One Take-Rappen, du musst richtig drauf achten, was du jetzt wie filmst. Das Schneiden im Nachhinein ist auch kompliziert und jeder Shot ist wertvoll. Am besten, du planst das von Anfang an minutiös durch. 

  • »Haus am Moorloch« ist für dich der stärkste Song auf dem Album. 

  • Ja, der repräsentiert auch einfach den Geist des Albums. Da habe ich mit Anton (Anthony Drawn, Anm. d. Red.) und Nepumuk rumgehangen und wir haben stundenlang auf dem Beat rumprobiert und am Ende ist der halt so gut geworden. Das ist ja ein bisschen wie so alte Lost Tapes-Sachen. Da sind mehrere Takes auf dem gleichen Beat und am Ende gehört und passt es aber zusammen. Das ist für mich der Inbegriff dieser Arbeit mit Bandtechnik. Das war der Peak. Aus dem Grund war mir der schon wichtig, aber auch inhaltlich ist der super stark. Da kommt dann ja auch das Bild des Moorlochs, nachdem dann auch das Album benannt ist. Sobald auch dieses Wort auf dem Papier stand, war mir klar, dass das der Albumtitel ist. Das ist für mich einfach die wörtliche Entsprechung zu der Soundästhetik mit dieser Tape-Patina und der gedämpften Akustik.

  • »Früher waren das ja immer 94 BPM und Flows direkt auf die Fresse.«Auf Twitter teilen
  • Ich finde, man hört auf »Moorloch« nicht nur im Sound eine Veränderung zu deinen vorherigen Alben, sondern auch deine Vortragsweise ist ganz anders. Weniger auf Stärke aus, viel feinfühliger, da steckt richtig Humor und Charakter drin.

  • Voll cool, dass dir das auffällt. Das ist auch eine Sache, die gebockt hat in der Spielerei mit den Geräten. Mir ist dann zum Beispiel aufgefallen, dass ich auf diese wahnsinnig langsamen Beats wie bei »Gaspistole« auch auf halber Geschwindigkeit rappen kann und die dann schneller drehen kann. Dann irgendwie gecheckt, dass das scheiße klingt und das wieder runtergedreht. Ich habe dadurch aber viel gelernt, was Flows und so eine Vielseitigkeit angeht. Früher waren das ja immer 94 BPM und Flows direkt auf die Fresse. Aber hier hat mir das richtig Spaß gemacht, ganz unterschiedlich an verschiedene Geschwindigkeiten und Lautstärken ranzugehen. 

  • Die Soundästhetik kommt ja hauptsächlich vom analogen Produktionsprozess, aber das Songwriting an sich, da zählen ja auch die BPM-Zahlen rein, ist ja gar nicht so Old School-Boom Bap-mäßig. Die Endsequenz auf »Schornstein« erinnert mich zum Beispiel an sehr modernes, trappiges Songwriting, ohne dass der Sound danach klingt. Gab’s da äußere Einflüsse, die dich zu sowas inspiriert haben?

  • Das kommt beispielsweise auch stark von Negroman. Das ist ja gerade der Vorteil davon, dass wir bei Sichtexot so eine kleine Rap-Bubble sind, die sich immer gegenseitig beeinflusst. Da hast du einen Eloquent, der immer heißen Rap-Scheiß am Start hat. Aber auch einen Negroman, der nach allen Seiten die Ohren offen hat. Das finde ich dann beides immer geil und finde mich dann auch irgendwo in der Mitte wieder. Das ist dann auch gar nicht so bewusst, aber dem Endprodukt merkt man es dann schon an. Das kommt auch davon, dass wir so eng zusammenarbeiten und so die Entwicklung von den Anderen immer ganz nah mitbekommen. Ich habe auch meine Liebe zur französischen Sprache bisschen wiederentdeckt. Ich glaube, da ist zum Beispiel Ali Whales bisschen dran schuld. Alleine dadurch, dass ich mich getraut habe, so ein reines Four-Track-Album zu machen, habe ich mich schon viel freier gefühlt. Dann kommen diese kleinen Dinge eben auch einfach noch dazu.

  • »Man sampled halt Drums und irgendwelche Jazz-Sachen. Und bildet sich dann ein, man ist viel progressiver als alle anderen.«Auf Twitter teilen
  • Die Vorgängeralben »Hässlon« und »Abdoom & Unraum« kamen ja auch in einer Zeit, in der dieser oldschoolige Soundentwurf wieder cool wurde. Dadurch steckt man sich selbst ja sicher auch in eine Schublade, ob man das jetzt öffentlich will oder nicht.

  • Das war ja immer so ein Thema, dass über allem, was wir rausgebracht haben, immer dieser BoomBap-Jazz-Sound stand. Das hat uns lange gewurmt, dass wir da in so einer Schublade gelandet sind. Wir haben uns da gar nicht gesehen. Uns war da der lyrische Anspruch schon viel wichtiger. Wir haben uns immer sehr experimentell gefühlt, auch im instrumentalen Schaffen. Aber natürlich war es genau das, wofür wir gehalten wurden. Man sampled halt Drums und irgendwelche Jazz-Sachen. Und bildet sich dann ein, man ist viel progressiver als alle anderen.

  • Das widerspricht sich ja im Prinzip gar nicht mal unbedingt: BoomBap machen, aber trotzdem progressiv sein. Lass uns nochmal zum Inhaltlichen kommen: Das funktioniert ja wieder total über Battlerap, aber ganz anders als auf früheren Alben.

  • Wo siehst du da den Unterschied? Ich hatte gerade erst ein Gespräch mit einem potenziellen Booking-Agenten, der meinte, dass das Album soundästhetisch und inhaltlich eigentlich nicht aus dem bisherigen Katalog heraussticht…

  • Als erstes fällt mir natürlich auf, dass die einzelnen Zeilen viel umständlicher zu dechiffrieren sind. Die vorhergehenden Alben waren ja textlich relativ eingängig, weil es sofort klar war, was du scheiße findest und wen du battlest. Hier finde ich das alles bisschen komplexer. Bist du da an die Texte anders herangegangen?

  • Die lange Schreibpause spielt da natürlich auch mit rein, da hat sich ja jetzt ganz anderer Kram angesammelt in der Zwischenzeit. Private Umstände und das eigene Zeitmanagement verschieben natürlich auch die eigenen Perspektiven. Sonst habe ich mich eigentlich wie immer einfach hingesetzt, wenn mir ein Beat gefallen hat und habe angefangen, zu schreiben. Dann irgendwann Deckel drauf und aufgenommen, das ist kein großes Hexenwerk. Aber der Vibe vom Beat fließt da natürlich auch ganz groß mit ein, wenn ich mich jahrelang herantaste, ganz anders zu produzieren als davor, dann verändert das auch die Art, wie ich schreibe. Aber ich habe zum Beispiel auch wirklich das ganze Album ohne Computer geschrieben. Das ging dann so weit, dass ich mir irgendwann eine Schreibmaschine gekauft habe. Auch einfach, um nicht mehr in diesen merkwürdigen Perfektionismus zu verfallen, den ich gerade erst überwunden hatte. Du haust dann halt in die Tasten und das steht dann da, da kannst du nicht hinterher noch tausendmal korrigieren.

  • Die meisten deiner Lines kann man theoretisch immer noch einzeln analysieren, interpretieren und dann irgendwie auch verstehen, auch wenn deine Art zu Texten komplexer geworden ist. Erwartest du das von deinen Hörern?

  • Nee, gar nicht. Ich würde mir eigentlich wünschen, dass man die Wahl hat. Dass du entweder hingehen kannst und jede Line auseinandernehmen kannst und am Ende alles verstehst, oder aber es ist so kryptisch ist, dass man auf die sogenannte Message scheißen kann und sich einfach der Stimmung und der musikalischen Seite hingibt. Ich kenn auch viele Leute, die deutschen Rap nicht mögen, weil ihnen die ganze Zeit was abverlangt wird in ihrer eigenen Sprache. Bei französischen oder englischen Songs kann man viel leichter abschalten und einfach mit dem Vibe gehen. Mein Anspruch ist auch, die deutsche Sprache so zu benutzen und so zu texten, dass man dieses Gefühl auch mit Deutschrap haben kann.

  • Ich hatte ja auch schon mit deinem Crewkollegen Negroman darüber geredet, dass dieser Begriff des »Vibe« eben nicht nur bei Fler funktioniert.

  • Klar, und Negroman hat natürlich einen riesigen lyrischen Anspruch auch noch an sich selbst, den habe ich auch an mich. Aber am Ende machen wir immer noch Musik, wir schreiben keine Gedichte. Es ist wichtig, von der Sprache und den Aussagen eine Distanz zu schaffen, damit die Musik auch ohne rationalen Inhalt funktioniert. So würde ich mir das wünschen. Von allen Rappern auf der Welt. Du wirst ja auch auf dem »Hässlon«-Album einfach zugeballert mit Informationen. Das funktioniert bei manchen Rappern und manchen Alben, aber teilweise ist es einfach so viel, dass du da als Hörer gar nichts rausholen kannst.

  • »Battlerap ja, aber nicht nur gegen MCs, sondern gegen Hans Arsch.«Auf Twitter teilen
  • Battlerap ist ja eigentlich die lyrische Zerstörung eines imaginären Gegners. Das finde ich dann oft langweilig, wenn es einfach nur in so eine Ehrverletzungs-Richtung geht. Du setzt das aber ja bisschen anders ein. Kannst du das mal erklären?

  • Battlerap ist für mich erstmal der Rahmen, in dem ich mich textlich ausdrücke. Da abstrahiere ich aber die gegebenen Möglichkeiten so weit, dass ich mir meinen Gegner – oder besser: mein Objekt der Kritik – zusammenbaue aus beispielsweise Eigenschaften, die ich an Leuten in meiner Umgebung beobachte. Da schraube ich mir dann ein Feindbild zusammen, das alles beinhaltet, was ich scheiße finde, hauptsächlich abseits von Rap. Ich disse da ja keine Rapper oder so. Irgendwelche Vögel, die mich auf dem Spielplatz abfucken oder sowas. Battlerap ja, aber nicht nur gegen MCs, sondern gegen Hans Arsch.

  • Wenn du sagst, dass du die Inspiration auch aus dem Bekanntenkreis holst, holst du die dann auch aus dir selbst?

  • Die Frage ist schwierig zu beantworten, weil da natürlich eine starke persönliche Note mitschwingt. Aber wenn du deine Umgebung kritisch beobachtest, da gehörst du ja mit dazu. Ich wachse mit meiner Umgebung und sie mit mir. Man beeinflusst sich ja gegenseitig, deswegen sind viele Dus natürlich Ichs.

  • Für Negroman war das ja ein Grund, auf dieses lyrische Du zu verzichten und sich auf eine ähnliche Weise mit sich selbst zu beschäftigen.

  • Ich finde, für das musikalische Endprodukt ist das gar nicht so wichtig, welche Dus da jetzt Ichs sind. Meine Ausdrucksweise ist halt einfach Battlerap. Da stehe ich auch immer noch drauf, wenn das so In-Your-Face ist. Das ist für mich auch für die Live-Performance total wichtig. Und ich nehme es mir dann am Ende einfach raus, für mich zu behalten, wie viel von mir persönlich in dem steckt, was ich disse. Negroman geht offener damit um, ich verstecke mich da lieber ein bisschen in meiner Rapper-Blase.