In Gedenken an Ornette Coleman (9.3.1930 - 11.6.2015)

Ornette Coleman

Heute starb Ornette Coleman, der »Vater des Free Jazz«, im Alter von 85 Jahren an einem Herzstillstand.

Quasimoto aka Madlib postete heute als einer der ersten HipHop-Künstler ein Ornette-Coleman-Cover auf Instagram, als Tribut an den verstorbenen Saxophonisten. Auf seinem Mixtape »Medicine Show Vol. 8: Advanced Jazz« hatte Madlib Coleman bereits eine komplette Sektion gewidmet. In einem »Rolling-Stone«-Interview von 2013 wird Madlib sogar mit dem Satz zitiert: »I wish I was Ornette Coleman!«

Obwohl Coleman nicht zu den Künstlern gehört, deren Katalog im HipHop exzessiv geplündert wurde, so hatte er doch seinen Einfluss auf die Kultur. Seine bewusste Ignoranz gegenüber musiktheoretischen Regeln und sein gleichzeitiges Selbstbewusstsein im Umgang mit der eigenen Außenseiterposition machten ihn zu so etwas wie einem B-Boy, bevor es B-Boys gab. Coleman hatte sich das Saxophonspiel selbst beigebracht und fand zu Beginn seiner Karriere nur schwer Musiker, die mit einem avantgardistischen Autodidakten spielen wollten. Erst Ende der fünfziger Jahre, als er von Texas nach L.A. gezogen war, schien Colemans Zeit gekommen.

1960 erschuf er mit dem Album »Free Jazz: A Collective Improvisation« sein Opus Magnum, das zu den wichtigsten Platten der Jazz-Geschichte gehört. Der Free Jazz der Sechziger und Siebziger ging bei Coleman nahtlos in eine noch experimentellere Phase über, in der er sogar vorgab, eine komplett eigene Musiksprache entwickelt zu haben. Für sein 1977 erschienenes, für Bands wie Sonic Youth wegweisendes Album »Dancing In Your Head« arbeitete er mit traditionellen afrikanischen Musikern zusammen. In den Neunzigern spielte er teilweise in einem klassischen Quartett, aber auch in der Duo-Kombination mit Klavier. Sein letztes Album erschien 2006, da war Ornette Coleman schon 76 Jahre alt.

Ornette Colemans größter Hit, das Stück »Lonely Woman«, wurde 1998 vom Westcoast-Underground-Rapper Aceyalone gesamplet – auf einem knapp achtminütigen, sperrigen Konzept-Rap-Track namens »Human Language«. »Lonely Woman« war auf »The Shape of Jazz To Come« enthalten, einem 1959 veröffentlichten und so programmatisch wie angeberisch betitelten Album, das zu Colemans wichtigsten zählt. Aesop Rock samplete auf seinem Song »Dryspell« von seiner »Appleseed«-EP gleich zwei Coleman-Songs: »Peace« und »Focus On Sanity«, beide ebenfalls auf »The Shape Of Jazz To Come« enthalten.

Im Gegensatz zu anderen Jazz-Legenden seiner Generation, siehe Charlie Parker oder John Coltrane, war Coleman nicht den harten Drogen zum Opfer gefallen, die in den fünfziger und sechziger Jahren, als er seine wichtigsten Platten aufnahm, scheinbar zur Standardausstattung amerikanischer Backstage-Räume gehörten. Stattdessen nahm er — ähnlich wie Miles Davis — bis an sein Lebensende noch relevante Platten auf, spielte Konzerte und bekam Auszeichnungen am Fließband.

Um Coleman trauert neben der gesamten Jazz-Welt auch ein 1956 geborener Sohn aus der Ehe mit der bereits verstorbenen Dichterin Jayne Cortez, von der er sich 1964 wieder hatte scheiden lassen. Ornette Coleman starb heute in New York. Möge er in Frieden ruhen und sein Erbe noch viele Generationen überdauern.