»Es ist ein Stück Identität« – das Video zu »Oyoyo« von Megaloh
Schon zu Beginn des Jahres hat Megaloh mit »Regenmacher« einen Anwärter für das Album des Jahres abgeliefert. Das attestierten ihm nicht nur die Kritiker. Die Fans dankten ihm die musikalische Qualität mit Platz 2 der Album-Charts. Dass so ein Album nicht ganz so einfach von der Hand geht, sollte klar sein. Die Entstehungsgeschichte zu »Regenmacher«, die Anekdoten hinter den Songs, die Storys der Beteiligten und die Hintergrundinfos der Macher haben wir in dem iBook »Regenmacher« umfassend dargelegt. Wir wollten die Hintergründe zum Album festhalten. Wir haben dabei versucht, so viele Stimmen wie möglich zu Wort kommen zu lassen, damit sie die Geschichte von »Regenmacher« erzählen und die Songs bis ins Detail sezieren. Um den Hörern die DNA jedes einzelnen Tracks zugänglich zu machen und die Beweggründe aufzuzeigen, die »Regenmacher« zu »Regenmacher« machen.
Zwei Monate nach Album-Release veröffentlicht Megaloh jetzt ein Video zu einem der Key Tracks von »Regenmacher«: »Oyoyo«. Das ist natürlich ein Grund für uns, noch einmal auf das iBook hinzuweisen, das weiterhin hier zum freien Download erhältlich ist, und die digitalen Liner Notes zum Song hier zu veröffentlichen. Zu Wort kommen Megaloh selbst, sein Produzent Ghanaian Stallion, Max Herre, Mastering Engineer Sascha »Busy« Bühren sowie Feature-Partner Musa.
Megaloh:
Manche Sachen passieren einfach, ohne dass man darüber sprechen muss. Der Beat zu »Oyoyo« war so geil, dass klar war, dass wir da so eine Hymne draus machen müssen. Ich hab das direkt gesehen. Der Beat hat einfach genau das drin, was ich unbewusst oder vielleicht auch bewusst gesucht habe. Es ist ein Stück Identität, gekoppelt mit der Musik, die ich gerade feiere und auf die ich Bock habe, zu rappen. Das hat der Beat alles verkörpert. Dann habe ich noch den Refrain in der Sprache meiner Mutter gemacht – Igbo. Ich spreche das leider selbst nicht, aber als ich meine Mutter fragte, ob sie mir helfen kann, hat sie mir einen Auszug aus einem Kinderlied gegeben. Der Text bedeutet so viel wie »Die Welt ist schön, aber wenn Gott seine Hände wegnimmt, geht alles kaputt« – es ist quasi die Igbo-Version von »He’s got the whole world in his hands«. Ich hab das natürlich erst mal falsch eingesungen, weil ich dachte, dass ich es mir ohne Aufschreiben merken kann. Als ich es dann eingesungen und ihr gezeigt habe, hat sie mich richtig ausgelacht. Und dann hat sie gleich alle nigerianischen Verwandten angerufen und sich am Telefon über mich lustig gemacht. So ist meine Mutter eben: Mit der Liebe gibt es eben auch Härte. Zu dem Beat hat sie aber auch gleich gesagt: Endlich machst du Musik, zu der man auch tanzen kann. Jetzt will sie, dass ich mehr singe! Jedenfalls hab ich den Refrain dann noch mal von ihr einsprechen lassen – den Teil kann man jetzt auch im Intro hören. Und dann folgt da noch der geniale Part von Musa – Nigeria meets Sierra Leone. Der großartige Patrice kommt dann auch noch. Der Song zeigt wieder verschiedene Facetten – dieses Afrozentrische ist ein spielerisches Umgehen mit unseren Wurzeln, und auch mit Klischees.
Ghanaian Stallion:
In dieser Phase haben wir uns intensiver mit moderner afrikanischer Musik auseinandergesetzt und wollten auch mehr in so eine Richtung gehen. Das war lustig – ich hatte bei dem Beat erst irgendwelche UK-Dudes im Kopf, einen Kano oder so Grime-Typen. Ich dachte, die beiden sehen das gar nicht so für sich. Ich hab den Beat lustigerweise »African Trap« genannt und so rausgebounct. Das gab es in der Form auch noch nicht. Wir wussten sehr lange nicht, wo »Oyoyo« zu verorten ist und dachten, das wird ein Bonus Track. Aber das Feedback war zu gut, alle haben es gefühlt. Der Track macht den Leuten Spaß, man kann darauf tanzen. Rein von der Rhythmik könnte der ja auch international in einem Club irgendwo in Ghana oder Nigeria funktionieren.
Busy:
Ich habe im Mix und im Master schon mit den unterschiedlichsten Styles zu tun gehabt, aber diese Mischung aus afrikanischen Klängen und Trap-Beats hat es meiner Meinung nach so noch nicht gegeben. Der Song hat eine unheimlich positive Aura und ist für mich das Bindeglied von der einen Hälfte des Albums zur anderen. Musa ist ein ungemein fröhlicher und lustiger Typ. Wenn der ins Studio gekommen ist, fühlte man sich gleich wohl – und das spürt man bei diesem Track auch. Er hat eine ganz besondere Energie.
Musa:
Der Track entstand im Sommer 2014, als ich gerade aus Sierra Leone zurückkam. Ich war voll auf diesem Afrobeat-Film und hatte gar keine Lust mehr, Rap zu machen. In dem Sommer kam Alan mit dem Beat an – es passte einfach perfekt. Uchenna und ich sind den Track unabhängig voneinander angegangen. Wir waren einfach alle auf dem gleichen Film. »Wohin« entstand relativ zeitgleich. Aktueller Afrobeat und Trap sind nach meinem Rhythmusgefühl auch nicht so weit voneinander entfernt. Ich fang da an, auf Krio zu rappen – das ist eine auf Englisch basierende Verkehrssprache in Sierra Leone. Die Sprache ist vielleicht am ehesten mit Patois zu vergleichen, eine seit dem atlantischen Sklavenhandel entwickelte Abwandlung von Englisch, mit eigenem Dialekt. Also Pidgin-English, von der sich recht ähnliche Varianten in den ehemaligen anglophonen Kolonien Westafrikas, zum Beispiel in Nigeria und Ghana, finden lassen. Wenn man sich aktuellen Afrobeat anhört, findet man das oft wieder. Nach vier Zeilen switche ich dann ins Deutsche. Ich fand das auch von der Thematik des Tracks einfach passend – das kommt eben aus meiner Perspektive eines Pendlers zwischen Deutschland und Sierra Leone.
Megaloh:
Mit Patrice verbindet mich schon eine sehr lange Geschichte. Mit ihm habe ich bereits zusammen produziert, als ich noch keinen Deal hatte. Da habe ich Patrice auch wirklich viel zu verdanken – gerade in der Arbeit mit echten Instrumenten. Bei all den Songs, die wir zusammen haben, ist das jetzt wirklich der erste, auf dem wir beide sind und der veröffentlicht wird.
Max Herre:
Der Track ist absolut göttlich. Der Hammer. Auch mit Musa. Die zwei zusammen – zwei Afrikaner in Berlin. Uchenna ist natürlich in erster Linie Berliner, hat einen holländischen Vater und ist hier sozialisiert. Aber das Gefühl rüberzubringen, diese Art von Afrozentrismus in deutschsprachiger Musik, ist für mich seit »Mamani« ungehört. Joy war die einzige, die das ein Stück weit hingekriegt hat. Diese Farben, dieses Gefühl, was ihre südafrikanische Heritage angeht, hierher zu bringen, ohne dass es wie ein Fremdkörper wirkt. Das macht es komplett – vor allem mit dieser unglaublich schönen Hook. Auch was Patrice macht, finde ich supercool, eine echte Bereicherung. Der Song war relativ schnell sehr weit. Die haben da ihre Welt gebaut. Es ging nur noch darum, diesen Chor auszuarbeiten: Mit Leuten wie Chima Ede, mit einem Timbre, das so einen westafrikanischen Impact hat – und nicht so Stimmchen wie die KAHEDI. Und mit Grace, die super Sachen macht.