Storytime mit Torky Tork
Mit »90/10« erschien gerade das neue Album von T9, Torky Torks Duo mit Rapper Doz9. Gemeinsames Musizieren gefällt dem Berliner MPC-Wizzard, deswegen erzählte Torky ALL GOOD die Storys hinter seinen wichtigsten Kollaborationen.
Torky ist alte Schule. Nicht, weil er obskure Platten sammelt und in seiner Musik alles rumpelt und rattert. Das auch. Aber Torky ist alte Schule, weil er sich mit Menschen im Studio trifft. Wo andere Producer ihren Output quer um die Welt dropboxen, trifft sich Torky einfach dort, wo die Musik entsteht, mit Menschen, die er mag. Es sind Menschen, die etwas zu erzählen haben. Und auf Torkys Beats erzählen sie wirklich. Weil sie eine Beziehung aufgebaut haben zu Torky Tork, dem Berliner MPC-Wizzard. ALL GOOD hat er die Geschichten hinter seinen wichtigsten Kollabos erzählt – und warum an »90/10«, dem neuen Album von T9, Torkys Duo mit Rapper Doz9, kein Vorbeikommen ist.
C.S. Armstrong
C.S. ist der Meinung, wir seien durch Gott verbunden. Ich bin der Meinung, wir sind durch Karma verbunden. Es kann nicht anders sein. Ich hab mal irgendwas von dem auf Instagram gesehen und fand seine Stimme einfach nur krass. Der hatte aber nur 5.000 Follower, ich hab’s gar nicht gecheckt. Anderthalb Wochen später sehe ich zufällig, wie er in seiner Story vor der Berliner Mauer ein Acapella droppt. Und dann fährt der mit so nem Rent-Bike durch die Stadt. Ich habe den sofort angeschrieben: »Yo, wenn du ein Studio brauchst, komm vorbei!« Original 15 Minuten später steht der vor meiner Tür. Sein AirBnb war direkt auf der Flughafenstraße, der konnte zu Fuß zu mir rüber laufen. Ich hatte am Abend noch einen Gig im Gretchen und dazu kam eine Lebensmittelvergiftung, die ich mir am Abend zuvor eingefangen habe. Ich bin eigentlich nur ins Studio, um mein Equipment für den Abend zusammenzusuchen, aber dann stand dieser Typ da. Ich hatte nur vier Stunden bis zum Gig, aber wir haben einfach fünf Songs aufgenommen. So richtig Ami-mäßig: nichts aufschreiben, einfach aufnehmen. Ich hab irgendeine Taste auf der MPC gedrückt und er nur: »Fire! Now I know what I wanna talk about!« Dann steppt der ans Mic und freestylet aus dem Tiefsten seines Herzens, richtiger Blues. Was der krasses erzählt! Absurde Crip-Geschichten und so, die kommen einfach aus dem raus.
Am nächsten Tag ging sein Flieger zurück nach L.A. und ich war völlig fertig. Nach dem Auftritt lag ich noch mit Magenkrämpfen auf der Couch, aber um 10 Uhr morgens standen wir wieder im Studio, weil er nur bis zum Nachmittag Zeit hatte. In der Session haben wir dann noch sechs Songs gemacht – und zwischendurch noch Mittagessen. Die meisten Songs sind auf dem Album »Truth Be Told« gelandet, ein paar haben wir dann noch in L.A. aufgenommen. Ich war da über zehn Tage in einer AirBnb-Bude, aber ausgerechnet über Thanksgiving, das habe ich als völliger Europäer-Dulli geplant. Ich dachte, das wird voll geil, dann kann ich das mal miterleben, aber in L.A. fahren über Thanksgiving alle weg in ihre scheiß Dörfer. War dann am Ende aber doch noch crazy, C.S. kam an einem Tag einfach mit Taz Arnold von Sa-Ra vorbei. Bro, sitze ich da einfach völlig underdressed in meiner Badehose neben diesem legendären Typen in seinen Cowboyboots. Dann hört der auf Kopfhörern meine Musik und sagt: »Yo, I’m getting so high on this, I don’t even need to smoke!«. Dann kam auch noch Ro James vorbei, so ein krasser R&B-Sänger, der zwei Meter lange Joints gerollt hat. Alle waren immer super dressed und flashy und haben Blunts in der AirBnb-Wohnung von dem fucking German dude geraucht, völlig absurd.
C.S. Armstrong ist auch in dem Team von Dr. Dre und ist immer bei dem und The Game im Studio. Der war einfach mit allen schon im Studio: Drake, Jay-Z, Jadakiss, Snoop Dogg, you name it. Der ist crazy! Ein richtiges Übertalent. Der hat halt leider auch dreizehnmal seinen Namen geändert, früher hieß er Rocki Evans, war Backup-Sänger bei Action Bronson und hat echt die ganze Welt gesehen. Aber der ist auch so ein richtiger Künstler – »I don’t wait for nobody!«. Unser Album wollte der nach einem Tag Hals-über-Kopf auf Soundcloud raushauen. Ich war so: »Bro, das kannst du nicht machen. Das ist viel zu gut, wir machen das jetzt richtig schön.« Dann habe ich noch von dem AnnenMayKantereit-Bassisten Malte Huck Sachen einspielen lassen und so. Am Ende sind da krasse Musiker auf dem Album gelandet. Und Armstrong war so glücklich, dass er eine Vinyl gemacht bekommen hat. Der ist so ein Karma-Dude. Der gibt keinen Fick um Namen. Der kennt alle Rapper aus L.A., aber das ist dem völlig egal, wer was ist. Der bewegt sich auch in dem TDE-Umfeld, wo dir das eingebläut wird. Wenn du da denkst, du bist der Superstar, kannst du’s ganz schnell vergessen. Da ist jeder gleich, ob du Kendrick bist oder der Typ, der das Wasser holt.
Carpet Patrol
Das war für mich der Anfang von wirklichen Kollaborationen. Vor dem Projekt wollte ich immer alleine produzieren, niemand sollte daran rumfuddeln. Ich wusste auch gar nicht, wie das geht – zusammen einen Beat zu machen. Es kann ja nur einer am Rechner sitzen. Suff Daddy ging das lange sehr ähnlich, glaube ich. Wir haben uns menschlich einfach so gut verstanden, dass sich so Gentlemen’s Agreements eingespielt haben: »Die Snare ist cool, oder?«, »Ja, ist geil!«, »Joa gut, dann machen wa das so!«. Manche Leute kämpfen im Musikmachen so krass miteinander, das war bei uns nie so. Einfach unkompliziert und ohne Dogmen. Ich bin halt mit meiner MPC zu Suffy, da hatte ich krasse Samples drauf. Dann habe ich einfach weirde Dinge aus indischen Songs oder japanischen Vergewaltigungsfilmen gechoppt, richtig obskure Sounds. Suffy saß am Rechner und hat in Acid Kästchen geschoben. Das war echt so easy, wir haben uns ein paar mal getroffen, den Vulcano gevaped, Bier getrunken und Beats gemacht. Auf Tour haben wir dann zusammen noch eine richtige Raudi-Rambo-Zeit erlebt. Und zu »Indian Slap« haben wir dieses Video gedreht, wo wir in der Hasenheide Cricket spielen. (lacht) Einfach eine geile Zeit. An der nächsten Platte sind wir schon dran, die wird aber ganz anders. Nicht so düster, diesmal fluffig und fröhlich.
Audio88 & Yassin
Ich habe früher mit ein paar anderen Leuten den Blog »Rap ohne Lizenz« betrieben, so vor sechs bis sieben Jahren, einfach nur aus Fun. Wir haben auch zwei bis drei Beat-Tapes darüber releast, mit Tracks von Dibiase, Suff Daddy und irgendwelchen Leuten aus Japan. Jedenfalls haben wir da auch Interviews geführt und dafür Audio88 eingeladen. Der war dann bei mir zu Hause und hat sich zwei Flaschen Rotwein reingekippt. Das war ein super weirdes Interview. Aber da haben wir uns kennengelernt und uns super verstanden. Dann kam mein Remix vom Audio88-&-Yassin-Song »Die Erde ist eine Scheide« zustande, für den ich »Emanuelle« geflippt habe, dieser riesige Softporn-Star, ihre Filme liefen immer nachts auf SAT.1. Audio fand den Remix voll geil, die spielen den Song auch live immer noch in der Version. Und Yassin hat damals direkt bei mir um die Ecke gewohnt, da haben wir eine Zeit lang jeden Abend richtig laut Musik gemacht, bis uns die Nachbarn aus dem Hinterhof angeschrien haben. In dem Video »A Day In The Life Of Torky Tork« sieht man ganz gut, wie das aussah. Irgendwann bin ich dann mal mit den beiden nach Polen gefahren, in eine Ferienhütte von einer entfernten Bekannten. Das war im November, super kalt und man musste selbst Feuer machen. Da haben wir nur Haselnussschnaps getrunken und in einer Woche nur einen Song aufgenommen, glaube ich. Ich war die ganze Zeit am Beats machen – voll der Motivatork wieder – aber die haben eigentlich nur »The Office« geguckt. Bei »Normaler Samt« war ich dann Teil des Albumteams, und da habe ich zum ersten Mal an einem Projekt in solcher Größe gearbeitet. Das hat ja schon ein bisschen Wellen geschlagen, weil die Platte viel zugänglicher war als ihre vorigen. Ich bin dann auch dreimal mit denen auf Tour gegangen, einmal solo als Torky im Vorprogramm und zweimal mit Doz als T9. Seitdem sind wir Freunde for Life.
T9
Die Prämisse für unsere Zusammenarbeit war immer, dass wir wegfahren. Beim ersten Mal sind wir nach Groß Väter in Brandenburg, liegt direkt neben Klein Väter. Wir hatten null Empfang und haben in vier Tagen unsere erste Platte gemacht, obwohl wir uns eigentlich gar nicht kannten. Das war voll die Schnapsidee. Da haben wir gemerkt, da passiert was besonderes. Was Doz9 rappt, kommt ja bei vielen total kryptisch an. Und so kryptisch sind teilweise auch meine Beats. Und wir haben uns mit T9 ein Projekt geschaffen, in dem wir alles machen können. Wir haben uns da selbst komplette Narrenfreiheit auferlegt.
Bei unserem zweiten Album »R.I.F.F.A« haben wir noch mal dort angezapft und sind nach Teneriffa gefahren. Wir waren auf der Nordseite der Insel, wo es halt immer abregnet. Bei uns war’s also immer grau, während die englischen Touristen in den Hotelburgen auf der Südseiten nur in der Sonne gechillt haben. Aber das war trotzdem so geil, wir hatten da einfach eine ganze Finca für 500,- Euro. Ein Kumpel von Fid Mella wohnt auf der Insel und hat uns Weed besorgt. Und dann haben wir die ganze Zeit Guacamole gemacht, weil um uns herum alles voll hing mit Avocados. Doz hat nur im Sonnenstuhl geschrieben. Und dann hatten wir noch Robert Winter dabei, um das Ganze fotografisch festzuhalten. Das Album war so ein Upgrade, einfach traumhaft.
Für »Maestro Antipop« sind wir dann wieder nach Brandenburg. Wir waren da in Vielitzsee, dem Dorf, in dem das Haus von Wladimir Kaminer steht. Dann sind wir noch nach Wien, um mit Fid Mella, Jamin und Wandl zu arbeiten. Die neue Platte »90/10« entstand jetzt zum ersten Mal dort, wo wir beide leben, in Berlin und in Amsterdam. Ich wohne mittlerweile mit meiner Familie in Amsterdam und bin so eine Woche im Monat in Berlin. Da haben wir noch eine kleine Wohnung mit altem Mietvertrag. In Berlin wird dann im Studio durchgeballert, nur mal zwei Minuten von der Wohnung zum Studio rüberlaufen und zwischendurch einen Döner holen.
Was mir im Zuge von »90/10« wieder klar wurde: Doz9 ist einfach mein Lieblingsrapper in Deutschland. Wenn ich rappen würde, dann würde ich es gerne so können wie er. Der ist ein gestandener Typ, der über alles drübergehen kann, da gibt’s nie Rumgemaule. Viele Rapper sind echt eindimensional, die rappen immer über eine Geschwindigkeit. Doz kannst du einen Beat mit 115 BPM geben und der rockt den easy runter. Von Trap bis Boogie geht da alles. Auch konzeptionell gibt’s bei dem keine Grenzen: Auf »R.I.F.F.A.« rappt er einen Song über einen Traum, den er gehabt hat. Das könnte so krass schief gehen, aber bei ihm funktioniert das, weil er mit so geilen Bildern arbeitet. Mich erinnert das oft an Rapper wie Ghostface, die mich früher schon fasziniert haben. Es gibt Rapper, bei denen verstehst du beim ersten Mal jedes Wort. Bei Doz9 musst du’s halt dreißig mal hören, um bestimmte Dinge zu verstehen. Und wenn wir zusammen Musik machen, gehen wir immer wieder auf eine neue Reise – also nicht nur örtlich. Wir treffen uns, alles kann, nichts muss, und dann stacheln wir uns gegenseitig in unserer Kreativität an. Es kann überall hingehen.