Rapper’s Rapper #12:
P.TAH über Ghetts

RAPPERS RAPPER_PTah

Zu Beginn der Nullerjahre machte P.TAH mit der Hörspielcrew die erste Rap-Gehversuche, und hat seitdem nicht mehr aufgehört, in der österreichische Szene seine Spuren zu hinterlassen. Natürlich ist P.TAH Vollblut-MC, aber eben viel mehr als das. Er ist Produzent, DJ, Host, Organisator, Label-Betreiber und Vorantreiber von und für Musik. Vor knapp 15 Jahren verlor P.TAH sein Herz an Rap aus UK; die Liebe ist bis heute nicht erloschen. Es gibt in seiner Heimatstadt Wien wahrscheinlich keinen größeren Grime-Fan als diesen Peter »P.TAH« Jeidler. Zum Release seiner neuen EP »LENG«, die dieser Tage natürlich über Duzz Down San erscheint, erzählt er von seinem Lieblingsrapper, natürlich einem britischen.

»Mein Lieblingsrapper ist Ghetts aus East London. Das hat vor allem einen Grund: Ich bin einer der wenigen deutschsprachigen MCs und Produzenten, der maßgeblich von UK Grime, Garage und Dubstep beeinflusst Musik macht. Ich sammle den Sound seit Jahren, lege ihn selbst auf und organisiere Partys mit internationalen Bookings aus dem Bereich. An Ghetts kommt man nicht vorbei, wenn man seit Jahren Grime und Bassmusic feiert und diggt. Ghetts ist einer der besten Reimer und Live-Performer, die ich kenne. Seine Beefs mit Wiley und P-Money haben mich gut unterhalten und auch seine neueren Tracks mit Rude Kid auf der »653«-EP oder die Single »Banger After Banger« funktionieren im Club gut – sie sind perfekte Beispiele für Contemporary Grimesound.

Seine komplexen Reimschemata machen Ghetts so besonders und seine sehr eigene und unfassbar aggressive Stimme. Er ist live eine Bombe, tight wie eine Maschine. Plus: Ich halte ihn für schlau, er zeigt auf einigen Tracks wirklich ausgefuchstes Storytelling.

Es gibt für mich eigentlich keinen vergleichbaren MC. Irgendwie ist er wie ein UK-Eminem, aber halt nicht so poppig und lustig. Seine Stimme klingt so rough – er kann aber total schnell in ein smoothes, halbgeflüstertes Rappen switchen. Das macht dann die Stimmung richtig angsteinflößend, als hätte er eine gespaltene Persönlichkeit. Ausserdem schreibt Ghetts in dopen, außergewöhnlichen Patterns – sehr vielschichtig, aber trotzdem klingt es so easy.

Meine ersten äußerst positiven Erfahrungen mit UK Sound hatte ich 2003 mit Tunes in schlechtester Qualität aus dem Netz: Piratenradio-Mitschnitte, DJ-Sets von Kiss Fm und Rinse. So Solid und Roll Deep hatte ich dann schon auf CD, natürlich auch Wiley oder The Streets. 2005 kam dann »Home Sweet Home« von Kano auf Vinyl ins Haus und ab dem Zeitpunkt hab ich mich dann richtig schlau gemacht über die MCs von dort. Ghetts, der damals noch Ghetto hieß, war einer der ersten, der mich von Anfang an mit seinen Storys und extravaganten Flows in den Bann gezogen hat.

Erst war er Mitglied der legendären NASTY Crew, später dann beim Grime-Kollektiv The Movement, später hauptsächlich alleine unterwegs. Live sah man ihn am Anfang oft mit Kano, als Back Up-MC. »2000 & Life« war dann halt pure Grime Madness. Böse Attitüde, viel Disserei und Punchlines – wirkliche Pionier-Arbeit im Grime. Mit »Ghetto Gospel« hat er schon mehr Songwriter-Qualitäten bewiesen, aber sein drittes Mixtape »Freedom Of Speech« hat dann 2008 alles gekillt. Das gilt ja bis heute auch als eines der wichtigsten Grimetapes überhaupt – zu recht, wie ich finde. Es ist alles so dark und aggressiv… wegweisend! Die »Momentum«-Mixtapes feier ich beide voll und die »653«-EP mit Rude Kid, den ich als Produzenten abartig verehre, ist ein reines Meisterwerk. »Balaclava« oder »Serious Face« haben alles, was ich brauche, wenn ich mit Kopfhörer durch die Stadt laufe und im Kopf mitrappen will. Oder aber wenn ich ein Grime-Set im Club spiele – rohe Energie und lyrisch von Flow und Delivery anspruchsvoll.

Sein Mixtape »The Momentum« von 2011 hat zwar ein unfassbar schlechtes Cover, das habe ich aber sehr oft gehört. Darauf gibt’s Hardcore-Tracks wie »Red Pill« und »Karma«, aber auch HipHop-lastigere Songs wie »Troubled Man« oder »Orions Belt«, die auch einfacher zu hören sind. Er behandelt inhaltlich seine kriminelle Vergangenheit mit Dealer-Stories, die wie ein Thriller im Kopf funktionieren und dazu Tracks über Polizei-Diskriminierung und Rassismus allgemein.

Leider hat auch Ghetts auch Schwächen: Wie so oft bei MCs, die ich verehre, funktioniert das große Album mit eingängigeren Beats, gesungenen Hooks und Ausflügen in alle Richtungen der Popmusik für mich nicht. »Rebel With A Cause« von 2014 hat lyrisch auch starke Stellen, aber die Produktionen fühl ich einfach nicht so, wie wenn sich Ghetts auf Spitting, Bars und Abriss konzentriert.

Mich selbst beeinflusst Ghetts – genau wie Wiley, P-Money, Dizzie oder JME – vor allem durch seine Reimschemata. Auf 140 BpM zu schreiben, ist einfach etwas grundsätzlich anderes als auf 90. Da habe ich mir von den UK MCs, die das perfektioniert haben, viel abgeschaut. Ich mag die rohe Energie bei den Shows und den Punkrock-Vibe bei den Parties in London. Wie diese MCs live abgehen, ist für mich mit keiner anderen HipHop-Show zu vergleichen.«