Producer’s Producer #5:
DJ Shadow über Kurtis Mantronik
»Mein All-Time-Lieblingsproduzent, der auch einen riesengroßen Einfluss auf mein Schaffen hatte, ist Kurtis Mantronik. Seine produktivste Zeit hatte er Mitte der Achtziger. Er produzierte damals für HipHop-Künstler von Sleeping Bag/Fresh Records und natürlich für seine eigene Band Mantronix. Damit hier niemand durcheinander kommt: Mantronik, mit einem »k« am Ende, ist sein eigener Name; unter dem Namen Mantronix, mit einem »x« am Ende, veröffentlichte er als Duo gemeinsam mit dem Rapper MC Tee Musik.
Kurtis Mantronik war der erste Produzent, dem es gelang, Samples mit Breaks, die aus Drum Machines wie der Roland 808 kamen, zu verbinden. Außerdem war er der erste Produzent – neben Marley Marl –, der technische Fehler nicht nur in Kauf nahm, sondern diese Störgeräusche kreativ in seine Musik einarbeitete.
Es ist gar nicht so einfach, Samples und Breaks mit Drum Machines und Synthies harmonisch klingen zu lassen. Mitte der Achtziger war es eine noch viel größere Herausforderung, nur vier Bars zu samplen und alles richtig anzupassen, ohne dass alles komplett schrottig klang. Mantronik leistete für etliche Techniken echte Pionierarbeit – und das rief natürlich etliche neue Produzenten auf den Plan. Er schob zum Beispiel mehrere kurze Samples zusammen und bekam so eine längere, zusammenhängende Sample-Sequenz. Wenn man ehrlich ist, sahen die anderen Produzenten der damaligen Zeit neben Mantronik wie blutige Amateure aus. Eigentlich war es danach erst wieder Dr. Dre, der so gut und funktional die Verbindung zwischen Sampling und Synthesizern schaffte; Dre hatte dann mit seiner Live-Instrumentierung noch die dritte Geheimwaffe im Köcher.
Mit seinem Style war Mantronik also auf jeden Fall ein Vorreiter für HipHop. Seine Beats waren härter als alle anderen. Trotzdem konnten seine Sachen im Club laufen, und Radio-freundlich waren sie auch. Auf seine Produktion für die italienische Sängerin Nocera auf »Summertime, Summertime« haben früher zum Beispiel alle gefreestylet. Diese Produktionen von ihm konzentrierten sich natürlich weniger auf Samples, sondern kombinierten Roland-, Linn- und Yamaha-Drum Machines mit Synthies. Ich fand immer beide Richtungen seiner Produktionen geil, aber war natürlich immer eher Fan seiner härteren Sachen.
Der erste Song, den ich jemals von Mantronik gehört habe, war die allererste Mantronix-Single »Fresh Is The Word«. Der Song hatte einfach alles, was ein Rap-Song im Jahr 1985 für mich brauchte: ein Beat, Rap und Scratches – mehr nicht. Eine Melodie suchte man vergebens. Zu der Zeit kam eine Menge cheesy Crossover-Rap raus und die Leute rappten Kinder-Reime über schlechte Beats, die Songs aus alten Fernsehserien zitierten. Wenn dann Platten kamen, die härter klangen und einen Sraßen-Vibe hatten, hat das natürlich jeder echte HipHop-Fan gefeiert.
Bis heute ist »Turbo Charged« von Just-Ice meine Lieblings-Produktion von Mantronik. Der Song hat einfach alles, was ich an den Mantronix-Produktionen feiere: ein dicker 808-Bass, verschachteltes Drum Programming, stressige Stabs und komische, verkackte Delays. Außerdem gibt es auf dem Song auch eine kleine Überraschung – ich nenne das Edit Break. Dabei nimmt der Engineer den fertigen Track, kopiert ihn, baut dann verschiedene Teile aus und arrangiert sie für eine Art Bridge neu. Den Song kann man heute noch spielen und er klingt immer noch zukunftsweisend.
Der Legende nach lockte Capitol Records Mantronix 1987 oder 1988 mit einem 1-Million-Dollar-Vertrag weg von Sleeping Bag. Sie waren natürlich jeden Cent wert, aber für die Band bedeutete das natürlich auch, dass sie das Geld wieder einspielen mussten. Dementsprechend wurden die Produktionen immer poppiger. Man hatte einfach das Gefühl, dass das neue Label ihn darin bestärkte, seinen Erfolg im Crossover zu suchen und nicht mit dem, was ihn zu so einem außergewöhnlichen Produzenten machte.
Als dann irgendwann Hardcore-Rap auch im Mainstream groß wurde, schien die Zeit von Kurtis-Mantronik-Produktionen bereits vorbei zu sein. Vielleicht hatte er sich einfach schon zu weit in Richtung Pop bewegt. Als Mantronix dann in den frühen Neunzigern von Capitol gedroppt wurde, hörte man immer weniger von ihnen. Ich bin bis heute ein riesengroßer Fan geblieben und versuche auch den Namen bei jeder Gelegenheit ins Gespräch zu bringen. Ich meine auch, dass er irgendwann mitbekommen hat, dass ich so ein großer Fan bin. Anscheinend hat ihn das auch etwas motiviert. Er war und ist bis heute ein Visionär geblieben.
Kurtis Mantronik hat mich auf so unterschiedliche Art beeinflusst… Ich liebe es, seinen Namen zu droppen, wenn man mit Leuten über HipHop spricht. Wenn die Person gegenüber Mantronik kennt, dann merkt man das sofort. Für mich ist es fast ein Test, ob mein Gegenüber ein echter Head ist und wie gut er sich mit HipHop auskennt. Ich habe schon mit einigen Leuten von Mantronik geschwärmt, bei denen man jetzt nicht unbedingt erwartet hätte, dass sie Fans sind – E-40 zum Beispiel oder David Banner. Aber machen wir uns nichts vor: Wer in den Achtzigern HipHop-Fan war, war ein Fan von Mantronix. Wenn nicht, dann hast du entweder nicht richtig zugehört oder hast es einfach nicht verstanden.«