Producer’s Producer #3:
Kamikazes über RZA

PRODUCERS PRODUCER Kamikazes

Die Kamikazes aus Wuppertal mögen staubige Loops und deftige Drums. Das konnte man auf ihrem Debütalbum »Kleiner Vogel« aus dem Jahr 2014 hören. Genauso hört man das auf ihrer neuen EP »Krahter«, die sie gemeinsam mit Degenhardt aufgenommen haben. Zu welchem Produzenten sie aufschauen, ist dementsprechend nachvollziehbar. Die Brüder Mythos und Antagonist mögen den RZArector. Denn: Was reimt sich auf Wuppertal? Genau, Wu-Tang Clan. Deswegen singen die Brüder hier auch ein Loblied auf das Wu-Mastermind. Eine neue Folge von Producer’s Producer.

»Das dicke gelbe Double U kannten wir schon aus Kindertagen von Besuchen bei unserem älteren Cousin. Neben Latzhosen trug dieser nämlich gefühlt ausschließlich Wu-Tang-Merch. Angeekelt vom Muff des Eimbush Stylee und dem Debüt von Nico Suave verschlug es uns 2001 in die Gänge des Wuppertaler Saturn mit Geld für zwei CDs auf Tasche – nice price! Weil es also günstig sein musste und wir ein glückliches Händchen hatten und haben, kam ›It Was Written‹ von Nas – das beste Nas-Album! – und das erste Wu-Tang-Album dabei rum. Das gelbe Wu-Tang-Logo und die Großstadt-Ninja Crew auf dem Cover kamen uns wie eine Verheißung vor. Zu Recht. 15 Jahre Amirap-Studium später ist der erste Eindruck, den der RZA-Streifen bei uns hinterließ, ungebrochen. So wie in der HipHop-History acht Jahre früher war das, was wir hier – vor allem auch Beattechnisch – vorgesetzt bekamen, ein Moment des völligen Umsturzes in unserem ästhetischen Empfinden. Aus ihren ursprünglichen Körpern wild herausgerissene Sample-Fetzen entweder zu fürchterlich wütenden (›Bring Tha Ruckus‹) oder grausam schönen (›Can It Be All So Simple‹) Monstern komponiert, bildeten zusammen mit dem urzeitlich anmutenden Kriegsgeheul unsere Utopie davon, was Style ist.

Einzigartig ist der Wahnsinn in der Herangehensweise der Produktion, die aus der gleichen Hand wie der Rap sich tatsächlich auf Albumlänge immer weiter verdichtet. Nicht nur hat RZA die wohl beste Band in einer solchen Größe zusammengecastet, sondern er stellte mit diesem Album auch die gesamte Eastcoast-Beattradition auf den Kopf. Wo HipHop-Beats sonst oft noch nicht sehr viel mehr machten als Funk- und Soul-Klassiker neu zu framen, entnahm RZA Soundtracks-Geräuschkulissen und brachte damit eine neue Art der Atmosphäre. Anstatt die Samples als Loops laufen zu lassen und wie rohe Eier zu behandeln, werden auf den frühen RZA-Produktionen Samplefetzen selbst wie einzelne Töne behandelt und bilden in der Summe die Orchestrierung der Gesamtproduktion. In unseren ersten eigenen Beatschaffenden Jahren, deren Beginn so ziemlich mit dem Erwerb von ›Enter The Wu-Tang (36 Chambers)‹ zusammenfällt, haben wir diesen Ansatz konsequent nachvollzogen.

Grundlage dieses Schaffens waren damals Fruity Loops und die CD-Sammlung unseres Vaters, die eine Bandbreite von klassischer Musik, über Jazz und Blues bis hin zu Rock und Popmusik umfasste. Auf dem zweiten Wu-Tang-Album, das in der HipHop-History vier Jahre und in unserer History zwei Jahre später erschien, ging RZA schon dazu über, sich hinter dem Keyboard selbst um das harmonische Gebäude seiner Produktionen zu kümmern. Jedenfalls hier und da. Uns hat es jedenfalls ermutigt, uns auch auf unsere Skills am Klavier zu besinnen und mehr und mehr auch mit Synthies zu hantieren. Neben der rohen und deformierenden Handhabe von Samplestücken hat der RZA-Typ also auch die musische Herangehensweise unseres Produzierens gefördert. Vor allem aber hat das erste Wu-Tang-Album den Standard dafür gesetzt, was es wirklich heißt, musikalisch im Rap sein eigenes Ding zu machen, das von niemandem so leicht übernommen werden kann.

Über RZAs Lebenswerk lässt sich sagen – sofern das schon möglich ist –, dass er trotz ein paar, wohl unvermeidlicher Ausfälle (Man denke an ›The World According To RZA‹!) ziemlich stabil dabei geblieben ist. Weitere Höhepunkte waren für uns ›The W‹, ›Iron Flag‹ und der Soundtrack zu ›Ghost Dog‹. Würde uns jetzt jemand anfragen, Filmmusik zu machen, wären wir bestimmt nicht abgeneigt.«