Producer’s Producer #18:
Theo Croker über Madlib

PP18

Theo Croker nur als Jazz-Trompeter abzustempeln, wäre falsch. Als Produzent und Komponist ist 36-Jährige genauso von Rap und HipHop beeinflusst. Tatsächlich ist auf seinem neuen Album »BLK2LIFE || A FUTURE PAST« neben Ari Lennox, Charlotte Dos Santos oder Malaya auch Wyclef Jean zu hören. An dieser Stelle erklärt Theo Croker, warum Madlib für ihn einer der einflussreichsten, wichtigsten und essentiellsten Producer überhaupt ist.

»Ich habe viele Lieblingsproduzenten, aber wenn ich einen wählen müsste, dann wäre es Madlib. Niemand sonst ist so gut darin, solche Landschaften aus ganz unterschiedlichen Sounds zu kreieren. Hier ein Sample, dort ein Orchester oder einen Breakbeat, dann aber auch die Vocals von einem Chor oder Geräusche aus Stadt und Natur – jede von Madlibs Produktionen ist eine musikalische Collage, die ihresgleichen sucht!

Zum ersten Mal verstanden habe ich das, als ich »Shades of Blue« gehört habe. Das Album erschien 2003, als ich zur High School ging. Ich hörte das Album zum ersten Mal und dachte: »Was ist das für ein Jazz-Album? Und wer spielt die ganzen Instrumente? Wie machen die das alles?« Ich brauchte eine Weile, bis ich verstand, dass das alles Samples waren, die Madlib in einen völlig neuen Kontext gesetzt hatte.

Der Song »Distant Land« beeindruckte mich damals am meisten. Wie der Beat reinkam, dann noch die Bläser im Outro – das Ganze hatte so eine verträume Stimmung, klang nach Jazz aber auch nach HipHop. Es fühlte sich für mich an, als wäre ich ein eine warme Decke aus Musik eingewickelt worden. Bis zum damaligen Tag hatte ich etwas Derartiges noch nie gehört. Auch nicht, dass jemand Jazz und den daraus hervorgegangenen HipHop so selbstverständlich ineinanderfließen ließ. Plötzlich hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass jemand diese Musikrichtungen, die ich auch so sehr liebe, richtig versteht.

In den Jahren darauf beschäftige ich mich immer mehr mit Madlib. Ich mag bis heute, dass er sich nicht auf ein bestimmtes Genre beschränken oder Regeln vorschreiben lässt. Bei ihm geht es immer nur um das Gefühl. Diese Einstellung, gepaart mit seiner Fähigkeit, die unterschiedlichsten Sounds ineinanderfließen zu lassen, macht ihn so besonders für mich. Wenn ich »Shades of Blue« höre, dann klingt das für mich nicht nach einem Haufen Jazz-Samples, sondern nach der Musik eines Produzenten, der seine ganz eigene Interpretation des Ausgangsmaterials vorlegt, dabei doch nichts von seiner Integrität oder Authentizität einbüßt und alles dreckig und roh klingen lässt.

Ein schönes Beispiel dafür ist auch »Loose Goose« vom »Sound Ancestors«-Album. Niemand sonst schafft es, gleichzeitig so nach Aventgarde zu klingen und dabei doch zugänglich zu bleiben. Nur Madlib lässt seine Kunst auf einem anderen Planeten stattfinden und hat doch diesen beständigen Groove. Damit hat Madlib mich auch in meiner eigenen Musik beeinflusst. Er hat mich durch seine Produktionen immer wieder ermutigt, neue Dinge auszuprobieren, nicht nur an meine Grenzen zu gehen, sondern sie auch zu sprengen.

Bei jedem Album und jedem Song, an dem er mitwirkt hat, hört man sofort, dass es er ist. Selbst, wenn er mit anderen Producern wie etwa Dilla für das Jaylib-Projekt »Champion Sound« zusammenarbeitet. Man wusste sofort, wenn er etwas beigesteuert hatte. Das Gleiche war es mit dem Madvillian-Projekt, für das sich Madlib mit MF Doom zusammengetan hat. Seine Quasimoto-Alben, vor allem »The Further Adventures of Lord Quas«. Außerdem die »Beat Konducta«-Reihe, die 13 Alben der »Madlib Medicine Show«-Reihe oder das »Shades of Blue«-Album, für das er Songs aus dem Archiv von Blue Note Records geremixt hat. In all diesen Veröffentlichungen konnte man immer seinen Sound hören – und das schon nach wenigen Sekunden.

Ich kenne Madlib nicht persönlich und weiß daher auch nicht genau, wie er arbeitet. Aber man hört ja, dass er von Vinyl samplet. Das tun viele, aber er macht es anders. Durch die Art und Weise, wie er zum Beispiel Vocalsamples benutzt, erzählt er immer wieder wunderschöne Geschichten. Man hört, dass Madlib ein Cratedigger ist. Immer, wenn ich mich auf die Suche nach den Originalen gemacht habe, die Madlib in seinen Produktionen verwendet habe, bin ich auf obskure Veröffentlichungen gestoßen. Etwa Bands, die nur diese eine Platte veröffentlicht haben.

Gleichzeitig führt die Suche oft auch ins Nichts. Denn bei Madlib weiß man oft nicht, ob es sich um ein Sample oder einen selbst aufgenommenen Sound handelt. Er verwischt die Grenzen und schafft dadurch beim Hörer ein surreales, fast schon dystopisches Gefühl: Was ist echt – und was nicht? Was mich an den Produktionen von Madlib außerdem immer begeistert hat, war der Fokus auf das perkussive. Jeder seiner Beats legt Wert auf einen ganz bestimmten Groove.

All das macht Madlib in meinen Augen zu einer der wichtigsten und essenziellen Figuren, die Schwarze Musik in den USA weitergebracht hat. Von den Neunzigern bis ins Jetzt. Auch, weil er nicht nur mit seinesgleichen wie J Dilla oder MF Doom zusammengearbeitet, sondern ebenso für De La Soul, Erykah Badu oder sogar Kanye West produziert hat.«