Producer’s Producer #15:
Gnarly über Lido

PP15

Der guten Vorsatz fürs neue Jahr der Londoner Produzentin Gnarly? Jeden Tag im Januar einen Beat aus dem Drumcomputer hauen. Hauen ist bei ihr durchaus wörtlich zu nehmen. Ihre Finger Drumming-Skills präsentiert sie ihren Follower*innen regelmäßig auf ihren Socials und feuert ihre Instrumentals auch gleich in die Streaming-Welt. Das Herausfordern herkömmlicher Wege ist hier durchaus bewusst gewählt. Gnarly feiert den norwegischen Produzenten, Sänger und Songwriter Lido, der in seiner Musik gerne ungewöhnliche Wege geht. Aktuell ist Gnarly auf dem Sampler »Nuthin‘ But A She Thang« zu hören – einer Beat-Compilation von 14 Produzentinnen aus acht verschiedenen Ländern, die gerade auf dem Label Dedicate erschienen ist. Hier ihre Laudatio auf Lido.

»Zum ersten Mal habe ich von Lido 2014 gehört, als er seine EP »I Love You« veröffentlichte. Ich glaube, sie wurde mir damals vorgeschlagen, weil ich zu der Zeit ähnliche Sachen gehört habe. Lido ist ein Multi-Instrumentalist und außergewöhnlicher Musiker, deswegen fühlt sich alles, was er macht, sehr echt und authentisch an. Er spielt selbst Drums, Keys, Bass, Gitarre und Synths – und wahrscheinlich noch viel mehr. Seine Musik bringt pure Emotionen rüber. Ich liebe es, wie er mühelos verschiedene Styles, unterschiedliche Kompositionstechniken und Arrangements vermischt. Er reiht sich dabei in Künstler ein wie Masego, Tom Misch oder FKJ – das sind alles Artists, die verschiedene Instrumente spielen und diesen Future Jazz-R&B-Vibe haben.

Lidos Songs »I Love You« und »I Love You Part 2« haben mein Leben verändert. Und damit natürlich auch die Art und Weise, wie ich produziere. Diese Songs haben mir die Tür zu einer neuen Welt geöffnet, wo Tracks ganz speziell komponiert sind und ganz unterschiedliche Chords aufeinander folgen und mit Sounds zusammengebaut werden können.

Er ist wahnsinnig gut darin, ganz besondere Melodien und Chord Progressions einzuspielen. Das kann man eigentlich in allen seinen Songs hören. Einen guten Einstieg liefert auf jeden Fall »I Love You«. Hier kann ich nur die Version empfehlen, bei der Lido den Song mit einem norwegischen Orchester performt. Das ist unglaublich.

Das Besondere an Lido ist seine Singstimme. Sie ist anders als bei gewöhnlichen Sängern – nicht so klar und sauber, aber das macht ihn so nahbar. Sein ganzer Sound bedient sich nicht bei einem bestimmten Genre – er klingt sehr eigen.

Ich liebe einfach seinen eigenen Sound und versuche mir daran ein Beispiel zu nehmen. Seine Kompositionen orientieren sich oft nicht an herkömmlichen Mustern und gegebenen Strukturen – auch ich versuche mich von meinen Gefühlen leiten zu lassen. Lido ermutigt mich auch dazu, mich weiter in Richtung Jazz und Gospel auszuprobieren und daran zu arbeiten, meine Synths und andere Instrumenten noch spannender aufeinander zu legen.

Ich glaube, Lido wurde stark vom Gospel und R&B beeinflusst, aber natürlich hört man auch diesen futuristischen elektronischen Sound heraus. Er hat bereits mit großen Artists wie Jayden Smith oder Halsey zusammengearbeitet und über Diplos Label Mad Decent unter dem Namen Trippy Turtle noch elektronischere Musik releast.

Leider veröffentlicht Lido viel zu wenig Musik, wenn du mich fragst. Ich wünschte, von ihm würde öfters etwas Neues kommen, aber ich verstehe natürlich, dass man kreative Prozesse nicht erzwingen kann.«