Producer’s Producer #11:
Flip über Erick Sermon

Als Teil der Texta-Crew hat Flip Rap und HipHop aus Österreich mehr als 20 Jahre lang geprägt. Dieser Tage hat der Produzent aus Linz seine Instrumental-Platte »Experiences« veröffentlicht. Ein Release, das es – genau wie die restliche Vita des 47-jährigen – vielleicht nie geben würde, wenn da nicht seiner Zeit ein gewisser Erick Sermon gezeigt hätte, wie man HipHop und Funk miteinander vermengt. An dieser Stelle folgt deshalb ein Loblied von Flip auf den Green-Eyed Bandit.

11_PRODUCERS PRODUCER

Bei den Diskussionen, wer denn Ende 80er und 90er Jahre die einflussreichsten und besten Producer waren, fällt selten der Name Erick Sermon. Ich wundere mich immer, warum. Er hat endlose Hits, Remixes und Alben gemacht – davon mindestens fünf certified classics. Aber der Reihe nach: Zum ersten Mal habe ich von Erick Sermon gehört, als ich mir 1988 das EPMD-Album »Strictly Business« gekauft habe. Das hat mich gleich voll erwischt – auch, wenn damals Public Enemy und »It Takes a Nation…« auf Dauerrotation bei mir lief, was vom Soundentwurf ja komplett anders klang und auch inhaltlich etwas ganz anderes war. Aber EPMD hatte einfach Funk: Ein Begriff von dem ich ehrlicherweise damals keinen blassen Schimmer hatte, aber das Feeling das EPMD verbreiteten war definitiv ein anderes, als das der restlichen New York Cats.

Gut, heute kenne ich natürlich die Samplequellen, aber der Loop von »More Bounce to the Ounce« hat mich damals extrem geflasht. »You’re a Customer«, dessen programmierte Linn Drums immer wieder verwendet wurden (siehe »Mass Appeal« von Gang Starr, »In the Flesh« von Pete Rock & C.L. Smooth, »I Don’t Wanna Know« von P. Diddy oder »New York, New York« von Dogg Pound, um nur einige zu nennen), »I’m Housin’«, »Let the Funk Flow« und natürlich das »7 Minutes of Funk«-Sample der Whole Darn Band auf »It’s my Thing«. In Interviews habe ich gelesen, dass sie die Samples damals mangels Sampler auf Tape hintereinandergeschnitten haben. Sie, weil ja die ersten vier Alben von EPMD eine Koproduktion von Erick Sermon und PMD waren. Beide reklamieren das Funk-Ding jeweils für sich – aber ich fand sie als Rap-Duo einfach genial und »Strictly Business« rangiert für mich noch immer unter den besten Rapalben aller Zeiten.

»Unfinished Business«, das Nachfolgealbum, hatte zwar ein paar Ausfälle, aber allein wegen »So What Cha Sayin’« gebührt ihnen ewiger Respekt. Das Funkadelic -Sample »One Nation Under a Groove« in Verbindung mit dem Drumbreak, der anscheinend von Jazzie B und Nelly Hooper (»Fair Play« von Soul II Soul) kam, eine Variation der »Impeach the President«-Drums, killt heute noch jeden Dancefloor. Auch das »Riding High«-Sample von Faz-O auf »Please Listen to my Demo«, nach dem ich auch meine Demo-Kolumne beim The Message Magazin benannt habe, war damals extrem wegweisend. Auch das Joe-Cocker-Piano-Sample, das Dr. Dre mit 2 Pac dann weltberühmt gemacht hat, haben sie als erster für HipHop entdeckt.

Das dritte Album, »Business as Usual«, war auch wieder extrem dope – auch, wenn vielleicht nicht der große Hit drauf enthalten war. Aber »Rampage«, »Give the Oeople« oder »Goldigger« (übrigens lange vor Kanye West!) waren schon schwere Banger. Das Album ist allerdings auch deshalb in die Geschichte eingegangen, weil es die ersten Auftritte von Redman auf »Hardcore« und »Brothers on my Jock« hatte, dem Erick Sermon im Anschluss eines der besten Debütalben der Geschichte auf den Leib maßgeschneidert hat.

»Whut? Thee Album«, sowie das vierte EPMD-Album »Business Never Personal« im Jahr 1992 markierten dann einen Wechsel des Produktions-Styles von Erick Sermon. Die Beats bekamen mehr Layers und sehr oft eine extrem fette Bassline, welche die Tracks zusammenhielten. Ein Charakteristikum, das niemand im Game so gemacht hat wie der Green-Eyed Bandit. Checkt mal »Time 4 Sum Akshun», »Jam 4 U«, oder »Blow your Mind« vom »Whut? Thee Album« oder »Crossover« bzw. »Play the Next Man«. Die Basslines stehen denen von Dr. Dres »The Chronic«, welches ebenfalls 1992 releast wurde, in nichts nach. Einzig die hochgepitchten Moog-Synths fehlen bei Erick Sermon. Auch das Verwenden von Talkbox-Samples kann man ihm so ziemlich fix zuschreiben, das hat er tatsächlich sehr bald perfektioniert. Teilweise ist nicht ganz klar, ob die Basslines geloopt oder eingespielt waren. Der Sampler seiner Wahl war damals der Roland W30, der den sehr eigenen Roland-Filter und Tasten statt Buttons hatte – plus der 30/15hz Grit.

Dann kam ja der Bruch mit Parrish Smith und eine neue Phase für Erick Sermon. Er zog nach Atlanta um und begann, in den Darp Studios zu arbeiten, wo Dallas Austin, ebenfalls einer der most underrated Producer, tätig war. Mit ein Grund, warum er auf Redmans Nachfolgealbum »Dare Iz a Darkside« weniger präsent war und Redman den Großteil gemeinsam mit DJ Rockwilder produzierte. Bis auf die Singles – und die hatten es in sich: »Cosmic Slop«, »Can’t Wait« und »Rockafella Remix«. In Atlanta arbeitete Erick Sermon an seinem Soloalbum mit den den big tunes »Hittin‘ Switches«, »Stay Real« und natürlich »Hostile», mit dem Keith Murray auf die Welt losgelassen wurde. Nur logisch, dass Sermon auch Murrays Debütalbum »The Most Beautifullest Thing In This World« produzierte – ein weiterer Klassiker des Genres und funky as hell.

Neue Gesichter ins Game bringen war generell eine Stärke von Parrish und Smith. Ohne die beiden gäbe es keine Das EFX, keinen K-Solo, keinen Redman und keinen Keith Murray. Es gibt kaum Dudes die sowohl als MC als auch als Producer als auch als Talentscouts so erfolgreich waren – und das, obwohl Erick Sermon zu diesem Zeitpunkt gerade mal 25 geworden war. Und wenn wir schon bei Professionen sind: E. Dub verdingte sich auch als Remixer und durch Fremdproduktionen wie »We Getz Busy« von Illegal, »Born Gangstaz« von Boss oder Shaquille O’Neal – um nur einige zu nennen.

1995 droppte Erick Sermons zweites Album »Double or Nothing«, das zwar nicht schlecht war, aber auch nicht an den Erfolg des ersten Albums anschließen konnte. Dafür knallte »How High« von Redman und Method Man umso härter rein. Ein Masterpiece. 1996 langte Sermon dann mit »Muddy Waters« von Redman und »Enigma« von Keith Murray nochmal so richtig zu. Gerade ersteres ist meiner Meinung nach productionwise eines seiner besten Alben überhaupt, wenngleich »Enigma« auch nicht zu unterschätzen ist.

1997 folgte dann die EPMD-Reunion und mit »Back to Business« ein mehr als würdiges Comeback-Album. Ich habe für die Tuesday-Classics-Alben mit Average damals »The Joint« nachproduziert. Es war spannend, mit wie wenig Schnipseln, einer eigentlich simplen Bassline und einfachen Drumpattern so ein funky tune gemacht wurde. Aber entweder du hast den Funk – oder eben nicht. Im selben Jahr produzierte Erick Sermon auch LL Cool Js »4,3,2,1«, laut eigener Aussage seine Variation von Busta Rhymes »Put your Eyes Where My Hands Can See«-Beat, der den alten Todd James wieder ins Rampenlicht beförderte, nicht nur des Beefs mit Canibus wegen. 2001 legte Erick Sermon dann mit »Music« nochmal einen Geniestreich hin, der ihm den Wechsel ins neue Millenium ermöglichte. Die gechoppten Vocals von Marvin Gaye, die Sermon-typische Bassline und ein weiterer Classic war geschaffen.

Ehrlicherweise muss man sagen, dass sein Standing als gefragter Producer ab da immer weiter abnahm. Auch, wenn seine Qualitäten immer wieder aufblitzen, sein letztes Soloalbum »Vernia« lässt sich durchaus anhören. Aber gut, der Mann hat gute zehn Jahre abgeliefert. Was will man mehr? Um es in seinen Worten aus dem Track »Crossover« zu sagen:

»Let’s get up, let’s get down
Roll with the hardcore funk, the hardcore sound
Let’s get wit this, mackadocious funk material
So simple, when I rock wit the instrumental
Who am I (E-D the Green Eyed Bandit)
Control my career so I can never get stranded
«