Producer’s Producer #1:
Dexter über Madlib

allgood_producers-producer_dexter-madlib_copyright-ALLGOOD_Bplus-stonesthrow_saeed-0711-ent

Detailverliebt, mit einem feinen Händchen für Melodik, einem riesengroßen Fundus an Samples und HipHop-Groove as fuck, ist er einer der interessantesten und fähigsten Produzenten hierzulande. Daher freuen wir uns besonders, unser neues Format »Producer’s Producer«, in dem – analog zu »Rapper’s Rapper« – Produzenten über ihre Zunft-Idole sprechen, mit Dexter einzuläuten. Anlässlich des kommenden Fatoni-Kollabo-Albums »Yo, Picasso«, erzählt uns Dexter, was der Beat Konducta Madlib für ihn und seine musikalische Entwicklung bedeutet hat.

»Wir schreiben das Jahr 1999: Damals bin ich aus meinem Kaff mit der S-Bahn immer nach Stuttgart gefahren, um mir die ›Juice‹ zu kaufen. In besagtem Jahr war dem Heft irgendwann ein Tape beigelegt – so eine Art Snippet für das erste offizielle Lootpack-Album ›Soundpieces: Da Antidote‹. Dieses Tape war so kurz, dass ich es immer gleich zweimal auf dem Weg zur Schule pumpen konnte. Das Snippet hat sein Ziel nicht verfehlt und ich habe mir das 3LP-Album am nächsten Monatsanfang von meinem Taschengeld zugelegt. Lootpack waren Wildchild, DJ Romes und – wer hätte es gedacht: Madlib. ›Soundpieces‹ war ein Album, das mich nachhaltig geprägt hat und immer noch zu meinen Top-Ten-Lieblingsalben zählt. Die Produktionen waren für die damalige Zeit außergewöhnlich. Mich sprachen die obskuren Samples und die Art und Weise, wie sie verwendet wurden, sehr an. Auch in den Texten wurde immer wieder darüber gerappt, wer hier die Beats gemacht hat: der Beat Konducta. Es war damals nicht gerade üblich, dass man den Producer so oft erwähnte – mir blieb der Name Madlib sofort hängen.

Es folgten Klassiker wie Quasimotos ›The Unseen‹, das Jaylib- sowie das Madvillain-Album. Ich bin so dermaßen tief in die Madlib-Samplewelt eingetaucht, wie seit Mitte der 90er nicht mehr, als ich mich noch im Wu-Universum aufhielt. Aber erst mit der Beat-Konducta-Reihe hat Madlib – meiner Meinung nach – seinen ureigenen Sound gefunden. Mit dem Boss-SP-303-Sampler kaputt-timegestretchte Basslines und überkomprimierte Samples aus aller Herren Länder treffen auf dumpfe 60-Hertz-Bassdrums und Minimal-Snares. So klang sonst keiner! Ich habe mich auch immer gefragt, wie der das mit den wabbelnden Basslines eigentlich macht, bis ich irgendwann einmal gecheckt habe, dass der Sound durch die Time-Stretch-Funktion aus der 303 kommt. Ich habe das dann auch versucht nachzumachen, weil ich so drauf hängengeblieben bin – aber wirklich geschafft hab ich’s nie. Es gibt ja durchaus Leute, die sagen, ich hätte eine gewisse Zeit lang nur Madlib kopiert. Ganz so drastisch würde ich es jetzt nicht sehen, aber er ist sicherlich eine der Hauptinspirationsquellen gewesen. Die Auswahl der Samples und deren Stimmung trafen und treffen einfach noch immer genau meinen Geschmack. Das sind genau die Sachen, die ich selbst digge: Library Music, Jazz, Afro Beat, Brazil, Psychedelic Rock. Ich glaube, wenn ich ihn mal kennenlernen könnte, würden wir uns auf musikalischer Ebene sehr gut verstehen. Und wahrscheinlich könnte ich selbst ihm noch ein paar obskure deutsche Sachen aus den 60ern, 70ern und 80ern zeigen, die er vielleicht noch nicht kennt… zumindest stelle ich mir das so romantisch vor.

Wenn ich jetzt noch seine Fähigkeiten als Multi-Instrumentalist mit abertausend Alter Egos und Bandprojekten anschneiden würde, säße ich noch morgen hier. Nur eins kurz: Selbst Brazil-Pionier Mamão von Azymuth war erstaunt, dass Madlib als Ein-Mann-Band komplette, authentisch klingende Brazil-Alben einspielt. Da krieg ich immer das Kotzen, wenn jemand sagt: ›Madlib ist ja nix Besonderes – der loopt ja nur Samples.‹ Für meinen Geschmack erzeugt niemand sonst eine so einzigartige Stimmung in seinen Beats. Auch wenn J Dilla natürlich unumstritten genial war – Madlib war für mich persönlich immer einen Funken interessanter. Und auch, wenn manche seiner neueren Releases nicht mehr dieselbe Magie besitzen wie noch vor ein paar Jahren, hole ich mir immer noch blind fast alles auf Platte, was er rausbringt.«